Index
Auswertung in Arbeit!Norm
Auswertung in Arbeit!Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Fasching sowie Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Röder, über die Revision des A O, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juli 2021, Zl. W177 2125220-2/11E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl),
I. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Abweisung der Beschwerde betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet, zurückgewiesen.
II. zu Recht erkannt:
Spruch
Im Übrigen wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) in der Sache den Antrag des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen von Afghanistan, auf internationalen Schutz ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht - soweit vorliegend wesentlich - aus, dem Revisionswerber sei zwar eine Rückkehr in seine Herkunftsprovinz (Baghlan) wegen der dort allgemein schlechten Sicherheitslage nicht zumutbar, sehr wohl jedoch „die Ansiedlung in einer der größeren Städten Afghanistans, insbesondere der Stadt Herat und der Stadt Mazar-e Sharif“. Diese Einschätzung stützte das Verwaltungsgericht auf Länderberichte mehrheitlich aus den Jahren 2019 und 2020, vereinzelt aus Jänner bis Mai 2021.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Das BFA erstattete nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zu I.:
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Im Hinblick auf die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten enthält die Revision kein Zulässigkeitsvorbringen nach § 28 Abs. 3 VwGG, weshalb die Revision im Umfang des diesbezüglichen Abspruchs des Verwaltungsgerichts schon aus diesem Grund gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen ist.
Zu II.:
8 Zulässig und begründet erweist sich die Revision in Bezug auf die Bekämpfung der Nichtzuerkennung von subsidiärem Schutz und die rechtlich darauf aufbauenden weiteren Spruchpunkte des angefochtenen Erkenntnisses.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Asylbehörde bei den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen. Dies gilt ebenso für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Das Verwaltungsgericht hat daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Bei instabilen und sich rasch ändernden Verhältnissen im Herkunftsstaat können auch zeitlich nicht lange zurückliegende Berichte ihre Aktualität bereits verloren haben (vgl. etwa VwGH 24.1.2022, Ra 2021/20/0367, Rn. 11, mwN).
10 Der Revisionswerber weist zu Recht darauf hin, dass sich seit Herausgabe der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Länderberichte die Situation in Afghanistan in maßgeblicher Weise verändert hatte, sodass das Verwaltungsgericht im Fall der Berücksichtigung aktueller - in der Revision näher bezeichneter und im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses auch dem Bundesverwaltungsgericht zugänglicher - Berichte (im Besonderen lagen im Entscheidungszeitpunkt bereits diverse weitere, auf aktuelle Ereignisse in Afghanistan Bezug nehmende Informationen der Staatendokumentation vor; vgl. etwa die von ihr herausgegebene Kurzinformation vom 19. Juli 2021) zu anderen Feststellungen und aufgrund dieser auch zu einem anderen Verfahrensergebnis hätte kommen können (vgl. zur Lageänderung in Afghanistan nochmals etwa VwGH Ra 2021/20/0367).
11 Schon deshalb war das angefochtene Erkenntnis in Bezug auf die Abweisung der Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung von subsidiärem Schutz und die darauf aufbauenden Aussprüche gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
12 Die Zuerkennung von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 4. Oktober 2022
Schlagworte
Auswertung in Arbeit!European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021010312.L00Im RIS seit
03.11.2022Zuletzt aktualisiert am
03.11.2022