TE Vfgh Erkenntnis 1994/2/28 B1304/93

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Veröffentlicht am 28.02.1994
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Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
EMRK Art10
RundfunkG §2
RundfunkG §27 Abs1 Z1 litb

Leitsatz

Keine Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit und des Gleichheitsrechts durch die Abweisung einer an die Rundfunkkommission gerichteteten Beschwerde wegen Verletzung des Objektivitätsgebotes durch eine Fernsehsendung über die systematische Vergewaltigung von Frauen im ehemaligen Jugoslawien

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, den beteiligten Parteien J K und Dr. H B zu Handen ihres Vertreters Rechtsanwalt Dr. G K die mit insgesamt S 16.500 bestimmten Verfahrenskosten binnen vierzehn Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. F K wandte sich mit einer Beschwerde gemäß §27 Abs1 Z1 litb Rundfunkgesetz (RFG), die am 5. März 1993 bei der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes (RFK) einlangte, gegen die "am 26. Jänner 1993 im Fernsehprogramm FS 2 ausgestrahlte Sendung 'Ausland Report extra'" des Österreichischen Rundfunks (ORF). Diese Administrativbeschwerde wurde - wie die RFK feststellte - von mehr als fünfhundert weiteren Inhabern einer Rundfunk-(Fernsehrundfunk-)Hauptbewilligung unterstützt. Es wird darin die Feststellung begehrt, daß obige Fernsehsendung "dem Grundsatz zur Wahrung der Objektivität" widersprochen habe.

1.1.2. Die RFK gab dieser Beschwerde mit ihrem Bescheid vom 30. April 1993, Z549/8-RFK/93, nicht Folge.

In der Begründung des Kommissionsbescheids heißt es ua:

"Der ORF strahlte am 26. Jänner 1993 in ORF 2 die Fernsehsendung 'Auslandsreport-Spezial - Krieg gegen Frauen' aus. Vor allem anknüpfend an notorisch bekannte Ereignisse im Zusammenhang mit dem Krieg auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien rückte diese Sendung das Phänomen, daß in einem Krieg Frauen gleichsam systematisch vergewaltigt werden, sodaß er dadurch ein 'Krieg gegen Frauen' wird, ins Zentrum der Betrachtungen. Über die Ausleuchtung aktueller Geschehnisse in Südosteuropa hinaus, versuchte die Sendung auch einen (mehr oder minder) weit ausholenden geschichtlichen Längsschnitt über das Phänomen der Vergewaltigungen von Frauen im Zusammenhang mit Kriegsereignissen. Die bildliche Aufbereitung dieses historischen Rückblicks wurde von folgenden - auszugsweise wiedergegebenen - Textpassagen begleitet:

'Die Geschichten von Vergewaltigungen im Krieg sind so alt wie die Menschheit selbst. Eines der ersten überlieferten Beispiele finden wir im Alten Testament, im Buch der Richter ...

Berichte über Vergewaltigungen ziehen sich durch die ganze Kriegsgeschichte. Es geht nicht nur um sexuellen Lustgewinn. Ziel ist vielmehr die Demonstration totaler Macht über den Feind, die gewalttätige Besitznahme von Frauen als Botschaft zwischen kriegführenden Männern.

Der Erste Weltkrieg setzt neue Dimensionen: Im August 1914 marschieren deutsche Truppen in Belgien ein und überziehen das Land mit Terror. Die Vergewaltigungen werden zum Synonym für typisch deutsche Kriegsführung ...

In Amerika wurde der deutsche Feldzug gegen Belgien unter dem Schlagwort 'Die Vergewaltigung durch den Hunnen' bekannt. Frauenschändungen werden erstmals als Propagandawaffe eingesetzt. Amerika tritt in den Krieg ein ...'

Nach Hinweisen auf idente Phänomene aus Anlaß der Besetzung der (damaligen) chinesischen Hauptstadt Nanking durch Japaner und auf derzeit in Tokio laufende Gerichtsverfahren, in denen vergewaltigte Koreanerinnen ihre Anerkennung als Kriegsopfer und materielle Wiedergutmachung einfordern, wird fortgesetzt:

'Reichskristallnacht, Deutschland 1938. Zahlreiche Jüdinnen werden vergewaltigt. Zwar verbieten die Rassengesetze den deutschen Soldaten, jüdische Frauen zu vergewaltigen. Doch bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen tritt umfangreiches deutsches Dokumentationsmaterial zutage: Beweise, daß deutsche Soldaten im Ghetto von Warschau und draußen in den Dörfern immer wieder ungestraft Frauen schänden. Abmarsch der Deutschen in Richtung Ostfront. Massenhaft werden polnische und russische Frauen vergewaltigt. Der spätere Einmarsch der Roten Armee in deutsche Gebiete brachte die Abrechnung - etwa 2 Millionen deutsche Frauen sind die Opfer'...

Die die Sendung gestaltenden Redakteurinnen und Redakteure des ORF informierten sich vor der Produktion in wissenschaftlichen, zeitgeschichtlichen Quellen darüber, ob diese für das Grundthema der Sendung 'Krieg gegen Frauen' (als Ausdruck eines systemimmanenten Bestandteils einer bestimmten militärischen Strategie) in Beziehung auf den Ersten und Zweiten Weltkrieg etwas hergeben würden. Bei Susan Brownmiller, Gegen unseren Willen, Frankfurt 1980, fanden sie in Beziehung auf den Zweiten Weltkrieg unter anderem folgende einschlägige Darstellung: 'Nicht nur jüdische Frauen wurden auf dem deutschen Vormarsch nach Osten vergewaltigt, sondern alle Frauen galten als Beute. Das Beweismaterial, das bei den Nürnberger Prozessen vorgelegt wurde, macht dies ganz deutlich. Die bittersten Erinnerungen und die genauesten Aufzeichnungen hatten die sowjetischen Ankläger nach Nürnberg mitgebracht. Die Sowjets hatten in dem langen Krieg mehr Verluste als alle anderen Alliierten erlitten und von Anfang an Fakten und Aussagen gesammelt. Das Beweisstück Nr. 51 der UdSSR, ein Destillat der von den Nazis 1941 begangenen Grausamkeiten, war ursprünglich von dem damaligen sowjetischen Außenminister Molotow im Januar 1942 als Zwischenkriegsbericht für die Alliierten vorbereitet worden. Das Beweisstück trug in Nürnberg die Bezeichnung `Molotow-Note`. `Frauen und Mädchen werden in allen besetzten Gebieten auf gemeinste Weise vergewaltigt`, schreibt der Diplomat' (aaO, S. 60).

'Beschlagnahmte deutsche Dokumente, 1946 bei den Nürnberger Prozessen vorgelegt, liefern den Beweis dafür, daß systematisch vergewaltigt wurde, um Terror zu verbreiten. Der Grund für die Existenz dieser Unterlagen ist aufschlußreich. Die deutschen Behörden haben bisweilen in besetzten Städten allen Ernstes Berichte über zufällige Greueltaten unter dem Vorwand gesammelt, für Recht und Ordnung sorgen zu wollen. Es hieß dann von offizieller Seite, `unkontrollierbare Elemente` seien für die häßlichen Ausschreitungen verantwortlich - eine phantastische Entschuldigung für gezielte Repressionen, die sich daran anschlossen ...' (aaO, S. 59).

In 'Befreier und Befreite; Krieg, Vergewaltigung, Kinder', herausgegeben von Barbara Johr, München 1992, schreibt Helke Sander auf S. 29 (nahezu textgleich mit Brownmiller):

'Beschlagnahmte deutsche Dokumente, 1946 bei den Nürnberger Prozessen vorgelegt, beweisen, daß von den deutschen Eroberern systematisch vergewaltigt wurde, um Terror zu verbreiten:

polnische, jüdische und russische Frauen wurden vergewaltigt und in vielen Fällen grausam ermordet. Hunderte von Frauen und Mädchen wurden erbarmungslos verfolgt, in Wehrmachtsbordelle getrieben und dort zur Zwangsprostitution mißbraucht, zum sogenannten `Vergnügungsdienst`, oft Vorstufe zum administrativen Massenmord ... Vergewaltigungen zu Kriegszeiten haben zweifelsohne eine militärische Bedeutung: Sie schüchtern den Gegner ein und demoralisieren die Opfer.'

    Zum Phänomen gezielt eingesetzter Vergewaltigungen im Ersten

Weltkrieg vermerkt Brownmiller (aaO, S. 47ff): 'Als die Deutschen

im August 1914 in Belgien einmarschierten, war das Wort

Vergewaltigung als internationale Metapher für die belgische

Demütigung plötzlich in vieler Munde. Diese noch nie dagewesene

Beachtung hatte wenig mit Anerkennung der Frauenrechte, hingegen

viel mit der Entwicklung einer neuen Form der Kriegsführung, des

wissenschaftlichen Einsatzes von Propaganda zu tun ... Der Versuch,

dem deutschen Heer ein machiavellistisches Konzept der

Vergewaltigung zu unterstellen, ist verlockend, doch ich fürchte,

Toynbee dient mit diesen Sätzen mehr der Propaganda als der

historischen Wahrheit. Es erscheint zwar nicht unmöglich, daß

Vergewaltigung während der ersten Kriegsmonate eine bewußte oder

zumindest geduldete Taktik der Deutschen war, aber rationaler

scheint der Schluß zu sein, daß die Gelegenheit zu Vergewaltigungen

aufgrund der neuen Art der Kriegsführung erheblich eingeschränkt

war, daß der Stellungskrieg die Häufigkeit solcher Übergriffe

reduziert hat und daß der Horror, den sie verbreiteten, im weiteren

Verlauf des Krieges von den ungeheuren Verlusten an Menschenleben

überlagert worden ist. Nach den ersten drei Kriegsmonaten haben die

Alliierten sich nicht mehr darum bemüht, Berichte über

Vergewaltigungen zu sammeln oder Gerüchte zu verifizieren. Dazu

bestand keine Notwendigkeit. Der Krieg hatte nämlich ein neues und

überaus effektives Kampfmittel zur Welt gebracht: den

wissenschaftlichen Gebrauch internationaler Propaganda. Die deutsche

Wehrmacht mag zwar manchmal die militärische Initiative ergriffen

haben, aber auf dem Feld der Propaganda übernahmen die Alliierten

die Führung und handelten entschlossen. Vergewaltigung wurde der

Weltöffentlichkeit von geschickten Manipulatoren fast über Nacht als

typisch deutsches Verbrechen präsentiert, als Beweis für den

`entarteten Boche`, der Krieg mittels Greueltaten führt. Niemals

zuvor in der Geschichte hat Vergewaltigung im Krieg - das Privileg

des Eroberers - solches Aufsehen erregt. Das neutrale Amerika war

das Hauptziel der Propagandatechniker beider Seiten der Front, doch

die phantasielosen Deutschen hatten niemals eine Chance ... Die

Vergewaltigung durch den Hunnen wurde zum Schlagwort in den

Vereinigten Staaten. Es stand für den kriminellen Überfall auf das

unschuldige Belgien ... Als Propaganda war Vergewaltigung höchst

wirkungsvoll, wirkungsvoller als der eigentliche deutsche Terror.

Das hat wesentlich zum Eintritt der Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg beigetragen.' (aa0, S. 50).

Die Einbindung dieses weit ausholenden historischen Rückblicks auf die Geschichte von Vergewaltigungen in eine hochaktuelle, dokumentarische Reportage über eine spezielle Facette des Bürgerkriegs in Südosteuropa läßt eine stringente Zuordnung der beanstandeten Textpassagen unter einen bestimmten Fall des §2 RFG nicht zu. Wie auch immer: Gilt für jeden Unterfall des §2 Abs1 Z1 RFG das Objektivitäts- und Ausgewogenheitsgebot, so kommt auch eine am Kern des Programmauftrags orientierte Bildungssendung iSd §2 Abs1 Z2 RFG an diesen Postulaten nicht vorbei.

Indes ist der Inhalt des Objektivitätsgebots nicht gänzlich losgelöst vom jeweiligen Sendungscharakter zu sehen. Geht es bei Nachrichten und Reportagen grundsätzlich noch darum, die Wirklichkeit im objektiv möglichen und zumutbaren Rahmen wiederzugeben, so kann dieser hohe Anspruch bei der Darstellung historischer Abläufe nicht mit gleicher Schärfe gelten. Denn in Erkenntnis dessen, daß die restlose Aufhellung geschichtlicher Vorgänge und ihre angemessene Bewertung nicht nur eine weitestgehende Auffindung aller relevanten Quellen voraussetzt (ein regelmäßig nicht realisierbares Unterfangen), und daß auch wissenschaftliche Geschichtsschreibung in der Regel geprägt ist von divergenten Befundaufnahmen und oft auch im Kern abweichender Bewertung, kann auch einem Journalismus, der sich der Zeitgeschichte annimmt, nicht erst dann das Prädikat objektiver Darstellung verliehen werden, wenn er ausschließlich über wahres Geschehen berichtet. Vielmehr genügt er seiner Verpflichtung zur Objektivität schon dann, wenn er sich anhand seriöser, in breiteren Kreisen der Fachwelt anerkannter einschlägiger Literatur informiert, und schließlich der Sendungsgestalter nicht wider besseres Wissen handelt.

Daß Brownmiller und/oder Sander bzw. Johr diesen Qualitätsparametern nicht entsprechen würden, wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Notorischerweise sind die genannten Autorinnen der spezifischen Standardliteratur zuzuzählen. Letztlich werden ihre Darlegungen ja auch von der (von den Beschwerdegegnern) vorgelegten Stellungnahme des ersichtlich spezifisch kompetenten Dr. Broucek bestätigt.

Der Senat verkennt nicht, daß

1.) die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen durchaus den Schluß zulassen, daß punktuell und regional - das jeweilige Ausmaß muß offengelassen werden - Angehörige der deutschen Wehrmacht im Zweiten Welkrieg keine Vergewaltigungen von Frauen durchführten oder gar befahlen, ja selbst den Gedanken von sich wiesen, und daß

2.) Brownmiller nicht mit dieser Deutlichkeit, wie in der inkriminierten Sendung erfolgt, den im Ersten Weltkrieg erfolgten Vergewaltigungen durch deutsche Soldaten Systemimmanenz zuschreibt.

Zu 1.): Gegenteilige Aussagen von Zeitzeugen und mitunter ebensolche Literaturhinweise entkleiden die an seriöser, anerkannter Standardliteratur orientierte Recherche der ORF-Mitarbeiter nicht des gewissenhaften Strebens nach Objektivität.

Zu 2.): Verkürzungen, die nicht gänzlich sinnverdrehend wirken und die zudem - im Verhältnis zur Kernaussage einer Sendung - nur Marginales betreffen, müssen unter dem Gesichtspunkt eines rasch arbeitenden Journalismus, der zugunsten der Verständlichkeit auch nicht weitschweifig werden soll, zulässig sein. Immerhin findet sich auch bei Brownmiller der deutliche Hinweis, daß deutsche Soldaten im Ersten Weltkrieg vergewaltigten. Daß die Propaganda der Alliierten dies überzeichnete, ist für die Grundaussage der Sendung - 'Krieg gegen Frauen'! - nicht von Bedeutung.

Im Lichte des dargestellten Objektivitätsbegriffs verstießen die inkriminierten Sendungsteile nicht gegen den im §2 RFG umschriebenen Programmauftrag..."

1.2.1. Gegen diesen Bescheid wendet sich F K mit Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 Abs1 B-VG, in der er die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheids begehrt.

1.2.2. Die RFK als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete aber darauf, eine Gegenschrift zu erstatten.

1.2.3. Hingegen brachten die für die streitverfangene Sendung verantwortlichen Bediensteten des ORF, nämlich der Informationsintendant J K und der Hauptabteilungsleiter Dr. H B als Beteiligte des verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens eine gemeinsame Gegenäußerung ein, in der sie für die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde eintraten.

2. Über die Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1. Die RFK ist eine nach Art133 Z4 B-VG eingerichtete Verwaltungsbehörde. Ihre Entscheidungen unterliegen nach §29 Abs5 RFG nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Der administrative Instanzenzug iSd Art144 Abs1 Satz 2 B-VG ist also ausgeschöpft (vgl. zB VfSlg. 12491/1990; VfGH 24.2.1992 B1108/91).

2.1.2. Wie der Verfassungsgerichtshof schon in VfSlg. 7716/1975, 7717/1975, 7718/1975 und 8320/1978 darlegte, ist es nicht ausgeschlossen, daß eine Person, die eine auf §27 Abs1 Z1 litb RFG gestützte Beschwerde an die RFK richtete, durch den ihren Antrag ablehnenden Bescheid der Kommission in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt wird. Sie ist daher legitimiert, gegen den Bescheid der Kommission gemäß Art144 Abs1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde zu führen (VfGH 15.3.1993 B468/91).

2.1.3. Die Prozeßvoraussetzungen treffen (insgesamt) zu (vgl. VfSlg. 12491/1990; VfGH 24.2.1992 B1108/91, 15.3.1993 B468/91), die Beschwerde ist zulässig.

2.2. Wenn der Beschwerdeführer geltend macht, im Recht nach §2 RFG verletzt worden zu sein, so ist ihm zu entgegnen, daß es sich dabei nur um eine einfachgesetzliche Norm handelt, der Verfassungsgerichtshof aber nach Art144 Abs1 B-VG über Beschwerden wegen Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten zu entscheiden hat.

2.3. Des weiteren bringt der Beschwerdeführer vor, daß der ORF das verfassungsgesetzlich verbürgte Recht auf freie Meinungsäußerung (Art10 Abs1 EMRK) mißbraucht und gegen gesetzliche Vorschriften zum Schutz der Rechte anderer iSd Art10 Abs2 EMRK verstoßen habe. Damit behauptet er jedoch gar nicht, selbst im Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art10 Abs1 EMRK verletzt zu sein, sodaß seine entsprechenden Einlassungen den Umständen nach auf sich beruhen können.

2.4.1. Der vom Beschwerdeführer ebenfalls relevierte Gleichheitsgrundsatz (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG) kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (zB VfSlg. 8823/1980) nur verletzt sein, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte oder wenn sie bei der Bescheiderlassung Willkür übte.

2.4.2. Der Beschwerdeführer wendet nicht ein, daß die den bekämpften Bescheid tragenden Rechtsvorschriften gleichheitswidrig seien. Auch der Verfassungsgerichtshof hegt unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalls keine derartigen Bedenken.

2.4.3. Da es auch an jeglichen Hinweisen dafür fehlt, daß die belangte Kommission den in Rede stehenden Normen einen dem Gleichheitsgebot zuwiderlaufenden Inhalt beilegte, könnte der Beschwerdeführer mit seiner auf Art7 Abs1 B-VG iVm Art2 StGG gegründeten Einrede bloß dann im Recht sein, wenn der angefochtene Bescheid ein Willkürakt wäre.

Dies ist aber keineswegs der Fall.

Es fehlt an Anhaltspunkten dafür, daß die Kommission sich bei ihrer Willensbildung von subjektiven, in der Person des Beschwerdeführers gelegenen Momenten leiten ließ. Auch gab die belangte Behörde in der Bescheidbegründung ihre von der Meinung des Beschwerdeführers abweichenden Erwägungen unter Berücksichtigung der beigebrachten Unterlagen, fern von jeder Leichtfertigkeit, im Einklang mit den Gesetzen logischen Denkens sorgfältig und eingehend wieder. Sie suchte dabei sichtlich auf die maßgebenden Einzelheiten der Rechtssache einzugehen, wie (auch) der aus den Akten zu entnehmende Ablauf des Verwaltungsgeschehens zeigt. Soweit der Beschwerdeführer eine Sendung bestimmten Inhalts und Umfangs zu fordern scheint, ist ihm entgegenzuhalten, daß die Frage der Auswahl und Gewichtung der Berichterstattung über konkrete (historische) Ereignisse, Vorkommnisse oder Meinungen innerhalb des rundfunkverfassungsrechtlichen Rahmens - bei Sendungen, die der ORF selbst gestaltet - Sache des ORF ist (vgl. VfGH 15.3.1993 B468/91). Daß der ORF die ihm verfassungsgesetzlich gezogenen Grenzen nicht überschritt, ergibt sich aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung, denen der Verfassungsgerichtshof insoweit nicht entgegenzutreten vermag:

Der Standpunkt der belangten Behörde ist unter den obwaltenden Verhältnissen insgesamt weder in tatsachenmäßiger noch in rechtlicher Hinsicht mit - Willkür indizierender - Denkunmöglichkeit belastet.

2.4.4. Abschließend bleibt festzuhalten, daß der Beschwerdeführer (auch) im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht nicht verletzt wurde.

2.5. Das verfassungsgerichtliche Beschwerdeverfahren ergab aber auch nicht, daß der Beschwerdeführer in einem sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde.

2.6. Ob das RFG von der RFK richtig angewendet wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu entscheiden, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde, wie im vorliegenden Fall, gegen den Bescheid einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, der beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (VfGH 9.12.1992 B1114/92, 15.3.1993 B468/91, 27.9.1993 B343/92 uvam.).

2.7. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

2.8. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 2.750 enthalten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Rundfunk, Meinungsäußerungsfreiheit, Objektivitätsgebot (Rundfunk)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B1304.1993

Dokumentnummer

JFT_10059772_93B01304_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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