TE Vwgh Erkenntnis 2022/9/13 Ro 2020/12/0002

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Veröffentlicht am 13.09.2022
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Index

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Norm

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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, die Hofräte Mag. Feiel und Mag. Cede sowie Hofrätin Mag. I. Zehetner als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Binder, über die Revision des Dr. T T in W, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2019, W173 2199908-1/7E, betreffend Ruhebezug (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Revisionsbeantwortung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der am 24. Jänner 1933 geborene Revisionswerber steht als emeritierter ordentlicher Universitätsprofessor seit 1. Oktober 2001 in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund.

2        Mit Bescheid vom 30. April 2018 stellte die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde über Antrag des Revisionswerbers fest, dass ihm ab dem 1. Jänner 2018 - wie bereits am 31. Dezember 2017 - gemäß § 41 Abs. 1 und 2 Pensionsgesetz 1965 (PG 1965), ein Ruhebezug von monatlich brutto € 7.702,63 gebühre, weil es gemäß dem nach § 41 Abs. 4 PG 1965 anzuwendenden § 711 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) ab einem monatlichen Gesamtpensionseinkommen von mehr als € 4.980,-- für das Jahr 2018 zu keiner Pensionserhöhung komme.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für zulässig.

4        Rechtlich begründete das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis in der Sache zusammengefasst dahingehend, dass der vom Revisionswerber herangezogenen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH 20.10.2011, Brachner, C-123/10) eine von der gegenständlichen maßgeblich unterschiedliche Fallkonstellation zugrunde gelegen sei, weshalb sich deren Aussagen nicht übertragen ließen.

5        Selbst wenn in der vorliegenden Fallkonstellation auf Grund von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 79/7/EWG von einer mittelbaren Diskriminierung des Revisionswerbers als Mann auszugehen wäre, wäre eine solche nach den vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellten Grundsätzen gerechtfertigt. So könne nach dessen Judikatur die Erhaltung der Kaufkraft der Pension im Hinblick auf die Entwicklung der Verbraucherpreise ein legitimes Ziel der Pensionsanpassung sein. Davon sei das Pensionsanpassungsgesetz 2018, BGBl. I Nr. 151/2017, getragen, was sich schon aus der diesbezüglichen Regierungsvorlage (RV 1767 BlgNR 25. GP) ergebe.

6        Die vorgesehene Staffelung des Pensionsanpassungsgesetzes 2018 diene damit auch einem legitimen Ziel der Sozialpolitik und sei zur Zielerreichung geeignet und erforderlich, zumal die Teuerungsrate im Hinblick auf die überdurchschnittlich gestiegenen Kosten im Bereich Lebensmittel und Lebenshaltungskosten im engeren Sinn (Essen, Trinken, Wohnen) primär kleine und mittlere Pensionen betreffe. Diesem Umstand werde durch eine gestaffelte Erhöhung im Bereich der kleinen und mittleren Pensionen entgegengetreten. Diese mit der Pensionsanpassung 2018 vorgenommene Gegenmaßnahme werde auch in kohärenter und systematischer Weise angewandt. Soweit der Revisionswerber argumentiere, dass das Ziel der Erhaltung der Kaufkraft bei über der Grenze von monatlich € 4.980,-- liegenden Pensionen nicht eingehalten werde und es insofern zu einer Minderung ihrer Kaufkraft komme, lasse er außer Acht, dass gerade der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechend vor allem Bezieher niedriger Einkommen gezwungen seien, mit dem Großteil ihres Einkommens die Grundbedürfnisse wie Nahrungsmittel und Wohnung abzudecken. Dieser Anteil nehme mit steigendem Einkommen maßgeblich ab, sodass in diesem Bereich Bezieher von höheren Einkommen von einer überdurchschnittlichen Teuerung nicht in dem Ausmaß betroffen seien, wie dies bei Beziehern von niedrigeren Einkommen der Fall sei. Von dieser Überlegung sei auch die gegenständliche Pensionsanpassungsregelung getragen.

7        Die soziale Absicherung im Zuge der Pensionsanpassung könne auf der einen Seite zu überproportionalen Anpassungen niedriger Pensionen und auf der anderen Seite zu geringeren oder unterbleibenden Anpassungen bei sehr hohen Pensionen führen. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes liege nur dann eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vor, wenn bei Änderung der Rechtslage plötzlich und intensiv in erworbene Rechtspositionen eingegriffen werde, auf deren Bestand mit guten Gründen habe vertraut werden können und sofern nicht besondere Umstände vorlägen, die den Eingriff rechtfertigten. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Eingriff in laufende Pensionsansprüche gegen den gebotenen Vertrauensschutz verstoße, habe der Verfassungsgerichtshof für eine anzunehmende Unbedenklichkeit des Eingriffs - ohne das Vorliegen außergewöhnlicher Rechtfertigungsgründe - rund 10 % des Nettobezugs als maßgeblich angesehen (Hinweis auf VfGH 12.10.2016, G 478/2015). Von einer solchen könne in der gegenständlichen Fallkonstellation nicht ausgegangen werden. Der Verfassungsgerichtshof habe auch jüngst die Behandlung der - eine Verletzung des Vertrauensschutzes geltend machenden - Beschwerde eines Beziehers eines monatlichen Ruhebezugs von brutto € 6.872,42, für den im Zuge der Pensionsanpassung 2018 ebenso keine Erhöhung erfolgt sei, abgelehnt und dabei auf den verhältnismäßig weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Regelung des Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrechts der öffentlichen Bediensteten verwiesen (Hinweis auf VfGH 12.6.2019, E 106/2019).

8        Schlussfolgernd kam das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass in der gegenständlichen Fallkonstellation weder eine innerstaatliche Rechtsverletzung noch ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 79/7/EWG habe erkannt werden können.

9        Die Zulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhänge, der grundsätzliche Bedeutung zukomme. Die Rechtsprechung sei insofern als uneinheitlich zu sehen, als das Landesgericht St. Pölten in der Rechtssache 27 Cgs 97/18b in Anwendung des (mit § 711 ASVG inhaltsgleichen) § 369 Abs. 1 GSVG zu einer anderen Auslegung gekommen sei.

10       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision, die eine Verletzung des Revisionswerbers in seinem Recht auf Ruhebezug in Form eines Emeritiertenbezugs in gesetzlicher Höhe und eine der Inflation entsprechenden Anpassung ab 1. Jänner 2018 gemäß den Bestimmungen des PG 1965 (insbesondere § 41 Abs. 1 und 2) sowie des ASVG (insbesondere § 108f und § 711) in unionsrechtlich korrigierter Form unter Beachtung insbesondere der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit durch unrichtige Anwendung dieser Gesetze und des Unionsrechts (insbesondere der vorbezeichneten Richtlinie) geltend macht. Der Revisionswerber hält seine Revision aus den vom Verwaltungsgericht angegebenen Gründen für zulässig. Es gebe noch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Pensionsanpassung 2018 und auch noch nicht allgemein zur Frage der ungleichen Pensionsanpassung mit unterschiedlichen Auswirkungen auf die Geschlechter unter dem Gesichtspunkt des einschlägigen Unionsrechts (Richtlinie 79/7/EWG). Entgegen den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts sei hier eindeutig ein Fall der mittelbaren Diskriminierung der Männer gegeben, für die es keine Rechtfertigung gebe.

11       Der - in dem vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Vorverfahren aufgeforderte - Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau erstatteten Revisionsbeantwortungen; der in dem vom Verwaltungsgerichtshof ergänzten Vorverfahren aufgeforderte Bundesminister für Finanzen sah von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung ab. Der Revisionswerber replizierte auf die erstatteten Revisionsbeantwortungen.

12       Mit Beschluss vom 31. Juli 2020, EU 2020/0003 - 0005 (Ro 2019/12/0005, Ra 2019/12/0006, Ra 2019/12/0054), legte der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

„1. Ist die Einschränkung des zeitlichen Anwendungsbereichs des Gebots der Gleichbehandlung zwischen Männern und Frauen nach dem Urteil in der Rechtssache C-262/88, Barber, sowie gemäß dem Protokoll Nr. 33 zu Art. 157 AEUV und Art. 12 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (im Folgenden: Richtlinie 2006/54/EG) dahin auszulegen, dass sich ein (österreichischer) Pensionsbezieher rechtens nicht oder nur (anteilig) für jenen Teil des Anspruchs, der auf Beschäftigungszeiten nach dem 1.1.1994 zurückgeht, auf das Gebot der Gleichbehandlung berufen kann, um geltend zu machen, dass er durch Regelungen über eine für das Jahr 2018 festgelegte Anpassung von Beamtenpensionen, wie jene, die in den Ausgangsverfahren angewendet wurde, diskriminiert wurde?

2. Ist das Gebot der Gleichbehandlung zwischen Männern und Frauen (nach Art. 157 AEUV in Verbindung mit Art. 5 der Richtlinie 2006/54/EG) dahin auszulegen, dass sich eine mittelbare Ungleichbehandlung wie jene, die - gegebenenfalls - aus den in den Ausgangsverfahren anwendbaren Regelungen über die Pensionsanpassung 2018 resultiert, auch unter Bedachtnahme auch schon früher gesetzte ähnliche Maßnahmen und den durch die kumulative Wirkung derselben verursachten beträchtlichen Verlust im Verhältnis zu einer inflationsbedingten Anpassung des Realwerts von Ruhebezügen (fallbezogen von 25 %) als gerechtfertigt erweist, insbesondere

-    zur Verhinderung einer (bei regelmäßiger Anpassung mit einem einheitlichen Satz entstehenden) ‚Kluft‘ zwischen höheren und niedrigeren Ruhebezügen, obwohl diese eine rein nominelle wäre und das Verhältnis der Werte unverändert ließe,

-    zur Verwirklichung einer allgemeinen ‚sozialen Komponente‘ im Sinne der Stärkung der Kaufkraft der Bezieher geringerer Ruhebezüge, wie wohl a) dieses Ziel auch ohne Einschränkung der Anpassung höherer Bezüge erreichbar wäre und b) der Gesetzgeber eine solche Maßnahme nicht in gleicher Weise auch zur Kaufkraftstärkung bei der Inflationsanpassung geringerer Aktivbezüge der Beamten (zulasten der Anpassung höherer Aktivbezüge) vorsieht und auch keine Regelung zum vergleichbaren Eingriff in die Wertanpassung von Pensionen aus sonstigen betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit (ohne staatliche Beteiligung) traf, um (zu Lasten der Anpassung höherer Pensionen) eine Kaufkraftstärkung geringerer Pensionen zu erreichen,

-    zur Erhaltung und Finanzierung ‚des Systems‘, wie wohl die Ruhebezüge der Beamten nicht aus einem versicherungsartig organisierten und beitragsfinanzierten System von einer Versicherungsanstalt geschuldet werden, sondern vom Bund als Dienstgeber der Beamten im Ruhestand als Entgelt für geleistete Arbeit, sodass nicht die Erhaltung oder Finanzierung eines Systems, sondern letztlich nur Haushaltserwägungen ausschlaggebend wären,

-    weil es einen eigenständigen Rechtfertigungsgrund bildet oder (dem vorgelagert) die Annahme einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne der Richtlinie 2006/54/EG zu Lasten der Männer von vornherein ausschließt, wenn die statistisch wesentlich höhere Betroffenheit von Männern in der Gruppe der Bezieher höherer Ruhebezüge als Folge einer insbesondere in der Vergangenheit typischerweise fehlenden Chancengleichheit für Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen einzustufen ist, oder

-    weil die Regelung als positive Maßnahme im Sinne des Art. 157 Abs. 4 AEUV zulässig ist?“

13       Zur Darlegung seiner Bedenken führte der Verwaltungsgerichtshof in diesem Beschluss insbesondere aus (siehe VwGH 31.7.2020, EU 2020/0003, u.a., Rn. 57 ff):

„56 Zweifel an der Kohärenz der Maßnahme entstehen auch unter Berücksichtigung des besonderen Charakters der Pensionen nach dem PG 1965. Nach dem innerstaatlichen Recht befinden sich die von der hier anwendbaren Regelung des § 41 PG 1965 betroffenen Personen (Beamte im Ruhestand) in einer besonderen Lage, die sie von Beziehern von Pensionen aus sozialversicherungsrechtlichen Systemen grundlegend unterscheidet: Auch wenn das PG 1965 für den Zweck der Pensionsanpassung auf einzelne Bestimmungen des ASVG verweist, beruht das Pensionsrecht nach dem PG 1965 nach seinem Zweck, seiner Finanzierung und Rechtsnatur auf einem anderen Konzept als jenes, das Pensionen nach sozialversicherungsrechtlichen Regelungen (wie dem ASVG) zugrunde liegt.

57 Die Besonderheit des Beamtenverhältnisses besteht zunächst darin, dass die (bescheidförmige) Ernennung zum Beamten ein Dienstverhältnis auf Lebenszeit bewirkt. Dem lebenslangen Charakter des Beamtendienstverhältnisses zufolge bleibt das Dienstverhältnis auch im Ruhestand aufrecht, es gelten für Beamte des Ruhestandes weiterhin die für sie vorgesehenen Dienstpflichten und sie bleiben weiterhin dem Disziplinarrecht unterworfen. Der Anspruch auf Ruhegenuss ist an den aufrechten Bestand des Dienstverhältnisses geknüpft; er entfällt, wenn ein Beamter des Ruhestandes austritt, (disziplinarrechtlich) entlassen wird oder sein Dienstverhältnis ex lege endet (vgl. § 20 Abs. 2 BDG 1979, § 11 PG 1965). Die Pension des Beamten ist Entgelt des Dienstgebers für geleistete Dienste (VfSlg. 3389/1958, 3754/1960, 5241/1966, 8462/1978, 11.665/1988, 17.683/2005). Der Beamte erwirbt (bereits) mit dem Tag des Dienstantritts Anwartschaft auf Pensionsversorgung; der Ruhegenuss ist als Abgeltung von Dienstleistungen des Beamten zu qualifizieren. Der Übertritt in den Ruhestand bewirkt keine Beendigung des Dienstverhältnisses (vgl. § 20 BDG 1979). Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes haben Ruhebezüge von Beamten nicht den Charakter einer Versicherungsleistung und auch nicht jenen einer Versorgungsleistung, sondern sind als ‚öffentlich-rechtliches Entgelt, insbesondere zur nachträglichen Abgeltung von Dienstleistungen, die während des aktiven Dienstverhältnisses erbracht wurden‘ (VfSlg. 17.683/2005), beziehungsweise als ‚Fortzahlung eines Entgelts im Rahmen eines nach Übertritt des Beamten in den Ruhestand weiter bestehenden Dienstverhältnisses‘ (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2016/12/0072, mwN) anzusehen.

58 Das wesentliche Charakteristikum von Beamtenruhebezügen begründet sich nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 17.683/2005, 19.822/2013) unter anderem damit, ‚dass es sich beim Beamtendienstverhältnis - im Sinne des historisch übernommenen Begriffsbildes des Berufsbeamten, das dem Bundesgesetzgeber verfassungsrechtlich vorgegeben ist (vgl. VfSlg. 11.151/1986) - um ein auf Lebenszeit angelegtes Rechtsverhältnis handelt, in dessen Rahmen auch der Ruhebezug eine Leistung ausschließlich des Dienstgebers darstellt‘. Diese ‚Leistung ausschließlich des Dienstgebers‘ unterscheidet sich ‚somit - eben wesensmäßig - von jenen Leistungen, die den Versicherten im Rahmen der gesetzlichen Pensionsversicherung gewährt werden‘ (so das Erkenntnis VfSlg. 17.683/2005 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach es sich beim öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis und bei der Materie des Sozialversicherungswesens um ‚tiefgreifend verschiedene Rechtsgebiete‘ handle [VfSlg. 13.829/1994; 16.923/2003; im gleichen Sinn auch VwGH 17.8.2000, 98/12/0489; 28.2.2019, Ra 2016/12/0072]), dies ungeachtet ‚der in den letzten Jahren vorgenommenen Angleichungsmaßnahmen‘ (VfSlg. 19.884/2014).

59 Im Lichte dieser grundlegenden Unterschiede zwischen Pensionen nach dem PG 1965 und Pensionen nach sozialversicherungsrechtlichen Regelungen erscheint zunächst der von der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde angestellte Vergleich nicht zweifelsfrei tragfähig: Angesichts dessen, dass sozialversicherungsrechtliche Pensionen auf dem Grundsatz der Beitragsfinanzierung beruhen (wobei der Bund aus rein sozialpolitischen Erwägungen und ohne dafür eine Gegenleistung erhalten zu haben, Zuschüsse leistet bzw. Haftungen übernimmt) und von einer Versicherungsanstalt aus dafür zweckgebundenden, beitragsfinanzierten Mitteln geschuldet werden, während Pensionen nach dem PG 1965 als vom Dienstgeber (Bund) nach Versetzung in den Ruhestand (aus dem Bundeshaushalt) weiter zu bezahlendes Entgelt zu sehen sind (der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde kommt - ungeachtet ihrer Bezeichnung - beim Vollzug des PG 1965 lediglich die Funktion einer der Weisungsbefugnis des Bundesministers für Finanzen unterliegenden staatlichen Verwaltungsbehörde, nicht aber diejenige einer Versicherungsanstalt im vorerwähnten Sinn zu) scheint einer Gegenüberstellung der jeweiligen ‚Beitragsdeckungsgrade‘ kein zwingender argumentativer Wert zuzukommen. Schuldner der Pensionsleistungen nach dem PG 1965 ist der Bund; die von den Aktivbeamten zu leistenden Beiträge fließen keiner Anstalt im Rahmen eines Pensionsversicherungssystems zu, sondern dem Bundeshaushalt (vgl. zu dieser Systematik auch die Erläuterungen zum Pensionsharmonisierungsgesetz, BGBl. I Nr. 142/2004, 653 BlgNR 22. GP, 27). Konsequenterweise leistet der Bund für Beamte - anders als Arbeitgeber für ihre Dienstnehmer - im Rahmen der Pensionsversicherung auch keinen ‚Dienstgeberbeitrag‘. Folglich handelt es sich bei Ruhebezügen der Bundesbeamten nach dem PG 1965 auch nicht um Leistungen aus einem beitragsfinanzierten System, das Beamte zu einer Risikogemeinschaft zusammenfasst. Dass es sich bei den Beamtenpensionen nicht um ein beitragsgedecktes System handeln kann, zeigt sich auch daran, dass Neuernennungen von Beamten infolge eines weitgehenden ‚Pragmatisierungsstopps‘ nur noch in wenigen Dienstbereichen überhaupt erfolgen. In Ansehung der hier betroffenen Beamtengruppe (vgl. § 41 Abs. 3 PG 1965) erfolgen naturgemäß überhaupt keine Neuernennungen, sodass die Zahl derjenigen, die einen Pensionsbeitrag gemäß § 22 GehG leisten, ständig im Abnehmen begriffen ist.

60 Der aufgezeigte grundlegende Unterschied scheint bei Prüfung der Erforderlichkeit, Eignung und Kohärenz der Maßnahme bedeutsam zu sein: Während im Rahmen eines Systems einer Sozialversicherung (das auf dem Gedanken der Absicherung sozialer Risiken wie das des Alters für die in einer Risikogemeinschaft zusammengefassten Personen auf beitragsfinanzierter Basis beruht) Überlegungen des sozialen Ausgleichs innerhalb der ‚Risikogemeinschaft‘ zwischen Beziehern höherer Pensionen und Beziehern niedrigerer Pensionen bereits durch das System vorgezeichnet sein mögen, stellt sich dies im Rahmen eines Schemas wie jenem des für Beamte des Ruhestands geltenden PG 1965, das auf dem Gedanken eines lebenslangen Dienstverhältnisses, in dem Leistungen auch im Ruhestand als Entgelt für erbrachte Arbeit bezahlt werden, nicht notwendigerweise gleichartig dar.

61 Vor dem Hintergrund, dass Beamtenbezüge sowohl im Aktiv- als auch im Ruhestand gleichermaßen Entgeltcharakter aufweisen, zeigen sich in weiterer Hinsicht Zweifel an der Kohärenz der Maßnahme: Während der Gesetzgeber in die jährliche Wertanpassung der Bezüge für 2018 bei den - hier betroffenen - Beamten des Ruhestands erheblich eingriff, hat er es unterlassen, eine solche Maßnahme des ‚sozialen Ausgleichs‘ auch gegenüber Beamten des Aktivstands einzusetzen. Bei den Aktivbezügen wurde keine Staffelung bei der Wertanpassung der Bezüge, sondern generell eine nicht nach der Bezugshöhe differenzierende Erhöhung von 2,33 % vorgenommen, die sich zudem nicht auf eine bloße Inflationsanpassung beschränkte, sondern darüber hinaus auch noch eine zusätzliche Erhöhung enthielt, die damit begründet wurde, dass den Beamten zusätzlich eine ‚Teilhabe am Wirtschaftsaufschwung‘ zukommen solle (vgl. Parlamentskorrespondenz Nr. 1187 vom 13.12.2017 sowie beispielsweise die Gehaltstabellen des § 28 GehG, BGBl. Nr. 54/1956, in der für das Jahr 2017 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 119/2016, verglichen mit der Gehaltstabelle in der für das Jahr 2018 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 167/2017; in der parlamentarischen Debatte ging man von einer Inflationsrate von 1,9 % aus und zielte auf eine darüber hinaus gehende ‚Gehaltserhöhung‘ von 2,33 % ab, vgl. stenProt NR, XXVI. GP, 4. Sitzung, 6). Im Hinblick auf den Charakter des Ruhebezugs als fortgesetztes Entgelt für die Aktivzeit scheint die mit der Pensionsanpassung 2018 bewirkte Maßnahme daher schon aus diesem Grund - jedenfalls in Bezug auf Bundesbeamte - mit einem Mangel an Kohärenz und Systematik behaftet zu sein. Darüber hinaus zeigt der Umstand einer über eine bloße Inflationsanpassung hinaus gehenden (mit der ‚Teilhabe am Wirtschaftsaufschwung‘ begründeten) Erhöhung der Aktivbezüge auch auf, dass allfällige zur Rechtfertigung der reduzierten Anpassung der Ruhebezüge für 2018 ins Treffen geführte Haushaltserwägungen nicht offenkundig nachvollziehbar und kohärent erscheinen.

62 Das von der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde ins Treffen geführte Ziel, einer ‚Kluft‘ entgegenzuwirken, die bei Anpassungen anhand eines an der Inflationsrate orientierten Anpassungssatzes einträten, dürfte im Ansatz zu hinterfragen sein. Denn der Unterschied zwischen einer hohen und einer geringen Pensionsleistung erhöht sich bei Anwendung eines gleichmäßigen Anpassungssatzes nur nominell, lässt aber die reale Geldwertrelation unberührt.

63 Würde man - entgegen dem oben aufgezeigten innerstaatlichen Verständnis des Charakters von Ruhebezügen - den Versorgungscharakter durch ein ‚betriebliches System der sozialen Sicherheit‘ in den Vordergrund der Kohärenzbetrachtung stellen wollen, so zeigen sich auch mit Blick auf sonstige im innerstaatlichen Recht bestehende derartige Systeme Inkohärenzen: Der Gesetzgeber hat mit der vorliegenden Maßnahme eines Ausschlusses der Inflationsanpassung höherer Pensionen bei gleichzeitiger Erhöhung der Inflationsanpassung geringerer Pensionen nur in das für Beamte maßgebliche betriebliche System der sozialen Sicherheit eingegriffen, dabei aber von vergleichbaren Eingriffen in alle sonstigen - zB privaten - betrieblichen Systeme der sozialen Sicherheit Abstand genommen. Generell erscheint es nicht offenkundig kohärent, dass zwar im Anwendungsbereich des PG 1965 durch die ‚Pensionsanpassung 2018‘ ein Eingriff mit ‚sozialer Komponente‘ zu Lasten höherer Bezüge und zu Gunsten niedriger Bezüge erfolgt ist, der Gesetzgeber aber von einer solchen Maßnahme des sozialen Ausgleichs im Bereich der Bezieher von privatrechtlich gewährten, direkt vom Dienstgeber geleisteten Pensionen generell Abstand genommen hat. Nur für einen begrenzten Ausschnitt der Betriebspensionen (jener, die von staatsnahen Unternehmen ausbezahlt werden), traf der Gesetzgeber (in Form von § 711 Abs. 6 ASVG) eine Regelung, allerdings nur in der Form einer Kürzung der Anpassung höherer Pensionen, ohne dabei gleichzeitig (und in Kohärenz mit der geltend gemachten ‚sozialen Komponente‘) eine Verpflichtung zur höheren Anpassung geringerer Pensionen vorzusehen.

64 Für den Verwaltungsgerichtshof stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Kohärenz der durch die Pensionsanpassung 2018 bewirkten Nachteile eine isoliert auf das Jahr 2018 bezogene Betrachtungsweise zulässig ist, oder vielmehr auch darauf Bedacht genommen werden muss, dass diese Maßnahme in ihrer Art nicht einmalig war, weil bereits wiederholt für einzelne Jahre von der grundsätzlich im Jahr 2004 eingeführten (als ‚Dauerrecht‘ konzipierten und) langfristig angelegten Anpassungsregelung abgewichen wurde, indem die Anpassungen für Bezieher höherer Pensionen nur geringer oder gar nicht erfolgten. Die Revisionswerber bringen in diesem Zusammenhang vor, dass es für sie (insbesondere für die bereits länger im Ruhestand befindlichen Betroffenen) zu kumulativen Effekten gekommen sei, die das zulässige Maß überschritten hätten (entsprechende Bedenken werden auch in der Literatur erhoben; vgl. zB Tomandl, Problematische Pensionsanpassung, ZAS 2017, 233; Koch, Das System der Pensionsanpassung, SozSi 2013, 482; Tomandl, Rechtsverweigerung durch den VfGH - dargestellt am Beispiel Pensionsanpassung, ZAS 2010, 67). So bringt etwa der Revisionswerber im Verfahren Ro 2019/12/0005 - vom Verwaltungsgericht unwidersprochen - vor, dass die Anpassung seiner Pensionsbezüge seit Pensionsantritt bis 2017 in Summe bereits um 22 % gegenüber einem ‚korrekten Inflationsausgleich‘ gekürzt worden sei und sich dieser Verlust durch den ‚neuerlichen Entfall der Anpassung für 2018‘ gegenüber einem ‚vollständigen Inflationsausgleich‘ auf insgesamt 25 % summiere. Eine Berücksichtigung solcher kumulativer Effekte findet sich weder in den zur Rechtfertigung vorgebrachten Argumenten der vor dem BVwG belangten Behörde noch in den parlamentarischen Materialien. Aus derartigen Effekten und dem Umstand, dass die ‚lineare‘ Anpassung höherer Bezüge in manchen Jahren beschnitten wurde, in anderen hingegen nicht, scheinen sich im Ergebnis auch Fragen der Kohärenz angesichts ungleicher Auswirkungen je nach der bisherigen Dauer und/oder der zeitlichen Lagerung des Ruhestands einzelner Bezieher(innen) zu ergeben.

65 Soweit die vor dem BVwG belangte Behörde im Übrigen darauf Bezug nimmt, ein Eingriff bei der Anpassung sei für Bezieher höherer Pensionen leichter verkraftbar, weil er ihre Lebensführung weniger beeinträchtige, scheint - neben allfälligen kumulativen Effekten - auch der Umstand außer Acht gelassen zu sein, dass gerade bei Bezieher(inne)n von Beamtenpensionen davon ausgegangen werden muss, dass die öffentliche Hand, wenn sie - wie hier - einen an der Höhe des früheren Aktivgehalts orientierten Ruhebezug vorsieht, bei jenen Beamt(inn)en, denen sie während der Aktivzeit (aufgrund von Leistung, Qualifikation und/oder Verantwortung) entsprechend höhere Bezahlung zubilligt, legitime Erwartungshaltungen hervorruft (die diese legitimerweise auch veranlassen können, gerade mit Blick auf diese Erwartungshaltung langfristige, auch im Ruhestand belastende finanzielle Dispositionen einzugehen). Setzt der Gesetzgeber in weiterer Folge Maßnahmen, die derartige vom Besoldungssystem selbst hervorgerufene - und beabsichtigte - Unterschiede im Stadium des Pensionsbezugs wieder zurückdrängen, so kann dies in einem Spannungsverhältnis mit der Kohärenz dieses System stehen. Die in Rn. 64 und 65 dargelegten Umstände dürften auch in einer Verhältnismäßigkeitsprüfung umso schwerer wiegen, als es sich beim Ruhebezug - zumindest überwiegend (vgl. dazu auch Rn. 57) - um Entgelt für bereits in der Vergangenheit erbrachte Leistungen handelt.

66 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgeführt, dass das hier zu beurteilende Pensionsrecht der Bundesbeamten in grundlegender Weise vom Recht der Pensionen nach Systemen der Sozialversicherung verschieden ist. Es mag sein, dass der Gesetzgeber im Bereich von Systemen der Sozialversicherung, die - anders als das PG 1965 - auf dem Konzept einer Risikogemeinschaft und beitragsfinanzierten Leistungen beruhen, das Regelungsziel des ‚Erhalt[s] der Funktionsfähigkeit‘ und der ‚Wahrung der Finanzierbarkeit des Systems‘ verfolgen darf (vgl. dazu Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen vom 7. Mai 2020, Rs. C-223/19, YS, Rn. 77). Um ein solches beitragsfinanziertes ‚System‘ handelt es sich bei den Pensionen der Bundesbeamten jedoch nicht. Doch selbst auf dem Boden einer Betrachtung, die - übergreifend - sowohl Pensionen nach dem PG 1965 als auch Pensionen nach sozialversicherungsrechtlichen Systemen in den Blick nimmt, scheint eine Rechtfertigung der Maßnahme aus dem vorerwähnten Grund nicht offensichtlich. Dies zum Einen, weil Haushaltserwägungen nach der Rechtsprechung des EuGH als Rechtfertigungsgrund ausscheiden (vgl. EuGH 23.10.2003, verb. Rs. C-4/02 und C-5/02, Schönheit und Becker, Rn. 85, mwN), und zum Anderen, weil der Gesetzgeber die Einschränkung der Pensionsanpassung bei höheren Bezügen mit einer überproportional vorteilhaften (weil über der inflationsbedingten Anpassungsrate liegenden) Anpassung im Bereich der geringeren Pensionen verknüpft hat und insofern - gesamthaft betrachtet - eine Entlastung des Haushalts gar nicht bezweckt und/oder bewirkt haben dürfte: So wurde in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich festgehalten, dass durch diese Maßnahme ‚Mehraufwendungen‘ entstünden, die den Bundeshaushalt belasten und ‚die öffentliche Verschuldung bis zum Ende des Jahres 2047 um 0,15 % des BIP bzw. 915 Mio. €‘ erhöhen (vgl. Vorblatt und Wirkungsorientierte Folgenabschätzung 1767 BlgNR 25. GP 1).

67 In den angefochtenen Entscheidungen des BVwG wurde auch ins Treffen geführt, dass der nachteiligen Behandlung, die den - in der Mehrzahl männlichen - Pensionsbeziehern mit höheren Pensionsbezügen widerfährt, eine ‚frühere Benachteiligung der Frauen‘ (gemeint wohl: das Problem eines zu geringen Anteils von Frauen in höher dotierten Stellen) gegenüber stehe. Der Verwaltungsgerichtshof übersieht nicht, dass nach der Rechtsprechung des EuGH ‚[d]er Grundsatz des gleichen Entgelts ... für jeden einzelnen Bestandteil des Entgelts und nicht nur nach Maßgabe einer Gesamtbewertung der den Arbeitnehmern gezahlten Vergütungen gewährleistet sein‘ muss und dass die nationalen Gerichte nicht ‚die Gesamtheit der verschiedenartigen den männlichen oder den weiblichen Arbeitnehmern im Einzelfall gewährten Vergütungen zu bewerten und miteinander zu vergleichen‘ haben (EuGH 17.5.1990, Rs. C-262/88, Barber, Rn. 34-35; 30.3.2000, Rs. C-236/98, Jämställdhetsombudsmannen, Rn. 43). Zu klären ist aber, ob es einen eigenen Rechtfertigungsgrund darstellt oder sonst - losgelöst von statistischen Betrachtungen der jährlichen Ruhebezugsanpassungen - die Geltendmachung einer Diskriminierung von Männern in diesem Zusammenhang von vornherein ausschließt, wenn sich die von der Regelung betroffene Personengruppe dadurch definiert, dass sie höhere Ruhebezüge genießt und einen wesentlich höheren Männeranteil deswegen aufweist, weil - typischerweise infolge vergangener Benachteiligung von Frauen im Berufsleben - Männer häufiger in Positionen gelangt sind, die zu höheren Ruhebezügen geführt haben.“

14       Mit Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 5. Mai 2022, BVAEB, C-405/20, wurde über dieses Vorabentscheidungsersuchen wie folgt zu Recht erkannt:

„1. Das dem AEU-Vertrag beigefügte Protokoll (Nr. 33), zu Art. 157 AEUV und Art. 12 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen sind dahin auszulegen, dass die darin vorgesehene zeitliche Beschränkung der Wirkungen des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen nicht für eine nationale Regelung gilt, die eine jährliche Anpassung der aufgrund eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit, das nach dem in diesen Bestimmungen genannten Zeitpunkt anwendbar ist, gewährten Pensionen vorsieht.

2. Art. 157 AEUV und Art. 5 Buchst. c der Richtlinie 2006/54 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, die eine degressive jährliche Anpassung des Betrags der Pensionen der nationalen Beamten nach Maßgabe seiner Höhe vorsieht, wobei die Anpassung ab einem bestimmten Pensionsbetrag ganz entfällt, in dem Fall, dass sich diese Regelung auf einen signifikant höheren Anteil männlicher als weiblicher Pensionsbezieher ungünstig auswirkt, nicht entgegenstehen, sofern mit ihr in kohärenter und systematischer Weise die Ziele der Gewährleistung einer nachhaltigen Finanzierung der Pensionen und einer Verringerung des Niveauunterschieds zwischen den staatlich finanzierten Pensionen verfolgt werden, ohne dass sie über das hinausgeht, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist.“

15       Aus seiner Begründung sind dabei folgende Ausführungen hervorzuheben (siehe EuGH 5.5.2022, BVAEB, C-405/20, Rn. 47 ff):

„47 In Bezug auf die Frage, ob eine solche Regelung zu einer mittelbaren Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/54 führt, ergibt sich aus dem Vorabentscheidungsersuchen, dass nach § 41 Abs. 4 PG 1965 in Verbindung mit § 711 Abs. 1 ASVG die österreichischen Bundesbeamten, deren monatliche Pension einen bestimmten Betrag übersteigt, gegenüber den Beziehern niedrigerer Pensionen benachteiligt werden, da die Erhöhung ihrer Pension geringer ausfällt oder ganz entfällt. Eine solche Regelung schafft somit eine Ungleichbehandlung der österreichischen Bundesbeamten anhand eines dem Anschein nach neutralen Kriteriums, und zwar der Höhe ihrer Pension.

48 Zu der Frage, ob diese Ungleichbehandlung Personen eines Geschlechts im Vergleich zu Personen des anderen Geschlechts besonders benachteiligt, weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass es nach den von den Klägern der Ausgangsverfahren vorgelegten Nachweise und den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht ausgeschlossen sei, dass die Voraussetzungen für eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts statistisch gesehen erfüllt seien. Insbesondere sei in Bezug auf zwei der Kläger der Ausgangsverfahren unstreitig, dass von § 41 Abs. 4 PG 1965 in Verbindung mit § 711 Abs. 1 letzter Satz ASVG sehr viel mehr Männer als Frauen betroffen seien, da zu der Gruppe von Personen, die Pensionen über der in dieser Regelung festgelegten Obergrenze bezögen, mehr Männer gehörten.

49 Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass das Vorliegen eines solchen besonderen Nachteils u. a. dann festgestellt werden kann, wenn nachgewiesen wird, dass sich eine nationale Regelung auf einen signifikant höheren Anteil von Personen eines Geschlechts im Vergleich zu Personen des anderen Geschlechts ungünstig auswirkt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. September 2020, YS [Betriebspensionen leitender Angestellter], C-223/19, EU:C:2020:753, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50 Die Beurteilung von Tatbeständen, die auf eine mittelbare Diskriminierung schließen lassen, obliegt dem einzelstaatlichen Gericht nach den nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten, die insbesondere vorsehen können, dass eine mittelbare Diskriminierung mit allen Mitteln, u. a. anhand statistischer Daten, festgestellt werden kann. Es ist daher Sache des einzelstaatlichen Gerichts, zu beurteilen, inwieweit die ihm vorgelegten statistischen Daten zuverlässig sind und ob es sie berücksichtigen kann, d. h. insbesondere, ob sie nicht rein zufällige oder konjunkturelle Erscheinungen widerspiegeln und ob sie hinreichend aussagekräftig sind (Urteil vom 24. September 2020, YS [Betriebspensionen leitender Angestellter], C-223/19, EU:C:2020:753, Rn. 50 und 51 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

51 Sollte sich aus den Statistiken, die das vorlegende Gericht heranziehen kann, in der Tat ergeben, dass die Arbeitnehmer eines Geschlechts von der in Rede stehenden nationalen Regelung prozentual erheblich stärker betroffen sind als die ebenfalls in den Anwendungsbereich dieser Regelung fallenden Arbeitnehmer des anderen Geschlechts, wäre davon auszugehen, dass eine solche Situation eine gegen Art. 5 Buchst. c der Richtlinie 2006/54 verstoßende mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt, es sei denn, die Regelung ist durch objektive Faktoren gerechtfertigt, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Dezember 2007, Voß, C-300/06, EU:C:2007:757, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 24. September 2020, YS [Betriebspensionen leitender Angestellter], C-223/19, EU:C:2020:753, Rn. 54).

52 Wie sich aus Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/54 ergibt, müsste das vorlegende Gericht in einem solchen Fall sodann prüfen, inwieweit eine solche Ungleichbehandlung gleichwohl durch Faktoren gerechtfertigt werden kann, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben.

53 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass dies nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs insbesondere dann der Fall ist, wenn die gewählten Mittel einem legitimen sozialpolitischen Ziel dienen und zur Erreichung des mit der in Rede stehenden Regelung verfolgten Ziels geeignet und erforderlich sind, wobei solche Mittel nur dann als zur Erreichung des geltend gemachten Ziels geeignet angesehen werden, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht werden, dieses Ziel zu erreichen, und wenn sie in kohärenter und systematischer Weise angewandt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Juli 2014, Leone, C-173/13, EU:C:2014:2090, Rn. 53 und 54 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 24. September 2020, YS [Betriebspensionen leitender Angestellter], C-223/19, EU:C:2020:753, Rn. 56).

54 Außerdem hat der Gerichtshof entschieden, dass die Mitgliedstaaten bei der Wahl der zur Verwirklichung ihrer sozial- und beschäftigungspolitischen Ziele geeigneten Maßnahmen über einen weiten Entscheidungsspielraum verfügen (Urteil vom 24. September 2020, YS [Betriebspensionen leitender Angestellter], C-223/19, EU:C:2020:753, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich ferner, dass es zwar letztlich Sache des für die Beurteilung des Sachverhalts und die Auslegung des nationalen Rechts allein zuständigen innerstaatlichen Gerichts ist, festzustellen, ob und in welchem Umfang die Rechtsvorschrift, um die es in der ihm unterbreiteten Rechtssache geht, durch einen solchen objektiven Faktor gerechtfertigt ist, doch kann der Gerichtshof, der die Fragen dieses Gerichts sachdienlich zu beantworten hat, ihm geeignete Hinweise zur Ermöglichung seiner Entscheidung geben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. September 2020, YS [Betriebspensionen leitender Angestellter], C-223/19, EU:C:2020:753, Rn. 58).

56 Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten hervor, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung darauf abzielt, die Kaufkraft der Pensionsempfänger dadurch zu erhalten, dass die niedrigeren Pensionen gegenüber den höchsten mittels eines ‚sozialen Ausgleichs‘ begünstigt werden, um zu verhindern, dass zwischen ihnen eine zu große Kluft entsteht, und um ihre dauerhafte Finanzierung sicherzustellen.

57 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs können Haushaltserwägungen zwar eine Diskriminierung zum Nachteil eines der Geschlechter nicht rechtfertigen, aber Zielsetzungen in Form der nachhaltigen Sicherung der Finanzierung von Pensionsleistungen und der Verringerung des Unterschieds bei der Höhe staatlich finanzierter Pensionen können als legitime sozialpolitische Ziele angesehen werden, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. September 2020, YS [Betriebspensionen leitender Angestellter], C-223/19, EU:C:2020:753, Rn. 61, und vom 21. Januar 2021, INSS, C-843/19, EU:C:2021:55, Rn. 38).

58 Folglich werden mit der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung legitime sozialpolitische Ziele verfolgt, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben.

59 Hinsichtlich der Frage, ob diese Regelung den oben in Rn. 53 genannten Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügt, und insbesondere in Bezug auf ihre Angemessenheit ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen, dass sie es ermöglicht, nur Pensionen von durchschnittlicher oder geringer Höhe anzuheben, wobei insbesondere sichergestellt wird, dass die niedrigsten Pensionen in einem die Inflation übersteigenden Maß angehoben werden, somit zu einer dauerhaften Finanzierung dieser Pensionen beizutragen und die Unterschiede zwischen ihnen zu verringern.

60 Zwar ändert, wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, eine Inflationsindexierung der Pensionen als solche nichts an den Niveauunterschieden zwischen den verschiedenen Pensionen, und der Abstand zwischen ihnen bleibt mathematisch gesehen unverändert. Preiserhöhungen wirken sich jedoch stärker auf den Lebensstandard der Bezieher von geringen Pensionen aus. Außerdem führt die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung, da sie nur Leistungen über einem gewissen Schwellenwert betrifft, dazu, dass Letztere sich dem Niveau der niedrigeren Pensionen annähern.

61 Zur kohärenten und systematischen Umsetzung dieser Regelung ist festzustellen, dass sie, wie sich aus dem Vorabentscheidungsersuchen und den schriftlichen Erklärungen der österreichischen Regierung ergibt, für alle Beamtenpensionen gilt, aber auch für die Bezieher von Pensionen sowohl aus betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit von staatlich kontrollierten Unternehmen als auch aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem ASVG. Die jährliche Anpassung der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Renten soll demnach für alle Bezieher staatlicher Renten gelten; dies zu prüfen ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts.

62 In Anbetracht des oben in Rn. 54 angesprochenen weiten Entscheidungsspielraums der Mitgliedstaaten bei der Wahl geeigneter Maßnahmen zur Erreichung ihrer sozial- und beschäftigungspolitischen Ziele kann die Kohärenz der Durchführung der Anpassungsmaßnahme nicht allein deshalb in Frage gestellt werden, weil es bereits andere spezifische sozialpolitische Instrumente zur Erreichung des Ziels einer Stützung niedriger Einkommen gibt.

63 Das Gleiche gilt für den Umstand, dass sich die betreffende Anpassungsmaßnahme weder auf die Pensionen der privaten betrieblichen Systeme der sozialen Sicherheit noch auf die Bezüge der Beamten im aktiven Dienst erstreckte.

64 Zum einen sind diese privaten Systeme, vorbehaltlich der Überprüfung durch das vorlegende Gericht, nämlich nicht vom Staat abhängig. Zum anderen ist zu den Beamten im aktiven Dienst zu sagen, dass zwar ihre Ernennung nach dem innerstaatlichen Recht ein Dienstverhältnis auf Lebenszeit begründet und dass ihre Pension einem vom Staat als Ausgleich für Dienste während der aktiven Dienstzeit geschuldeten Entgelt entspricht, doch geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen und den schriftlichen Erklärungen der österreichischen Regierung ebenfalls hervor, dass das System der Beamtenpensionen in den letzten etwa 20 Jahren mehrfach geändert wurde, um es dem System des ASVG anzugleichen. Insbesondere folgte die Anpassung ihrer Pensionen nicht mehr der Entwicklung der Bezüge der Beamten im aktiven Dienst, sondern im Prinzip - wie bei den im Rahmen des letztgenannten Systems gezahlten Pensionen - der Entwicklung der Inflationsrate. Im Übrigen scheinen sich die Ruhestandsbeamten und die Beamten im aktiven Dienst in Anbetracht der Ziele, die mit der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung verfolgt werden, nicht in einer vergleichbaren Situation zu befinden, da insbesondere das Ziel, den Unterschied zwischen den Pensionen zu verringern, um zu verhindern, dass sich im Lauf der Zeit eine Kluft zwischen ihren Niveaus auftut, eine Trennung zwischen ihrer Verwaltung und derjenigen der Dienstbezüge erforderlich macht.

65 Auch der Umstand, dass die Pensionen der Beamten nicht von einer Versicherungsanstalt gezahlt werden, an die sie ihre Beiträge entrichtet haben, sondern unmittelbar vom Staat, dürfte im Hinblick auf das vom österreichischen Gesetzgeber mit dem Erlass der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung verfolgte Ziel einer nachhaltigen Finanzierung der Pensionen und einer Verringerung des Unterschieds zwischen ihnen nicht ausschlaggebend sein. Zudem ist eine Anpassung der Pensionen keine Leistung, die eine Gegenleistung für die gezahlten Beiträge darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Oktober 2011, Brachner, C-123/10, EU:C:2011:675, Rn. 79).

66 Diese Regelung wurde somit - vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht insoweit vorzunehmenden Prüfungen - in systematischer und kohärenter Weise umgesetzt.

67 Die Regelung dürfte auch nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung der verfolgten Ziele erforderlich ist. Die Kläger der Ausgangsverfahren machen zwar geltend, ihre Pensionen hätten im Vergleich zu dem Fall, dass sie seit ihrer Versetzung in den Ruhestand gemäß dem nationalen Recht jährlich einen Inflationsausgleich erhalten hätten, erheblich an Wert verloren. Die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung trägt jedoch der Leistungsfähigkeit der Betroffenen Rechnung. Die in § 711 ASVG, auf den § 41 Abs. 4 PG 1965 verweist, vorgesehenen Beschränkungen bei der Erhöhung der Pensionen sind nämlich nach Maßgabe der Höhe der gewährten Leistungen gestaffelt, und nur bei den höchsten Pensionen ist eine solche Erhöhung ausgeschlossen.

68 Unter diesen Umständen braucht nicht geprüft zu werden, ob diese Beschränkungen nach Art. 157 Abs. 4 AEUV oder Art. 3 der Richtlinie 2006/54 gerechtfertigt werden können. Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmungen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht auf eine nationale Regelung Anwendung finden können, die sich darauf beschränkt, Frauen einen Aufschlag auf ihre Pension zukommen zu lassen, ohne den Schwierigkeiten abzuhelfen, auf die sie während ihrer beruflichen Laufbahn stoßen können, und die nicht geeignet erscheint, die Nachteile, die Frauen hinzunehmen haben, dadurch auszugleichen, dass ihnen bei ihrer beruflichen Laufbahn geholfen wird, und damit die volle Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Dezember 2019, Instituto Nacional de la Seguridad Social [Rentenzulage für Mütter], C-450/18, EU:C:2019:1075, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).“

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16       Zur maßgeblichen unionsrechtlichen und innerstaatlichen Rechtslage im vorliegenden Sachzusammenhang wird in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf deren ausführliche Wiedergabe in dem zitierten Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Juli 2020, Ro 2019/12/0005, ua, verwiesen.

17       Obgleich die Zulässigkeit einer Revision mit einer Divergenz der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von der eines Landesgerichts schon nicht begründet werden kann (siehe VwGH 20.3.2018, Ra 2018/10/0044; 17.3.2021, Ra 2019/16/0049, zu uneinheitlicher Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes; vgl. ferner VwGH 7.4.2021, Ra 2021/02/0077, zu uneinheitlicher Rechtsprechung eines oder mehrerer Verwaltungsgerichte) wurde das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. Juni 2018, 27 Cgs 97/18b-7, bereits mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Februar 2019, 7 Rs 82/18g-12, abgeändert und der dagegen erhobenen Revision vom Obersten Gerichtshof nicht Folge gegeben (OGH 17.12.2019, 10 ObS 49/19g), sodass diese Judikaturdivergenz auch nicht mehr besteht.

18       Der Revisionswerber argumentiert im vorliegenden Verfahren jedoch auch damit, dass in der Pensionsanpassung 2018 eine mittelbare Diskriminierung der (im Regelfall einen höheren Ruhebezug erhaltenden) Männer vorliege und für diese Diskriminierung keine sachliche Rechtfertigung zu erkennen sei. Hiezu fehle es auch noch an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

19       Die Revision ist im Hinblick auf das Fehlen von Rechtsprechung zu diesen Fragen zulässig. Sie ist im Ergebnis auch begründet.

20       Der Gerichtshof der Europäischen Union ging in seinem oben genannten und auszugsweise wiedergegebenen Urteil vom 5. Mai 2022 zwar davon aus, dass eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gegeben sein könnte (siehe insbesondere EuGH 5.5.2022, BVAEB, C-405/20, Rn. 51). In einem solchen Fall wäre jedoch in einem zweiten Schritt zu prüfen, inwieweit eine solche Ungleichbehandlung gleichwohl durch Faktoren gerechtfertigt werden könnte, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben.

21       Zur Beurteilung der vom Gerichtshof der Europäischen Union dem nationalen Gericht zur Beurteilung überlassenen Fragen sind jedoch zunächst Tatsachenfeststellungen zu treffen, weil es sich weder bei der Frage, ob überhaupt eine mittelbare Diskriminierung vorliegt, noch bei jener, ob die Maßnahmen in kohärenter und systematischer Weise umgesetzt wurden und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des legitimen sozialpolitischen Ziels erforderlich ist (Verhältnismäßigkeit), um bloße Rechtsfragen handelt - wie dies das Verwaltungsgericht im ersten Rechtsgang offenbar annahm und deshalb hiezu keine näheren Sachverhaltsfeststellungen traf.

22       Das Bundesverwaltungsgericht hat daher im weiteren Verfahren nach Erörterung der Sach- und Rechtslage in einer mündlichen Verhandlung mit den Parteien, denen in diesem Zusammenhang auch Gelegenheit zu allfällig weiterem Vorbringen zu den relevanten Themenbereichen einzuräumen ist, Tatsachenfeststellungen zu den im Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union angesprochenen offenen Tatsachenfragen, insbesondere der Frage des Vorliegens einer mittelbaren Diskriminierung (vgl. etwa Rn. 50, 51), der kohärenten und systematischen Umsetzung der Maßnahmen (vgl. etwa Rn. 61 und 64) sowie zur Verhältnismäßigkeit - also, dass die Regelung nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung der Ziele erforderlich ist - (vgl. etwa Rn. 67 jeweils in EuGH 5.5.2022, BVAEB, C-405/20) zu treffen. Erst anhand von Tatsachenfeststellungen zu diesen Umständen kann sodann die aufgezeigte rechtliche Beurteilung vorgenommen werden.

23       Indem das Bundesverwaltungsgericht dies verkannte und es unterließ, zu den maßgeblichen Sachverhaltselementen die erforderlichen Feststellungen zu treffen, belastete es sein Erkenntnis mit sekundären Feststellungsmängeln.

24       Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

25       Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

26       Die Revisionsbeantwortung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung war zurückzuweisen, weil er nicht Partei dieses Verfahrens ist.

Wien, am 13. September 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2020120002.J00

Im RIS seit

31.10.2022

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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