TE Vwgh Erkenntnis 1989/10/18 89/03/0158

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Veröffentlicht am 18.10.1989
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Index

Verwaltungsverfahren - AVG
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §19 Abs1
AVG §19 Abs3
AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §66 Abs4
ZustG §17 Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Dr. Schmidt, über die Beschwerde des A in B, vertreten durch Rechtsanwalt in C, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16. März 1989, Zl. MA 63-Sch 27/88/Str, betreffend die Zurückweisung einer Berufung (Verwaltungsstrafsache - Taxi), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 22. März 1988 wurde der Beschwerdeführer wegen einer am 11. September 1987 begangenen Verwaltungsübertretung nach § 30 Abs. 1 zweiter Satz der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr 1986 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Z. 7 Gelegenheitsverkehrs-Gesetz schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) verhängt.

Am Rückschein (RSa) wurde nach einem zweiten Zustellversuch am 8. April 1988 vermerkt, daß die Sendung beim Postamt 1113 Wien hinterlegt wird, und der Beginn der Abholfrist mit 8. April 1988 angegeben. Der Rückschein trägt allerdings den Poststempel des Postamtes 1110 Wien (als Zustellpostamt) mit Datum „8. 4. 1988, 19“. Beim Postamt 1110 handelt es sich um ein Abgabepostamt (Bezirkspostamt), während das Postamt 1113 ein Aufgabepostamt an einem anderen Ort ist.

Am 26. April 1988 langte bei der Erstbehörde eine Berufung des Beschwerdeführers mit Postaufgabedatum 25. April 1988 ein.

Erst am 19. Oktober 1988 wurde an den Beschwerdeführer eine Ladung mit dem Thema „Verspätete Einbringung der Berufung gegen das Straferkenntnis ... - Kenntnisnahme und Möglichkeit zur Stellungnahme“ für den Termin 15. November 1988, 8.30 Uhr, gerichtet, wobei er ersucht wurde, zum Amt zu kommen oder einen informierten Vertreter zu entsenden.

Am 16. November 1988 langte bei der Behörde ein mit 14. November 1988 datiertes Entschuldigungsschreiben ein, worin der Beschwerdeführer ersuchte, ihm den Akteninhalt schriftlich vorzuhalten und eine Fristsetzung zur schriftlichen Stellungnahme zu geben.

Daraufhin reagierte die belangte Behörde nicht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16. März 1989 wurde die Berufung als verspätet zurückgewiesen. In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Berufungsfrist betrage zwei Wochen. Laut Rückschein habe das Straferkenntnis dem Beschwerdeführer am 8. April 1988 nicht zugestellt werden können, weshalb es beim Postamt 1113 hinterlegt und dort am 8. April 1988 (Freitag) erstmals zur Abholung bereitgehalten worden sei. Der Bescheid gelte gemäß § 17 Abs. 3 ZustellG mit diesem Tag als zugestellt. Der Beschwerdeführer sei zum Zwecke der Geltendmachung eines allfälligen Zustellmangels oder seiner Abwesenheit von der Abgabestelle geladen worden. Daraufhin habe der Beschwerdeführer mit dem Schreiben vom 14. November 1988 geantwortet. Der Ladungszweck habe jedoch nicht durch einen schriftlichen Aktenvorhalt, sondern nur durch eine mündliche Befragung und verfahrensrechtliche Anleitung des nicht rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführers erreicht werden können. Es wäre dem Beschwerdeführer bei beruflicher Verhinderung freigestanden, zum Termin einen schriftlich bevollmächtigten Vertreter zu entsenden. Da somit mangels Mitwirkung des Beschwerdeführers am Ermittlungsverfahren keine Zustellmängel hervorgekommen seien, gelte das Straferkenntnis mit Freitag, 8. April 1988, als zugestellt. Die Berufungsfrist sei somit am 22. April 1988 (Freitag) abgelaufen. Die trotz richtiger Rechtsmittelbelehrung erst am Montag, 25. April 1988, zur Post gegebene Berufung sei daher verspätet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt die Ansicht der belangten Behörde, er habe seine Mitwirkungspflicht verletzt. Weiters verweist er unter Vorlage einer Fotokopie des Briefumschlages der Postsendung darauf, daß dieser den Poststempel des Postamtes 1110 vom 7. April 1988 und weiters den Poststempel des Postamt 1113 erst vom 11. April 1988 (Montag) trägt. Damit sei das Poststück eindeutig erst am 11. April 1988 dort eingelangt und erstmals an diesem Tag zur Abholung bereit gewesen, sodaß die am 25. April 1988 zur Post gegebene Berufung rechtzeitig sei. Der Vermerk des Postbeamten betreffend den Beginn der Abholfrist 8. April 1988 beim Postamt 1113 sei unrichtig.

Dem Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Die belangte Behörde hat wohl an den Beschwerdeführer eine Ladung für 15. November 1988 gerichtet. Der Beschwerdeführer hat sich aber für diesen Termin entschuldigt und einen schriftlichen Vorhalt und Einräumung einer Frist zur Stellungnahme angeregt.

Wenn die Behörde eine persönliche Befragung des Beschwerdeführers oder eines Vertreters für notwendig erachtete, so wäre sie im Hinblick auf das Entschuldigungsschreiben gehalten gewesen, an den Beschwerdeführer eine neuerliche Ladung zu richten und auf das (ihrer Meinung nach bestehende) Erfordernis einer mündlichen Befragung hinzuweisen. Schließlich enthält das von der belangten Behörde zur Ladung verwendete Formular sogar den ausdrücklichen Hinweis, daß aus wichtigen Gründen - z. B. Krankheit, Gebrechlichkeit oder Urlaubsreise - der Termin verschoben werden kann. Bemerkt wird, daß die Ladung auch keinen Hinweis auf die Folgen eines (unentschuldigen) Ausbleibens vom Termin enthält. Der Verwaltungsgerichtshof vermag weiters auch nicht zu finden, daß die Frage der Verspätung oder Rechtzeitigkeit der Berufung nicht auch auf schriftlichem Weg einer Klärung zugeführt werden kann, wie der Beschwerdeführer im Entschuldigungsschreiben anregte.

Der Rechtsansicht der belangten Behörde, es habe der Beschwerdeführer seine Mitwirkungspflicht verletzt, weshalb von der Verspätung des Rechtsmittels auf Grund des Vermerkes des Zustellers über den Beginn der Abholfrist auszugehen sei, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen.

Im übrigen hätten der belangten Behörde schon auf Grund der Tatsache, daß laut Rückschein die Hinterlegung beim Postamt 1113 und nicht beim Zustellpostamt 1110 erfolgen soll und daher die Postsendung erst dort zur Abholung bereit sein kann, sich jedoch am Rückschein lediglich ein Poststempel des Postamtes 1110 (Zustellpostamt) mit Datum 8. April 1988, 19 Uhr (somit Freitag abends), befindet, Bedenken aufkommen müssen und wäre es ohne weiteres möglich gewesen, durch Rückfrage beim Postamt über diese Umstände Aufklärung zu erlangen, insbesondere wann das Schriftstück tatsächlich beim Postamt 1113 einlangte und damit erstmals zur Abholung bereit war. Im fortgesetzten Verfahren wird daher durch ein entsprechendes Ermittlungsverfahren der genaue Vorgang der Zustellung zu untersuchen sein, um eindeutig feststellen zu können, ob die Berufung rechtzeitig oder verspätet ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, beschränkt durch die vom Beschwerdeführer beantragte Höhe.

Wien, am 18. Oktober 1989

Schlagworte

Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1989:1989030158.X00

Im RIS seit

07.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

07.11.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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