Index
L94404 Krankenanstalt Spital Oberösterreich;Norm
ABGB §1167;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde der M in L, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 24. August 1993, Zl. SanRL-50696/1-1993-Hi/Sch, betreffend Pflegegebühren, (mitbeteiligte Partei: Krankenhaus X in Linz, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin befand sich in der Zeit vom 21. Mai 1992 bis 22. Juni 1992 in stationärer Behandlung im A.ö. Krankenhaus der mitbeteiligten Partei in Linz. Mit Pflege- (Sonder-)gebühren-Rückstandsausweis der mitbeteiligten Partei vom 14. Juli 1992 wurden ihr aushaftende Gebühren in Höhe von S 89.303,28 zur Bezahlung vorgeschrieben.
Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Einspruch. Sie habe sich am 21. Mai 1992 in das Krankenhaus der mitbeteiligten Partei begeben und sei am 5. Juni 1992 zur Vornahme einer Knieoperation in die orthopädische Abteilung verlegt worden. Dort habe sie noch vor der Operation am 8. Juni 1992 durch das Verschulden des Pflegepersonals beim Baden eine Oberschenkelfraktur erlitten, deren Behandlung der gesamte weitere stationäre Aufenthalt im Krankenhaus der mitbeteiligten Partei gedient habe. Diese habe gemäß § 1313a ABGB für das Verschulden ihres Personals einzustehen. Die Beschwerdeführerin bestritt die Rechtmäßigkeit der ihr für die Zeit ab 5. Juni 1992 vorgeschriebenen Gebühren und bestimmter Ärztehonorare. In ihrem Schriftsatz vom 6. Oktober 1992 machte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf den Vorfall vom 8. Juni 1992 außerdem mangelhafte Erfüllung des Behandlungsvertrages geltend. Auch aus diesem Grund könnten ihr Gebühren jedenfalls nicht in vollem Umfang vorgeschrieben werden. Sie hielt die im Einspruch gestellten Beweisanträge aufrecht und beantragte überdies die Einholung des Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen zur Klärung der strittigen Verschuldensfrage. Die mitbeteiligte Partei hatte im Schreiben vom 7. September 1992 ein Verschulden ihres Personals an der Oberschenkelfraktur der Beschwerdeführerin nachdrücklich in Abrede gestellt.
Dem Einspruch wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 12. Jänner 1993 keine Folge gegeben; die Beschwerdeführerin wurde zur Bezahlung des im Rückstandsausweis ausgewiesenen Betrages an die mitbeteiligte Partei verpflichtet.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin unter anderem geltend, der ihr zustehende Schadenersatzanspruch aufgrund des Vorfalles vom 8. Juni 1992 sei zufolge § 48 des Bundesgesetzes über Krankenanstalten, BGBl. Nr. 1/1957, (KAG) im Wege der Legalzession auf die mitbeteiligte Partei als Rechtsträger des Krankenhauses übergegangen. Dieser gesetzliche Anspruch gehe dem Anspruch der mitbeteiligten Partei gegen die Beschwerdeführerin auf Bezahlung von Pflegegebühren vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 35 Abs. 1 des O.ö. Krankenanstaltengesetzes 1976 (in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 59/1987-OÖ KAG) die Berufung abgewiesen und die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.
In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; sie beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Über hg. Verfügung vom 28. November 1995 haben die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens weitere Schriftsätze erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 35 Abs. 1 OÖ KAG ist zur Bezahlung der in einer Krankenanstalt aufgelaufenen Pflege-(Sonder-)gebühren in erster Linie der Pflegling selbst verpflichtet, sofern nicht eine andere physische oder juristische Person aufgrund sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen, sonstiger gesetzlicher Vorschriften oder vertraglich ganz oder teilweise hiezu verpflichtet ist oder hiefür Ersatz zu leisten hat.
Nach § 48 KAG geht, wenn die Erkrankung, die zur Anstaltsbehandlung des Pfleglings geführt hat, auf ein Verschulden zurückzuführen ist, für das zufolge gesetzlicher Vorschrift ein Dritter haftet, der Schadenersatzanspruch, der aus dem Grunde des Heilungskostenersatzes entstanden ist, bis zur Höhe der noch unbeglichenen Pflegegebühren auf den Rechtsträger der betreffenden Krankenanstalt über.
2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, da der ursprüngliche Zweck ihres stationären Aufenthaltes im Krankenhaus der mitbeteiligten Partei (die Vornahme einer Knieoperation) aufgrund des Verschuldens des Krankenpflegepersonals vereitelt worden sei, mangle es an der ordnungsgemäßen Erfüllung des Behandlungsvertrages. Aus diesem Grund dürften ihr Gebühren nicht in vollem Umfang vorgeschrieben werden.
Diese Ansicht kann nicht geteilt werden. Das Gesetz knüpft den öffentlich-rechtlichen Pflege-(Sonder-)gebührenanspruch eines Krankenanstaltenträgers gegen den Pflegling nicht an die Erfüllung des Behandlungsvertrages. Dessen Erfüllung ist daher kein Kriterium für die Zahlungspflicht nach § 35 Abs. 1 OÖ KAG. Diese Bestimmung stellt vielmehr auf die "aufgelaufenen Pflege-(Sonder-)gebühren" ab. Nach der Definition des § 33 Abs. 1 OÖ KAG sind die Pflegegebühren das TÄGLICHE Entgelt für alle Leistungen der Krankenanstalt in der allgemeinen Gebührenklasse (mit Ausnahme der im Abs. 2 angeführten Leistungen). Als auf die angefallenen Pflegetage abgestelltes Pauschalentgelt für die erbrachten Leistungen sind die Pflegegebühren grundsätzlich auch für den Aufnahme- und Entlassungstag in voller Höhe zu entrichten (§ 33 Abs. 5 OÖ KAG). § 34 OÖ KAG sieht in seinem Abs. 1 lit. c die Einhebung einer Sondergebühr für Pfleglinge vor, die auf eigenen Wunsch in einem Krankenzimmer der Sonderklasse untergebracht werden (Anstaltsgebühr). Sie ist nach dem Abs. 2 in einem Prozentsatz der Pflegegebühr zu bemessen. Nach dem Abs. 5 ist auf die Anstaltsgebühr § 33 Abs. 5 sinngemäß anzuwenden. Die Anstaltsgebühr stellt somit so wie die Pflegegebühren ein auf die angefallenen Pflegetage abgestelltes Pauschalentgelt dar (für die von der Anstalt erbrachten Zusatzleistungen). Maßgeblich ist daher im gegebenen Zusammenhang für das Ausmaß der zu bezahlenden Pflege-(Sonder-)gebühren allein die (außer Streit stehende) Dauer des stationären Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Krankenhaus der mitbeteiligten Partei.
Da es auf die Erfüllung des Behandlungsvertrages nicht ankommt, erweist sich der insoweit gerügte Begründungsmangel als nicht relevant.
3.1. Die belangte Behörde begründete im angefochtenen Bescheid die bekämpfte Entscheidung damit, die Legalzession nach § 48 KAG gebe dem Rechtsträger einer Krankenanstalt einen gesetzlichen Anspruch im Sinne des § 35 Abs. 1 OÖ KAG gegenüber einem schadenersatzpflichtigen Dritten nur unter der Voraussetzung, daß der Schadenersatzanspruch gerichtlich festgestellt sei. Nur dann sei ein Zugriff auf den Pflegling ausgeschlossen. Diese Voraussetzung sei im Beschwerdefall aber nicht gegeben. Insofern unterscheide er sich von jenem Fall, der dem von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 1985, Zlen. 81/08/0131, 0159, zugrundegelegen sei; damals sei der übergegangene Anspruch durch ein rechtskräftiges Urteil festgestellt gewesen.
Die Beschwerdeführerin bringt wie bereits im Verwaltungsverfahren vor, der ihr aus dem Vorfall vom 8. Juni 1992 erwachsene Schadenersatzanspruch (nach § 1325 ABGB) sei gemäß § 48 KAG im Wege der Legalzession auf die mitbeteiligte Partei als Krankenantaltenträger übergegangen. Die mitbeteiligte Partei könne diesen Anspruch nunmehr im eigenen Namen geltend machen, der Beschwerdeführerin sei dies verwehrt. § 35 Abs. 1 OÖ KAG normiere für einen derartigen Fall die ausschließliche Haftung des Schädigers, der Pflegling habe lediglich subsidiär zu haften.
In ihrer Gegenschrift hält die belangte Behörde dem entgegen, da die mitbeteiligte Partei für die von ihrem Personal an Patienten des Krankenhauses verschuldeten Schäden gemäß § 1313a ABGB hafte, hätte die Ansicht der Beschwerdeführerin zur Folge, daß die mitbeteiligte Partei "selbst Schädiger und somit Dritter im Sinne des § 48 KAG" wäre; sie müßte folglich den Schadenersatzanspruch der Beschwerdeführerin gegen sich selbst geltend machen. Ein solches Ergebnis wäre "rechtlich widersinnig".
Die mitbeteiligte Partei vertritt in ihren Schriftsätzen vom 12. Jänner 1994 und vom 31. Jänner 1996 die Auffassung, für eine Legalzession nach § 48 KAG sei dort kein Platz, wo die angeblich übergehende Forderung sich gegen den Zessionar selbst richten solle. Gerade das sei aber nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin hier der Fall. Im übrigen sei die strittige Frage der Ersatzleistungspflicht für die von der Beschwerdeführerin erlittene Verletzung im Krankenhaus der mitbeteiligten Partei von den Zivilgerichten zu klären. Der Rechtsträger einer öffentlichen Krankenanstalt sei keineswegs verpflichtet, derartige Streitigkeiten selbst auszutragen. Unter den im § 35 Abs. 1 zweiter Halbsatz OÖ KAG genannten Leistungspflichten dritter Personen seien nur solche zu verstehen, die unbestritten feststehen.
3.2. Der dem unmittelbar anwendbaren Bundesrecht angehörende § 48 KAG räumt dem Krankenanstaltenträger eine vom Bestand der Pflegegebührenforderung gegen den Pflegling unabhängige (allenfalls, nach Maßgabe des betreffenden Landesausführungsgesetzes, auch wahlweise in Anspruch zu nehmende) Sicherung ein, und zwar in der Höhe des im Zeitpunkt der Entstehung des Pflegegebührenanspruchs (z.B. mangels Vorauszahlungen) noch unbeglichenen Pflegegebührenrückstandes. Diese Bestimmung nimmt dem Krankenanstaltenträger den Pflegegebührenanspruch gegenüber dem Pflegling nicht weg; vielmehr soll damit die Einbringlichkeit der aufgelaufenen Pflegegebühren zusätzlich abgesichert werden (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 1985,
Zlen. 81/08/0131, 0159 = Slg. Nr. 11.686/A).
Eine gesetzliche Leistungspflicht Dritter gemäß § 35 Abs. 1 zweiter Halbsatz OÖ KAG kann unter anderem im Fall des Überganges eines Schadenersatzanspruchs des Pfleglings nach § 1325 ABGB durch Legalzession nach § 48 KAG auf den Rechtsträger der Krankenanstalt gegeben sein (vgl. auch dazu das soeben genannte Erkenntnis, welches zu der im wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des § 39 Abs. 1 des Wiener Krankenanstaltengesetzes idF vor der Novelle 1989 ergangen ist und einen gerichtlich festgestellten Schadenersatzanspruch des Pfleglings zum Gegenstand hatte). Eine solche Leistungspflicht Dritter geht jener des Pfleglings zur Bezahlung der aufgelaufenen Pflegegebühren vor (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 1993, Zl. 92/11/0148). Insoweit eine solche Leistungspflicht besteht, kommt daher im behördlichen Verfahren nach § 36 Abs. 7 OÖ KAG eine Vorschreibung von Pflegegebühren gegenüber dem Pflegling nicht in Betracht. Allerdings ist eine gegenüber jener des Pfleglings vorrangige Leistungspflicht eines Dritten im Sinne des § 35 Abs. 1 zweiter Halbsatz OÖ KAG nur dann gegeben, wenn dessen Leistungspflicht gerichtlich festgestellt oder unbestritten ist. Dafür, daß dies auch beabsichtigt war, spricht unter anderem die Regelung des ersten Satzes des § 36 Abs. 1 OÖ KAG, wonach die Pflege-(Sonder-)gebühren vom Rechtsträger der Krankenanstalt "ohne Verzug" mittels Pflege-(Sonder-)gebührenrechnung zur Zahlung vorzuschreiben sind, was im gegebenen Zusammenhang voraussetzt, daß die Tatsache und das Ausmaß der Leistungspflicht eines Dritten für den Pflegling entweder gerichtlich festgestellt oder unbestritten ist. Darüber hinaus widerspräche es dem mit den Regelungen der §§ 35, 36 OÖ KAG über die Einbringung von Pflege-(Sonder-)gebühren erkennbar verfolgten Zweck, die Einbringung dieser Gebühren durch öffentliche Krankenanstalten zu erleichtern (siehe insbesondere § 36 Abs. 5), würde man in strittigen Fällen das behördliche Verfahren zur Durchsetzung des Gebührenanspruchs gegenüber dem Pflegling mit der vorfrageweisen Beurteilung der ungeklärten Leistungspflicht eines Dritten für ihn belasten. Deren Klärung begegnet insbesondere bei Schadenersatzansprüchen häufig erheblichen Schwierigkeiten. Derartiges gewollt zu haben, kann dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden.
Da die behauptete Verpflichtung der mitbeteiligten Partei bzw. ihrer Bediensteten zur Tragung der durch den Vorfall vom 8. Juni 1992 bedingten Gebühren nicht gerichtlich festgestellt und auch nicht unbestritten ist, liegt eine die Zahlungspflicht der Beschwerdeführerin ausschließende gesetzliche Leistungspflicht im Sinne des § 35 Abs. 1 zweiter Halbsatz OÖ KAG nicht vor. Die gegenteilige Ansicht der Beschwerdeführerin ist schon deshalb nicht begründet.
Damit erübrigt sich eine Prüfung dahin, ob der von der Beschwerdeführerin behauptete Schadenersatzanspruch gemäß § 48 KAG durch Legalzession auf die mitbeteiligte Partei übergegangen ist. Selbst wenn man dies bejahte, wäre damit noch nicht die behauptete teilweise Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides gegeben, da nach den obigen Darlegungen ein strittiger Schadenersatzanspruch wie im vorliegenden Fall die Behörde nicht daran hindert, dem Pflegling die aufgelaufenen Gebühren zur Zahlung vorzuschreiben. Im Hinblick darauf bedurfte es nicht der von der Beschwerdeführerin vermißten Beweisaufnahmen zur Klärung des geltend gemachten Schadenersatzanspruchs. Daher liegen die insoweit gerügten Verfahrensmängel nicht vor.
Aus dem genannten Grund erübrigt sich weiters ein Eingehen auf die in der hg. Verfügung vom 28. November 1995 aufgeworfenen Fragen, welche Gebühren (Pflegegebühren, Anstaltsgebühr, Ärztehonorare) Gegenstand des angefochtenen Bescheides sind und ob die Legalzession nach § 48 KAG alle genannten Gebührenarten oder nur einzelne davon erfaßt.
4. Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1993110240.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
29.11.2011