TE Vwgh Beschluss 2022/9/26 Ra 2022/20/0120

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Veröffentlicht am 26.09.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr. Holzinger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann-Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des M K, vertreten durch Mag. Georg Gradwohl, LL.M., Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 36/6. OG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17. März 2022, W191 2144305-2/3E, betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein der Volksgruppe der Hazara zugehöriger afghanischer Staatsangehöriger schiitischen Glaubens, stellte am 15. Jänner 2016 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22. Dezember 2016 abgewiesen.

2        Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 20. November 2019 teilweise statt, erkannte dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung mit Gültigkeit bis zum 20. November 2020. Diese wurde später bis zum 20. November 2022 verlängert. In Bezug auf das Begehren auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde die Beschwerde abgewiesen.

3        Am 13. Oktober 2021 stellte der Revisionswerber einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21. Dezember 2021 wurde dieser hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen.

4        Das Bundesverwaltungsgericht wies die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis ab. Die Revision erklärte es für gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Zur Begründung der Zulässigkeit der Revision wendet sich der Revisionswerber gegen die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Beurteilung, der Revisionswerber habe nicht dargetan, dass ihm als Angehörigen der Volksgruppe der Hazara und als schiitischem Moslem asylrelevante Verfolgung drohe.

9        Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende Gruppenverfolgung, hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH 8.6.2021, Ra 2019/19/0190, mwN).

10       Das Bundesverwaltungsgericht traf unter Heranziehung aktueller Länderberichte umfangreiche Feststellungen zur Situation der Hazara in Afghanistan, die sich auch auf die Lage seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 beziehen. Mit der bloßen Zitierung von Auszügen aus diesen Feststellungen gelingt es dem Revisionswerber nicht, die Unvertretbarkeit der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes, der Revisionswerber habe nicht schon allein wegen der Zugehörigkeit zu einer ethischen und religiösen Minderheit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung zu befürchten, aufzuzeigen.

11       Zur geltend gemachten Aktenwidrigkeit ist darauf zu verweisen, dass es sich bei der beanstandeten Aussage nur um eine Wiedergabe der Begründung des in Beschwerde gezogenen Bescheides gehandelt hat. Dass das Bundesverwaltungsgericht in aktenwidriger Weise Feststellungen getroffen hätte, geht aus den Ausführungen des Revisionswerbers nicht hervor. Anders als der Revisionswerber meint, handelt es sich bei jener Aussage, in der er eine dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufene Aktenwidrigkeit sieht, nämlich dass dem Revisionswerber im Herkunftsstaat keine Verfolgung drohe, nicht um eine „implizite Feststellung“, sondern um eine aus den Feststellungen gezogene rechtliche Schlussfolgerung.

12       Schließlich wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes und bringt vor, dass diese unschlüssig sei. Das Bundesverwaltungsgericht wäre bei richtiger Würdigung „des Verfahrensaktes“ zum Ergebnis gekommen, dass dem Revisionswerber internationaler Schutz zu gewähren sei.

13       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 6.5.2022, Ra 2022/20/0108, mwN). Mit seinem unsubstantiierten Zulässigkeitsvorbringen gelingt es dem Revisionswerber nicht, aufzuzeigen, dass die beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichtes mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wären.

14       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 26. September 2022

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022200120.L00

Im RIS seit

02.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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