TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/20 95/03/0235

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Veröffentlicht am 20.03.1996
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Index

L65000 Jagd Wild;
L65002 Jagd Wild Kärnten;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
JagdG Krnt 1978 §76;
JagdRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des S in M, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 20. Juli 1995, Zlen. KUVS-K1-1853/11/1994 und KUVS-K1-2026/11/1994, betreffend Wildschaden (mitbeteiligte Partei: E in M), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinen Spruchpunkten I und II wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Schlichtungsstelle für Wildschadensangelegenheiten der Gemeinde M vom 20. September 1994 wurde der Mitbeteiligte als Jagdausübungsberechtigter des Gemeindejagdgebietes M verpflichtet, dem Beschwerdeführer als Eigentümer zweier näher bezeichneter Grundstücke gemäß den §§ 74 Abs. 2 lit. a und 75 Abs. 4 des Kärntner Jagdgesetzes 1978 den auf diesen Grundstücken in der Zeit vom 1. Mai 1993 bis 26. August 1994 entstandenen Wildschaden (Verbiß- und Fegeschäden) in der Höhe von S 25.402,40 binnen zwei Wochen nach Rechtskraft dieser Entscheidung zu ersetzen. Der vom Beschwerdeführer für den Zeitraum vom 1. Mai 1992 bis 30. April 1993 beantragte Wildschadenersatzanspruch wurde abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhoben der Beschwerdeführer und der Mitbeteiligte Berufungen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen (Spruchpunkt I). Der Berufung des Mitbeteiligten wurde Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid dahin abgeändert, daß der Mitbeteiligte nunmehr verpflichtet werde, für die an den Waldkulturen der im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Grundstücke in der Zeit von April 1993 bis 26. August 1994 verursachten Wildschäden an diesen einen Betrag von S 5.125,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu bezahlen (Spruchpunkt II). Ferner wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 76 AVG der Ersatz von im Berufungsverfahren erwachsenen Barauslagen auferlegt (Spruchpunkt III).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Aus den Ausführungen in der Beschwerde geht hervor, daß der angefochtene Bescheid insofern bekämpft wird, als dem Beschwerdeführer für die Zeit vom 1. Mai 1992 bis 30. März 1993 kein Ersatzanspruch und für die Zeit vom 1. April 1993 bis 26. August 1994 nicht ein S 5.125,-- übersteigender Ersatzanspruch zuerkannt wurde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie der Mitbeteiligte eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde vertritt in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Auffassung, daß der Ersatzanspruch des Beschwerdeführers für die Zeit vom 1. Mai 1992 bis einschließlich März 1993 im Grund des § 76 des Kärntner Jagdgesetzes 1978 erloschen sei. Sie ging dabei davon aus, daß die Wildschadensanzeige des Beschwerdeführers erstmals am 14. Oktober 1993 erfolgt sei. Mit seinem Vorbringen, er habe erstmals Mitte Mai 1993 von den geltend gemachten Waldschäden Kenntnis erlangt, habe der Beschwerdeführer die Rechtzeitigkeit des Schadenersatzbegehrens hinsichtlich des gesamten beantragten Zeitraumes nicht darzutun vermocht. Bedenke man, daß mit einer Verursachung von Wildschäden am Wald permanent zu rechnen sei, so hätte der Beschwerdeführer bei Anwendung gehöriger Sorgfalt "gleichsam täglich" von einem Schaden Kenntnis erhalten können. Die Wildschadensanzeige sei daher nur für die der Anzeige bzw. Anmeldung vorangehenden sechs Monate rechtswirksam. Ein Anspruch hinsichtlich des darüber hinausgehenden Zeitraumes sei als verfristet anzusehen.

Dieser Rechtsansicht vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizutreten.

Gemäß § 76 erster Satz des Kärntner Jagdgesetzes 1978 erlischt der Anspruch auf Ersatz des Wild- und Jagdschadens, wenn der Berechtigte ihn nicht binnen vierzehn Tagen, bei Wildschäden an Wald nicht innerhalb von sechs Monaten, nachdem er von dem Schaden Kenntnis erhalten hat oder bei Anwendung gehöriger Sorgfalt hätte erhalten können, dem Jagdausübungsberechtigten anzeigt oder bei der Gemeinde zur Weiterleitung an die Schlichtungsstelle für Wildschadensangelegenheiten anmeldet, sofern er nicht nachzuweisen vermag, daß er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Anmeldung gehindert war.

Entgegen der Meinung der belangten Behörde verlangt es die Anwendung gehöriger Sorgfalt keineswegs, daß sich ein Waldeigentümer "gleichsam täglich" Kenntnis von Wildschäden verschaffen müsse. Dies hieße die Sorgfaltspflichten eines Waldeigentümers zu überspannen. Die belangte Behörde hat an anderer Stelle ihres Bescheides selbst ausgeführt, daß einem Waldeigentümer zugemutet werden könne, seine Waldflächen zumindest alle sechs Monate einmal in Augenschein zu nehmen. Daß mit einer solchen Vorgangsweise in der Regel - sofern nicht besondere Umstände, etwa eine erhöhte Gefährdungssituation, eine Intensivierung der Kontrollen gebieten - den an einen Waldeigentümer zu stellenden Anforderungen Genüge getan wird, begegnet seitens des Verwaltungsgerichtshofes keinen Bedenken. Die belangte Behörde verkannte somit die Rechtslage, als sie den Anspruch auf Ersatz der vor mehr als sechs Monaten vor der Anzeige entstandenen Wildschäden mit der Begründung, daß der Beschwerdeführer bei Anwendung gehöriger Sorgfalt "gleichsam täglich" von einem Schaden Kenntnis erhalten hätte können, als erloschen ansah.

Allerdings irrt auch der Beschwerdeführer, wenn er meint, daß durch die Anzeige am 14. Oktober 1993 sämtliche bei der Besichtigung Mitte Mai 1993 festgestellten Schäden fristgerecht geltend gemacht worden seien. Unter der Annahme, daß - wozu aber noch die entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen fehlen - der Beschwerdeführer mit dieser Kontrolle dem Sorgfaltsmaßstab im oben dargelegten Sinn entsprochen hätte, würde die noch innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 76 des Kärntner Jagdgesetzes 1978 erfolgte Anzeige nur den Ersatzanspruch hinsichtlich jener Wildschäden wahren, von denen der Beschwerdeführer bei Anwendung gehöriger Sorgfalt im Rahmen der gebotenen Kontrollen nicht schon vor der Besichtigung Mitte Mai 1993 (etwa bei der in der Beschwerde behaupteten "letzten Begehung Ende November 1992") hätte Kenntnis erlangen können.

Dem Beschwerdeführer kann jedoch nicht entgegengetreten werden, wenn er die Schlüssigkeit des von der belangten Behörde der Schadensermittlung zugrunde gelegten Gutachtens des Amtssachverständigen rügt. In diesem Gutachten heißt es, daß die Erhebungen in Form einer Stichprobeninventur stattgefunden hätten, die in Übereinstimmung mit den Beteiligten eine signifikante Linie mit 11 Probepunkten in 40 m Abstand und einer Kreisfläche von je 100 m2 erfaßt habe. In der Verhandlung vor der belangten Behörde am 5. Juli 1995 räumte der Amtssachverständige ein, "daß von der formal statistischen Notwendigkeit ein dichteres Netz an Probepunkten notwendig gewesen wäre." Im Einvernehmen mit den Parteien sei aber ein vereinfachtes Verfahren gewählt worden. Auch die belangte Behörde hielt dem vom Beschwerdeführer in der genannten Verhandlung erhobenen Einwand, die Probeflächenanzahl entspreche nicht der in der dem Sachverständigengutachten zugrundegelegten Broschüre "Hilfsmittel zur Erhebung und Bewertung von Verbiß- und Fegeschäden" angeführten Empfehlung, entgegen, daß er der gewählten Vorgangsweise zugestimmt habe. Dabei wird übersehen, daß die vom Sachverständigen bei der Aufnahme des Befundes anzuwendende Methode nicht der Disposition der Parteien des Verwaltungsverfahrens unterliegt, sondern ausschließlich von objektiven fachlichen Gesichtspunkten abhängt. Der Verpflichtung, sich bei der Befundaufnahme jener Methoden zu bedienen, die nach den Regeln des Faches zu verläßlichen Ergebnissen führen, wird der Sachverständige durch das Einverständnis der Parteien zu einer anderen Vorgangsweise nicht entbunden. Wenn der Amtssachverständige in der Verhandlung vor der belangten Behörde vorbrachte, es habe sich vor Ort gezeigt, daß eine "Probenetzverdichtung" keine wesentlich abweichenden Ergebnisse gegenüber der gewählten Methode gebracht hätte, so ist diese Aussage mangels einer näheren Begründung nicht nachvollziehbar. Das solcherart auf einer mangelhaften Befundaufnahme beruhende Gutachten des Amtssachverständigen hätte daher nicht der Ermittlung des Sachverhaltes zugrundegelegt werden dürfen.

Der angefochtene Bescheid war somit, da die Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes (Verkennung der Rechslage in Ansehung des Erlöschens des Schadenersatzanspruches) einer Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (Zugrundelegung eines mangelhaften Gutachtens) vorgeht (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 572, angeführte Judikatur), im angefochtenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Stempelgebührengersatz konnte nur in dem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Ausmaß (Eingabengebühr für drei Ausfertigen der Beschwerde und Beilagengebühr für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zugesprochen werden.

Schlagworte

Jagdschaden Wildschaden Verfahren Frist zur Geltendmachung bei Jagdausübungsberechtigten VergleichGutachten Parteiengehör Teilnahme an Beweisaufnahme FragerechtBeweismittel Sachverständigenbeweis Besonderes FachgebietGutachten Auswertung fremder BefundeJagdschaden Wildschaden SchadenersatzpflichtJagdschaden Wildschaden Verfahren VerfahrensrechtAnforderung an ein GutachtenSachverständiger TechnikerSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995030235.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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