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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §22;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde des Dr. M, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 3. Mai 1995, Zl. 1584-2/94, betreffend Einkommensteuer 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist allein die Frage strittig, ob eine vom Beschwerdeführer (der als Rechtsanwalt für einen Klienten eine Bürgschaft übernommen hatte) für das Streitjahr wegen der Insolvenz des Hauptschuldners gebildete Rückstellung betreffend seine künftige Haftung aus der übernommenen Bürgschaft als betrieblich veranlaßt anzusehen ist oder nicht.
Diesbezüglich ist folgender Sachverhalt maßgeblich:
Der Beschwerdeführer und GW trafen am 8. November 1990 eine Vereinbarung, die - auszugsweise - folgenden Inhalt hat:
"1) Vorausschickend halten die Vertragsteile fest, daß Dr. M GW seit ca. 2 1/2 Monaten hinsichtlich der Übernahme der Stammanteile an der Firma K-GesmbH sowie der damit verbundenen Übernahme der Haftung für die Verbindlichkeiten dieses Unternehmens gegenüber der V-Bank rechtsfreundlich beraten hat. Die bisherige Prüfung der von JW überlassenen Geschäftsbücher und anderen Geschäftsunterlagen hat ergeben, daß der Wert des Unternehmens bei Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva zwar Null beträgt, im Hinblick auf die bisherigen intensiven Werbebemühungen sowie die zwischenzeitlich dadurch erfolgte Marktpositionierung und bei entsprechendem Einsatz der verkäuferischen Erfahrungen des GW das Unternehmen mit Sicherheit gewinnbringend betrieben werden kann. Es wird daher prinzipiell die Übernahme des Unternehmens beschlossen, sofern JW bereit ist, sich den besprochenen und noch zu besprechenden Bedingungen (Nachlaß des Wechsels über ca. S 4.0 Mio., Übernahme der Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der zu übergebenden Geschäftsbücher, etc.) zu unterwerfen.
2) Sofern sich JW den Bedingungen der Vertragsteile unterwirft, treffen diese hiermit für die Übernahme sämtlicher Stammanteile an der Firma K-GesmbH die folgenden Vereinbarungen:
a)
GW übernimmt die von der Verlassenschaft nach SW zugunsten JW treuhändig gehaltenen 80 % der Stammanteile an der K-GesmbH;
b)
Dr. M übernimmt jene 20 % der Stammanteile an der Firma K-GesmbH, welche bisher von Herrn I gehalten wurden;
c)
Dr. M wird von dem in Hinkunft als alleinigen Geschäftsführer der Firma K-GesmbH fungierenden Mehrheitsgesellschafter GW als Syndikus dieses Unternehmens beauftragt; die Syndikus-Tätigkeit des Dr. M umfaßt die allgemeine rechtliche Beratung der Firma K-GesmbH, insbesonders aber in Personalangelegenheiten, in der Verhandlung, Ausarbeitung und Abfassung von Verträgen mit Lieferanten, Kunden und Werkunternehmern (Tischlern) sowie der außergerichtlichen Forderungbetreibung. Für diese Tätigkeit wird Dr. M ein monatliches Syndikus-Entgelt im Betrag von S 30.000,-- zuzüglich der jeweils gültigen Umsatzsteuer gegen Rechnungsstellung bezahlt, welche sofort nach Rechnungsstellung zur Zahlung fällig sind. Weiters wird Dr. M darüberhinaus sämtliche weiteren Rechtsangelegenheiten (gerichtlich anhängige) für die Firma K-GesmbH bearbeiten; diese Tätigkeit des Dr. M ist gesondert nach dem jeweils gültigen RATG zu entlohnen.
d)
Im Gegenzug zur Beauftragung mit den zu 2c) angeführten Tätigkeiten verpflichtet sich Dr. M, die persönliche Bürgschaft als Ausfallsbürge für die Verbindlichkeiten der K-GesmbH gegenüber der V-Bank reg.Gen.m.b.H. bis zu einem maximalen Betrag von S 3,0 Mio. anläßlich der Übernahme der Stammanteile von der Verlassenschaft nach SW bzw. I zu übernehmen.
Sämtliche restlichen erforderlichen Sicherheiten für die Verbindlichkeiten der Firma K-GesmbH gegenüber der V-Bank reg.Gen.m.b.H. sind durch GW bzw. von diesem stellig zu machenden dritten Personen in geeigneter Form beizubringen.
e)
Sollten Dr. M die zu 2c) angeführten Mandate - insbesondere das Syndikus-Mandat - entzogen werden oder die von Dr. M für diese Tätigkeiten in Rechnung gestellten Honorare nicht fristgerecht seitens der Firma K-GesmbH bezahlt werden, so verpflichtet sich GW, Dr. M über dessen Aufforderung unverzüglich durch Beibringung geeigneter Sicherheiten aus sämtlichen Haftungen für die Verbindlichkeiten der Firma K-GesmbH gegenüber der V-Bank reg.Gen.m.b.H. oder an deren Stelle tretender Darlehensgeber vollständig zu befreien. Diesbezüglich halten die Vertragsteile fest, daß Dr. M die zu 2d) eingegangene Haftung als Ausfallsbürge lediglich als Gegenleistung im Hinblick auf die zu 2c) erfolgte Beauftragung als Syndikus bzw. mit der Bearbeitung gerichtlicher Rechtsangelegenheiten eingegangen ist.
f)
Sofern die zu 2d) angeführte Bürgschaft des Dr. M durch Abdeckung sämtlicher Verbindlichkeiten der Firma K-GesmbH gegenüber der V-Bank reg.Gen.m.b.H. oder an deren Stelle tretender Darlehensgeber ihre Rechtswirksamkeit verliert, ist die Firma K-GesmbH nicht mehr verpflichtet, Dr. M weiterhin als Syndikus bzw. mit der Bearbeitung gerichtlicher Rechtsangelegenheiten zu beauftragen. Ab diesem Zeitpunkt ist Dr. M lediglich als Gesellschafter der Firma K-GesmbH zu betrachten."
Das Finanzamt Feldkirch versagte dem Beschwerdeführer die Anerkennung der betrieblichen Veranlassung der Rückstellungsbildung, wogegen er mit dem Argument berief, ausschließliche Gegenleistung für die Bürgschaftsübernahme sei seine Beauftragung als Syndikus der K-GesmbH gewesen.
Gegen die in der Folge ergangene abweisliche Berufungsvorentscheidung begehrte der Beschwerdeführer fristgerecht die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab und vertrat im Kern der Bescheidbegründung die Auffassung, ursächlich für die Bürgschaftsübernahme sei der Erwerb einer 20 %-igen Beteiligung des Beschwerdeführers an der K-GesmbH gewesen. Die Bürgschaftsübernahme sei in keinem ausschließlichen und unmittelbaren Zusammenhang mit der freiberuflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers gestanden, jedenfalls sei nicht von einer überwiegenden betrieblichen (beruflichen) Veranlassung der Bürgschaftsübernahme auszugehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Anerkennung seiner Aufwendungen aus der Bürgschaft als Betriebsausgabe gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1988 verletzt.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift vor, in der die Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 EStG 1988 sind Betriebsausgaben Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlaßt sind.
Zur Frage der Anerkennung von Aufwendungen eines Rechtsanwaltes aus einer von ihm für einen Klienten übernommenen Bürgschaft als betrieblich veranlaßt hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt Stellung genommen. Nach ständiger hg. Judikatur kommt es dabei entscheidend darauf an, ob die Übernahme der Bürgschaft "in Ausübung des Berufes eines Rechtsanwaltes" erfolgt, wofür ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Tätigkeit des Rechtsanwaltes gefordert wird (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1993, Zl. 92/15/0051 nebst der dort zitierten Vorjudikatur sowie das ihm folgende Erkenntnis vom 25. April 1995, Zl. 91/14/0239).
Das Vorstrecken von Geldleistungen und die Übernahme von Haftungen durch den Rechtsanwalt wurde z.B. nicht als betrieblich veranlaßt angesehen, wenn solche Maßnahmen nur dazu dienten, eine drohende Insolvenz des Klienten zu verhindern, um dadurch eine bereits bestehende Honorarforderung des Rechtsanwaltes abzusichern. Weiters wurde betont, daß es nicht zu den beruflichen Obliegenheiten eines Rechtsanwaltes gehört, notleidende Klienten durch die Gewährung von Krediten oder in ähnlicher Weise finanziell zu unterstützen (siehe dazu insbesondere das hg. Erkenntnis vom 4. April 1990, Zl. 86/13/0116).
Im hg. Erkenntnis vom 20. April 1993, Zl. 92/14/0232 hatte der Verwaltungsgerichtshof einen Fall zu entscheiden, in dem die dort belangte Behörde der Behauptung des beschwerdeführenden Steuerberaters, er hätte die damals verfahrensgegenständliche Bürgschaft übernehmen müssen, "um sich den Dauerklienten zu sichern oder ihn zu gewinnen" mit Beweiswürdigungsargumenten die Glaubwürdigkeit versagt hatte, die nicht als unschlüssig zu beanstanden waren.
Aus dem zuletzt zitierten Erkenntnis ergibt sich aber, daß Leistungen eines Steuerberaters aus einer von ihm für einen Klienten übernommenen Bürgschaft dann als betrieblich veranlaßt anzusehen sind, wenn eine Abhängigkeit der Aufträge des Klienten von der Übernahme der Bürgschaft durch den Steuerberater vorlag; mit anderen Worten, wenn der Steuerberater den Klienten nur durch die Bürgschaftsübernahme gewinnen oder halten konnte. Das hat auch für einen Rechtsanwalt zu gelten.
Im vorliegenden Beschwerdefall hat nun die belangte Behörde der entsprechenden Behauptung des Beschwerdeführers keineswegs die Glaubwürdigkeit versagt, sondern vielmehr den in diesem Zusammenhang maßgeblichen Text der Vereinbarung vom 8. November 1990 (wie sie es auch jetzt in ihrer Gegenschrift ausdrücklich betont) in seiner Gesamtheit ihren rechtlichen Erwägungen zugrundegelegt. Sie hat dabei rechtlich die Bürgschaftsübernahme durch den Beschwerdeführer primär der Übernahme eines Geschäftsanteiles (und den damit erhofften Gewinnchancen) zugeordnet und nicht der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Rechtsanwalt.
Dem kann aber angesichts des Inhaltes der Vereinbarung vom 8. November 1990 nicht gefolgt werden. Zwar trifft es zu, daß sich der Beschwerdeführer in der genannten Vereinbarung auch zur Übernahme einer Beteiligung von 20 % des Stammkapitals der K-GesmbH verpflichtete (was - wie unten noch gezeigt werden wird - in anderer Hinsicht auch von Bedeutung ist), jedoch ist nicht zu übersehen, daß einerseits im Wege des Vertragspunktes 2 lit. d) ein primärer Konnex der Bürgschaftsübernahme mit der (ausdrücklich dafür als Gegenleistung titulierten) Beauftragung des Beschwerdeführers als Syndikus und sonstigen Rechtsvertreter durch die K-GesmbH begründet wurde und daß andererseits dieser Konnex im Wege der Vertragspunkte 2 lit. e) und f) noch besonders verstärkt wurde. Im Wege der jedenfalls gebotenen Berücksichtigung auch der beiden letztgenannten Vertragspunkte ergibt sich eindeutig, daß der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt den für ihn finanziell durchaus verlockenden Auftrag, "allgemein rechtlich beratend" als Syndikus der K-GesmbH sowie darüberhinaus auch vor Gericht für diese Gesellschaft tätig zu werden, nur erhielt, weil einerseits er zur Übernahme der Bürgschaft bereit war und andererseits der Mehrheitsgesellschafter der K-GesmbH verpflichtet war, den Beschwerdeführer von seiner Haftung als Bürge gegenüber den Gläubigern zu befreien, wenn der Beschwerdeführer die Position als Syndikus der K-GesmbH verlieren sollte oder wenn die entsprechenden Honorarforderungen des Beschwerdeführers nicht fristgerecht bezahlt werden sollten. Korrespondierend dazu sollte im Falle des Erlöschens der Bürgschaftsverpflichtung des Beschwerdeführers keine weitere Verpflichtung der K-GesmbH zur Beschäftigung des Beschwerdeführers als Syndikus oder sonst zur Beauftragung mit der Bearbeitung von Rechtsangelegenheiten bestehen.
Diese enge Verknüpfung der Erlangung des Mandates als Syndikus mit der Bürgschaftsübernahme steht - anders als es die belangte Behörde gewichtet hat - gegenüber der Übernahme eines Geschäftsanteiles (woran sich auch im Falle des Erlöschens der Bürgschaft nach der klaren Aussage des Vertragspunktes 2 lit. f), letzter Satz, nichts ändern sollte) mit Rücksicht auf diese besondere Vertragsgestaltung im Beschwerdefall so im Vordergrund, daß der Beschwerdeführer die von ihm angestrebte Position eines Syndikus der K-GesmbH nur auf Grund der Übernahme der jetzt streitgegenständlichen Bürgschaftsverpflichtung gewinnen konnte.
Damit ist die Problematik des vorliegenden Rechtsstreites aber noch nicht vollständig geklärt. Wenn auch nach dem insoweit maßgeblichen Text des Vertrages vom 8. November 1990 eine vorrangige Verknüpfung der Erlangung der Syndikusposition mit der Bürgschaftsübernahme anzunehmen ist, darf andererseits nicht außer acht gelassen werden, daß die getroffene Vereinbarung auch die Übernahme einer Beteiligung des Beschwerdeführers an jener Kapitalgesellschaft vorsah, deren Syndikus er werden sollte. Die getroffene Vereinbarung muß daher den für Verträge zwischen nahen Angehörigen entwickelten Kriterien entsprechen, insbesondere einem Fremdvergleich standhalten, was nämlich von der hg. Judikatur und dem maßgeblichen Schrifttum auch für Rechtsbeziehungen zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern gefordert wird (vgl. z.B. Doralt/Ruppe, Grundriß I5 99; Doralt, Einkommensteuergesetz Kommentar, Teil I und II2 Rz 158, 159 zu § 2 ESTG 1988 und Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch Rz 44 ff zu § 20 ESTG 1988 sowie die dort jeweils referierte hg. Rechtsprechung). Da für einen Fremdvergleich die im allgemeinen Wirtschaftsleben geübte Praxis maßgeblich ist (so insbesondere Quantschnigg/Schuch aaO Rz 50), wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, die Frage in ihre Ermittlungen und Beurteilung einzubeziehen, ob die Verknüpfung von Bürgschaftsübernahmen durch Rechtsanwälte mit der Erlangung von Syndikuspositionen (unter Bedachtnahme auf die im Beschwerdefall maßgeblichen Konditionen) auch dann der allgemein zwischen Klienten und Anwälten geübten Praxis entspricht, wenn man von einer gesellschaftlichen Beteiligung des Rechtsanwaltes an der Kapitalgesellschaft absieht.
Da die belangte Behörde ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht diese Frage ungeprüft ließ, hat sie ihren Bescheid mit einem sekundären Verfahrensmangel belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen muß.
Mit seinen weiteren Beschwerdeargumenten wird der Beschwerdeführer auf die vorstehende Entscheidung verwiesen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995150092.X00Im RIS seit
07.06.2001