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19/05 Menschenrechte;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. November 1994, Zl. 102.474/3-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 23. Juli 1993 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (nach Ausweis der Akten handelte es sich um einen Verlängerungsantrag) gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes abgewiesen.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, daß die Behörde erster Instanz diesen Antrag abgewiesen habe, weil der vom Gesetz verlangte gesicherte Unterhalt nicht gegeben sei. Die zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel im Ausmaß von S 20.000,-- für zwei fünfköpfige Familien seien für den dauernden Aufenthalt nicht ausreichend. Hiebei sei der Sozialhilferichtsatz für das Bundesland Wien zu berücksichtigen und als Berechnungsgrundlage heranzuziehen gewesen. Die gegen diese Beurteilung der Behörde erster Instanz erhobene Einwendung, der Beschwerdeführer könne nicht nach Mostar zurückreisen, könnte nicht belegen, aus welchen Gründen die Beurteilung des Fehlens des gesicherten Lebensunterhaltes gesetzwidrig gewesen sei. Gerade die Notwendigkeit, in einem ohnedies sensiblen Bereich die weitere Zuwanderung sorgfältig zu steuern, mache es erforderlich, strenge Maßstäbe an die Beurteilung der gesicherten Unterhaltsmittel von Zuwanderern anzulegen. Da der Unterhalt für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert sei, dürfe eine Bewilligung nicht erteilt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor; sah aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe entgegen dem Akteninhalt nicht festgestellt, daß er verheiratet sei und durch den Unterhaltsanspruch seine Unterhaltskosten abgesichert seien. Seine Gattin halte sich seit mehr als zwei Jahren rechtmäßig in Österreich auf und verfüge über eine auch von ihm benützte Wohnmöglichkeit.
Dazu ergibt sich aus dem Akteninhalt, daß der Beschwerdeführer im Antrag auch als dessen Zweck Familienzusammenführung mit seiner Ehegattin und seinem Kind nannte und an verfügbaren eigenen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes auf die Dauer des Aufenthaltes eine Verpflichtungserklärung des S unter Anführung des Betrages von S 20.365,70 als monatliches Einkommen dieser Person in Österreich anführte. Dem Antrag waren unter anderem eine Bescheidausfertigung für den Ausländer gemäß § 20 Abs. 6 AuslBG für die Gattin des Beschwerdeführers sowie eine Entgeltsbestätigung über den März 1994 für seine Gattin angeschlossen und auch die Verpflichtungserklärung des S. In einer von der Behörde erster Instanz aufgenommenen Niederschrift vom 5. Mai 1994 führte der Beschwerdeführer aus, daß er verheiratet sei und vier Kinder habe. Seine Gattin sei berufstätig und verdiene monatlich ca. S 5.800,-- brutto. In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid führte er nicht nur - wie von der belangten Behörde wiedergegeben - aus, daß er nicht nach Mostar zurückreisen könne, sondern wiederholte die bereits aktenkundigen Angaben, daß seine Gattin über ein Einkommen verfüge und er von zwei weiteren genannten Familien unterstützt werde.
Die Auffassung der belangten Behörde, daß für die Beurteilung der Frage des nicht gesicherten Unterhaltes für die Geltungsdauer der Bewilligung im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG die Richtsätze in der Sozialhilfe des betreffenden Bundeslandes heranzuziehen sind, begegnet keinen Bedenken. Jedoch setzt eine danach ausgerichtete rechtliche Beurteilung voraus, daß die Höhe der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel sowie die Anzahl der auf diese Mittel angewiesenen Personen festgestellt und dem Betrag der richtsatzmäßigen Gesamtunterstützung im Sinn des anzuwendenden Sozialhilferechtes gegenüber gestellt werden.
Die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen sind einerseits mit dem Akteninhalt nicht in Einklang zu bringen und andererseits unvollständig, weil sich die belangte Behörde weder mit der vorgelegten Verpflichtungserklärung noch mit dem konkreten Ausmaß des Richtsatzes auseinandergesetzt hat. Dadurch belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil nicht auszuschließen ist, daß sie bei einem Unterbleiben des aufgezeigten Verfahrensmangels zu einem anderen (für den Beschwerdeführer günstigen) Ergebnis hätte gelangen können.
Darüber hinaus hat sich die belangte Behörde zu Unrecht mit dem Umstand, daß der Beschwerdeführer mit einer seit mehr als zwei Jahren in Österreich lebenden Person verheiratet ist und daß auch seine vier Kinder in seinem Haushalt leben, nicht befaßt. Nach der Judikatur des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde auch bei Anwendung der in § 5 Abs. 1 AufG besonders hervorgehobenen Versagungstatbestände der für die Dauer der Bewilligung nicht gesicherten ortsüblichen Unterkunft oder des nicht gesicherten Lebensunterhaltes in Fällen, in denen durch die Versagung der Bewilligung in das durch Art. 8 MRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingegriffen würde, verhalten, die Notwendigkeit der Versagung der Bewilligung aus den im Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen zu prüfen und dabei auch auf die privaten und familiären Interessen des Bewilligungswerbers Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. September 1995, Zl. 95/18/0331, m.w.N.). Da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Zutreffen der vom Beschwerdeführer behaupteten - und auch aktenkundigen - Umstände privater und familiärer Natur zu einem für ihn positiven Ergebnis hätte gelangen können, ist das fehlende Eingehen auf diese Gesichtspunkte in der Begründung des bekämpften Bescheides als wesentlich zu werten. Wie aus der Bescheidbegründung erkennbar, ist der aufgezeigte Mangel auf ein Verkennen der Rechtslage zurückzuführen, sohin als inhaltliche Rechtswidrigkeit zu qualifizieren.
Im Hinblick darauf, daß die Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes einer Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 592), war der angefochtene Bescheid aus dem erstgenannten Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung die Beschwerde lediglich zweifach einzubringen war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995210087.X00Im RIS seit
02.05.2001