RS Vfgh 2022/9/22 E1245/2022

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Veröffentlicht am 22.09.2022
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
EMRK Art8
StbG 1985 §10 Abs1 Z6, §20
StVO 1960 §99
COVID-19-MaßnahmenG §8
VfGG §7 Abs1
  1. StVO 1960 § 99 heute
  2. StVO 1960 § 99 gültig ab 01.09.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 154/2021
  3. StVO 1960 § 99 gültig von 31.03.2013 bis 31.08.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 39/2013
  4. StVO 1960 § 99 gültig von 01.09.2012 bis 30.03.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 50/2012
  5. StVO 1960 § 99 gültig von 01.01.2012 bis 31.08.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 59/2011
  6. StVO 1960 § 99 gültig von 31.05.2011 bis 31.12.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 34/2011
  7. StVO 1960 § 99 gültig von 01.09.2009 bis 30.05.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 93/2009
  8. StVO 1960 § 99 gültig von 26.03.2009 bis 31.08.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2009
  9. StVO 1960 § 99 gültig von 02.04.2005 bis 25.03.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 15/2005
  10. StVO 1960 § 99 gültig von 25.05.2002 bis 01.04.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 80/2002
  11. StVO 1960 § 99 gültig von 01.01.2002 bis 24.05.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 32/2002
  12. StVO 1960 § 99 gültig von 24.07.1999 bis 31.12.2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 134/1999
  13. StVO 1960 § 99 gültig von 22.07.1998 bis 23.07.1999 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/1998
  14. StVO 1960 § 99 gültig von 06.01.1998 bis 21.07.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 3/1998
  15. StVO 1960 § 99 gültig von 28.01.1997 bis 05.01.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/1997
  16. StVO 1960 § 99 gültig von 01.10.1994 bis 27.01.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 518/1994
  17. StVO 1960 § 99 gültig von 01.05.1986 bis 30.09.1994 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 105/1986
  1. VfGG § 7 heute
  2. VfGG § 7 gültig ab 22.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020
  3. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 21.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  4. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2014
  5. VfGG § 7 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VfGG § 7 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  7. VfGG § 7 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. VfGG § 7 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2002
  9. VfGG § 7 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 329/1990
  10. VfGG § 7 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander betreffend die Verleihung der Staatsbürgerschaft; keine hinreichende Prüfung der vom Beschwerdeführer – durch besonders gewichtige, neu hinzutretende Umstände – ausgehenden Gefahr für das Grundinteresse der Gesellschaft in der Begründung des Widerrufs der Zusicherung der Staatsbürgerschaft; Verkennung der verfassungsgesetzlichen Bedeutung der Voraussetzungen des Widerrufs wegen Verletzungen der StVO 1960 und des COVID-19-MaßnahmenG

Rechtssatz

Das LVwG stützt seine negative Gefährdungsprognose insbesondere darauf, dass über den Beschwerdeführer seit der Zusicherung (während des vor dem LVwG anhängigen Beschwerdeverfahrens) zweimal gemäß §8 Abs2 Z1 COVID-19-Maßnahmengesetz eine Geldstrafe von je € 100,- wegen Übertretung der zum damaligen Zeitpunkt geltenden COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung verhängt wurde, weil der Beschwerdeführer bei einer Kontrolle an seinem Arbeitsplatz den durch die damals geltende COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung vorgesehenen "3G-Nachweis" nicht vorlegen konnte. Im Zusammenhang mit der Feststellung des Sachverhaltes hält das LVwG in diesem Zusammenhang ausdrücklich fest, dass der Beschwerdeführer der Ansicht gewesen sei, dass "wegen der Tatsache, dass er alleine ein Büro hätte, und die anderen Mitarbeiter der Firma ein anderes Zimmer nutzen, keine Tests notwendig sind. [...] Nach diesen zwei Vorfällen wurde der [B]eschwerdeführer ins Homeoffice versetzt. Für die Zukunft hat er mit seinem Chef vereinbart, dass er sich für Kundentermine testen lassen werde."

Aus diesen Verwaltungsübertretungen und der Aussage des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, dass er regelmäßige Testungen "mit [seiner] Psyche nicht vereinbaren" könne, schließt das LVwG, dass in diesen Verwaltungsübertretungen "eine Rücksicht[s]losigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber den Rechtsvorschriften zur Eindämmung der Corona-Pandemie" zu Tage trete, sodass "eine Prognoseentscheidung nur dahingehend getroffen werden" könne, dass der Beschwerdeführer auch in Zukunft zum Schutz der in §10 Abs1 Z6 StbG genannten öffentlichen Interessen erlassene Rechtsvorschriften missachten werde.

Verkennung der verfassungsrechtlichen Anforderungen für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für einen Widerruf nach §20 Abs2 iVm §10 Abs1 Z6 StbG:

Es ist unzweifelhaft, dass die in Rede stehenden Regelungen zum Schutz vor COVID-19 bzw einer Ausbreitung dieser Krankheit besonders gewichtigen öffentlichen Interessen dienen, wie sie auch durch §10 Abs1 Z6 StbG erfasst sind. Ebenso wie aber nicht jede Übertretung der zum Schutz der Verkehrsteilnehmer ergangenen Regelungen der StVO für sich genommen eine negative Gefährdungsprognose gemäß §20 Abs2 StbG zu begründen vermag, kommt es auch im Hinblick auf die hier in Rede stehenden Übertretungen von Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit COVID-19 auf eine Gesamtbetrachtung an, die die Bedeutung der in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen im Hinblick auf die Schutzzwecke des §20 Abs2 iVm §10 Abs1 Z6 StbG in den Blick nehmen muss, eine vom Staatsbürgerschaftswerber ausgehende erhebliche, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr zu begründen.

Solches vermag der VfGH aus den hier in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen durch den Beschwerdeführer nicht zu erkennen. Wie im Zusammenhang mit Straßenverkehrsregelungen kann es auch einem, die durch §10 Abs1 Z6 StbG geschützten Grundinteressen der Gesellschaft achtenden und respektierenden Mitglied dieser Gesellschaft unterlaufen, da oder dort gegen diese Regelungen zu verstoßen. Eine negative Gefährdungsprognose zur Begründung des Widerrufs der Zusicherung einer Verleihung der Staatsbürgerschaft und damit die Revidierung einer schon getroffenen staatlichen Entscheidung muss sich aber auf besonders gewichtige, neu hinzutretende Umstände, die eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr durch den Beschwerdeführer begründen können, stützen. Solche Umstände können sowohl darin liegen, dass die dem Staatsbürgerschaftswerber anzulastende neue Rechtsverletzung im Hinblick auf die in §10 Abs1 Z6 StbG genannten öffentlichen Interessen besonders gravierend ist, als auch darin, dass im Vergleich mit der im Zeitpunkt der Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft durch die Behörde beurteilten Sachlage eine besondere Häufung von (auch weniger gravierenden) Rechtsverletzungen zu verzeichnen ist.

(Siehe auch die Ablehnung der Behandlung der Beschwerde in E1969/2022 und E4583/2021, beide B v 22.09.2022).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Verleihung (Staatsbürgerschaft), Staatsbürgerschaftsrecht, Straßenpolizei, COVID (Corona), Strafe (Verwaltungsstrafrecht), Entscheidungsbegründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:E1245.2022

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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