TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/20 95/21/0369

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Veröffentlicht am 20.03.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §3;
AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §68 Abs2;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Februar 1995, Zl. 103.084/8-III/11/95, betreffend Abänderung eines Bescheides gemäß § 68 Abs. 2 AVG in einer Angelegenheit nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 9. Dezember 1994, Zl. 103.084/2-III/11/94 hob der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. April 1994, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers vom 28. Juni 1993 auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen worden war, auf. In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer gemäß § 3 AufG einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz habe, dem jedoch § 9 Abs. 3 leg. cit. entgegenstehe, weil die mit Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 72/1994 festgesetzte Anzahl von im Jahr 1994 zu erteilende Bewilligungen bereits erschöpft sei. Die Entscheidungen über anhängige Anträge gemäß § 3 AufG seien daher auf das folgende Jahr zu verschieben. Die erstinstanzliche Behörde habe "aufgrund dieses Bescheides ihr weiteres Vorgehen nach § 9 Abs. 3 AufG zu richten, und werde im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 5 AufG zu Beginn des folgenden Jahres" (gemeint: 1995) eine Bewilligung erteilen können.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde ihren Bescheid vom 9. Dezember 1994 gemäß § 68 Abs. 2 AVG 1950 dahingehend ab, daß die Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. April 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen wird. Entgegen der im Bescheid der belangten Behörde vom 9. Dezember 1994 vertretenen Auffassung sei auch bei Vorliegen eines Rechtsanspruches nach § 3 AufG eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz nur dann zu erteilen, wenn dieser keiner der im § 10 Abs. 1 FrG angeführten Ausschließungstatbestände entgegenstehe. Im Fall des Beschwerdeführers bestünde weder ein Rechtsanspruch nach § 3 AufG noch sei davon auszugehen, daß - auch bei Vorliegen eines solchen Rechtsanspruches - der Erteilung einer Bewilligung kein Ausschließungstatbestand im Sinn des § 10 Abs. 1 FrG entgegenstehe.

Gemäß § 68 Abs. 2 AVG könnten Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden. Der Bescheid der belangten Behörde vom 9. Dezember 1994 habe auf einer mangelhaften Sachverhaltsfeststellung und einer dadurch begründeten inhaltlichen Rechtswidrigkeit beruht, weshalb dieser gemäß § 68 Abs. 2 AVG abzuändern gewesen sei. Die Voraussetzungen hiefür seien deshalb gegeben, weil dem Beschwerdeführer durch den erwähnten Bescheid kein Recht erwachsen sei.

Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensbestimmungen sowie wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit begehrt wird.

Die belangte Behörde sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 68 Abs. 2 AVG, auf den die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid gründet, können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

Niemandem ein Recht erwächst jedenfalls aus einem Bescheid, mit dem im Einparteienverfahren das Begehren der Partei ab- oder zurückgewiesen, ihr ein Recht aberkannt oder eine Verpflichtung auferlegt wird, wesentlich ist dabei, daß die durch einen rechtskräftigen Bescheid begründete Rechtsstellung einer Partei durch seine Aufhebung (Abänderung) nicht verschlechtert werden darf. Die Aufhebung oder Abänderung eines rechtskräftigen Bescheides nach § 68 Abs. 2 AVG ist demnach, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkennt, dann gesetzwidrig, wenn hiedurch die Lage der Partei ungünstiger als durch den aufgehobenen bzw. abgeänderten Bescheid gestaltet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1989, Zl. 88/12/0201).

Ausgehend von dieser Rechtslage erweist sich der angefochtene Bescheid als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weil mit Erlassung des angefochtenen Bescheides, mit dem nunmehr der Antrag des Beschwerdeführers mit einer gegenüber dem Bescheid vom 9. Dezember 1994 völlig gegenteiligen Rechtsauffassung abgewiesen wurde, zweifellos eine Verschlechterung seiner Rechtsstellung verbunden ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Bescheid vom 9. Dezember 1994 in Wahrheit um eine inhaltliche Entscheidung im Sinn des § 9 Abs. 3 letzter Satz AufG handelte, wonach die Entscheidung über anhängige Anträge gemäß § 3 AufG auf das folgende Jahr zu verschieben sind (dafür würde die zur Auslegung des Spruches des Bescheides heranzuziehende Begründung sprechen), oder aber ob dieser Bescheid als ein Aufhebungsbescheid nach § 66 Abs. 2 AVG mit Überbindung der darin niedergelegten Rechtsauffassung der belangten Behörde anzusehen ist. Es stellt sich nämlich jedenfalls - wie schon ausgeführt - die Rechtsstellung des Beschwerdeführers durch Abänderung des Bescheides der belangten Behörde vom 9. Dezember 1994 in Form des nunmehr angefochtenen Bescheides als eine für diesen wesentlich ungünstigere dar, weshalb der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben ist.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Zulässigkeit und Voraussetzungen der Handhabung des AVG §68 Bindung an diese Voraussetzungen Umfang der Befugnisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995210369.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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