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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der S W (auch J W) in S, vertreten durch Mag. Dr. Vera M. Weld, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Weihburggasse 4/40, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juli 2022, W241 2254542-1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige der Volksrepublik China, stellte am 26. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Antrag blieb erfolglos und wurde im Instanzenzug mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 2020 zur Gänze als unbegründet abgewiesen. Unter einem wurde gegen die Revisionswerberin eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen.
2 Am 25. November 2021 stellte die Revisionswerberin einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 Asylgesetz (AsylG 2005).
3 Mit Bescheid vom 3. März 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen die Revisionswerberin, stellte die Zulässigkeit ihrer Abschiebung nach China fest und räumte ihr eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für ihre freiwillige Ausreise ein.
4 Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin Beschwerde. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und eine Revision für nicht zulässig erklärt.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.
Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision insbesondere vor, dass mit Blick auf ihre Integrationsleistungen - vor allem ihre Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger - die Interessenabwägung des Bundesverwaltungsgerichts gemäß Art. 8 EMRK rechtswidrig vorgenommen worden sei und ihr der begehrte Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen gewesen wäre; deswegen hätte gegen sie auch keine Rückkehrentscheidung erlassen werden dürfen. Zudem hätte wegen in China herrschender Gefahren die Zulässigkeit ihrer Abschiebung dorthin nicht festgestellt werden dürfen und es wäre ihr eine längere Frist für die freiwillige Ausreise zur Vorbereitung auf diese einzuräumen gewesen.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. VwGH 13.7.2022, Ra 2022/17/0035, mwN).
Mit ihrem Verweis auf ihre Integration in Österreich, insbesondere ihre Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger, zeigt die Revisionswerberin fallbezogen nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht die angestellte Interessenabwägung mit einem durch den Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Fehler belastet hätte. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigte - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - das Eheband, den Umstand, dass die Beziehung eingegangen wurde, als sich die späteren Eheleute der Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts der Revisionswerberin in Österreich bewusst sein mussten, sowie eine Reihe weiterer Faktoren wie insbesondere die Aufenthaltsdauer, die Deutschkenntnisse und die (mangelnde) Selbsterhaltungsfähigkeit der Revisionswerberin. Soweit die Revisionswerberin auf die Dauer ihrer Partnerschaft mit ihrem späteren Gatten schon vor dem Jahr 2020 verweist, entfernt sie sich von den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses.
10 In der gesonderten Zulässigkeitsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 27.7.2022, Ra 2022/17/0113, mwN).
Werden Verfahrensmängel als Zulässigkeitsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist fallbezogen in konkreter Weise darzulegen. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 31.8.2022, Ra 2022/17/0116, mwN).
Den genannten Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung werden die Behauptungen der Revisionswerberin zu diversen in China (allgemein) drohenden Gefahren, ohne hinreichend konkret auszuführen, weswegen diese die Revisionswerberin treffen könnten, nicht gerecht. Die Revisionswerberin zeigt damit nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht bei der Feststellung der Zulässigkeit ihrer Abschiebung nach China und der Einräumung einer Frist für die freiwillige Ausreise in einer im Revisionsverfahren aufzugreifenden Weise von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre.
11 Im Übrigen wird dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen oder das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, in einer Weise vermengt ist, dass keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe im Sinn der Anordnung des § 28 Abs. 3 VwGG vorliegt (vgl. VwGH 2.6.2022, Ra 2022/01/0131 bis 0133, mwN).
Dieser Anforderung entspricht die Gestaltung des Revisionsschriftsatzes, der weitestgehend die sonstigen Ausführungen der Revision ebenso unter der Überschrift „Darlegung der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG (Zulässigkeit der Revision)“ wiedergibt und auch dort überwiegend Ausführungen trifft, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, nicht.
12 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 29. September 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022170158.L00Im RIS seit
27.10.2022Zuletzt aktualisiert am
27.10.2022