TE Lvwg Erkenntnis 2022/10/12 LVwG-M-35/001-2022

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.10.2022
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Entscheidungsdatum

12.10.2022

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2
SPG 1991 §38
SPG 1991 §38a
  1. B-VG Art. 130 heute
  2. B-VG Art. 130 gültig ab 01.02.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 14/2019
  3. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2019 bis 31.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  5. B-VG Art. 130 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  6. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2015 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  7. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 115/2013
  8. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  9. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  10. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.1998 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/1997
  11. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.1991 bis 31.12.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  12. B-VG Art. 130 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  13. B-VG Art. 130 gültig von 18.07.1962 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 215/1962
  14. B-VG Art. 130 gültig von 25.12.1946 bis 17.07.1962 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  15. B-VG Art. 130 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  16. B-VG Art. 130 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Ing. Mag. Andreas Ferschner als Einzelrichter über die Beschwerde der A, vertreten durch B, Rechtsanwältin in ***, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die Polizisten für die Bezirkshauptmannschaft Mistelbach, betreffend die Wegweisung und das Betretungsverbot bei dem Vorfall am 14.5.2022, zu Recht erkannt.

1.   Gemäß § 28 Absatz 6 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Gang des Verfahrens:

Mit Eingabe vom 30.5.2022 brachte die Beschwerdeführerin eine Maßnahmen-beschwerde ein. Darin brachte sie im Wesentlichen vor, dass gegen sie am 14.5.2022 eine Wegweisung aus dem ehelichen Wohnhaus von Beamten der PI *** und ein vorläufiges Waffenverbot verhängt wurde. Die Beschwerdeführerin lebe in Scheidung mit ihrem Noch-Ehemann. Mitte März 2022 sei die Beschwerdeführerin aufgrund der Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens mit dem Ehemann aus dem gemeinsamen ehelichen Wohnhaus ausgezogen. Zuvor habe der Ehemann begonnen die Hausschlüssel zu verstecken und die Beschwerdeführerin per Handyortung zu überwachen. Der Ehemann sei nicht mit der Scheidung einverstanden. Die Beschwerdeführerin habe erheblich zur Anschaffung des Wohnhauses finanziell beigetragen und leiste der Ehemann keinen Unterhalt für das gemeinsame Kind. Die Beschwerdeführerin habe das eheliche Wohnhaus am 14.5.2022 mit einer Maklerin aufgesucht, um den Verkehrswert der Liegenschaft erheben zu lassen. Der Ehemann habe im Zuge des Maklerbesuchs versucht, der Beschwerdeführerin den Zutritt zum Haus zu verweigern. Die Beschwerdeführerin legte den Termin mit der Maklerin extra auf diesen Tag, da sie davon ausging, dass der Ehemann mit der gemeinsamen Tochter bei seinen Eltern sei. Die Beschwerdeführerin wollte ein Zusammentreffen vermeiden. Die Beschwerdeführerin habe beim Eintreffen und beim Treffen mit der Maklerin an der Haustüre geklingelt. Es habe keine Reaktion gegeben. Da trotz Schlüssels ein Aufsperren er Eingangstüre nicht möglich gewesen sei, sei sie mit der Maklerin zur Rückseite des Hauses in den Garten gegangen. Als sie im Garten gewesen seien, sei plötzlich die Terrassentüre aufgegangen und der Ehemann habe gefragt war los sei. Darauf angesprochen, dass der Schlüssel nicht sperre, behauptete der Ehemann, dass dieser sperren würde. Die Beschwerdeführerin wollte dem Ehemann zeigen, dass der Schlüssel nicht sperrt und wollte dazu durch die Terrassentüre über das Wohnzimmer zur Eingangstüre. Als die Beschwerdeführerin bereits einen Fuß im Wohnzimmer hatte, stellte sich der Ehemann ihr in den Weg und versuchte sie aus dem Wohnzimmer in Richtung Garten zu drängen und die Terrassentüre zuzuschieben. Dabei klemmte der Ehemann der Beschwerdeführerin den rechten Unterarm in der Terrassentüre ein. Die Beschwerdeführerin sei dabei verletzt worden und habe versucht die Terrassentüre wieder aufzudrücken. Aufgrund der Angst, dass der Ehemann ihr die Hand brechen könnte, hat sie letztlich in Panik und Notwehr mit der flachen Hand den Kopf des Ehemanns geschlagen. Im Zuge der Amtshandlung und der anschließenden Einvernahme auf der Polizeiinspektion habe die Beschwerdeführerin den Eindruck bekommen, dass die Einschreitenden Beamten nicht objektiv seien. Beim Eintreffen der Polizei habe sie den Beamten versucht zu erklären, dass ihr Schlüssel nicht mehr die Haustüre sperre, dies habe die Beamten jedoch nicht interessiert. Man habe ihr auch gesagt, dass sie sich „erwachsen“ benehmen solle. Zwei Beamten hätten auch im Zuge der Einvernahme angegeben, dass sie selbst jeweils eine Scheidung gehabt hätten und genug mit Frauen mitgemacht hätten. Es habe jedenfalls keinen gefährlichen Angriff seitens der Beschwerdeführerin gegeben und sei auch nicht anzunehmen gewesen, dass ein solcher unmittelbar bevorstehe.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat am 3.8.2022, fortgesetzt am 19.9.2022, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und Beweis erhoben durch die Einvernahme der Beschwerdeführerin und der Zeugen C (Ex-Mann), D (Vater der Beschwerdeführerin), E, F, G, H, sowie durch Verlesung des Verwaltungsaktes. Vorgelegt wurde das Protokoll vom 9.6.2022 und der Beschluss des Bezirksgerichts *** vom 14.6.2022, Zl. ***, indem der Antrag auf eine einstweilige Verfügung abgewiesen wurde.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen wie folgt:

Die Beschwerdeführerin ist im März 2022 mit ihrer Tochter mit gerichtlicher Genehmigung aus dem gemeinsamen ehelichen Haus ausgezogen. Am 14.5.2022 wollte die Beschwerdeführerin mit einer Maklerin das gemeinsame Haus besichtigen und den Verkehrswert von der Maklerin ermitteln lassen. Die Beschwerdeführerin wählte den Termin so, weil sie vermutete, dass ihr künftiger Ex-Mann zu dieser Zeit nicht im Haus sei. Beim Eintreffen klingelte die Beschwerdeführerin. Da keine Reaktion aus dem Haus erfolgte, wollte sie die Türe aufsperren. Dies ist jedoch nicht gelungen, da entweder das Schloss getauscht wurde oder die Türe von innen verkeilt war. Da die Beschwerdeführerin mit der Maklerin nicht durch die Eingangstüre in das Haus gekommen ist, beschloss die Beschwerdeführerin der Maklerin das Haus und die dazugehörigen Flächen und die Garage zu zeigen. Als die Beschwerdeführerin und die Maklerin im Garten waren, öffnete der künftige Ex-Mann die Terrassentüre und fragte nach was los sei. Es gab daraufhin einen kurzen Wortwechsel, ob eine Schätzung durch die Maklerin zulässig sei und ob der Schlüssel der Beschwerde-führerin die Eingangstüre sperre. Die Beschwerdeführerin ist dann in Richtung Terrassentüre gegangen und wollte durch das Haus, um dem Beschwerdeführer zu beweisen, dass der Schlüssel nicht sperrt. Der künftige Ex-Mann der Beschwerde-führer stellte sich in die Terrassentüre, um die Beschwerdeführerin am Betreten des Hauses zu hindern. Daraufhin kam es zu einer Rangelei, in der beide Beteiligten verletzt wurden. Der künftige Ex-Mann der Beschwerdeführerin erlitt Schläge auf den Kopf und in die Seite. Die Beschwerdeführerin wurde durch zuschieben der Terrassentüre am Arm verletzt. Beide Beteiligten riefen daraufhin die Polizei an. Die Beschwerdeführerin wartete mit der Maklerin vor dem Haus auf die Polizei und Rettung.

Die erste Streife die eintraf klärte vorrangig ob eine Waffe – wie im Notruf angegeben – im Haus sei. Der künftige Ex-Mann der Beschwerdeführerin wurde telefonisch kontaktiert und gebeten aus dem Haus zu kommen. Dieser Aufforderung kam er nach.

Als einer der letzten Beamten traf dann der Zeuge E ein. Er führte dann auch die Amtshandlung weiter. Er ging zuerst ins Haus, um die Lage wegen des Verdachts einer Waffe zu klären. Dabei sprach er kurz mit dem künftigen Ex-Mann. Den Kollegen vom Kriminaldienst veranlasste er Fotos von allen Verletzungen anzufertigen. Im Anschluss ging er zu der Beschwerdeführerin und befragte diese kurz über die Geschehnisse. Er wies alle beteiligten Personen darauf hin, dass später eine Einvernahme in der Polizeiinspektion *** notwendig sei. Die Maklerin fuhr dann gleich mit zur Einvernahme. Die Beschwerdeführerin wurde mit der Rettung ins Krankenhaus gebracht, um die Verletzungen abzuklären. Eine Wegweisung bzw. ein Betretungsverbot wurde zu diesem Zeitpunkt noch nicht verhängt.

Gegen 11:30 Uhr des 14.5.2022 endete die Einvernahme der Maklerin. Diese gab in der Einvernahme an:

„Ich bin als Maklerin tätig und wurde von A über eine Freundin beauftragt ein Einfamilienhaus in ***, *** zu bewerten, da dieses verkauft werden soll. Treffpunkt war der 14.05.2022, um 10.00 Uhr vor der Adresse des Hauses. Als ich zur vereinbarten Zeit zum Haus kam, wartete A bereits auf der Straße vor dem Haus.

Als Frau A aufsperren wollte, funktionierte dies nicht, da vermutlich das Schloss von ihrem Ehemann, mit welchen sie in Scheidung lebt, ausgetauscht wurde. Daraufhin gingen wir durch die Garage in den Garten, wo der Ehemann die Terrassentür öffnete und fragte was wir wollen. A sagte ihren Mann, mit dem sie nicht mehr zusammenlebt, dass sie das Haus verkaufen möchte und heute geschätzt wird. Herr C, welcher ruhig wirkte sagte zu seiner Frau, dass Haus kannst du nicht verkaufen, es gehört zur Hälfte noch mir. Warum kommst du heute obwohl du weißt, dass unsere Tochter dieses Wochenende bei mir ist. A wollte unbedingt ins Haus und versuchte den in der Tür sehenden Mann wegzuschieben und drohte gleichzeitig mit der Polizei. Als Herr C versuchte die Türe zu schließen, griff Frau A mit dem Arm hinein. Nachdem ihre Hand leicht in der Türe eingeklemmt war, sagte ihr Mann:“ Gib bitte den Arm aus der Türe.“ Worauf Frau A antwortete:“ Ich kann hier rein, denn es ist auch mein Haus, sonst hole ich die Polizei.“ Nachdem Herr C nicht öffnete, schlug Frau A mindestens einmal mit der Hand gegen den Kopf des in der Tür stehenden Mannes. Durch die Streiterei und Schreierei, war die Wohnzimmertüre wieder offen. Herr C hat mit Sicherheit nicht gegen Frau A geschlagen. Anschließend verschloss der Mann von innen die Türe, Frau A nahm ihr Handy und verständigte sofort Rettung und Polizei und erwähnte gleichzeitig, dass ihr Mann eine Waffe besitzt. Während des Streites und Gerangel sagte A zu mir, sie bleiben jetzt da, sie sind meine Zeugin. Da ich mit der Sache absolut nichts zu tun haben will, stellte ich mich vor das Haus am Parkplatz und wartete das Eintreffen der Rettung bzw. Polizei ab.“

Einige Stunden später wurde die Beschwerdeführerin auf der Polizeiinspektion *** unter Beisein ihres Vaters vom Zeugen E einvernommen. Am Ende der Einvernahme sprach der Polizist ein Betretungs- und Annäherungsverbot aus und übergab der Beschwerdeführerin die Informationszettel für das Betretungs- und Annährerungsverbot.

Der festgestellte Sachverhalt basiert auf folgender Beweiswürdigung:

Im Wesentlichen schilderten die beiden beteiligten Personen den Ablauf des Vorfalls gleichartig. Die Beschwerdeführerin gab an, dass sie bereits seit März 2022 aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen sei. Es ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin unangekündigt mit einer Maklerin den Verkehrswert des gemeinsamen Hauses schätzen lassen wollte. Die Beschwerdeführerin wählte bewusst einen Zeitpunkt, an dem sie vermutete, dass Herr C nicht im Haus sei. Der Beschwerdeführerin war es nicht möglich die Haustüre aufzusperren bzw. zu öffnen. Deshalb gingen die Beschwerdeführerin und die Maklerin hinter das Haus in den Garten. Übereinstimmend gaben die Eheleute A und C an, dass Herr C dann die Terrassentüre öffnete, um zu fragen was los sei und, dass die Beschwerdeführerin mit ihm eine Diskussion anfing und ihm durch Betreten des Hauses beweisen wollte, dass ihre Haustorschlüssel nicht sperrten. Bei der Terrassentüre kam es laut beiden beteiligten Personen zu einer Rangelei. Anhand der vorgelegten Bilder und aus dem Gerichtsakt, Zl. ***, des Bezirksgerichts *** ergibt sich, dass beide beteiligten Personen verletzt wurden. Zumindest gaben beide Parteien gegenüber der Polizei an, dass sie verletzt wurden. Dies ist auch aus der Dokumentation gemäß § 38a SPG ersichtlich. Ein Betretungsverbot wurde nach den übereinstimmenden Angaben der Beschwerdeführerin, ihres Vaters, und E, erst nach der Einvernahme der Beschwerdeführerin auf der Polizeiinspektion *** verhängt. Herr C wurde laut Aussage des amtshandelnden Polizisten erst nach dem Ausspruch des Betretungsverbots einvernommen, da für ihn eine ausreichende Gefährdung aufgrund der Zeugenaussage der Maklerin gegeben war.

Rechtlich folgt:

Gemäß § 38 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Menschen, der durch ein Verhalten, das geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, die öffentliche Ordnung stört, vom Ort der Störung wegzuweisen, es sei denn, das Verhalten ist gerechtfertigt, insbesondere durch die Inanspruchnahme eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts.

Gemäß § 38a Abs. 1 sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einem Menschen, von dem auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen ist, dass er einen gefährlichen Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit begehen werde (Gefährder), das Betreten einer Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, samt einem Bereich im Umkreis von hundert Metern zu untersagen (Betretungsverbot). Mit dem Betretungsverbot verbunden ist das Verbot der Annäherung an den Gefährdeten im Umkreis von hundert Metern (Annäherungsverbot).

Wegweisung und Betretungsverbot sind gleichermaßen an die Voraussetzung geknüpft, dass auf Grund bestimmter Tatsachen (Vorfälle) anzunehmen ist, ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit einer gefährdeten Person stehe bevor. Welche Tatsachen als solche im Sinne des § 38a SPG in Frage kommen, sagt das Gesetz nicht (ausdrücklich). Diese Tatsachen müssen (auf Grund bekannter Vorfälle) die Annahme rechtfertigen, dass plausibel und nachvollziehbar bestimmte künftige Verhaltensweisen zu erwarten sein werden. Auf Grund des sich den einschreitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bietenden Gesamtbildes muss mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass ein gefährlicher Angriff im genannten Sinn durch den Wegzuweisenden bevorstehe. Dabei (bei dieser Prognose) ist vom Wissensstand des Beamten im Zeitpunkt des Einschreitens auszugehen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 8. September 2009, Zl. 2008/17/0061; vom 24. Februar 2004, Zl. 2002/01/0280; und vom 21. Dezember 2000, Zl. 2000/01/0003; sowie Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, 4. Auflage 2011, Seite 383 f, Anm. 5). (Erkenntnis des VwGH vom 26.4.2016, Zl. Ra 2015/03/0079)

Ausführungen dazu, dass die im bekämpften Bescheid vertretene Ansicht, Wegweisung und Betretungsverbot hätten in § 38a Abs. 1 und Abs. 2 SPG 1991 Deckung gefunden, keinen Bedenken begegnet (die einschreitenden Beamten haben angesichts des sich ihnen bietenden Eindrucks - vorangegangene körperliche Auseinandersetzung, psychischer Ausnahmezustand des Beschwerdeführers sowie verstörte und verunsicherte Tochter bzw. Mutter - im Hinblick auf die ursprünglich aus der Wohnung wahrzunehmenden Hilferufe die Wegweisung und das Betretungsverbot ausgesprochen) . (Erkenntnis des VwGH vom 24.5.2005, Zl. 2004/01/0499)

Wegweisung und Betretungsverbot sind nach § 38a Abs. 1 und 2 SPG 1991 an die Voraussetzung geknüpft, dass auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, es stehe ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit einer gefährdeten Person bevor. Es kommt also maßgeblich darauf an, ob ein gegen die genannten Rechtsgüter des Gefährdeten gerichteter gefährlicher Angriff seitens des von der Maßnahme Betroffenen zu erwarten ist. Diese Erwartung muss auf "bestimmte Tatsachen" gründen, wobei das Gesetz als solche insbesondere einen vorangegangenen gefährlichen Angriff nennt, der seinerseits jedoch nicht gegen Leben, Gesundheit oder Freiheit der gefährdeten Person gerichtet sein muss. Was außer einem gefährlichen Angriff als "bestimmte Tatsache" für die anzustellende "Gefährlichkeitsprognose" gelten kann, sagt das Gesetz nicht ausdrücklich. Angesichts des sicherheitspolizeilichen Maßnahmen inhärenten Präventivcharakters kann allerdings kein Zweifel bestehen, dass nach den jeweiligen Umständen etwa auch Aggressionshandlungen unter der Schwelle eines gefährlichen Angriffs oder in der Vergangenheit liegende Gewaltakte als derartige "Tatsachen" in Frage kommen können (in diesem Sinn Dearing in Dearing/Haller, Das österreichische Gewaltschutzgesetz, 109 f.), zumal dann, wenn mehrere dieser Faktoren zusammenkommen. Entscheidend ist stets, dass daraus gesamthaft betrachtet die Prognose ableitbar ist, dass ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit einer gefährdeten Person bevorstehe; auf Grund des sich den einschreitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bietenden Gesamtbildes muss mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass ein gefährlicher Angriff im genannten Sinn durch den Wegzuweisenden bevorstehe. Dass "bloße" Belästigungen drohen, reicht hingegen nicht aus (Hinweis: E 21.12.2000, Zl. 2000/01/0003). (Erkenntnis des VwGH vom 24.2.2004, Zl. 2002/01/0280)

Die Eheleute A und C beschuldigten sich gegenüber der Polizei gegenseitig gegen den jeweils anderen gewalttätig gewesen zu sein. Unstrittig war, dass es jedenfalls zu einer Rangelei zwischen den beiden Personen gekommen ist, in der beide Personen verletzt wurden. Der einschreitende Beamte stütze das Betretungsverbot nach seinen Angaben im Wesentlichen auf die Aussage der unbeteiligten Maklerin (I). Aus den Angaben der Maklerin ist ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin zuerst versuchte, gewaltsam in das Haus zu gelangen und handgreiflich gegen Herrn C – durch einen Schlag auf den Kopf - wurde. Insgesamt erscheint es daher für das Gericht naheliegend, dass die Polizisten davon ausgingen, dass es bei einem neuerlichen Zusammentreffen der Eheleute zu weiteren Streitereien und möglicherweise Verletzungen kommen könnte. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass zumindest angegeben wurde, dass ein laufendes Scheidungsverfahren anhängig ist und Streit über das gemeinsame Haus bestünde. Da der amtsführende Beamte der Schilderungen der unabhängigen Zeugin I (Maklerin) am meisten Glauben schenkte erfolgte daher ein Betretungsverbot. Da ein gefährlicher Angriff von den Beamten gegen den Ehemann – immerhin gestanden beide ein, dass es zu einer Rangelei gekommen ist - vermutet wurde und die Polizisten davon ausgingen, dass die Situation weiter eskalieren könnte wurde das Betretungsverbot im Einklang mit der oben angeführten höchstgerichtlichen Judikatur verhängt. Dieses Betretungsverbot und ist durch die § 38 und § 38a SPG gedeckt gewesen, da die Polizei von einer negativen Prognose ausging.

Soweit die Beschwerdeführerin vorbrachte, dass C besser behandelt wurde, da er selbst Polizist ist, kann dieser Behauptung nicht gefolgt werden. Insgesamt entstand der Eindruck, dass die einschreitenden Beamten sich ein umfassendes Bild von der Situation gemacht haben und die notwendige Beweissicherung veranlasst haben. Es wurde das Betretungsverbot auch nicht voreilig erlassen, da dieses erst nach der Einvernahme der Beschwerdeführerin verhängt wurde. Der Umstand, dass für den Polizisten die Aussage der gefährdeten Partei (C) nicht mehr von Relevanz war, da bereits aufgrund der Zeugenaussage der Maklerin die Voraussetzungen für ein Betretungsverbot vorlagen, ändert an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme nichts. Vielmehr ist aus dem Umstand, dass später noch die gefährdete Partei einvernommen wurde ersichtlich, dass die Polizei umfassende Ermittlungen tätigte, die nachher auch von der belangten Behörde einbezogen werden konnten.

Gemäß § 35 VwGVG hat die obsiegende Partei im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Anspruch auf den Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerde abgewiesen. Daher war die belangte Behörde die obsiegende Partei und der Beschwerdeführer unterliegende Partei. Aufwandsersatz ist nur auf Antrag der Partei zu leisten. Ein solcher Antrag wurde nicht gestellt.

2.   Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Maßnahmenbeschwerde; Wegweisung; Betretungsverbot; Gefährlichkeitsprognose;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.M.35.001.2022

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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