Entscheidungsdatum
29.07.2022Norm
AWG 2002 §15 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Grubner als Einzelrichter über die Beschwerde des A, vertreten durch die B Rechtsanwälte, in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 27. Jänner 2022, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 50 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) insofern Folge gegeben, als die beiden Spruchpunkte des angefochtenen Straferkenntnisses zu einem Spruchpunkt zusammengefasst werden und über den Beschwerdeführer wegen der Ablagerung nicht gefährlicher Abfälle (Papiertaschentuch, Zigarettenstummel) entgegen § 15 Abs. 3 AWG 2002 auf einer Straße wegen Übertretung des § 79 Abs. 2 Z 3 AWG 2002 eine Gesamtstrafe in der Höhe von 450 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Stunden) verhängt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
2. Die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens werden gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) mit 45 Euro neu festgesetzt.
3. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Zahlungshinweis:
Der Beschwerdeführer wird darauf hingewiesen, dass er somit gemäß § 54b Abs. 1 VStG den Strafbetrag in Höhe von 450 Euro zuzüglich der Kostenbeiträge des verwaltungsbehördlichen Verfahrens in Höhe von 45 Euro, insgesamt sohin 495 Euro, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung zu bezahlen hat.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe an einem näher genannten Ort und zu einer näher genannten Zeit nicht gefährliche Abfälle, nämlich ein Papiertaschentuch (Spruchpunkt 1) und einen Zigarettenstummel (Spruchpunkt 2), entgegen § 15 Abs. 3 AWG 2002 abgelagert, obwohl eine Ablagerung von Abfällen nur in hierfür genehmigten Deponien erfolgen dürfe und der genannte Ort keine derartige Deponie darstelle. Er habe dadurch § 79 Abs. 2 Z 3 iVm § 15 Abs. 3 AWG 2002 verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von jeweils 450 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Stunden) gemäß § 79 Abs. 2 erster Strafsatz AWG 2002 verhängt. Weiters wurde er zum Tragen der anteiligen Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens verpflichtet.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
In der rechtzeitig erhobenen Beschwerde bestritt der Beschwerdeführer, dass er ein Papiertaschentuch weggeworfen habe. Unter Druck, der von Polizeibeamten ausgeübt worden sei, habe er eine Zigarette zu Boden fallen lassen, um den einschreitenden Beamten so rasch wie möglich Dokumente geben zu können. Er habe sie anschließend wegräumen wollen. Der Beschwerdeführer rügte unzureichende Sachverhaltsfeststellungen, eine mangelhafte Begründung und unrichtige Feststellungen auf Grund fehlerhafter Beweiswürdigung. Weiters machte er eine unrichtige rechtliche Beurteilung, fehlerhafte Ermessensausübung und eine fehlerhafte Strafzumessung geltend. Trotz Abmahnung sei eine Bestrafung erfolgt.
Der Beschwerdeführer beantragte, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, in der Sache zu entscheiden, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. In eventu beantragte er, die Behebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Zurückverweisung der Verwaltungsstrafsache an die Behörde, sowie, in eventu die Strafhöhe herabzusetzen.
3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Am 20. Juni 2022 führte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher in den Akt der Verwaltungsstrafbehörde Einsicht genommen wurde. Weiters wurden der Beschwerdeführer und der Meldungslegers C als Zeuge einvernommen.
Der Beschwerdeführer gab – im Wesentlichen – an, dass er plötzlich etwas Weißes flattern gesehen habe, was es gewesen sei, könne er nicht sagen. Er vermute, dass ihm jemand vielleicht einen Zettel in die Scheibenwischer gesteckt habe. Die Polizei habe ihn aufgehalten. Er habe mit den Händen gestikuliert, dabei sei er mit der Hand bei der Fensterscheibe angekommen und da sei die Zigarette hinausgefallen. Nach der Rückkehr aus *** habe er dann später am Tatort etwa 20 Zigarettenstummel weggeräumt. Von hinten könne man gar nichts sehen, er habe einen hinten geschlossenen als LKW typisierten VW-Bus T5.
Der als Zeuge einvernommene Meldungsleger gab nach Wahrheitserinnerung und Hinweis auf den Diensteid – zusammengefasst – an, dass an einer Kreuzung bei einer roten Ampel direkt vor ihm ein schwarzer Bus gewesen sei. Er sei auf das Fahrzeug aufmerksam geworden, weil Müll aus dem Fenster entsorgt worden sei. Er habe gesehen, dass sich eine Hand Richtung Fenster bewegt habe und etwas rausgefallen ist. Davor habe er Zigarettenrauch aufsteigen gesehen. Bei der anschließenden Lenker- und Fahrzeugkontrolle, etwa 70 bis 80 Meter von der Kreuzung entfernt sei die Zigarette aus dem Auto herausgefallen. Die Zigarette wurde nicht aufgehoben. Der Beschwerdeführer ist aus dem Fahrzeug nicht ausgestiegen, die Zigarette wurde nicht aufgehoben. Ich habe gesehen, dass die Zigarette nicht aus der Hand gerutscht sei, sondern, dass sie hinausgeschmissen worden sei.
4. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer hat am 15. Oktober 2021, gegen 10:54 Uhr, im Gemeindegebiet ***, ***, in Fahrtrichtung *** ein Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen ***, gelenkt. An der Kreuzung stehend hat er ein Papiertaschentuch durch das geöffnete Fenster auf die Straße mit der Intention geworfen, dieses dort zu lassen. Weiters hat er während der unmittelbar daran anschließenden Lenker- und Fahrzeugkontrolle, die auf einer etwa 70 bis 80 Meter von der Kreuzung entfernten Nebenfahrbahn erfolgte, einen Zigarettenstummel mit der Intension auf die Straße geworfen, diesen loszuwerden.
5. Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen ergeben sich aus der im vorgelegten Verwaltungsstrafakt enthaltenen Anzeige der Polizeiinspektion *** vom 18. Oktober 2021 und den Angaben des im Verfahren vernommenen Zeugen C. Dieser gab in der mündlichen Verhandlung als Zeuge einvernommen an, dass er gesehen habe, wie das Papiertaschentuch aus dem Fenster entsorgt worden sei und wie der Zigarettenstummel weggeworfen und nicht wieder aufgehoben worden sei. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hält die Angaben in der Anzeige und die Ausführungen des Zeugen für schlüssig und glaubwürdig. Die Rechtfertigung des Beschwerdeführers, er wisse nicht, was an der Kreuzung vom Auto weggeflattert sei, stellt nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich eine Schutzbehauptung dar. Für das erkennende Gericht steht auf Grund der dargestellten Vorgangsweise auch außer Zweifel, dass der Beschwerdeführer in beiden Fällen mit Entledigungsabsicht gehandelt hat. Eine allfällige Meinungsänderung und Beseitigung nach dem Vorfall vermag daran nichts zu ändern.
6. Rechtslage und Erwägungen:
6.1. Wer nicht gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs. 1, 3, 4 oder 4b AWG 2002 sammelt, befördert, lagert, behandelt oder beim sonstigen Umgang mit nicht gefährlichen Abfällen entgegen § 15 Abs. 1 AWG 2002 die Ziele und Grundsätze nicht beachtet oder die Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen nicht vermeidet oder entgegen § 15 Abs. 2 AWG 2002 vermischt oder vermengt, begeht gemäß § 79 Abs. 2 Z 3 AWG 2002 – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 450 Euro bis 8 400 Euro zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 2 100 Euro bedroht.
Gemäß § 2 Abs. 1 AWG 2002 sind Abfälle bewegliche Sachen, deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat (subjektiver Abfallbegriff), oder deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 Abs. 3 leg. cit. nicht zu beeinträchtigen (objektiver Abfallbegriff). Abfall liegt bereits dann vor, wenn entweder der objektive oder der subjektive Abfallbegriff erfüllt ist (VwGH 23. Februar 2012, 2008/07/0179). Der objektive Abfallbegriff ist erfüllt, wenn durch die Abfälle die in § 1 Abs. 3 AWG 2002 normierten öffentlichen Interessen beeinträchtigt werden könnten.
6.2. Der subjektive Abfallbegriff (§ 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002) ist dann erfüllt, wenn ein Besitzer oder irgendein Vorbesitzer sich – einer beweglichen Sache – entledigen will oder entledigt hat (VwGH 16. März 2016, Zl. Ra 2016/05/0012), wobei unter dem Begriff „entledigen“ die Aufgabe der Gewahrsame mit dem Zweck, diese Sache loszuwerden, zu verstehen ist und ein starker Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Entledigungswillens darin liegt, wenn der Inhaber oder Vorbesitzer ausdrücklich seinen Verwendungsverzicht erklärt oder diesen sonst zum Ausdruck bringt (VwGH 25. September 2014, Ro 2014/007/0032). Der Umstand, dass es für die zu beurteilende Sache nach einem Verbrauchs- oder Benutzungsvorgang keine Verwendung für den ursprünglichen Zweck mehr gibt, ist als starkes Indiz für das Vorliegen eines Entledigungswillens anzusehen (vgl. Bumberger/Hochholdinger/Niederhuber/Wolfslehner, AWG 20022, § 2 K14 mwN).
Der Beschwerdeführer hat durch das Wegwerfen dieser Gegenstände seinen Willen zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, sich von diesen beweglichen Sachen entledigen zu wollen. Anzumerken ist, dass gemäß den Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 jeder Stoff oder Gegenstand, dessen sich sein Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss, als „Abfall“ anzusprechen ist (Bumberger/Hochholdinger/Niederhuber/Wolfslehner, AWG 20022, § 2 K4 mwN). Sowohl der Zigarettenstummel als auch das Papiertaschentuch sind daher als Abfall im subjektiven Sinn gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 zu qualifizieren. Wird die subjektive Abfalleigenschaft bejaht, bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit dem objektiven Abfallbegriff (VwGH 23. April 2009, 2006/07/0032).
Beim von der belangten Behörde vorgeworfenen Tatort handelt es sich auch nicht um einen geeigneten Ort im Sinne des § 15 Abs. 3 AWG 2002, eine Straße stellt keinen Abfallsammelbehälter dar.
Der Beschwerdeführer hat daher den Tatbestand in objektiver Hinsicht erfüllt.
6.3. Bei der dem Beschwerdeführer angelasteten Verwaltungsübertretung handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG. Demzufolge genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgen eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Vorsatz wird im Verwaltungsstrafgesetz nicht definiert; er ist in dem in § 5 StGB umschriebenen Sinn zu verstehen (VwGH 13. November 1985, 85/01/0149). Bedingter Vorsatz, das heißt der für das Sich-Abfinden mit der Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbildes erforderliche positive Willensentschluss des Täters im Sinne des § 5 Abs. 1 StGB, muss in der Entscheidung der Verwaltungsstrafbehörde stets durch entsprechende Sachverhaltsfeststellungen untermauert werden (VwGH 20. April 1998, 97/17/0179).
Die belangte Behörde ist hinsichtlich Spruchpunkt 1 von fahrlässiger Begehung der Tat, hinsichtlich Spruchpunkt 2 von Vorsatz ausgegangen. Für den bedingten Vorsatz ist kennzeichnend, dass für das vorsätzliche Handeln genügt, wenn der Täter die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbildes „ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet“ (VwGH 11. April 1991, 91/06/0001). Für das Vorliegen von „Vorsatz“ ist es nicht erforderlich, dass der Täter auch die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens kennt; es genügt in dieser Hinsicht Fahrlässigkeit. Dies ergibt sich aus § 5 Abs. 2 VStG, wo – ohne Rücksicht auf die Unterscheidung in Vorsatzdelikte und Fahrlässigkeitsdelikte – ein Täter nur als entschuldigt gilt, wenn er die übertretene Verwaltungsvorschrift unverschuldet nicht kannte und das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einzusehen vermochte (VwGH 29. Jänner 1991, 89/04/0061).
Wie festgestellt hat der Beschwerdeführer das Papiertaschentuch und den Zigarettenstummel mit der Intention auf die Straße geworfen, diese Gegenstände dort zu belassen. Daraus ergibt sich, dass er den tatbildmäßigen Erfolg, also die Ablagerung der Gegenstände auf der Straße bezweckt hat, sodass er mit dolus principalis gehandelt hat. Der Beschwerdeführer hat die Gegenstände im Wissen und Wollen auf die Straße geworfen, obwohl er wusste, dass eine Straße keinen für die Sammlung von Abfällen geeigneten Ort darstellt.
Der Beschwerdeführer hat somit hinsichtlich beider Gegenstände mit Vorsatz gehandelt.
6.4. Ein fortgesetztes Delikt liegt dann vor, wenn eine Reihe von rechtswidrigen Einzelhandlungen aufgrund der Gleichartigkeit der Begehungsform und der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines noch erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzepts des Täters zu einer Einheit zusammentreten. Als objektive Voraussetzungen für das Vorliegen eines fortgesetzten Deliktes müssen sowohl gleichartige Einzelhandlungen als auch ein Angriff auf dasselbe Rechtsgut gegeben sein, und die einzelnen Handlungen dürfen nicht durch einen zu großen Zeitraum unterbrochen werden. Darüber hinaus müssen die Einzelakte im Sinne der subjektiven Komponente von einem einheitlichen Willensentschluss getragen sein (VwGH 25. September 2019, Ra 2019/09/0120).
Der Beschwerdeführer hat zuerst ein Papiertaschentuch und danach einen Zigarettenstummel abgelagert, jeweils mit der Intention, sich dieser Gegenstände endgültig zu entledigen. Festzuhalten ist dabei, dass die Abfälle in einem sehr engen örtlichen und zeitlichen Naheverhältnis während einer Fahrt abgelagert wurden. Von einer Gleichartigkeit der Begehungsform und der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände ist auszugehen, ebenso zeigt eine Einzelfallbetrachtung, dass der Beschwerdeführer bei seinem rechtswidrigen Handeln von einem einheitlichen Gesamtkonzept getragen wurde, er will in dieser konkreten Situation Abfälle loswerden. Aus diesem Grund ist fallbezogen von einem Gesamtkonzept, sohin vom Vorliegen eines einheitlichen Delikts im Sinne der Rechtsprechung, auszugehen.
Die im angefochtenen Straferkenntnis erhobenen beiden Tatvorwürfe sind demnach auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalls fallbezogen als ein einziges, fortgesetztes Delikt zu qualifizieren und daher spruchgemäß zusammenzufassen und mit einer Gesamtstrafe zu bestrafen.
7. Zur Strafbemessung:
7.1. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Der Strafrahmen gemäß § 79 Abs. 2 Z 3 AWG 2002 beträgt 450 Euro bis 8 400 Euro, wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 2 100 Euro bedroht.
7.2. Die einschlägigen Rechtsvorschriften des AWG 2002 sollen verhindern, dass Abfall mit dem daraus resultierenden Gefährdungspotenzial für die Umwelt in einer Weise gelagert wird, die die Umwelt gefährdet. Die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, nämlich der Schutz der Umwelt, ist als sehr hoch einzustufen. § 15 Abs. 3 AWG 2002 soll eine Behandlung von Abfällen nach den Zielen und Grundsätzen des Abfallwirtschaftsrechtes sicherstellen und garantieren, dass eine Sammlung und Lagerung von Abfällen nur so erfolgt, dass die Schutzinteressen des § 1 Abs. 3 AWG 2002 nicht gefährdet werden. Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes war im konkreten Fall die Verletzung der vom Gesetz geschützten Interessen in nicht unerheblichem Ausmaß gegeben.
Der Beschwerdeführer ist nicht unbescholten. Weitere Milderungs- oder Erschwerungsgründe sind weder behauptet worden, noch sind solche hervorgekommen. Der Beschwerdeführer hat mit Vorsatz gehandelt.
Ausgehend von den Strafzumessungskriterien des § 19 VStG sowie auf Basis der glaubhaft angegebenen persönlichen Verhältnisse (Pension von etwa 1 200 Euro) war es im konkreten Fall gerechtfertigt, lediglich die Mindeststrafe gemäß § 79 Abs. 2 AWG 2002 zu verhängen. Gründe für eine außerordentliche Strafmilderung gemäß § 20 VStG und eine damit einhergehende Unterschreitung der Mindeststrafe sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es nicht bloß auf das Vorliegen von Milderungsgründen an, vielmehr allein darauf, dass solche Gründe die Erschwerungsgründe erheblich überwiegen, und zwar nicht der Zahl, sondern dem Gewicht nach. Es kommt sohin nicht auf die Zahl der gegebenen Milderungs- und Erschwerungsgründe, sondern ausschließlich auf deren Bedeutung im Rahmen des konkret gegebenen Sachverhaltes an (VwGH 11. Mai 2004, 2004/02/0005, mwH). Es konnten keine Milderungsgründe festgestellt werden, diese können daher die Erschwerungsgründe auch nicht überwiegen. Aus § 20 VStG (außerordentliche Strafmilderung) war daher im vorliegenden Fall für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen.
7.3. Gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde den Beschuldigten im Falle der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten. Die Anwendung dieser Bestimmung bzw. die Erteilung einer Ermahnung kam im gegenständlichen Fall jedoch nicht in Betracht, da weder die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes noch die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat des Beschwerdeführers gering waren. Voraussetzung für die Anwendung der Z 4 ist das kumulative Vorliegen beider in dieser Gesetzesstelle genannten Kriterien, nämlich ein geringfügiges Verschulden (subjektive Tatseite) und lediglich unbedeutende Folgen der Tat (objektive Tatseite). Von einem geringen Verschulden ist nur dann zu sprechen, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters erheblich hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurückbleibt. Unbedeutende Folgen zieht eine Tat etwa nach sich, wenn der von der betroffenen Norm gewünschte Zustand auf eine andere Weise ohnehin eingetreten ist (vgl. Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 45 Anm 3). Wie zur subjektiven Tatseite oben ausgeführt, kann von einem geringfügigen Verschulden des Beschwerdeführers nicht ausgegangen werden, da die Tat vorsätzlich begangen wurde. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass der Handlungsunwert im konkreten Fall gering wäre, im AWG 2002 ist keine Bagatellgrenze normiert. Die Wertigkeit des durch die verletzte Norm geschützten Rechtsgutes iSd § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG findet ihren Ausdruck auch in der Höhe des gesetzlichen Strafrahmens, der für entsprechende Zuwiderhandlungen gemäß § 79 Abs. 2 AWG 2002 immerhin Geldstrafen bis zu 8 400 Euro vorsieht. Ist aber die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht gering, fehlt es an einer der in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Voraussetzungen für die Einstellung des Strafverfahrens, weshalb auch keine Ermahnung nach § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG in Frage kommt (Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, 22. Juni 2022, LVwG-S-1367-001-2022).
8. Zu den Kosten des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens:
Gemäß § 64 VStG ist in jedem Straferkenntnis auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Dieser Betrag ist für das Verfahren erster Instanz mit 10 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10 Euro zu bemessen. Die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens waren daher spruchgemäß neu festzusetzen.
Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.
Gemäß § 54b Abs. 1 VStG hat der Beschwerdeführer den Strafbetrag sowie den neu festgesetzten Kostenbeitrag des verwaltungsbehördlichen Verfahrens jeweils binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses zu bezahlen.
9. Zur Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Entscheidung weicht nicht von der einheitlichen Rechtsprechung ab und stützt sich diese auf die klare und eindeutige Rechtslage (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei klarer Rechtslage VwGH 15. Mai 2019, Ro 2019/01/0006). Im Regelfall sind Fragen der Beweiswürdigung nicht revisibel (vgl. VwGH 28. Juni 2017, Ra 2017/02/0038).
Schlagworte
Umweltrecht; Abfallwirtschaft; Verwaltungsstrafe; Abfallbegriff; Zigarettenstummel; Papiertaschentuch;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.623.001.2022Zuletzt aktualisiert am
28.10.2022