TE Vwgh Erkenntnis 1988/4/28 87/06/0120

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Veröffentlicht am 28.04.1988
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Index

Baurecht - Stmk
L80406 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Steiermark
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AltstadterhaltungsG Graz 1980 §3
AltstadterhaltungsG Graz 1980 §6
AVG §45 Abs2
AVG §46

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hinterwirth, über die Beschwerde 1) des HI und 2) der TI, beide in G, beide vertreten durch Dr. Gerald Kleinschuster, Rechtsanwalt in Graz, Herrengasse 3/11, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 17. September 1987, Zl. A 17-K-24.797/1984-23, betreffend die Versagung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von zusammen S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte ist auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1983, Zlen. 83/06/0120, 0121 und 0122, und vom 19. September 1985, Zl. 85/06/0040, zu verweisen. Mit den genannten Entscheidungen wurden die jeweils angefochtenen Bescheide der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil das auf Verwaltungsebene durchgeführte Ermittlungsverfahren sich als nicht ausreichend erwies, eine Versagung des Bauvorhabens der Beschwerdeführer zu begründen. Insbesondere habe, so wurde in den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses vom 19. September 1985 ausgeführt, das Gutachten eines Sachverständigen ausreichend begründet zu sein; im Befund habe der Sachverständige alle jene Grundlagen zu nennen, die für das Gutachten, also das sich auf den Befund stützende Urteil des Sachverständigen, erforderlich seien. Die Behörde selbst sei auf Grund der Vorschrift des § 39 AVG 1950 von Amts wegen verpflichtet, zu prüfen, ob ein erstattetes Gutachten vollständig und schlüssig sei.

Mit Schreiben vom 15. Jänner 1986 forderte die Berufungsbehörde die Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission auf, unter Berücksichtigung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes neuerlich einen Befund und eine gutächtliche Stellungnahme zu dem Bauvorhaben der Beschwerdeführer abzugeben. In ihrem Gutachten vom 21. März 1986 führte die Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission aus, die gegenständliche Hausdurchfahrt zeige im Grundriß einen S-förmigen Verlauf, der durch die vor einiger Zeit mustergültig wiederhergestellte Pflasterung auch in der Bodengestaltung verdeutlicht werde. Gerade die S-förmige Krümmung im Grundriß verleihe der Tordurchfahrt ihren für Graz einzigartigen Charakter. Die leicht gekrümmten Wände in ihrer weich ondulierenden Form würden mit dem korbbogenförmig gekrümmten Gewölbe, das ohne spürbaren Ansatz in die Wände übergehe, eine Raumkomposition von hoher ästhetischer Qualität bilden. Die organische Form der Wand- und Deckenflächen zeige ablesbar und in seltener Deutlichkeit die Handschrift des mittelalterlichen Bauhandwerkes. In ihrem Kontinuum bilde die Einfahrt eine in dieser Art seltene Raumform, die sowohl bauhistorisch als auch vom Erlebniswert für Graz bedeutend sei. Das Halbdunkel in der Toreinfahrt stehe in reizvollem Kontrast zu dem gut belichteten Hofraum. Dadurch werde das Schwellenerlebnis bewußt betont und die eigenständige Raumform des Durchganges deutlich akzentuiert. Das negative Gutachten für die eingebauten Vitrinen, die den §§ 3 und 6 des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes 1980 widersprechen, werde wie folgt begründet: Die Vitrinen stünden in ihrer kantigen und großflächigen voluminösen Ausbildung in krassem Widerspruch zu der vorhin zitierten organischen Form des Raumes. Durch das Volumen der Vitrinen werde auch die ursprüngliche Funktion der Ein- und Durchfahrt „verunklärt“ und tatsächlich behindert. Durch die Beleuchtung der Vitrinen entstehe für den Vorübergehenden der Eindruck einer Geschäftspassage, wodurch der logische Zusammenhang zwischen dem äußeren Erscheinungsbild der Tordurchfahrt und des Hofes empfindlich gestört werde. Gerade an dieser Stelle am Fuße der Pauluskirche befinde sich nachweislich der älteste Teil der Grazer Stadt, von dem der typische linsenförmige Grundriß der Sporgasse und die dreieckig sich platzförmig erweiternde Einmündung der Hofgasse bis heute erhalten geblieben sei. Zum typischen Erscheinungsbild dieses ältesten Stadtteiles gehöre aber auch die Durchgängigkeit zu den ebenso bedeutenden Hofanlagen oder gleich gegenüber der Aufgang zur Pauluskirche. Gerade der Zusammenhang zwischen dem äußeren Erscheinungsbild der davor liegenden öffentlichen Straßenräume und der Höfe und Innenanlagen sei der Grund im Grazer Altstadterhaltungsgesetz 1980, in der Schutzzone I neben der Erhaltung der äußeren Gestalt auch die der Baustruktur und der baulichen Innenanlagen (Vorhäuser, Stiegenhäuser, baulicher Zierat u.dgl.) unter besonderen Schutz zu stellen.

Mit Schreiben vom 21. April 1986 forderte die Berufungsbehörde ein Gutachten des Stadtplanungsamtes an.

In seinem Gutachten vom 3. April 1987 nahm der Amtssachverständige des Stadtplanungsamtes zur Frage der Errichtung der Vitrine und des Schaukastens in der Passage des Hauses Sporgasse nn eingehend Stellung. Zunächst wurden das Haus und der hier maßgebliche Bereich sowie die Größe der Standvitrine an der Westseite der Passage und der Wandvitrine ostseitig unter genauer Beschreibung dargestellt. Sodann wurden in der Umgebung bestehende Passagen näher beschrieben. Der Sachverständige erachtete im Hinblick auf die gegebenen räumlichen Vorgaben die Vitrinen in diesen Bereichen unter Rücksichtnahme auf den architektonischen Maßstab hinsichtlich der Größe, des Materials, der Form und der Einordnung im Ergebnis als der im einzelnen dargestellten Rechtslage nach dem Grazer Altstadterhaltungsgesetz entsprechend. Dazu im Gegensatz stehe der Durchgang des hier gegenständlichen Hauses. Die Hausdurchfahrt zeige im Grundriß einen S-förmigen Verlauf, die leicht gekrümmten Wände in ihrer weich ondulierenden Form, die ohne spürbaren Ansatz in das korbbogenförmig gekrümmte Gewölbe unterschiedlicher Höhe und Ausformung übergingen, würden gemeinsam mit der Ausbildung der Tür- und Fensterelemente deutlich und einheitlich die Handschrift des mittelalterlichen Bauhandwerkes zeigen. Die bauliche Charakteristik dieses Durchganges bilde gemeinsam mit dem spätgotischen Arkadenhof, dem barocken Einfahrtstor, dem Fassadenbild, der Grundrißform der Häuser und dem linsenförmigen Verlauf der Sporgasse mit der dreiecksförmigen Erweiterung zur Hofgasse einen einheitlichen städtebaulichen Raum, dessen Charakteristik für das Stadtbild in diesem Bereich von entsprechender Bedeutung und deshalb im Rahmen dieser gestaltwirksamen Merkmale in ihrem Erscheinungsbild nach § 3 Abs. 1 des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes zu erhalten sei. Bauliche Maßnahmen könnten demnach in diesem Bereich nur so erfolgen, daß sie sich in das Erscheinungsbild des betreffenden Stadtteiles einfügen bzw. daß sie in einer dem geschützten Stadtbild angepaßten Weise durchgeführt würden. Wie bereits in der Beschreibung bestehender Vitrinen angeführt worden sei, sei es durchaus möglich, Vitrinen in Passagen so einzufügen bzw. anzupassen, daß unter Berücksichtigung der baulichen Ordnung und Charakteristik des architektonischen Raumes keine negativen Auswirkungen auf das Erscheinungsbild des betreffenden Stadtteiles eintreten. Im gegenständlichen Falle bilde die räumliche Ausformung der Durchfahrt von der Sporgasse in den Innenhof gemeinsam mit der historischen, gewachsenen Bausubstanz und dem öffentlichen Raum eine bauliche Einheit, wobei die gestaltwirksamen Merkmale der Durchfahrt in ihrer besonderen baulichen Charakteristik für das Stadtbild von Bedeutung seien. Die Errichtung von Vitrinen in diesem Bereich könne demnach nur so erfolgen, daß sich diese von ihrer äußeren Form, Gestalt und Materialgebung einerseits, als auch von der Situierung im Durchgang anderseits in das Erscheinungsbild so einfügen, daß sie sich in das geschützte Stadtbild einpassen. Eine solche bauliche Maßnahme könne demnach im westlichen Bereich des Durchganges zwischen Portal und erstem Torbogen nur so erfolgen, daß sie in ihrer baulichen Ausformung dem Bestand (Fenster- und Türöffnungen) im Bereich der Passage bzw. des Innenhofes in Maßstab und Größe entspräche. Der optische Eindruck der Vitrinen müßte demnach einer Fensteröffnung bzw. einer verglasten Tür entsprechen. Jedes Vorstehen vor die Mauerflucht, mit Ausnahme von Verkleidungselementen, würde sich negativ auf das Erscheinungsbild auswirken, da die für diesen Bereich charakteristische homogene bauliche und räumliche Einheit (mit der Formensprache der funktionellen Öffnungselemente wie Fenster- und Türöffnungen) gestört würde. Die bestehende Vitrine entspreche nach Ansicht des Gutachters nicht den Bestimmungen des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes. So seien bei der Errichtung der Vitrine Elemente verwendet worden, die sich nicht in die bauliche Charakteristik der Bestandsituation einfügen, da die gewählte gestalterische Ausformung eine äußere Gestalt vermittle, die unter gemeinsamer Betrachtung der vorhandenen raumbildenden, charakteristischen Baulichkeiten in diesem Bereich einen Fremdkörper darstelle, der sich nicht in das Erscheinungsbild des betreffenden Stadtteiles einfüge bzw. anpasse. Wie im Befund und im Gutachten beschrieben, bilde der Durchgang ein gestaltwirksames Merkmal des Gebäudes und sei in seiner einheitlichen baulichen Charakteristik für das Stadtbild von Bedeutung. Diese, durch die gegebene Formensprache des Bestandes mit seiner durch vielfältige bauliche Details geprägte Charakteristik wäre durch die geradlinige, vorspringende und massive Form der Vitrine gestört, da diese in keiner Weise die Formensprache vorhandener Bauelemente aufnehme, wodurch die optische Einheitlichkeit des Durchganges nicht erhalten bleibe und auch von einer an das geschützte Stadtbild angepaßten Baumaßnahme nicht gesprochen werden könne. Da die gegebene Baustruktur des Durchganges nicht wie die in anderen Bereichen der Altstadt durch Gurtbögen, Pilastergliederungen, durchgehende Kreuzgewölbe, Nischen etc. gegliedert sei und der Durchgang auch nicht geradlinig verlaufe, bestehe in diesem Bereich nicht die Möglichkeit, sich in eine solche vorgegebene Ordnung baulich einzufügen. In diesem Bereich werde eine Ordnung durch die einheitlich historische handwerklich-bauliche Durchbildung geschaffen. Da vom Gewölbe und der Raumstruktur her keine Anhaltspunkte vorhanden seien, einen vorspringenden Baukörper in gegebene Ordnungen einzufügen, ohne den Gesamtcharakter zu stören, stelle die Vitrine in ihrer zufälligen Anordnung im westlichen Eingangsbereich einen Baukörper dar, der in keinem Bezug und in keiner Ordnung zur vorhandenen Bausubstanz stehe. Eine Einfügung in das Erscheinungsbild sei demnach nicht gegeben. Das Erscheinungsbild von Straßenraum, Durchgang und Innenhof im Bereich des Hauses Sporgasse nn sei für das Stadtbild von Bedeutung, da die Ausformung der Architekturelemente vom Eingangsportal bis zum Hinterhof in ihrer einheitlichen baulichen Charakteristik und Einheit ein gestaltwirksames Merkmal darstelle, das als schutzwürdig zu erhalten sei. Da die architektonischen Einzelemente in ihrer Gesamtheit die einheitliche bauliche Charakteristik dieses Bereiches ausmachten, seien Baumaßnahmen so durchzuführen, daß sie sich in dieses Erscheinungsbild einfügen bzw. sich an dieses Stadtbild anpassen. Die Vitrine erfülle weder das Kriterium der Einfügung noch der Anpassung, da sie nicht in der Lage sei, sich vom äußeren Erscheinungsbild und der Lage her so in den Raum einzufügen, daß sie mit den vorhandenen Gestaltungselementen eine nicht störende architektonische Einheit bilde bzw. in ihrer Ausformung die Formensprache des Bestandes übernehme. Nach weiteren Ausführungen vertritt der Amtssachverständige zusammenfassend die Ansicht, daß gegen die im ostseitigen Eingangsbereich angebrachte Wandankündigungstafel kein grundsätzlicher Einwand bestehe, was im einzelnen näher begründet wurde, die Standvitrine sei dagegen unzulässig. Der Sachverständige verweist sodann noch auf seiner Meinung nach bestehende Versagungsgründe nach der Ankündigungsgestaltungsverordnung 1986. Der Amtssachverständige hat durch 28 Abbildungen seine gutächtlichen Ausführungen zu untermauern versucht.

Mit ihrer Äußerung vom 6. Juli 1987 legten die Beschwerdeführer das Gutachten eines Privatsachverständigen vom 11. Mai 1987 vor. Inhaltlich nahmen die Beschwerdeführer sowohl zum Gutachten der Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission als auch zum Gutachten des Amtssachverständigen des Stadtplanungsamtes kritisch Stellung. Die Beschwerdeführer verweisen darauf, daß die Vitrine insgesamt nur 42 cm vorspringe, sodaß eine Behinderung der Ein- bzw. Durchfahrt überhaupt nicht auftreten könne. Für die Beurteilung des äußeren Erscheinungsbildes der Tordurchfahrt und des Hofes sei es auch vollkommen unbeachtlich, ob durch die Beleuchtung der Vitrinen für den Vorübergehenden der Eindruck einer Geschäftspassage entstehe. Von einer Geschäftspassage könne schon deshalb keine Rede sein, weil bei einer Länge von rund 19 m die Länge der Vitrinen insgesamt nur ca. 3,60 m einnehme. Durch das Volumen der Vitrinen werde auch die ursprüngliche Funktion des Durchganges nicht „verunklärt“, wo doch diese Vitrinen den Blick in oder durch den Durchgang in keinem Fall beschränkten oder gar verhinderten. Gerade das Gutachten des Stadtplanungsamtes hätte ansonsten eine detaillierte Beschreibung gar nicht geben können. Das Gutachten der Altstadt-Sachverständigenkommission bringe im Verfahren nichts Neues und sei ebensowenig wie die bisherigen Argumentationen geeignet, die ablehnende Haltung zu den eingebauten Vitrinen zu begründen. Auch würde in diesem Gutachten nicht zu den vom Verwaltungsgerichtshof angeführten Fragen des Erscheinungsbildes ähnlicher Anlagen in der Nähe des Hauses Stellung genommen. Zu dem Gutachten des Amtssachverständigen des Stadtplanungsamtes vertreten die Beschwerdeführer die Meinung, daß die genannten Beispiele in der Umgebung im Ausmaß die hier maßgeblichen Vitrinen wesentlich überschreiten würden und auch nach dem vorgelegten Privatgutachten die architektonische und gestalterische Schönheit des Durchganges nicht zu einer musealen oder abstrakten „Sterilität“ seiner Funktion führen dürfe. In früheren Jahrhunderten habe dieser Durchgang fraglos auch sehr vielseitigen wirtschaftlichen Funktionen gedient und keinesfalls nur dem architektonischen Erlebnis. Eine relativ geringe ökonomische Funktion, wie etwa die Aufstellung von Schaukästen zu Handels- und Gewerbezwecken, könne der Architektur dieses Durchganges durchaus zugemutet werden. Entgegen den Ausführungen des Amtssachverständigen vertreten die Beschwerdeführer die Auffassung, daß gerade deshalb, weil vom Gewölbe und der Raumstruktur her keine Anhaltspunkte vorhanden seien, von einer Störung des Erscheinungsbildes durch die gegenständlichen Vitrinen nicht die Rede sein könne. Völlig vermissen lasse das Gutachten im übrigen eine Stellungnahme zu dem schon im Akt erliegenden Privatgutachten. An der in diesem Gutachten hervorgehobenen Tatsache, daß auch dieses Haus einschließlich seiner gewölbten Durchfahrt jahrhundertelang seine eigene wirtschaftliche und keinesfalls nur ästhetische Funktion gehabt habe, gehe das Gutachten vorbei. In den gegenständlichen Vitrinen könne kein „Störungsfaktor“ im Gesamtbild der Durchfahrt des Hauses erblickt werden. Wenn der Amtssachverständige in der flachen Hausankündigungstafel keinen Widerspruch sehe, so werde hier eine Unterscheidung getroffen, die zwischen diesen Vitrinen nicht möglich sei - in diese Richtung sind die Ausführungen zu verstehen. Die Beschwerdeführer stellten den Antrag, eine neuerliche Besichtigung der Örtlichkeit und der bereits angeführten Passagen unter Beiziehung der Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission und der Antragsteller durchzuführen, um hiebei die Sach- und Fachfragen einer gründlichen Erörterung zu unterziehen.

In dem beigeschlossenen Privatgutachten wird festgestellt, daß die Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission in keiner Weise eine prinzipielle Ablehnung von Vitrinen oder von Schaukästen in der betreffenden Durchfahrt ausgesprochen habe, vielmehr allein das derzeitige Erscheinungsbild der Vitrinen kritisiert werde. Der Sachverständige erklärt sodann, der Eindruck einer Geschäftspassage könne nicht entstehen, weil es sich um keine durchlaufende Gestaltung einer Tordurchfahrt handle. Auch werde die ursprüngliche Funktion der Ein- und Durchfahrt durch das Volumen der Vitrinen nicht „verunklärt“ und tatsächlich behindert. Der Privatgutachter meint, daß der logische Zusammenhang zwischen dem äußeren Erscheinungsbild der Tordurchfahrt und des Hofes durch etwaige Vitrinen keinesfalls empfindlich gestört werde. Seiner Auffassung nach dürfe die architektonische und gestalterische Schönheit des Durchganges nicht zu einer musealen oder abstrakten „Sterilität“ seiner Funktionen führen, abgesehen von seiner Verkehrsfunktion. In früheren Jahrhunderten habe dieser Durchgang fraglos auch sehr vielseitige wirtschaftliche Funktionen erfüllt und keinesfalls nur dem architektonischen Erlebnis gedient. Eine relativ geringe ökonomische Funktion, wie etwa die Aufstellung von Schaukästen zu Handels- und Werbezwecken, könne der Architektur dieses Durchganges durchaus zugemutet werden. Eine völlig andere Frage sei, ob die derzeitigen Vitrinen in ihrer äußeren Erscheinungsform eine optimale gestalterische Lösung darstellten. Ohne den Rahmen seines Gutachtens übertreten zu wollen, neige er zur Auffassung, daß eine nischenförmige Anordnung der Vitrinen die bessere gestalterische Lösung ergeben würde. Der Sachverständige erachtete es weiter als fragwürdig, ob die Vitrinen überhaupt als bauliche Innenanlagen zu bezeichnen seien. Seiner Auffassung nach seien sie im gestalterischen Sinne bewegliche bzw. verrückbare Elemente, die erst etwa durch eine Unterbringung in Nischen etc. zu baulichen Elementen werden könnten. Aus § 6 Abs. 1 des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes lasse sich keine grundsätzliche Ablehnung von Vitrinen in Durchgängen in der Zone I ableiten. Eine Beeinträchtigung des Durchblickes auf den Innenhof erachtet der Privatsachverständige als nicht gegeben. Sollte es zu einer Neugestaltung der Vitrinen kommen, so müßten diese unter allen Umständen der historischen Bausubstanz angepaßt werden, ihr Einbau sei unter allen Umständen genehmigungspflichtig. Es empfehle sich, mit dieser Aufgabe einen befugten Ziviltechniker zu beauftragen.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid gab der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz der Berufung der Beschwerdeführer teilweise Folge und bewilligte die ostseitige Wandvitrine, wogegen die Entscheidung der Baubehörde erster Instanz hinsichtlich der dreiteiligen Standvitrine bestätigt wurde. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der hier maßgeblichen Rechtslage erachtete die Berufungsbehörde das Gutachten des Amtssachverständigen des Stadtplanungsamtes für vollständig und auch durchaus schlüssig. Aus den im Gutachten dargelegten Gründen ergebe sich eindeutig eine Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes, da die optische Einheitlichkeit des Durchganges durch die geradlinige, vorspringende und massive Form der Vitrine gestört werde und vom Gewölbe und der Raumstruktur her keine Anhaltspunkte vorhanden seien, diesen vorspringenden Baukörper in gegebene Ordnungen einzufügen, ohne den Gesamtcharakter zu stören. Diese bauliche Maßnahme stehe eindeutig im Widerspruch zu den Bestimmungen der §§ 3 Abs. 1 und 2 und 6 Abs. 1 des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes und dieser Widerspruch könne auch nicht durch das ohne Zweifel auf gleicher fachlicher Ebene stehende Gutachten des Privatsachverständigen beseitigt werden, da dieser selbst die Meinung vertrete, daß die derzeitigen Vitrinen in ihrer äußeren Erscheinungsform keine optimale gestalterische Lösung darstellten und eine nischenförmige Anordnung der Vitrinen die bessere gestalterische Lösung ergeben würde. Wenn der Privatgutachter behauptet, daß durch die Krümmung der Tordurchfahrt Vitrinen oder Schaukästen das wichtigste architektonisch-gestalterische Element, nämlich den Ausblick auf den Innenhof, gar nicht beeinträchtigen könnten, soweit sie im derzeitigen Bereich, also in der Nähe der Toreinfahrt verblieben, so sei dem entgegenzuhalten, daß nach § 3 Abs. 1 des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes zum Erscheinungsbild alle gestaltwirksamen Merkmale des Gebäudes, darunter auch Durchgänge, gehörten. Dieses Erscheinungsbild sei nun durch die an der Westseite des Durchganges zwischen Einfahrtstor und erster Türöffnung errichtete Vitrine beeinträchtigt und werde daher die Entscheidung der Behörde erster Instanz bezüglich der Versagung der Baubewilligung dieser Vitrine bestätigt.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragen die Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid in seinem, die Entscheidung der Baubehörde erster Instanz bestätigenden Teil wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf ein mängelfreies Verfahren, auf Parteiengehör sowie auf eine inhaltlich richtige Sachentscheidung verletzt.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Im Hinblick auf das Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1985, Zl. 85/06/0040, hatte die belangte Behörde zur entscheidungswesentlichen Frage, ob durch die Anbringung der Vitrinen in der Durchfahrt des Hauses das gegebene Erscheinungsbild beeinträchtigt wird, ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchzuführen. Die belangte Behörde hat zu diesem Zweck sowohl ein ergänzendes Gutachten der Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission als auch eines bautechnischen Amtssachverständigen des Stadtplanungsamtes eingeholt, wie in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegeben. Die belangte Behörde erachtet nunmehr nicht länger die Anbringung jeder Vitrine in der Durchfahrt als nicht bewilligungsfähig, vielmehr wurde mit dem angefochtenen Bescheid die ostseitig angebrachte Vitrine nunmehr baubehördlich bewilligt. Hinsichtlich der westseitig angebrachten Vitrine hat die belangte Behörde neuerlich eine Einfügung in das örtliche Erscheinungsbild verneint und sohin eine Beeinträchtigung des Ortsbildes auf Grund der eingeholten Gutachten angenommen.

Wenn die Beschwerdeführer behaupten, daß entgegen § 60 AVG 1950 in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage nicht klar und übersichtlich zusammengefaßt worden seien, so vermag ihnen der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen. Im angefochtenen Bescheid wurde unter Zusammenfassung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens hinreichend dargetan, aus welchen Gründen die belangte Behörde die schon im Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes dargestellte Rechtsfrage im Sinne der von ihr eingeholten Gutachten beantwortet. Auch wenn in dem Gutachten der Grazer Altstadterhaltungs-Sachverständigenkommission nicht auf alle nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfenden Fragen eingegangen worden ist, so sind diese Fragen doch von dem beigezogenen Amtssachverständigen des Stadtplanungsamtes in ausreichendem Maße einer Beurteilung unterzogen worden, wobei insbesondere die von diesem Amtssachverständigen seinem Gutachten beigeschlossene Bilddokumentation auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes durchaus geeignet ist, den von ihm vertretenen Standpunkt zu untermauern. Es darf in diesem Zusammenhang ja nicht übersehen werden, daß die belangte Behörde nunmehr nicht mehr den früher vertretenen Standpunkt aufrecht erhielt, daß Vitrinen in der hier gegebenen Durchfahrt jedenfalls zu einer Beeinträchtigung des Ortsbildes führen müßten, vielmehr auf Grund der konkreten Ausgestaltung der von den Beschwerdeführern aufgestellten Vitrine deren Vereinbarkeit mit dem Ortsbild bestritten wurde. Gerade in dieser Beziehung hat aber auch der von den Beschwerdeführern beigezogene Privatsachverständige schon in seinem Gutachten vom 11. Mai 1987 die Auffassung vertreten, daß die derzeitigen Vitrinen in ihrer äußeren Erscheinungsform keine optimale gestalterische Lösung darstellen. Auch in dem der Beschwerde angeschlossenen Gutachten erklärt dieser Sachverständige, es sei von ihm nie bezweifelt worden, daß die derzeitigen Vitrinen in ihrer äußeren Erscheinungsform keine optimale gestalterische Lösung darstellen. Auf diesen Umstand hat die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend verwiesen und gerade auf Grund der Bilddokumentation des technischen Amtssachverständigen des Stadtplanungsamtes erscheint auch dem Verwaltungsgerichtshof die vom Amtssachverständigen aufgezeigte Beeinträchtigung des Ortsbildes durchaus gegeben. Zu Recht wurde daher die Einfügung dieser Vitrine in das örtliche Erscheinungsbild im Sinne des § 6 Abs. 1 des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes verneint. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist es im Hinblick auf die bisherigen Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof auch nicht erforderlich, neuerlich die Frage der Bewilligungspflicht aufzuwerfen, zumal der Verwaltungsgerichtshof zu dieser Frage bereits in seinem Erkenntnis vom 6. Oktober 1983, Zlen. 83/06/0120, 0121 und 0122, eingehend Stellung genommen hat. Der belangten Behörde kann in diesem Zusammenhang auch nicht zu Recht vorgeworfen werden, daß sie ihren Bescheid nur auf das Gutachten der Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission hätte stützen dürfen, weil eine solche Anordnung den gesetzlichen Bestimmungen nicht zu entnehmen ist. Der gesetzlichen Anordnung des § 7 Abs. 2 des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes, daß ein Bescheid nur nach Einholung eines Gutachtens der Sachverständigenkommission erlassen werden darf, wurde aber ohnehin entsprochen.

Soweit in der Beschwerde aufgezeigt wird, daß die Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission sich zunächst gegen jede Art von Vitrine ausgesprochen habe, erscheint das Beschwerdevorbringen, soweit es damit einen Widerspruch zwischen den nunmehr eingeholten Gutachten nachzuweisen versucht, unverständlich, weil gerade diese Änderung des Rechtsstandpunktes der belangten Behörde den Interessen der Beschwerdeführer entspricht.

Das weitere Vorbringen in der Beschwerde, das darauf hinausläuft, daß die Baubehörde vergleichsweise mit verschiedenem Maßstab baubehördliche Bewilligungen für Vitrinen erteilt habe, vermag selbst bei Zutreffen dieser Behauptung - der technische Amtssachverständige hat wie erwähnt diesem Standpunkt widersprochen - keine Rechtswidrigkeit im Beschwerdefall darzutun, weil die Beschwerdeführer, wie sie selbst ausführen, aus einer allenfalls rechtswidrigen Vorgangsweise in anderen Fällen kein subjektiv-öffentliches Recht ableiten können. Daß aber die Sachverhalte tatsächlich verschieden gelagert waren, läßt die Bilddokumentation des technischen Amtssachverständigen erkennen.

Soweit in der Beschwerde der Versuch unternommen wird, eine mißverständliche Ausdrucksweise des Amtssachverständigen als Mangelhaftigkeit des Gutachtens zu qualifizieren, kann dies nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls nicht dazu führen, das Gutachten in seiner Gesamtheit als unschlüssig zu beurteilen, wie die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat.

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wird neuerlich die Frage der baubehördlichen Bewilligungspflicht in Zweifel gezogen. Insoweit ist hier nur der Hinweis auf das Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1983 zu wiederholen. Das gleiche gilt für die Ausführungen über das Altstadterhaltungsgesetz sowie für die unter diesem Titel neuerlich vorgebrachte Kritik an dem Gutachten der Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission. Es treffen in diesem Zusammenhang auch nicht die weiteren Ausführungen zu, daß die belangte Behörde den Bestimmungen der §§ 3 und 6 Altstadterhaltungsgesetz nicht Rechnung getragen habe, weil gerade die Übereinstimmung mit diesen gesetzlichen Bestimmungen doch Gegenstand des von ihr durchgeführten ergänzenden Ermittlungsverfahrens war. Soweit daher die Beschwerdeführer auf die Ankündigungsgestaltungsverordnung 1986 verweisen, dürften sie übersehen, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides einen Widerspruch zu dieser Verordnung ausdrücklich verneint hat. Es erscheinen daher die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde unverständlich.

Zusammenfassend teilt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der belangten Behörde, daß auf Grund des ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahrens nunmehr der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1985 vorgelegene Verfahrensmangel behoben wurde und dem ergänzenden Ermittlungsverfahren kein wesentlicher Verfahrensmangel anhaftet. Mit dem Beschwerdevorbringen konnte auf Grund der dargelegten Erwägungen eine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführer nicht aufgezeigt werden. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG sowie der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 28. April 1988

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis Beweismittel Sachverständigengutachten Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1988:1987060120.X00

Im RIS seit

07.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

07.11.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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