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KFGNorm
KFG 1967 §109 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Dorner, Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Berger, über die Beschwerde des FS in W, vertreten durch Dr. Johann Herndlhofer, Rechtsanwalt in Wien I, Wiesingerstraße 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 18. Juni 1985, Zl. 52.472/1 - IV-1/85, betreffend Entziehung der Fahrlehrerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 18. Juni 1985 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 117 Abs. 1 i.V.m. § 109 Abs. 1 lit. b KFG 1967 die ihm mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 25. November 1958 erteilte Fahrlehrerberechtigung für die Kraftfahrzeuggruppe B für die Dauer einen Jahres, gerechnet vom Tage der Rechtskraft dieses Bescheides an, entzogen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vierliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer deshalb die Fahrlehreberechtigung - d.i. gemäß § 117 Abs. 1 KFG 1967 die Berechtigung, als Fahrlehrer an einer Fahrschule praktischen Fahrunterricht zu erteilen - entzogen, weil sie ihn als nicht vertrauenswürdig im Sinne des § 109 Abs. 1 lit. b KFG 1967 angesehen hat. Dabei legte sie - auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß sie auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides, nämlich des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 12. Februar 1985, Bezug genommen hat - den Sachverhalt zugrunde, daß der Beschwerdeführer mit Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 14. Dezember 1983, AZ 6 U 941/83, welches am 7. Mai 1984 nach Abweisung der Berufung durch das Kreisgericht St. Pölten rechtskräftig geworden sei, des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach dem § 89 (81 Z. 1) StGB bestraft worden sei, weil er am 28. Mai 1983 auf der Westautobahn (Richtungsfahrbahn Salzburg) im Gemeindegebiet von Böheimkirchen) fahrlässig eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit und die körperliche Sicherheit von Menschen dadurch herbeigeführt habe, daß er seinen Pkw auf der Autobahn (nach der Ausfahrt von einem Parkplatz unter teilweiser Benützung des ersten Fahrstreifens) rückwärtsfahrend lenkte, „in der Folge nachkommende Verkehrsteilnehmer zu einem plötzlichen Abbremsen und Verreissen ihrer Fahrzeuge, die dadurch ins Schleudern gerieten, veranlaßte“ und somit deren namentlich genannten Insassen in ihrer körperlichen Sicherheit gefährdete. Weiters sei der Beschwerdeführer am 22. Oktober 1981 vom Bezirksgericht Floridsdorf zur AZ 9 U 2226/81, wegen Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB bestraft worden, weil er am 13. Dezember 1980 in Wien 22 nach einem Verkehrsunfall in den seine Gattin verwickelt gewesen sei, dem seiner Meinung nach schuldtragenden Lenker einen Faustschlag ins Gesicht versetzt habe, der eine Gehirnerschütterung zur Folge gehabt habe. Der Beschwerdeführer gesteht diese beiden Verurteilungen, die für die belangte Behörde bindend waren, zu.
Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt dargelegt hat (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 6. Juli 1982, Zl. 82/11/0049, und die dort angeführte weitere Judikatur, sowie das Erkenntnis vom 23. Mai 1984, Slg. Nr. 11450/A), ist bei dem im § 109 Abs. 1 lit. b KFG 1967 verwendeten Begriff der „Vertrauenswürdigkeit“ - da weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesmaterialien Aussagen zur näheren Bestimmung dieses Begriffes enthalten - von der Bedeutung auszugehen, die diesem Ausdruck im allgemeinen Sprachgebrauch zukommt. Dem Wort „vertrauen“ kommt demnach inhaltlich die gleiche Bedeutung zu wie einem „sich verlassen“. Verläßlich ist eine Person dann, wenn sie nach ihrer gesamten Geisteshaltung und Sinnesart ein Persönlichkeitsbild vermittelt, das bei Berücksichtigung aller für das Gemeinschaftsleben belangreichen Richtungen ein in sie gesetztes Vertrauen zu rechtfertigen vermag. Es kann schon eine einzige strafbare Handlung, die in auffallendem Gegensatz zu dem sonstigen jahrelangen Verhalten eines Fahrlehrers steht, sein gesamtes Charakterbild so verändern, daß gesagt werden kann, daß die bis dahin nie in Zweifel gezogene Vertrauenswürdigkeit nicht mehr vorhanden ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 1980, Zl. 3139/78).
Auf dem Boden dieser Rechtslage sind die Beschwerdeausführungen nicht geeignet, die Annahme der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer fehle die Vertrauenswürdigkeit, zu entkräften. Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, daß bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit eines Fahrlehrers ein strenger Maßstab angelegt werden muß, soll er doch künftigen Fahrzeuglenkern das richtige Verhalten im Straßenverkehr vermitteln, und daß das Versetzen eines Faustschlages im Zuge eines Verkehrsunfalles und das Rückwärtsfahren auf der Autobahn mit der damit verbundenen konkreten Gefährdung von Personen eindeutig kein richtiges Verhalten im Straßenverkehr darstellt. Mit seinem Einwand, bei dem Vergehen der Körperverletzung am 13. Dezember 1980 handle es sich nicht um einen Verstoß gegen kraftfahrrechtliche oder straßenpolizeiliche Vorschriften, verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage, weil auch ein Verhalten, in dem nicht ein derartiger Verstoß gelegen ist, die mangelnde Vertrauenswürdigkeit eines Fahrlehrers erweisen kann, sofern es - wie im vorliegenden Beschwerdefall - Rückschlüsse auf dessen Persönlichkeitsbild in der Richtung, daß es nach dem oben Gesagten mit dem Beruf eines Fahrlehrers nicht vereinbar ist, zuläßt. Der Beschwerdeführer hat hiebei auch übersehen, daß die belangte Behörde (im Gegensatz zur Erstbehörde) ihre Entscheidung nicht (auch) auf die Bestimmung des § 109 Abs. 1 lit. g KFG 1967, in welcher u.a. darauf abgestellt wird, daß eine Bestrafung nicht wegen schwerer Verstöße gegen kraftfahrrechtliche oder straßenpolizeiliche Vorschriften erfolgte, gestützt hat, sondern es ausschließlich um die Beurteilung seiner Vertrauenswürdigkeit im Sinne der lit. b dieser Gesetzesstelle geht. Wenn der Beschwerdeführer den Vorfall vom 13. Dezember 1980 in seiner Bedeutung mit dem Bemerken herabzumindern versucht, die näheren Umstände der Tat zeigten, daß sie unbesonnen bzw. in einer heftigen Gemütsbewegung ausgeführt worden sei, so ist dem entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer damit, egal aus welchen Beweggründen, ein der Rechtsordnung widersprechendes Verhalten im Straßenverkehr gesetzt hat - wobei im übrigen § 83 Abs. 1 1. Fall StGB den Vorsatz, am Körper zu verletzen, voraussetzt (siehe Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch2, 568) -, wodurch aber die Annahme begründet ist, daß er sich auch in Hinkunft, insbesondere im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Fahrlehrer, zu einem solchen oder ähnlichen Verhalten hinreißen läßt. Daran vermag der Umstand, daß der Beschwerdeführer bis zu diesem Vorfall (auch als Fahrlehrer) nicht nachteilig in Erscheinung getreten ist, nichts zu ändern. Auf Grund beider zugrundeliegender strafbarer Handlungen des Beschwerdeführers, in denen seine nunmehrige Einstellung zur Rechtsordnung zum Ausdruck kam, fällt sein vorangehendes jahrzehntelanges Wohlverhalten nicht entscheidend ins Gewicht. Der Umstand, daß das (zweifellos schwerwiegende) Lenken eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gemäß § 5 Abs. 1 StVO 1960 die Annahme der fehlenden Vertrauenswürdigkeit rechtfertigt (vgl. auch dazu das bereits erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 1980, Zl. 3139/78), schließt - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht aus, daß auch ein Fehlverhalten, wie es der Beschwerdeführers - nicht aus, daß auch ein Fehlverhalten, wie es der Beschwerdeführer am 28. Mai 1983 an den Tag gelegt hat, zu derselben Annahme führt. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, auch den gewissenhaftesten Lenkern könne einmal ein schwerer Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung (hier: durch das Verhalten vom 28. Mai 1983) unterlaufen, ist deshalb verfehlt, weil ein Fahrlehrer ganz besondere Voraussetzungen zu erfüllen hat, die weit über das hinausgehen, was der Gesetzgeber von dem Lenker eines Kraftfahrzeuges schlechthin verlangt (§ 66 KFG 1967, vgl. dazu ebenfalls das zuletzt zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes).
Wenn der Beschwerdeführer geltend macht, daß die Begehung der beiden strafbaren Handlungen schon längere Zeit zurückliege, so ist er insofern im Recht, als die belangte Behörde die Frage nach seiner Vertrauenswürdigkeit bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides (bzw. im Rahmen ihrer Kontrollfunktion bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides im Sinne des Erkenntnisses eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11237/A) zu prüfen hatte. Denn auch die Entziehung einer Fahrlehrerberechtigung - ebenso wie die Entziehung der Lenkerberechtigung nach § 73 Abs. 1 oder § 74 Abs. 1 KFG 1967 - stellt keine Strafe, sondern eine Maßnahme zum Schutze anderer Personen dar, weshalb dem sich daraus ergebenden Verwaltungszweck entsprechend auch mit einer Entziehung der Fahrlehrerberechtigung nur dann vorgegangen werden darf, wenn hiefür (noch) eine Notwendigkeit besteht, kann doch eine einmal verlorengegangene Vertrauenswürdigkeit in der Folge wieder hergestellt sein (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Mai 1984, Zl. 82/11/0249). Diesem Erfordernis hat aber die belangte Behörde ausreichend Rechnung getragen, indem sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt hat, daß seit Begehung der letzten Tat im Mai 1983 erst annähernd 24 Monate vergangen seien und bei dem Beschwerdeführer die Vertrauenswürdigkeit für die Ausübung einer Fahrlehrertätigkeit (noch) nicht (wieder) gegeben sei. In diesem Zusammenhang hat die belangte Behörde auch auf die Ausführungen des Beschwerdeführers in der Berufung hingewiesen, die den Schluß zuließen, „daß er die von ihm gesetzten Delikte bisher nicht als das betrachtet, was sie sind, nämlich strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, die jeweils unmittelbar im Zusammenhang mit einem Verkehrsgeschehen gesetzt wurden und daher in besonders auffallendem Gegensatz zu dem von einem Fahrlehrer geforderten Verhalten im Straßenverkehr stehen“. Der Verwaltungsgerichtshof kann angesichts der von der belangten Behörde gegebenen und von ihm geteilten Begründung nicht finden, daß die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei auch noch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht vertrauenswürdig, nicht dem Gesetz entspricht. Die Entziehung seiner Fahrlehrerberechtigung war daher gerechtfertigt.
Allerdings entbehrt der Ausspruch der belangten Behörde hinsichtlich der Festsetzung einer Entziehungszeit „für die Dauer eines Jahres, gerechnet vom Tage der Rechtskraft dieses Bescheides an“ einer gesetzlichen Grundlage. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon in dem bereits zitierten Erkenntnis vom 23. Mai 1984, Slg. Nr. 11450/A, zur Frage, ob eine Entziehung der Fahrlehrerberechtigung „bloß auf Zeit“ möglich gewesen wäre, Stellung genommen und dabei den Standpunkt vertreten, daß der § 117 Abs. 1 letzter Satz KFG 1967 für den Fall, daß die Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrlehrerberechtigung nicht mehr gegeben sind, als einzig mögliche Maßnahme ihrer Entziehung vorsieht, ohne daß - wie dies bei der Entziehung der Lenkerberechtigung der Fall ist - zwischen einer endgültigen und einer vorübergehenden Entziehung unterschieden wird und es eine - dem § 73 Abs. 2 leg. cit. ähnliche Bestimmung gibt, auf Grund welcher bei der Entziehung auch auszusprechen wäre, für welche Zeit keine neue Fahrlehrerberechtigung erteilt werden darf. Eine analoge Heranziehung der Bestimmungen der §§ 73 und 74 KFG 1967 sowie des für Besitzer einer Fahrschulbewilligung in Betracht kommenden § 115 Abs. 3 leg. cit. hat der Verwaltungsgerichtshof abgelehnt. Durch diese sohin der belangten Behörde unterlaufene objektive Rechtswidrigkeit wurde aber der Beschwerdeführer auch in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt. Wie nämlich der Verwaltungsgerichtshof in dem zuletzt genannten Erkenntnis weiters ausgeführt hat, darf von der Fahrlehrerberechtigung ab dem Zeitpunkt ihrer Entziehung nicht mehr Gebrauch gemacht werden, was aber nicht bedeutet, daß der Betreffende überhaupt nicht mehr die Möglichkeit hat, neuerlich eine solche Berechtigung zu erlangen, sondern ihrer Wiedererteilung keine gesetzliche Bestimmung im Wege steht, wenn sämtliche Voraussetzungen und damit auch wieder die Vertrauenswürdigkeit des Betreffenden vorliegen. Demgegenüber ist der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid insofern schlechter gestellt worden, als ihm jedenfalls vor Ablauf der gesetzten Frist eine Fahrlehrerberechtigung nicht erteilt werden darf. Ob der Beschwerdeführer mit einem solchen, beim Landeshauptmann zu stellenden Antrag (ohne erfolgte Fristsetzung) durchgedrungen wäre, kann nicht beurteilt werden und ist auch nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens. Dem steht auch nicht entgegnen, daß die dem Beschwerdeführer - nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides, wenn auch objektiv rechtswidrig - nur vorübergehend entzogene Fahrlehrerberechtigung nach Ablauf der gesetzten Frist wieder auflebt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Soweit Entscheidungen zitiert wurden, die nicht in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes veröffentlicht worden sind, wird an Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil in dem mit S 9.270,-- pauschalierten Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist und an Stempelgebühren (für die Beschwerde in zweifacher und den angefochtenen Bescheid in einfacher Ausfertigung) insgesamt nur S 270,-- zu entrichten waren.
Wien, am 5. März 1986
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1986:1985110185.X00Im RIS seit
07.11.2022Zuletzt aktualisiert am
07.11.2022