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Auswertung in Arbeit!Norm
Auswertung in Arbeit!Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel, Dr.in Sembacher, Mag. I. Zehetner und Mag. Bayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des H H, vertreten durch Dr. Peter Semlitsch, Rechtsanwalt in 8570 Voitsberg, Kirchengasse 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juli 2021, W154 2139603-2/16E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 5. Mai 2015 als Minderjähriger einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Mit Bescheid vom 30. September 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 30. September 2017, welche in der Folge mit Bescheid vom 25. September 2017 bis zum 30. September 2019 verlängert wurde.
3 Zwischenzeitig wurde der Revisionswerber mehrfach straffällig.
4 Nach einem weiteren Antrag des Revisionswerbers auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung wurde gegen ihn ein Aberkennungsverfahren eingeleitet. Mit Bescheid vom 19. Februar 2020 erkannte das BFA dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten „gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005“ von Amts wegen ab, entzog ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest und erließ gegen den Revisionswerber ein auf fünf Jahre befristetes Einreiseverbot.
5 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass dem Revisionswerber der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 aberkannt werde, und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Begründend führte das BVwG - soweit hier relevant - aus, der Revisionswerber sei nach der letzten Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung volljährig geworden, habe die Schule besucht und Berufserfahrungen gesammelt. Es stehe ihm nunmehr eine interstaatliche Fluchtalternative im Heimatstaat zur Verfügung. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten lägen daher nicht mehr vor. Überdies sei der Revisionswerber nach Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und vor allem auch nach der letzten Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung mehrfach von inländischen Gerichten rechtskräftig verurteilt worden. Aufgrund seines strafbaren Verhaltens (u.a. Straftaten nach dem Suchtmittelgesetz, mehrfache Körperverletzung, Nötigung, mehrfache gefährliche Drohung und Widerstand gegen die Staatsgewalt) stelle der Revisionswerber nunmehr auch eine Gefahr für die Allgemeinheit und die Sicherheit der Republik dar, zumal er wiederholt und rasch rückfällig geworden sei. Trotz Verspürens des Haftübels habe die Bewährung mehrfach versagt.
7 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision.
8 Nach Vorlage der Revision samt den Verfahrensakten durch das BVwG und nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das Gericht sei von einer Rückkehrmöglichkeit nach Mazar-e Sharif ausgegangen, das am 12./13. August 2021 „gefallen“ sei. Zum Zeitpunkt der Entscheidung seien der Truppenabzug und das damit eingehende Vorgehen der Taliban bekannt gewesen und hätten diese Tatsachen dementsprechend berücksichtigt werden müssen. Das angefochtene Erkenntnis weiche insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, als „für den angenommenen Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG tatsächlich der Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG herangezogen wird und für diesen keine Sach- und Rechtsgrundlage besteht“. Es fehlten konkrete Feststellungen, um beurteilen zu können, ob der Revisionswerber eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik darstelle sowie die erforderliche Gefährdungsprognose.
13 Anders als zuvor das BFA, das die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auf § 9 Abs. 1 AsylG 2005 gestützt hatte, sprach das BVwG aus, dass der zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß „§ 9 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Z 2 Asylgesetz 2005“ aberkannt werde.
14 Soweit sich die Revision in ihrem Zulassungsvorbringen gerade noch erkennbar gegen die Beurteilung des BVwG im Hinblick auf § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wendet und in diesem Zusammenhang eine mangelnde Auseinandersetzung mit dem Gesundheitszustand als auch mit einer Rückkehrmöglichkeit nach Mazar-e Sharif rügt, macht sie Verfahrensmängel (Ermittlungs- und Feststellungsmängel) geltend. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 28.4.2022, Ra 2020/14/0523, mwN). Diesen Anforderungen wird die Revision, die sich nur auf eine Krankengeschichte sowie auf den Truppenabzug und das „Vorgehen der Taliban“ bezieht, nicht gerecht, weil sie mit diesen bloß allgemein gehaltenen Ausführungen verabsäumt, konkret auszuführen, welche Tatsachenfeststellungen zu treffen gewesen wären und wieso sich daraus ein für den Revisionswerber im Spruch günstigeres Ergebnis hätte ergeben können (vgl. VwGH 19.4.2021, Ra 2020/20/0250, mwN).
15 Da somit hinsichtlich des vom BVwG herangezogenen Aberkennungsgrundes nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG keine grundsätzliche Rechtsfrage aufgezeigt wurde, kommt es schon aus diesem Grund auf das in der Revision zu § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 erstattete Vorbringen nicht mehr an (vgl. zur Prüfreihenfolge im Fall der Aberkennung von subsidiärem Schutz nach § 9 AsylG 2005, VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005).
16 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 5. Oktober 2022
Schlagworte
Auswertung in Arbeit!European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021140269.L00Im RIS seit
02.11.2022Zuletzt aktualisiert am
02.11.2022