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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofräte Mag. Straßegger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der Landespolizeidirektion Niederösterreich in St. Pölten, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Mai 2020, W101 2192731-1/3E, betreffend Dolmetschergebühren (mitbeteiligte Partei: L N S in W), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 28. Februar 2018 setzte die Landespolizeidirektion Niederösterreich den Gebührenanspruch des Mitbeteiligten für dessen Beiziehung als Dolmetscher zu einer Vernehmung fest. Dem Mitbeteiligten wurde neben einer Entschädigung für die Zeitversäumnis, dem Ersatz der Reisekosten sowie einer Entschädigung für Mühewaltung auch eine Gebühr für die Übersetzung eines Schriftstückes während der Vernehmung gemäß § 54 Abs. 1 Z 4 GebAG (idF BGBl. I Nr. 40/2014) gewährt. Abweichend von der vorgelegten Gebührennote wurde die zuletzt genannte Gebühr gemäß § 54 Abs. 1 Z 4 2. HS GebAG mit 20 € festgesetzt, weil das übersetzte Schriftstück - die Niederschrift der Vernehmung samt einleitender Rechtsbelehrung - im Rahmen der Vernehmung angefertigt worden sei.
2 In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde brachte der Mitbeteiligte vor, er habe während der Vernehmung zwei getrennte Schriftstücke übersetzt. Tatsächlich seien bei der Einvernahme vom Polizeibeamten zunächst die Personalien und eine Rechtsbelehrung ausgedruckt worden. Dieses Schriftstück („Schriftstück 1“) sei von ihm mündlich übersetzt, von der einvernommenen Person unterschrieben und als eigenständiges Schriftstück - separat - zum Polizeiakt genommen worden. Nach erfolgter Rechtsbelehrung sei der Beschuldigte unter seiner Mitwirkung als Dolmetscher einvernommen, die Aussagen protokolliert und das Vernehmungsprotokoll („Schriftstück 2“) mündlich rückübersetzt worden. Richtig sei, dass der Inhalt des „Schriftstückes 1“ am Beginn des „Schriftstücks 2“ durch „Hineinkopieren“ eingefügt worden sei. Dies stelle jedoch nicht den tatsächlichen Ablauf der Vernehmung dar, sei dieser Inhalt doch nicht etwa nochmals vorgelesen und übersetzt worden.
3 Das bloße Ausdrucken eines Rechtsbelehrungsformulars stelle kein „Anfertigen“ iSd GebAG dar, weshalb das Übersetzen eines ausgedruckten Dokuments auch nicht der Begrenzung mit höchstens 20 € unterliegen könne. Vielmehr gebühre für die Übersetzung des „Schriftstücks 1“ eine Gebühr nach § 54 Abs. 1 Z 4 erster Halbsatz GebAG.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten mit der Maßgabe Folge, dass es den Gebührenanspruch mit 242,10 € bestimmte. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, der Mitbeteiligte habe zu Beginn der Vernehmung ein bereits existierendes, von der Behörde ausgedrucktes Schriftstück mit Belehrung samt Personalien übersetzt. Dieses Schriftstück habe insgesamt 2067 Zeichen umfasst und sei sowohl als separates Schriftstück zum Polizeiakt genommen, als auch in das Vernehmungsprotokoll eingefügt worden. In der Folge habe der Mitbeteiligte die Kommunikation zwischen der Kriminalpolizei und dem Beschuldigten und das darüber aufgenommene Vernehmungsprotokoll übersetzt.
6 Maßgebend sei, dass das in Rede stehende Schriftstück mit Belehrung samt Personalien ein eigenständiges Schriftstück darstelle, welches nicht im Rahmen der Vernehmung angefertigt worden sei. Nach dem klaren Wortlaut des § 54 Abs. 1 Z 4 GebAG gelange der mit 20 € limitierte Gebührensatz nur dann zur Anwendung, wenn das Schriftstück während derselben Vernehmung angefertigt worden sei. Diese Regelung könne - auch vor dem Hintergrund der Gesetzesmaterialien - nur dahin verstanden werden, dass sie sich auf Schriftstücke beziehe, die tatsächlich erst im Zuge der Vernehmung mithilfe des Dolmetschers inhaltlich erstellt werden, was insbesondere auf das mit Dazutun des Dolmetschers entstandene Vernehmungsprotokoll zutreffe, aus dem sich die vom Dolmetscher übersetzte Kommunikation zwischen Behörde und einzuvernehmender Person ergebe. Anders stelle sich die Lage dar, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Schriftstück an dessen Entstehung der Dolmetscher nicht mitgewirkt habe, seines Inhalts nach schon vor der Vernehmung existiere und von der Behörde zur Übersetzung in die Vernehmung eingebracht werde.
7 Das Ausdrucken eines solchen Schriftstücks während der Vernehmung sowie das computerunterstützte Einfügen des Inhalts in ein anderes Schriftstück - etwa in das Vernehmungsprotokoll - habe nicht zur Folge, dass das Schriftstück als „während der Vernehmung angefertigt“ anzusehen sei.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der Landespolizeidirektion Niederösterreich. In dem vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren hat der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Die Zulässigkeit der Revision wird zunächst mit allgemein gehaltenen Ausführungen über die Häufigkeit und Kostenintensität der Heranziehung von Dolmetschern bei polizeilichen Vernehmungen sowie mit der durch die vorgeblich mängelbehaftete und widersprüchliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes bewirkte Rechtsunsicherheit, begründet. Für ein „friktionsfreies und effizientes“ Zusammenwirken der Behörden mit den beanspruchten Dolmetschern bedürfe es einer Klarstellung durch das Höchstgericht. Wörtlich wird weiter ausgeführt: „Zur strittigen Rechtsfrage besteht keine Judikatur des VwGH, sondern aus Sicht der Revisionswerberin lediglich mit Mängeln behaftete und widersprüchliche Judikatur des BVwG.“
13 Mit diesen allgemeinen Ausführungen, die weder einen Bezug zum konkreten Sachverhalt herstellen, noch die zu lösende Rechtsfrage konkret benennen, wird dem Erfordernis des § 28 Abs. 3 VwGG, wonach eine (außerordentliche) Revision gesondert die Gründe zu enthalten hat, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird, nicht Genüge getan.
14 In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht oder konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 31.8.2021, Ra 2021/16/0048; 10.9.2018, Ra 2018/16/0117, jeweils mwN). Der bloße Verweis auf die Revisionsgründe reicht nicht aus, um diesem Erfordernis zu entsprechen (vgl. etwa VwGH 7.7.2021, Ra 2021/05/0106; 28.11.2019, Ra 2019/07/0066, jeweils mwN).
15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 10. Oktober 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020160098.L00Im RIS seit
27.10.2022Zuletzt aktualisiert am
27.10.2022