Entscheidungsdatum
17.08.2022Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG §49Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Voppichler-Thöni über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 28.02.2022, Zl ***, wegen einer Zurückweisung eines Einspruchs,
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Tirol vom 28.02.2022,
Zl ***, wurde dem Beschwerdeführer folgender Sachverhalt zur Last gelegt:
„1. Datum/Zeit: 25.02.2022, 00:15 Uhr
Ort: **** Y, Adresse 2
Sie haben durch das unten beschriebene Verhalten, welches geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, die öffentliche Ordnung gestört, obwohl das Verhalten, insbesondere durch die Inanspruchnahme eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts, nicht gerechtfertigt war. Sie haben die öffentliche Ordnung gestört, indem sie den im Streifenwagen sitzenden Beamten den Mittelfinger gezeigt haben.
2. Datum/Zeit: 25.02.2022, 00:25 Uhr
Ort: **** Y, Adresse 2
Sie haben durch das Urinieren in den auf der Fahrbahn befindlichen Abwasserkanal den öffentlichen Anstand verletzt. Dieses Verhalten konnte von mehreren Personen wahrgenommen werden.
Der Beschuldigte habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach 1.) § 81 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 55/2018 und 2.) nach § 11 Abs. 1 LPolizei begangen und wurde über ihn Geldstrafen in Höhe von 1.) Euro 100,00 (EFS 1 Tag 9 Stunden) und 2.) Euro 80,00 (EFS 3 Tage 2 Stunden) verhängt.
Die Strafverfügung wurde dem Beschuldigten am 4.3.2022 (Ersatzzustellung an Mitbewohner) zugestellt.
AM 30.3.2022 erschien der Beschuldigte vor der Erstbehörde und erhob mündlich Einspruch gegen die angeführte Strafverfügung. Er brachte vor, dass er auf der Suche nach einer Toilette gewesen sei. Er habe den Beamten nicht den Mittelfinger gezeigt. Er habe sie nicht provoziert. Er habe eine Vorgeschichte mit dem Beamten. Mehr als 10 Minuten hätten ihn die Beamten angehalten. Er habe den Beamten mehrmals gesagt, dass er auf die Toilette müsse.
Die Niederschrift wurde von dem Beschuldigten unterfertigt.
Da der Einspruch des Beschuldigten offenbar verspätet erfolgte, wurde dem Beschuldigten mit Schreiben vom 25.4.2022 die Verspätung vorgehalten und wurde ihm die Möglichkeit gegeben, eine allfällige Ortsabwesenheit durch Bescheinigungsmittel (wie etwa Aufenthaltsbestätigung, Hotelrechnung, Reiseticket, etc) darzutun.
Mit Eingabe vom 16.5.2022 brachte der Beschwerdeführer vor, dass er Opfer der Bürokratie sei. Logischerweise habe er daher mit seiner Unterschrift dem Kurier nicht widersprochen. Dies beweise, dass er nicht an seiner Hauptadresse anwesend gewesen sei. Als Zeitadresse wohne er in Kitzbühel. Er befinde sich derzeit in anonymer psychiatrischer Behandlung bei BB. Er sei Opfer unmenschlicher und erniedrigender Behandlung durch die Polizei.
Bescheinigungsmittels wurde seinerseits nicht vorgelegt.
In der Folge erging von der Erstbehörde der nunmehr angefochtene Bescheid, mit dem der vom Beschuldigten mündlich eingebrachter Einspruch als verspätet zurückgewiesen wurde.
Dagegen brachte der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist nachstehende Beschwerde ein:
„Betreff: BESCHWERDE: GZ: *** An CC
Kategorien: CC
Ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich mit der Entscheidung, die sie getroffen haben überhaupt nicht einverstanden bin, da sie durch Anschiss motiviert ist der hier in Österreich. wir sind besorgt, dass die österreichischen Strafverfolgungsbehörden im Gesamten und die Polizei im Besonderen ausländische Bürgerinnen und Angehörige ethnischer Minderheiten nicht zu gleichen Bedingungen behandeln wie österreichische Staatsbürgerinnen weißer Hautfarbe.
Ich bin einen Farbigen und unschuldige.
AA.“
II. Sachverhalt:
Feststeht, dass die Strafverfügung dem Beschuldigten am 28.2.2022 zugestellt wurde. Dass der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Ersatzzustellung ortsabwesend war, wurde von ihm nicht bescheinigt. Der Einspruch wurde vom Beschuldigte erst am 30.3.2022 mündlich erhoben. Dies ist zweifefslfrei verspätet.
III. Beweiswürdigung:
Die vorerwähnten Feststellungen konnten in unbedenklicher Weise aufgrund des behördlichen Aktes getroffen werden. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich insbesondere aus dem Rückschein über die Ersatzzustellung am 4.3.2022.
IV. Rechtslage:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen nach dem Verwaltungsstrafgesetz lauten:
§ 49.
(1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.
(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht und nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch, soweit er nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.
(3) Wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben oder zurückgezogen wird, ist die Strafverfügung zu vollstrecken.
V. Erwägungen:
Kann das Dokument nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf gemäß § 16 Zustellgesetz an diesen zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Ersatzempfänger kann jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die – außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt – zur Annahme bereit ist.
Aus den Feststellungen ergibt sich, dass die Strafverfügung am 4.3.2022 durch Ersatzzustellung iS § 16 ZustellG zugestellt wurde.
Gem § 49 Abs 1 VStG beträgt die Frist für einen Einspruch gegen eine Strafverfügung zwei Wochen nach Zustellung. Diese Frist begann mit 4.3.2022 zu laufen und endete demnach am 18.3.2022. Der erst am 30.3.2022 eingebrachte Einspruch erweist sich damit als verspätet.
Sofern der Beschwerdeführer Ausführungen zur in der Strafverfügung angelasteten Verwaltungsübertretung macht, ist darauf zu verweisen, dass Sache des gegenständlichen Verfahrens lediglich die Frage der Verspätung des Einspruchs ist, nicht die Frage, ob der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Übertretung begangen hat. Es sind daher auch im Weiterem die Ausführungen des Beschuldigten im gegenständlichen Verfahren nicht beachtlich.
Da sich sohin eindeutig aus dem behördlichen Akt ergibt, dass die angefochtene Strafverfügung dem Beschwerdeführer am 4.3.2022 zugestellt wurde, er jedoch erst einen Einspruch mit 30.3.2022 erhoben hat, erweist sich, dass die belangte Behörde den Einspruch zu Recht als verspätet zurückgewiesen hat.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Hinweis:
Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr.in Voppichler-Thöni
(Richterin)
Schlagworte
Einspruch verspätetAnmerkung
Der Verwaltungsgerichtshof wies die gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 17.08.2022, Z LVwG-2022/24/1629-1, erhobene außerordentliche Revision mit Beschluss vom 03.10.2022, Z Ra 2022/01/0267-5, soweit sie sich auf eine Übertretung nach dem Sicherheitspolizeigesetz bezieht, zurück.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.24.1629.1Zuletzt aktualisiert am
27.10.2022