TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/20 94/03/0103

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Veröffentlicht am 20.03.1996
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §16 Abs1 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des H in X, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 11. März 1994, Zl. UVS-3/1588/3-1994, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 11. März 1994 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 26. April 1993 um 14.50 Uhr in Vigaun, St. Margarethenerstraße in Fahrtrichtung St. Kolomann auf Höhe der Einfahrt zum Kurzentrum Vigaun, einen nach dem Kennzeichen bestimmten Pkw gelenkt und dabei ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt, obwohl für den Überholvorgang zum linken Gehsteigrand nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden gewesen sei, "sodaß zwei sich am Gehsteig befindliche Fußgänger in ihrer Sicherheit gefährdet worden sind". Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von S 2.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend macht und dessen kostenpflichtige Aufhebung beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der wesentlichen Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer im Tatortbereich einen Klein-Lkw (3,5 t Planenwagen) überholt habe, wobei im fraglichen örtlichen Bereich die höchstzulässige Fahrgeschwindigkeit 70 km/h betragen habe. Die Fahrbahn der St. Margarethenerstraße weise im Tatortbereich vom rechten Gehsteigrand bis zur rechten Fahrbahnkante eine Breite von 5,5 bis 6 m auf. Die Fahrbahn bestehe in diesem Bereich aus zwei Fahrstreifen und es betrage der Abstand vom Gehsteigrand bis zur Fahrbahnmitte (Leitlinie) lediglich 2,5 m. Der Gehsteig selbst habe eine Breite von ca. 1,5 m. Der Beschwerdeführer habe zu einem Zeitpunkt überholt, als sich gerade am in Richtung Vigaun linkerseits befindlichen Gehsteig zwei Fußgänger (darunter der Anzeiger) befunden haben. Der Beschwerdeführer habe sich während des Überholvorganges bis auf 20 bis maximal 30 cm zur Gehsteigkante genähert. Hiedurch habe der Beschwerdeführer einen Fußgänger (den Anzeiger, einen Gendarmeriebeamten, der damals gerade in Begleitung seiner Frau auf dem Gehsteig gegangen ist) zu einer Reflexreaktion (er sei dadurch sehr erschrocken, haben den Luftzug deutlich spüren können und sei dann auf die links angrenzende Wiese gesprungen) gebracht, welche leicht zu einer Verletzung hätte führen können. Wenn man davon ausgehe, daß der Beschwerdeführer die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten habe, sei der eingehaltene Abstand für ein Vorbeifahren an einem Fußgänger nicht ausreichend gewesen. Selbst wenn man der Verantwortung des Beschwerdeführers folgte, daß er einen Seitenabstand zum Gehsteigrand von einem halben bis einem Meter eingehalten habe, ändere sich dadurch nichts. Die Gefährdung der Fußgänger durch den Überholvorgang des Beschwerdeführers sei somit als erwiesen anzunehmen.

Der Beschwerdeführer wendet demgegenüber ein, daß das Überholen an der gegenständlichen Örtlichkeit zulässig gewesen sei, die Fußgänger seien nicht am Fahrbahnrand, sondern auf dem Gehsteig gegangen. Aus subjektiver Sicht sei für den Beschwerdeführer ein erkennbares Gefährdenkönnen anderer Straßenbenützer nicht gegeben gewesen. Der Seitenabstand zum Gehsteigrand habe für ein gefahrloses Überholen ausgereicht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht das sich aus der Bestimmung des § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960 ergebende Tatbild darin, daß der Lenker eines Fahrzeuges einen Überholvorgang ungeachtet dessen, daß andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden könnten, durchführt, indem er mit dem Überholen beginnt oder den Überholvorgang nicht abbricht, solange dies noch möglich ist. Es kommt daher bei dieser Bestimmung auf ein für den Fahrzeuglenker erkennbares Gefährden-Können anderer Straßenbenützer bei Beginn des Überholvorganges (bzw. was das Abbrechen eines Überholvorganges anlangt, während dieses Vorganges) an (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 10. Mai 1993, Zl. 93/02/0003, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Daß ein solcher Sachverhalt im Beschwerdefall gegeben wäre, ist aus den Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht ableitbar. Feststellungen in der Richtung, daß dem Beschwerdeführer bereits zu Beginn oder während des Überholvorganges im Hinblick auf eine bestimmte von ihm wahrnehmbare Straßen- und Verkehrssituation die Möglichkeit einer Behinderung oder Gefährdung anderer Straßenbenützer oder ein Platzmangel für ein nicht gefahrloses Überholen bewußt gewesen wäre, sind von der belangten Behörde nicht getroffen worden. Auch aus der Zeugenaussage des Anzeigers, eines Gendarmeriebeamten, dem die belangte Behörde Glauben schenkte, und aus den von der belangten Behörde anläßlich des Lokalaugenscheines getroffenen Feststellungen über die örtlichen Verhältnisse ergibt sich, daß im vorliegenden Fall für den Beschwerdeführer das Überholen nicht unzulässig war. Sowohl die örtlichen Verhältnisse, die festgestellte Fahrbahnbreite und das Verhalten des Lenkers des überholten Klein-Lkw, welcher nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens äußerst rechts gefahren war, unter Berücksichtigung des Umstandes, daß kein Anhaltspunkt dafür bestand, einer der Fußgänger im fraglichen Bereich werde vom Gehsteigrand auf die Fahrbahn treten, ließen ein Überholen an sich zu. Insofern findet auch - bezogen auf die Bestimmung des § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960 - die Annahme der belangten Behörde, daß die geschilderte Schreckreaktion des Anzeigers die notwendige Folge einer Gefährdung durch den Beschwerdeführer gewesen sei, in den Ermittlungsergebnissen keine Deckung.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994030103.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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