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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des P, derzeit im landesgerichtlichen Gefangenenhaus Innsbruck, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 19. Dezember 1995, Zl. III 393/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 19. Dezember 1995 erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Bundesrepublik Deutschland, gemäß §§ 18 Abs. 1 Z. 1, 19, 20, 21, 31 Abs. 1 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.
In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 25. Juli 1989 wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahles durch Einbruch und mit Urteil desselben Gerichtes vom 11. Mai 1995 - ebenfalls rechtskräftig - wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 und Abs. 3 Z. 3 Suchtgiftgesetz und des Vergehens nach § 16 Abs. 1 Suchtgiftgesetz verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe Suchtgift in einer großen Menge eingeführt und in Verkehr gesetzt, wobei die Menge des Suchtgifts zumindest das 25-fache der in § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz angeführten Menge ausmachte. Mit dem letztgenannten Urteil sei der Beschwerdeführer zu einer unbedingten 18-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Wegen der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Sicherheit wäre die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes an sich zulässig; gegen den Beschwerdeführer als deutschen Staatsbürger habe jedoch nur ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot verhängt werden dürfen. Der Beschwerdeführer sei nicht bereit, die österreichischen Rechtsvorschriften in erforderlicher Weise zu beachten und sein Verhalten den österreichischen Gesetzen anzupassen, woraus sich die berechtigte Folgerung ergebe, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit darstelle.
Wenn auch mit dem Aufenthaltsverbot ein relevanter Eingriff in sein Privat- oder Familienleben im Sinne des § 19 Fremdengesetz vorliege (der Beschwerdeführer halte sich seit 1979 mit seinen Eltern und Geschwistern im Bundesgebiet auf und habe eine österreichische Lebensgefährtin), sei dieser Eingriff wegen seiner in den vielen und schwerwiegenden Übertretungen manifestierten Neigung, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, zum Schutz der öffentlichen Ordnung und zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig und daher im Grunde des § 19 Fremdengesetz zulässig.
Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet seien von großem Gewicht, wögen jedoch im Hinblick auf seine Neigung zu schweren Suchtgiftstraftaten höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weshalb diese Maßnahme auch im Grunde des § 20 Abs. 1 Fremdengesetz zulässig sei.
Der Hinderungsgrund des § 20 Abs. 2 Fremdengesetz liege nicht vor. Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Rechtskraft der Verurteilung vom 11. Mai 1995 (16. Mai 1995) habe der Beschwerdeführer die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz nicht erfüllt. Wegen der Art und Häufigkeit der seit dem Jahr 1989 begangenen Straftaten sei aufgrund des Verleihungshindernisses des § 10 Abs. 1 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch im Grunde des § 20 Abs. 2 Fremdengesetz zulässig.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit (des Inhaltes) oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 31 Fremdengesetz ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen EWR-Bürger oder einen begünstigten Drittstaatsangehörigen nur zulässig, wenn aufgrund seines Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die angeführten rechtskräftigen Verurteilungen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß im Hinblick auf die gravierenden Straftaten des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1995, Zl. 95/21/0404).
2. Eine Unzulässigkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 Fremdengesetz versucht der Beschwerdeführer damit zu begründen, es gäbe keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür, daß er weitere strafbare Handlungen plane oder gar durchführen werde. Die belangte Behörde habe keine diesbezügliche Prüfung vorgenommen; demgegenüber habe das Landesgericht Innsbruck dem Beschwerdeführer eine positive Zukunftsprognose ausgestellt.
Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, daß aus dem Beschwerdevorbringen nicht ersichtlich ist, worin die positive Zukunftsprognose des Landesgerichtes Innsbruck liegen soll. Die angesprochene "milde Strafe" reicht dafür jedenfalls noch nicht aus. Im übrigen ist die zur Vollziehung des Fremdengesetzes zuständige Behörde nicht an die vom Gericht angestellten Erwägungen gebunden, sondern hat die Zulässigkeit fremdenbehördlicher Maßnahmen eigenständig und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu treffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 1995, Zl. 95/18/0753). Im Hinblick auf die Annahme, daß gerade bei Suchtgiftdelikten die Wiederholungsgefahr sehr groß sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 1995, Zl. 95/18/0881) hegt der Gerichtshof gegen die Ansicht der belangten Behörde, daß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen, somit von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen, dringend geboten und daher gemäß § 19 Fremdengesetz zulässig sei, keine Bedenken.
3. Gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 20 Abs. 1 Fremdengesetz vorgenommenen Interessenabwägung verweist der Beschwerdeführer weitwendig auf seine privaten und familiären Bindungen in Österreich. Damit vermag er jedoch eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 Fremdengesetz nahm die belangte Behörde auf alle zu berücksichtigenden privaten und familiären Gesichtspunkte, die gegen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechen, Bedacht und sie wertete die auf diese Umstände zurückzuführenden negativen Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und dessen Familie als beträchtlich. Diesem Interesse des Beschwerdeführers an seinem weiteren Verbleib in Österreich stehen die aus dem eine krasse Mißachtung der österreichischen Rechtsordnung bezeugenden Verhalten des Beschwerdeführers abzuleitenden schwerwiegenden öffentlichen Interessen an der Unterbindung der Suchtgiftkriminalität gegenüber. Wenn die belangte Behörde wegen der strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers, der unter anderem in der Zeit zwischen 1993 und 1995 im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter Suchtgift im Ausmaß zumindest des 25-fachen einer Menge, die geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen, von der Schweiz nach Österreich einführte und dieses Suchtgift auch in Verkehr setzte, das öffentliche Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes als ebenso schwerwiegend ansah wie das gegenläufige private Interesse des Beschwerdeführers, kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Diese Wertung kann angesichts der mit der Suchtgiftkriminalität verbundenen erheblichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden nicht als rechtswidrig erkannt werden (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Zl. 95/18/0881).
Soweit der Beschwerdeführer auf die Lebensumstände verweist, die ihn in seinem Heimatland erwarten, ist ihm zu entgegnen, daß unter dem Privat- und Familienleben im gegebenen Zusammenhang ausschließlich das im Bundesgebiet (vor Verlassen desselben) geführte zu verstehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 1995, Zl. 94/18/0890).
4. Letztlich versucht der Beschwerdeführer eine Unzulässigkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes mit der Bestimmung des § 20 Abs. 2 Fremdengesetz zu begründen. Demgemäß darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre auf § 18 Abs. 2 Z. 1 zu gründen, weil der Fremde wegen einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung verurteilt worden ist. Wenn auch im vorliegenden Fall nicht § 18 Abs. 1 Z. 1 Fremdengesetz, sondern § 31 Abs. 1 leg. cit. anzuwenden ist, ist doch zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer mit dem genannten Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 11. Mai 1995 wegen einer strafbaren Handlung verurteilt wurde, die eine Strafdrohung von bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe aufweist (§ 12 Abs. 3 Suchtgiftgesetz). Finden auch - ungeachtet des Fehlens eines ausdrücklichen Verweises - auf die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen EWR-Bürger oder einen begünstigten Drittstaatsangehörigen die §§ 19 und 20 Fremdengesetz Anwendung, so kann sich im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer dennoch nicht auf die Unzulässigkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 20 Abs. 2 leg. cit. berufen.
5. Da - wie ausgeführt - bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Aus diesem Grund erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Der Vollständigkeit wegen sei bemerkt, daß entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers der Verwaltungsgerichtshof nicht befugt ist, einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996210095.X00Im RIS seit
20.11.2000