TE Vwgh Beschluss 2022/10/11 Ro 2021/05/0013

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Veröffentlicht am 11.10.2022
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Norm

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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr.in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision der M R in A, vertreten durch Dr. Daniel Lassingleithner, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Eberhard-Fugger-Straße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 15. Oktober 2020, LVwG-152623/16/JP, betreffend eine Benützungsuntersagung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Marktgemeinde A; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der Marktgemeinde A Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich (Verwaltungsgericht) vom 15. Oktober 2020 wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde A. vom 20. Jänner 2020, mit dem der Revisionswerberin gemäß § 48 Abs. 7 Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994) die Benützung des auf einem näher bezeichneten Grundstück errichteten Hauptgebäudes bis zur Behebung der Baugebrechen untersagt worden war, als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht aus, dass gegen diese Entscheidung eine Revision zulässig sei.

2        Begründend ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Außenwände eine mineralisch verputzte Oberfläche hätten, in der Setzungsrisse sichtbar seien. Ebenso seien in den Räumlichkeiten im Erd- und im Obergeschoß Risse und Setzungsschäden sichtbar. Der Wohntrakt des Gebäudes sei teilunterkellert, wobei jedoch Mauerwerksteile des Deckengewölbes, des Kellers und des tragenden Mauerwerks bereits eingebrochen seien. Der Keller sei seit dem letzten Hochwasser von außen eingeschwemmt, der Kellerabgang vermorscht. Der Keller sei nicht benutzbar. Im Obergeschoß befinde sich zwischen zwei Räumen eine zum Teil eingebrochene Trennmauer. Die Türeinfassung der Haustür weise im Sturzbereich auf Grund massiver Setzungen im Sockelfundament einen Höhenunterschied von 10 cm auf. Durch das hohe Gebäudealter von ca. 300 Jahren seien die Blockholzbalken, aus denen ein großer Teil des Gebäudes bestehe, durch Wurmfraß stark beschädigt. Der Dachstuhl sei auf Grund der Setzungen im Untergrund des Gebäudes bereits verformt. Durch den schadhaften Zustand des Daches könne Regenwasser ungehindert ins Gebäudeinnere gelangen und dadurch die Holzkonstruktion zerstört werden. Bei den zwei Kaminen im Dachbereich fehlten Ziegelsteine und es fänden sich Risse im Bereich der Mörtelfugen.

3        Der Zustand des Gebäudes habe sich demgemäß derart verschlechtert, dass jedenfalls Baugebrechen im Sinne des § 48 Oö. BauO 1994 vorlägen. Auf Grund der beschriebenen technischen Mängel, der klar sichtbaren Setzungen durch mangelhafte oder fehlende Fundamente und der bereits teilweise eingestürzten Gebäudeteile im Bereich des Kellers müsse davon ausgegangen werden, dass für die Benützer der baulichen Anlage eine Gefahr für das Leben oder die körperliche Sicherheit nicht ausgeschlossen werden könne. Möglich seien das plötzliche Versagen eines Bauteiles, plötzliches Fundamentversagen und Ähnliches. Besonders gefährlich seien die Kaminköpfe, die bei entsprechender Windbelastung einsturzgefährdet seien. In Teilbereichen sei jedenfalls Einsturzgefahr gegeben, insbesondere auch im Innenbereich des Gebäudes, besonders bei Räumen, an die der Keller angrenze.

4        Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sei die Benützungsuntersagung nach § 48 Abs. 7 Oö. BauO 1994. Bei der Benützungsuntersagung handle es sich um eine Sicherungsmaßnahme, die einer solchen nach § 48 Abs. 2 Oö. BauO 1994 („allenfalls erforderlichen Sicherungsmaßnahmen“) vorgehe. Die Behebung der Baugebrechen sei dagegen mittels Bauauftrages nach § 48 Abs. 2 Oö. BauO 1994 in einem anderen Verfahren auszusprechen.

5        Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob bereits im Verfahren nach § 48 Abs. 7 Oö. BauO 1994, in dem eine Benützungsuntersagung angeordnet werde, von der Behörde „klargestellt“ werden müsse, welche Baugebrechen auf welche Art behoben werden müssten, um das Benützungsverbot zu beenden, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes existiere.

6        Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, zu deren Zulässigkeit zunächst die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage wiederholt wird. Gerade bei der eingriffsintensivsten Maßnahme der Untersagung der Benützung der baulichen Anlage müsse der Bescheidadressat die Möglichkeit haben, durch Behebung der Baugebrechen eine Wiederaufnahme der Nutzung zu ermöglichen. Mangels Kenntnis der zu behebenden Baugebrechen könne jedoch die Untersagung der Benützung, welche „bis zur Behebung der Baugebrechen“ erfolgt sei, niemals enden. Es müssten daher jene Baugebrechen, welche behoben werden müssten, um eine Benützung wieder zu ermöglichen, spruchgemäß angeführt werden. Darüber hinaus sei das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass keine Befangenheit des Amtssachverständigen DI S. vorläge. Diesbezüglich sei das Verwaltungsgericht von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach für eine Befangenheit schon Umstände ausreichten, welche eine Parteilichkeit wahrscheinlich machten bzw. einen Anschein der Befangenheit begründeten. Eine solche Prüfung sei vom Verwaltungsgericht hinsichtlich des von ihm beigezogenen Amtssachverständigen nicht erfolgt. Außerdem sei von der bisherigen Rechtsprechung nicht geklärt, ob eine schriftliche Stellungnahme des Amtssachverständigen in einem vorgelagerten Umwidmungsverfahren, welche für die Revisionswerberin nachteilig sei, und die vor der Bestellung erfolgte Aussage (bzw. ähnlich gelagerte Aussagen eines Amtssachverständigen), dass „er sich selbst aus der Sache ausklinke und er dafür seinen Mitarbeiter [Name]) habe“, welcher von der belangten Behörde im verwaltungsbehördlichen Verfahren als Sachverständiger beigezogen worden sei, dazu führten, dass zumindest der Anschein einer Voreingenommenheit entstehe, sodass sich der Amtssachverständige seines Amtes zu enthalten gehabt hätte.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

10       Mit dem gegenständlichen Zulässigkeitsvorbringen ist die Zulässigkeit der Revision aus folgenden Gründen nicht dargelegt:

11       Die Zulässigkeit einer Revision bei Behauptung einer Befangenheit setzt aus dem Grunde des Art. 133 Abs. 4 B-VG jedenfalls voraus, dass im Zuge dieser Rüge eine grundsätzliche Rechtsfrage (des Verfahrensrechtes) aufgeworfen wird. Rechtsfragen des Verfahrensrechtes (insbesondere auch solche der Befangenheit) sind nur dann von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt ist und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hat (vgl. VwGH 20.1.2021, Ra 2020/09/0055; 28.5.2020, Ra 2018/06/0245, 0246).

12       Eine derartige Fehlbeurteilung wird in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht aufgezeigt. Weder vermag nach der hg. Rechtsprechung der Umstand einer für die Partei ungünstigen Stellungnahme bzw. eines ungünstigen Gutachtens (vgl. VwGH 5.5.2020, Ra 2020/06/0048, 0049; 15.11.2019, Ra 2019/02/0170) oder die Tätigkeit eines Sachverständigen in einem anderen Verfahren, wenn das Ergebnis für das vorliegende Verfahren relevant sein kann (vgl. VwGH 17.12.2019, Ro 2018/04/0012), den Anschein einer Befangenheit zu begründen, noch lässt die in der Zulässigkeitsbegründung angegebene - auch nach den Revisionsausführungen vor der Bestellung zum Amtssachverständigen erfolgte - Aussage, die auf die Delegierung der Angelegenheit an einen Mitarbeiter abstellt, die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, es seien keine Zweifel an der vollen Unbefangenheit des Amtssachverständigen hervorgekommen, als unvertretbar erscheinen. Nur eindeutige Hinweise, dass ein Entscheidungsträger (hier: der Amtssachverständige) seine vorgefasste Meinung nicht nach Maßgabe der Verfahrensergebnisse zu ändern bereit ist, können seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen (vgl. VwGH 31.1.2012, 2010/05/0212).

13       Die weitere, vom Verwaltungsgericht wie ebenso in der Zulässigkeitsbegründung der Revision aufgeworfene Rechtsfrage zielt darauf ab, ob bereits im Verfahren über das Benützungsverbot „klargestellt“ werden müsse, welche Baugebrechen auf welche Art behoben werden müssten, um das Benützungsverbot zu beenden und eine Benützung wieder zu ermöglichen. Mangels Kenntnis der zu behebenden Baugebrechen könne die Untersagung der Benützung, die bis zur Behebung der Baugebrechen erfolgt sei, niemals enden.

14       Dazu ist zunächst festzuhalten, dass dann, wenn die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig ist, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegt, und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. etwa VwGH 9.6.2022, Ro 2020/05/0026, mwN).

15       § 48 der Oö. Bauordnung1994 (Oö. BauO 1994), LGBl. Nr. 66/1994 in der im Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichtes maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 34/2013, lautet auszugsweise:

„§ 48

Baugebrechen

[...]

(2) Erlangt die Baubehörde Kenntnis vom Vorliegen eines Baugebrechens, hat sie die allenfalls erforderlichen Sicherungsmaßnahmen anzuordnen und dem Eigentümer unter Gewährung einer angemessenen Frist die Behebung des festgestellten Baugebrechens durch Instandsetzung oder, wenn eine Instandsetzung nicht mehr möglich ist oder so weitgehend wäre, daß sie einer Erneuerung der baulichen Anlage gleichkommen würde, die Abtragung aufzutragen. Ein Instandsetzungsauftrag steht der Erteilung einer Abbruchbewilligung nicht entgegen.

[...]

(7) Hat sich der Zustand einer baulichen Anlage oder eines Teiles davon so verschlechtert, daß eine Gefahr für das Leben oder die körperliche Sicherheit der Benützer dieser baulichen Anlage oder eines Teiles davon nicht auszuschließen ist, hat die Baubehörde die weitere Benützung der baulichen Anlage oder eines Teiles davon mit Bescheid bis zur Behebung des Baugebrechens zu untersagen. ...“

16       Schon aus dem klaren Wortlaut des § 48 Abs. 2 Oö. BauO 1994 ist ersichtlich, dass die Baubehörde bei Vorliegen eines Baugebrechens zum einen die allenfalls erforderlichen Sicherungsmaßnahmen anzuordnen hat, und zum anderen dem Eigentümer unter Gewährung einer angemessenen Frist die Behebung des festgestellten Baugebrechens durch Instandsetzung oder, wenn eine solche nicht mehr möglich ist oder so weitgehend wäre, dass sie einer Erneuerung der baulichen Anlage gleichkommen würde, die Abtragung aufzutragen hat. § 48 Abs. 2 Oö. BauO 1994 bietet somit einerseits die Rechtsgrundlage für die Vorschreibung von Sicherungsmaßnahmen, andererseits für Bauaufträge zur Behebung des festgestellten Baugebrechens, welches zur allfälligen Vorschreibung von Sicherungsmaßnahmen geführt hat (vgl. zum Unterschied zwischen notwendigen Sicherungsmaßnahmen und baupolizeilichen Aufträgen zur Behebung von Baugebrechen zur inhaltsgleichen Vorgängerbestimmung des § 60 Oö. Bauordnung 1976 VwGH 14.4.1987, 86/05/0136).

17       Die Benützungsuntersagung ist eine Sicherungsmaßnahme auf der Grundlage des § 48 Abs. 7 Oö. BauO 1994. Dabei handelt es sich um die gegenüber § 48 Abs. 2 Oö. BauO 1994 speziellere Norm (vgl. VwGH 24.6.2014, 2011/05/0141).

18       Anordnungen zum Zweck der Behebung von Baugebrechen sind demnach - wie vom Verwaltungsgericht bereits festgehalten - Gegenstand eines bei Kenntnis vom Vorliegen eines Baugebrechens durchzuführenden Verfahrens zur Erlassung eines Instandsetzungs- oder Abtragungsauftrages. Es kann der gesetzlichen Grundlage des § 48 Abs. 2 Oö. BauO 1994 kein Anhaltspunkt dafür entnommen werden, dass nicht nur im Bauauftragsverfahren zur Behebung eines Baugebrechens, sondern darüber hinaus in dem diesem vorgelagerten Sicherungsverfahren gleichermaßen konkrete Anordnungen zur Behebung der festgestellten Baugebrechen zu treffen wären.

19       Dadurch, dass der Gesetzgeber das Ende der Sicherungsmaßnahme des Benützungsverbotes in § 48 Abs. 7 Oö. BauO 1994 mit der Wendung „bis zur Behebung des Baugebrechens“ umschreibt, knüpft er lediglich in bestimmbarer Weise an das dem Sicherungsverfahren regelmäßig folgende Bauauftragsverfahren zur Behebung des der Sicherungsmaßnahme zugrundeliegenden Baugebrechens an. Als Anordnung, schon im Sicherungsverfahren die Behebung der Baugebrechen zu konkretisieren, kann diese Wendung nicht gedeutet werden. Die Rechtslage nach § 48 Abs. 2 und 7 Oö BauG 1994 ist klar und eindeutig.

20       Dass die Revisionswerberin keine Kenntnis von den zur Benützungsuntersagung führenden Baugebrechen hätte, wäre im Übrigen vor dem Hintergrund der im angefochtenen Erkenntnis auf der Grundlage einschlägiger Sachverständigengutachten getroffenen, umfangreichen Feststellungen zum Zustand des von der Benützungsuntersagung betroffenen Gebäudes und der darauf fußenden rechtlichen Beurteilung nicht nachvollziehbar. Die Zulässigkeitsbegründung wendet sich auch nicht konkret gegen die entsprechenden Feststellungen.

21       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

22       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 11. Oktober 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021050013.J00

Im RIS seit

31.10.2022

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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