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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
AZG §1 Abs2 Z8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des P in K, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 4. März 1994, Zl. Senat-MD-93-431, betreffend Übertretungen des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 9. Dezember 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei als Geschäftsführer eines näher bezeichneten Unternehmens dafür verantwortlich, daß im Standort V folgende Arbeitnehmerinnen während der Nacht (zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr bzw. - sofern die Betriebsstätte zulässigerweise bis 20.00 Uhr geöffnet gewesen sei - nach 20.15 Uhr) beschäftigt worden seien:
1) A am 09.04.1992 bis 20.30 Uhr,
am 07.05.1992 bis 20.30 Uhr,
2) B am 26.03.1992 bis 20.21 Uhr,
am 07.04.1992 bis 21.09 Uhr,
am 15.04.1992 bis 00.30 Uhr,
3) C am 02.04.1992 bis 20.24 Uhr,
am 30.04.1992 bis 20.36 Uhr,
am 14.05.1992 bis 20.21 Uhr,
4) D am 02.04.1992 bis 20.30 Uhr,
am 09.04.1992 bis 20.30 Uhr,
am 16.04.1992 bis 20.21 Uhr,
am 30.04.1992 bis 20.30 Uhr,
5) E am 09.04.1992 bis 20.36 Uhr,
am 30.04.1992 bis 20.45 Uhr,
6) F am 05.03.1992 bis 20.21 Uhr,
am 19.03.1992 bis 20.57 Uhr,
am 26.03.1992 bis 20.51 Uhr,
am 02.04.1992 bis 21.06 Uhr,
am 09.04.1992 bis 20.57 Uhr,
am 16.04.1992 bis 20.54 Uhr,
am 07.05.1992 bis 21.06 Uhr und
am 14.05.1992 bis 20.57 Uhr.
Er habe hiedurch sechs Übertretungen nach § 9 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen, BGBl. 1969/237 idgF (FrNArbG), begangen, weshalb über ihn gemäß § 9 Abs. 1 leg. cit. je Arbeitnehmerin eine Geldstrafe von S 2.000,-- (insgesamt S 12.000,--) und eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, wobei sich dieses Rechtsmittel in allen sechs angelasteten Delikten gegen die Höhe des Strafausmaßes richtete und in Punkt 5 (somit hinsichtlich der Beschäftigung der Arbeitnehmerin E) das Straferkenntnis erster Instanz auch im Schuldspruch angefochten wurde.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. März 1994 wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend macht und dessen kostenpflichtige Aufhebung beantragt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Der Beschwerdeführer macht im wesentlichen geltend, daß die Arbeitnehmerin E den Beschränkungen des Frauennachtarbeitsgesetzes nicht unterliege, weil sie eine verantwortliche Stellung leitender Art innehabe. Die belangte Behörde habe das Vorliegen der Ausnahmebestimmung des § 2 Abs. 2 lit. f FrNArbG fälschlicherweise verneint und verkannt, daß es nicht darauf ankomme, ob der Arbeitnehmerin maßgebender Einfluß auf die Betriebsführung zukomme, sondern entscheidend sei, ob deren faktische Tätigkeit unter eine verantwortliche Stellung leitender oder technischer Art einzuordnen sei. Dies sei hinsichtlich der genannten Arbeitnehmerin zu bejahen, zumal das Ermittlungsverfahren unter anderem auch ergeben habe, daß sie selbständig über die Aufnahme bzw. Kündigung von Mitarbeitern entscheiden könne, wobei sie eine Personalverantwortung für 19 Mitarbeiter trage. Ebenso sei hervorgekommen, daß sie im Jahre 1993 eine Umsatzverantwortung über einen Betrag von rund 130 Millionen Schilling getragen und hiefür auch das Budget erstellt habe, was etwa 13 % des Jahresumsatzes des Betriebes ausmache. Sie trage daher auch unter diesem Aspekt eine verantwortliche Stellung leitender Art, abgesehen davon, daß sie auch im Marketing über entsprechende Kompetenzen verfüge. Was die verhängten Strafen betreffe, habe die belangte Behörde nicht hinreichend berücksichtigt, daß der Beschwerdeführer verwaltungsstrafrechtlich unbescholten und das Ausmaß der Überschreitungen geringfügig sei. Das Verschulden des Beschwerdeführers sei daher als geringfügig anzusehen.
Zur Übertretung betreffend Beschäftigung der Arbeitnehmerin E:
Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, daß der betreffenden Arbeitnehmerin nicht die Eigenschaft einer "leitenden Angestellten" zuzusprechen sei, weil sie nicht die erforderlichen Kriterien erfülle, um sie als Dienstnehmerin vom Anwendungsbereich der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen "des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen bzw. des Arbeitszeitgesetzes" auszunehmen. Sie sei strikt in das für alle Mitarbeiter geltende Arbeitszeitsystem einbezogen, müsse eine Stempelkarte für das Zeiterfassungssystem verwenden, habe kein überdurchschnittliches Einkommen und es seien ihr keine "maßgebliche Entscheidungen auf kaufmännischem oder technischem Gebiet, die über ihre Abteilung hinausgehen", übertragen worden.
Damit hat die belangte Behörde jedoch die Rechtslage verkannt: Sie setzte offensichtlich die Ausnahmebestimmungen nach § 2 Abs. 2 lit. f FrNArbG mit denen des § 1 Abs. 2 Z. 8 des Arbeitszeitgesetzes gleich. Zum Unterschied vom letztgenannten Ausnahmetatbestand erfordert jedoch der des § 2 Abs. 2 lit. f FrNArbG nicht die selbstverantwortliche Übertragung maßgeblicher Führungsaufgaben. Da es genügt, daß Arbeitnehmerinnen, um vom Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 2 lit. f FrNArbG umfaßt zu sein, "verantwortliche Stellungen leitender oder technischer Art innehaben", weichen beide Begriffe insoweit voneinander ab, als es für die Beurteilung als "leitender Angestellter" im Sinne des Arbeitszeitgesetzes in stärkerem Maß auf den faktischen Einfluß und die Funktion des betreffenden Arbeitnehmers ankommt. Der genannte Ausnahmetatbestand des FrNArbG setzt hingegen nicht voraus, daß die betreffende Arbeitnehmerin im Unternehmen eine im derartigen Ausmaß herausgehobene, einflußreiche Position einnimmt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1992, Slg. Nr. 13.729/A).
Die belangte Behörde hat auf Grund der Aussage der Zeugin E festgestellt, daß sie Abteilungsleiterin für den Textil- und Teppichbereich sei; sie unterstehe direkt dem Beschwerdeführer, dem gegenüber sie weisungsgebunden und berichtspflichtig sei. Sie könne selbständig über die Aufnahme bzw. Kündigung von Mitarbeitern entscheiden und es würden ihr 19 Mitarbeiter unterstehen. Diesem Umstand hat die belangte Behörde jedoch nicht die nötige Bedeutung beigemessen: Auch wenn die betreffende Arbeitnehmerin dem Beschwerdeführer gegenüber weisungsgebunden und berichtspflichtig ist und eine Zeitstempelkarte verwenden muß (und wie von der Behörde weiters festgestellt, hinsichtlich ihrer Entlohnung über keinen Sondervertrag verfügt), reicht es in Ansehung des Ausnahmetatbestandes des § 2 Abs. 2 lit. f FrNArbG für eine "verantwortliche Stellung leitender Art" aus, daß sie selbständig über die Aufnahme bzw. Kündigung von Mitarbeitern entscheiden kann, wobei ihr 19 Mitarbeiter unterstehen. Daß ihr hiebei auf den gesamten Betrieb bezogen keine leitende Funktion zukommt, ist hier nicht von Bedeutung.
Zufolge des der belangten Behörde bei der Auslegung des § 2 Abs. 2 lit. f FrNArbG unterlaufenen Rechtsirrtums ist der angefochtene Bescheid in Ansehung der Verurteilung wegen dieser Verwaltungsübertretung nach § 3 Abs. 1 leg. cit. mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Zur überzeitigen Beschäftigung der übrigen Arbeitnehmerinnen:
Der Schuldspruch in Ansehung der Beschäftigung dieser (insgesamt fünf) Arbeitnehmerinnen erwuchs in Rechtskraft, bekämpft wurde der erstinstanzliche Bescheid nur mehr in Ansehung des Strafausmaßes. Die belangte Behörde bestätigte diesen und führte im wesentlichen dazu aus, daß eine Herabsetzung auf die Mindeststrafe (hier: S 1.000,--) nicht möglich sei, weil mehrere Arbeitnehmerinnen von dieser verletzten Gesetzesnorm betroffen seien und jede dieser Arbeitnehmerinnen wiederholt eingesetzt worden sei, und auch das Ausmaß der Überschreitung der Arbeitszeit nicht als äußerst geringfügig zu betrachten sei. Demgegenüber sei der Milderungsgrund des Teilgeständnisses zu berücksichtigen. Ausgehend von zumindest durchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Beschwerdeführers seien die Strafen tat- und schuldangemessen.
Hierin kann der belangten Behörde jedoch nicht gefolgt werden: Zunächst ist ihr zu entgegnen, daß im Hinblick auf das herrschende Kumulationsprinzip die Annahme eines Erschwerungsgrundes wegen gesetzwidriger Beschäftigung mehrerer Dienstnehmerinnen verfehlt war.
Weiters ist zu berücksichtigen, daß die Arbeitnehmerinnen - wie sich aus dem detaillierten Spruch des Straferkenntnisses erster Instanz ergibt - (mit Ausnahme des Falles B vom 15. April 1992) zwar mehrmals, jedoch nur geringfügig gesetzwidrig eingesetzt waren. In dem genannten Fall der B hat der Beschwerdeführer zudem - von der belangten Behörde nicht widerlegt - vorgebracht, daß sie aus privaten Gründen am fraglichen Abend (sie ist mit dem Leiter der Dekorationsabteilung verlobt) länger im Unternehmen blieb, um gemeinsam mit diesem nach Hause fahren zu können. Zudem ist zu berücksichtigen, daß schon die Erstbehörde von der bisherigen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ausgegangen ist. Da die belangte Behörde diesen Strafbemessungskriterien nicht die gehörige Bedeutung beigemessen und in jedem Fall eine überhöhte Geldstrafe von S 2.000,-- verhängt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid auch diesbezüglich mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Der angefochtene Bescheid war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Erschwerende und mildernde Umstände DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994110131.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
10.08.2009