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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des P in B, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 30. November 1995, Zl. UVS-3/3165/5-1995, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Salzburg ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. November 1995 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 25. Februar 1995 um 13.56 Uhr auf der Tauernautobahn A 10 an einer näher bezeichneten Örtlichkeit ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt und dabei die auf diesem Teilstück der Autobahn durch Vorschriftszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 33 km/h überschritten. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.200,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Die belangte Behörde führte zur Begründung im wesentlichen aus, daß die Begehung der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung mit dem auf den Beschwerdeführer zugelassenen Kraftfahrzeug durch Radarmessung und Radarfoto "zweifelsfrei bewiesen" und vom Beschwerdeführer als solche auch nicht bestritten worden sei. Die Rechtfertigung habe gelautet, daß nicht er selbst, sondern seine Tochter zum Tatzeitpunkt das Kraftfahrzeug in Verwendung gehabt habe. Von dieser sei jedoch die Lenkereigenschaft nicht bestätigt worden, sondern sie habe von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Die belangte Behörde habe daher davon ausgehen müssen, daß der Beschwerdeführer selbst die Übertretung begangen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer verweist insbesondere darauf, daß er seiner Mitwirkungspflicht zur Aufklärung des Sachverhaltes im Verwaltungsstrafverfahren nachgekommen sei und im übrigen eine eidesstättige Erklärung seiner Ehefrau vorgelegt habe, die bestätigt habe, daß er sich zum angeblichen Tatzeitpunkt nicht in Österreich, sondern in Deutschland aufgehalten habe.
Es trifft zwar zu, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Verfahrensgrundsatz, daß die Verwaltungsstrafbehörde von Amts wegen vorzugehen habe, die Partei nicht von der Verpflichtung befreit, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen. Es entspricht auch der ständigen hg. Rechtsprechung, daß die Verwaltungsstrafbehörde ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften aus dem Untätigwerden des Zulassungsbesitzers im Verwaltungsstrafverfahren gegenüber dem Vorwurf eines bestimmten strafbaren Verhaltens im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung den Schluß ableiten kann, der Zulassungsbesitzer selbst sei der Täter gewesen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1994, Zl. 94/03/0265).
Daraus ist für die belangte Behörde im vorliegenden Fall jedoch nichts gewonnen: Der Beschwerdeführer hat sich im Verwaltungsstrafverfahren nicht auf ein bloßes Bestreiten der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung beschränkt, sondern hat bereits in seinem Einspruch vom 5. Mai 1995 das Vorbringen erstattet, daß er sich zur Tatzeit nicht am Tatort in Österreich, sondern in Deutschland befunden habe. Dies könne seine Ehefrau jederzeit an Eidesstatt bestätigen. Das gegenständliche Fahrzeug werde ausschließlich von seiner Tochter bzw. deren Freunden benützt. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer mit seiner Berufung vom 26. Juni 1995 gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis eine eidesstättige Erklärung seiner Ehefrau vorgelegt, worin diese erklärt, daß sich der Beschwerdeführer gemeinsam mit ihr am Tattag in Deutschland/Bad Vilbel befunden habe und das gegenständliche Fahrzeug ausschließlich von ihrer Tochter bzw. deren Freunden benutzt werde.
Daß die Tochter des Beschwerdeführers in der Folge von ihrem Zeugnisentschlagungsrecht Gebrauch machte, vermag der schriftlichen Erklärung der Ehefrau des Beschwerdeführers den Charakter eines Beweismittels im Sinne des § 46 AVG nicht zu nehmen; dazu kommt, daß die Tatsache einer Zeugnisentschlagung - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - schon ihrem Sinn und Zweck nach kein für die Beweiswürdigung verwertbarer Umstand ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1996, Zl. 95/03/0271, mit weiterem Hinweis). Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid auf die eidesstättige Erklärung überhaupt nicht Bezug genommen, sondern hat aus dem Umstand, daß die Tochter des Beschwerdeführers von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht habe, geschlossen ("daher"), daß der Beschwerdeführer selbst die Übertretung begangen habe. Es fehlt daher dem angefochtenen Bescheid eine nachvollziehbare Begründung für die von der belangten Behörde angenommene mangelnde Glaubwürdigkeit der durch die erwähnte eidesstättige Erklärung gestützten Verantwortung des Beschwerdeführers. Diesbezügliche Ausführungen in der Gegenschrift vermögen nicht die fehlende erforderliche Begründung des angefochtenen Bescheides zu sanieren.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens bezieht sich auf überhöht verzeichnete Stempelgebühren.
Im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerde erübrigt sich ein Eingehen auf den - zur hg. Zl. AW 96/03/0004 protokollierten - Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
Beweismittel Beweismittel Beschuldigtenverantwortung Beweismittel Zeugen Beweismittel Zeugenbeweis Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Sachverhalt Beweiswürdigung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996030015.X00Im RIS seit
19.03.2001