Norm
BDG 1979 §44 Abs1 i.V.m. §91Schlagworte
ungehaltenes Verh gg KollegenText
Die Bundesdisziplinarbehörde hat am 21.03.2022 nach der am 21.03.2022 in Anwesenheit der Beamtin, des Verteidigers, des Disziplinaranwaltes und der Schriftführerin durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beamtin ist schuldig,
h)
sie hat am 24.06.2021, um 02:07 und um 02:43 Uhr, bei einem Polizeieinsatz in ihrer Wohnung in N.N., im alkoholisierten Zustand ein standeswidriges Verhalten gesetzt, indem sie sich den Polizisten gegenüber sehr aufbrausend und unfreundlich verhielt („Nur weil Du Charge bist, glaubst kannst machen was Du willst, ich bin seit über 20 Jahren bei der Polizei“ und sie werde die AH filmen) und mehrmals die LLZ Dienstführung kontaktierte, um sich über das Einschreiten zu beschweren,
sie hat dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 44 Abs. 1 BDG i.V.m. der Dienstanweisung „Dienstordnung der LPD“ i.V.m. § 91 BDG 1979 begangen,
Über die Beschuldigte wird gem. § 92 Abs. 1 Zi 1 BDG die Disziplinarstrafe des Verweises verhängt.
B)
Hingegen wird die Beamtin von den Vorwürfen,
a)
sie hat am 30.12.2020 zw. 12:00 und 18:00 Uhr, in zivil und außer Dienst in ihrer Wohnung in N.N. , von Fr. A.A. einen Betrag von € 400,- für die Vermittlung betreffend Verlängerung des Aufenthaltsrechts der syrischen Familie A.A./B.B. von diesen gefordert und erhalten,
b)
sie hat von 01.04.2020 bis 30.04.2021 in zivil und außer Dienst für die Kinder der Familie A.A./B.B. diverse Gegenstände (Kinderfahrrad, Rollschuhe, Kinderspielsachen etc.) gegen Bezahlung besorgt und in weiterer Folge diese Gegenstände mit der Drohung der Veranlassung der Abschiebung nach Syrien wieder zurückgefordert,
c)
sie hat von 01.04.2020 bis 30.04.2021, in zivil und außer Dienst in ihrer Wohnung in N.N., die unmündigen Kinder B.B. C.C., D.D. und E.E. unter der Drohung des Verlustes des Bleiberechts in Österreich zu Einkäufen (vorwiegend Zigaretten und Bier) und zum Putzen der Wohnung genötigt,
d)
sie hat B.B. E.E. und D.D. in ihrer Wohnung in zivil und außer Dienst mehrmals an den Haaren gezogen, die Hand am Rücken verdreht und zu Boden gestoßen,
e)
sie hat zw. 01.04.2020 und 30.04.2020 in zivil und außer Dienst in ihrer Wohnung die Kinder B.B. E.E. und D.D. aufgefordert, sich bis zu zwei Stunden mit ausgestreckten Händen in eine Ecke zu stellen,
f)
sie hat am 14.05.2021, gegen 15:00 Uhr, in zivil und außer Dienst in ihrer Wohnung N.N., B.B. D.D. eine Armbanduhr im Wert von € 30,- welche sie ihm zuvor gekauft hatte, aus der Hand gerissen und nicht wieder retourniert,
g)
sie hat von 01.04.2020 bis 30.04.2021, in zivil und außer Dienst in ihrer Wohnung in N.N., durch Ausdrücke wie „Fut am Bam, Drecksfut, Oaschlöcher, Fuck You, leckt´s mi am Oasch, geht’s in Oasch“ gegenüber der Familie A.A./B.B. einen standeswidrigen Sprachgebrauch verwendet,
i)
sie hat durch den Genuss alkoholischer Getränke am Abend bzw. in der Nacht vor dem Dienstantritt (um 07:00 Uhr hätte der Hauptdienst der Beamtin begonnen) sohin Handlungen gesetzt, die den ordnungsgemäßen Dienstantritt verhindert haben, zumal sie sich krank meldete,
sie hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 2 BDG und § 44 Abs. 1 BDG i.V.m. den Dienstanweisungen DA „Dienstordnung der LPD N.N.““, DA „Sprachgebrauch in der Exekutive“ Pkt. 1. „Dienstfähigkeit“ der DA „Allgemeine Polizeidienstrichtlinie“ i.V.m. § 91 BDG 1979 begangen,
gemäß § 126 Abs. 2 i.V.m. § 118 Abs. 1 Zi 2 BDG freigesprochen.
Der Beschuldigten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.
B E G R Ü N D U N G
Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige der Dienstbehörde vom 12.10.2021 sowie den Erhebungen der LPD N.N. und dem anhängigen Verfahren bei der StA.
Anlastungen durch die Dienstbehörde:
Die Beamtin steht im Verdacht, außer Dienst und in zivil
a)
am 30.12.2020, 12:00 bis 18:00 Uhr, N.N., von Fr. A.A. 400 € für die Veranlassung der Verlängerung des Aufenthaltsrechts der syrischen Familie A.A./B.B. durch ihren Vorgesetzten gefordert und erhalten zu haben.
b)
von 01.04.2020 bis 30.04.2021 diverse Gegenstände gegen Bezahlung für die Kinder der Familie A.A./B.B. besorgt und anschließend mit der Drohung der Veranlassung der Abschiebung nach Syrien zurück gefordert zu haben.
c)
von 01.04.2020 bis 30.04.2021, in N.N., die unmündigen Kinder B.B. C.C., D.D. und E.E. unter der Drohung des Verlustes des Bleiberechts in Österreich zu Einkäufen (vorwiegend Zigaretten und Bier) und zum Putzen der Wohnung genötigt,
d)
mehrmals an den Haaren gezogen, die Hand am Rücken verdreht und zu Boden gestoßen zu haben sowie
e)
B.B. E.E. und D.D. aufgefordert zu haben, sich bis zu zwei Stunden mit ausgestreckten Händen in eine Ecke zu stellen.
f)
am 14.05.2021, gegen 15:00 Uhr, in N.N., B.B. D.D. eine Armbanduhr im Wert von 30 € aus der Hand gerissen und nicht wieder retourniert zu haben.
g)
von 01.04.2020 bis 30.04.2021, in N.N., durch Ausdrücke wie „Fut am Bam, Drecksfut, Oaschlöcher, Fuck You, leckt´s mi am Oasch, geht’s in Oasch“ gegenüber der Familie A.A./B.B. einen standeswidrigen Sprachgebrauch verwendet zu haben.
h)
am 24.06.2021, um 02:07 und um 02:43 Uhr, bei einem Polizeieinsatz in ihrer Wohnung in N.N., im alkoholisierten Zustand ein standeswidriges Verhalten gesetzt zu haben, indem sie sich den Polizisten gegenüber sehr aufbrausend und unfreundlich verhielt und mehrmals die LLZ Dienstführung kontaktierte, um sich über das Einschreiten zu beschweren. Um 07:00 Uhr hätte der Hauptdienst der Beamtin begonnen, sie meldete sich jedoch krank.
Durch das angeführte Fehlverhalten hat die Beamtin gerichtlich strafbare Handlungen (Pkt. a. bis f.) sowie Dienstpflichtverletzungen gem. § 43 Abs. 2 und § 44 Abs. 1 BDG i.V.m. den Dienstanweisungen „Dienstordnung der LPD N.N.“, „Allgemeine Polizeidienstrichtlinie“ und „Sprachgebrauch der Exekutive“ begangen.
Sachverhalt:
Am 17.05.2021 langte in der Personalabteilung der LPD ein Amtsvermerk des SPK ein, wonach die Beamtin im Verdacht steht, gerichtlich strafbare Handlungen und Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben:
A.A. wandte sich am 16.05.2021 in Begleitung ihrer drei unmündigen Söhne, B.B., C.C., D.D. und E.E., an die PI N.N. und gab an, seit längerer Zeit Probleme mit der Beamtin zu haben. Die Familie kenne sie seit ungefähr drei Jahren aus der Nachbarschaft, das Verhältnis sei am Anfang freundschaftlich gewesen. Die Beamtin habe der Familie mehrmals mitgeteilt, dass sie Polizeibeamtin und im Kriminaldienst tätig ist.
Ad a)
Fr. A.A. habe sich im Dezember 2020 mit der Bitte um Übersetzung mit einem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenrecht und Asyl an die Beamtin gewandt. Die Beamtin habe ihr daraufhin - entgegen den Tatsachen - mitgeteilt, dass die Familie in 14 Tagen nach Syrien abgeschoben werde. Sie könne jedoch mit ihrem Chef eine Verlängerung des Aufenthalts ermöglichen, wofür sie von der Familie 400 € gefordert und auch erhalten habe. Die Beamtin habe wiederholt von ihrem Chef berichtet, welcher über das Aufenthaltsrecht der Familie entscheiden könne.
Ad b) und f)
Die Beamtin habe die Familie unterstützt, indem sie gebrauchte Gegenstände gegen Bezahlung für die Kinder besorgt habe. Die Gegenstände habe die Beamtin mit der Drohung der Veranlassung der Abschiebung wieder zurückgefordert.
Folgende Gegenstände seien von der Beamtin besorgt worden:
1 x Computer Notebook – 80 €
2 x Rollschuhe – 75 €
1 x Fernseher – 300 €
1 x Fahrrad – 50 €
1 x Ferngesteuertes Auto – 30 €
1 x Armbanduhr – 30 €
Die Beamtin habe B.B. und D.D. die o.a. Uhr, nachdem die Familie dafür bezahlt habe, am 12.05.2021 übergeben. Am 14.05.2021 habe sie ihm die Uhr aus der Hand gerissen und nicht wieder zurückgegeben.
Ad c) bis e)
Die Beamtin habe im Zeitraum von 01.04.2020 bis 30.04.2021 mehrmals in ihrer Wohnung auf die drei unmündigen Kinder aufgepasst. Hierbei seien diese mit der Abschiebung bedroht und gezwungen worden, für die Beamtin Einkäufe (vorwiegend Bier und Zigaretten) in der Umgebung zu erledigen. Außerdem seien die Kinder zum Wohnungsputzen aufgefordert und bei Verweigerung mit dem Verlust des Bleiberechts in Österreich und der Veranlassung ihrer Abschiebung bedroht worden. Die Beamtin habe die Kinder mehrmals zu Boden gestoßen, an den Haaren gezogen und ihnen die Hand am Rücken verdreht. B.B., E.E. und D.D. seien öfters aufgefordert worden, sich mit ausgestreckten Händen bis zu zwei Stunden in eine Ecke zu stellen.
Ad g)
Die Beamtin habe im Zeitraum von 01.04.2020 bis 30.04.2021 folgende Aussagen und Beschimpfungen gegenüber der Familie geäußert:
„Du gehst jetzt im Winkerl/ in die Eckn steh.“
„Gebt´s ma a Göld, dann sag i mein Chef, dass ihr in Österreich bleiben kennts. Wann net, dann geht`s zruck in eicha scheiß Land.“
„Wann´s ihr jemanden verratets, was i mit eich moch, dann seit´s im Oasch daham.“
„Mein Chef is da größte, der kann alles machen. Gebt´s ma Geld und dann sag ich ihm, dass ihr in Österreich bleiben dürft´s. Gebts mas net, dann könnts scheißen gehen und ihr geht´s nach Syrien zurück.“
„Scheiß auf die Schui! I bin wichtiger als die Schui. I kann eich nach Syrien zruckschicken.“
„Oaschlöcher Asylanten was machts ihr in N.N.. Geht´s zruck in eicher Land.“
„Kommts sofort her. Scheißt´s auf essen. Wenn ihr net sofort kommts, dann habts a Problem.“
„Geht´s sofort a Bier holen, sonst hock i eich um.“
„Wenn du das net machst, dann hast du a Problem. Dann gehst zruck in dei Land. Und deine Eltern a.“
„Gebt´s ma des Göd, sonst seit´s in vierzehn Tag in eicherm scheiß Land“
„Fut am Bam, Drecksfut, Oaschlöcher, Fuck You, leckt´s mi am Oasch, geht’s in Oasch“
Ad h)
Am 24.06.2021, gegen 02:07 Uhr, wurde eine Funkwagenbesatzung zur Wohnung der Beamtin nach N.N., beordert. Die Beamtin habe ihre Unschuld im Zusammenhang mit den Anschuldigungen beteuern wollen und gleichzeitig angegeben, durch die Familie bedroht worden zu sein. Die Beamtin habe widersprüchliche Angaben gemacht, sei stark alkoholisiert gewesen und habe während der AH ein Bier getrunken. Nachdem kein strafrechtlich relevanter Tatbestand vorgelegen habe, sei die Besatzung weitergefahren. Gegen 02:43 Uhr seien sie erneut zu der Beamten beordert worden. Die Beamtin habe hierbei noch stärker alkoholisiert gewirkt. Sie habe dann ihr Handy gezückt und mehrmals gesagt, dass sie die AH filmen werde, da es eine Frechheit sei, dass ihr nicht geholfen werde. Sie sei sehr unfreundlich und aufbrausend gewesen. Die Beamtin habe auch mehrmals die LLZ Dienstführung angerufen und sich über die AH beschwert. Um 07:00 Uhr hätte die Beamtin Tagdienst gehabt, sie meldete sich jedoch krank.
Aussagen:
Fr. A.A. gab zusammengefasst an, es habe sich über die Jahre eine Freundschaft mit derBeamtin entwickelt und die Beamtin habe die Familie öfters zu sich eingeladen. Das nette Verhalten habe sich jedoch sehr stark verändert und sie habe ihnen vorgeworfen, dass sie keine guten Leute seien und nach Syrien zurückkehren sollen. Die Beamtin habe ihre Kinder angeschrien, an den Haaren gezogen, beschimpft und sie geschlagen. Sie habe sie in die Ecke gestellt und ihnen den Arm verbogen. Sie habe ihnen erzählt, dass ihr Chef entscheiden könne, ob die Familie in Österreich bleiben kann. Gesehen hätten sie den Chef nie, sie habe auch nie einen Namen genannt. Die Familie habe ihr auch zweimal 400 € für die Verlängerung des Aufenthaltsrechts überreicht.
Hr. B.B. C.C. gab zusammengefasst an, Die Beamtin habe öfters angegeben, Kriminalbeamtin zu sein und sich alles erlauben zu können. Wenn seine Mutter die Beamtin darauf hingewiesen habe, dass sie die Kinder nicht an den Haaren ziehen darf, habe sie nur gemeint, sie sei Kriminalbeamtin und sie dürfe das. Gegen seinen Bruder sei ihr Hass besonders groß gewesen. Sie habe ihn öfters als die anderen gedemütigt. Er habe oft von einer halben bis zu zwei Stunden in der Ecke stehen müssen und dabei auch nicht trinken dürfen. Er habe die Beamtin öfters heimlich gefilmt. Die gefilmten Vorfälle hätten sich ca. Dezember 2020 bis Jänner 2021 ereignet. Die Beamtin trinke sehr viel Alkohol. Sie seien weiter zur Beamtin gegangen, weil sie die Drohungen mit der Abschiebung ernst genommen hätten.
Verantwortung:
Die Beamtin gab eine umfangreiche Stellungnahme ab, in der sie alle gegen sie erhobenen Vorwürfe mit ausführlichen Begründungen vehement in Abrede stellte. Sie führte unter anderem an, sie kenne die Familie seit 2017, es habe sich ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt. Das Vertrauen sei so gut gewesen, dass die Kinder oft allein bei ihr in der Wohnung gewesen seien. Sie habe auf die Kinder aufgepasst, sie zum Essen eingeladen, zum Baden mitgenommen, bei Prater-Besuchen alle Kosten übernommen und ihnen auch Geschenke gemacht. Die Unkosten seien von ihr niemals eingefordert worden.
Bzgl. des Asylbescheides habe sie die Familie zur Caritas oder Asylbehörde verwiesen, da sie ihnen nicht habe weiterhelfen können. Die Beamtin vermutet, dass der geäußerte Verdacht, die Familie habe ihre Geschenke veräußert, sowie der Vorwurf, die Buben hätten von ihr ungefragt Kleingeld genommen, zur Anzeigenerstattung gegen sie geführt habe. Manches sei aufgrund von mangelhaften Deutschkenntnissen der Eltern falsch verstanden und dadurch ihr Stolz verletzt worden. Fotos, WhatsApp Nachrichten und Einkaufsbelege würden beweisen, wie gut das Verhältnis gewesen sei („Du bist eine zweite Mama für uns“). Die Beamtin habe auch die angeführten Beschimpfungen nie geäußert.
Zum Polizeieinsatz am 24.06.2021:
Die geschilderten Abläufe der Ereignisse würden von ihrer Sicht abweichen. Sie sei aufgrund einer Bedrohung via WhatsApp in Sorge um ihre Sicherheit gewesen, weshalb sie die Polizei gerufen habe. Diese Hilfe sei ihr dann gefühlt verweigert worden. Der Beamte habe sich ihr gegenüber sehr unhöflich benommen, sie sei nur belächelt und nicht ernst genommen worden. Der Beamte habe ihr einen höheren Alkoholwert „attestiert“, als es tatsächlich der Fall gewesen sei. Der Grund der Dienstunfähigkeit am Folgetag sei nicht der Alkoholkonsum, sondern der Umstand, dass sie aufgrund der entstandenen Aufregung und starker Bauchschmerzen keinen Schlaf gefunden habe, gewesen. Die Geschehnisse würden eine enorme Belastung und Herausforderung für sie darstellen. Sie werde ohne Anlass der Begehung schwerwiegender Straftaten beschuldigt. Sie habe sich bis dato keine Verfehlungen zu Schulden kommen lassen.
Gerichtsverfahren:
Zum angeführten Vorfall wurden von der LPD wegen des Verdachts des schweren Betrugs, Diebstahls, der Nötigung, gefährlichen Drohung und Körperverletzung Anzeige an die StA N.N. erstattet. Seitens der StA N.N. ergingen noch zwei weitere Erhebungsaufträge an die LPD N.N., RBE, nämlich neuerliche Einvernahmen der Zeugen sowie Herbeischaffung der in der Niederschrift angeführten Videos zu Beweiszwecken.
Diese Videos konnten seitens der Zeugen nicht vorgelegt werden, sodass die StA N.N. schließlich das Verfahren gem. § 190 Zi 2 StPO eingestellt hat.
Mündliche Disziplinarverhandlung:
Mit Bescheid vom 27.10.2021 wurde das ordentliche Disziplinarverfahren eingeleitet und die mündliche Verhandlung nach Einstellung des Verfahrens durch die StA N.N. für 21.03.2022 anberaumt und durchgeführt.
Die Beamtin bekannte sich zu Beginn der Verhandlung zu den Anlastungen Punkt a-g sowie zu Punkt i) für nicht schuldig und zur Anlastung Punkt h) teilweise schuldig und führte an, dass sie die syrische Familie niemals in irgendeiner Weise gefährlich bedroht, genötigt oder beschimpft hätte. Im Gegenteil, sie hätte sich 4 Jahre lang um die Kinder gekümmert, mit ihnen Deutsch gelernt, sodass sie tatsächlich nunmehr ein ausgezeichnetes Deutsch sprechen und hätte die Kinder niemals misshandelt oder zu irgendwelchen Arbeiten genötigt. Sie habe den Kindern viele Geschenke gemacht und ihnen auch Spielsachen ihres Neffen überlassen. Das Verhältnis habe sich dann zur syrischen Familie verschlechtert und als sie die Spielsachen ihres Neffen zurückforderte, wurde sie vom syrischen Familienvater auf das schlimmste beschimpft und bedroht. Sie habe in den 4 gemeinsamen Jahren auch in Erfahrung bringen können, dass mit syrischen Männern nicht zu spaßen ist und diese auch vor Gewalttätigkeiten gegenüber Frauen nicht zurückschrecken.
Sie habe vorerst jedoch keine Anzeige gegen die syrische Familie erstattet und war in weiterer Folge durch deren Anzeigenerstattung gegen ihre Person wie paralysiert. Neben der psychischen Belastung durch das Gerichtsverfahren und spielte auch ihre Enttäuschung über die syrische Familie eine wesentliche Rolle, sodass sie vermehrt zu Alkohol griff.
Nunmehr ist sie seit einiger Zeit aufgrund des Alkoholproblems krankgeschrieben und auf ambulanten Entzug.
Zu Punkt h) und i) führte die Beamtin an, dass sie zwar in der besagten Nacht und somit vor Dienstantritt Alkohol konsumiert hatte, jedoch hätte sie sich nicht wegen einer Alkoholisierung krank gemeldet, sondern wegen eines chronischen Darmleidens. Dieses werde immer dann akut, wenn sie sich besonders aufrege oder psychisch belastet werde. Genau dies wäre in der Nacht gewesen, da sie Geräusche aus dem Innenhof der Wohnhausanlage gehört hätte und auch syrische Stimmen. Als sie dann die Kollegen verständigte und diese ihr offenbar keinen Glauben schenkten, hätte sie sich ungehalten benommen. Es war sicherlich ein Fehler gewesen, in dieser Gemütsverfassung Alkohol zu konsumieren, aber sie hatte in diesem Moment panische Angst und dabei völlig falsch reagiert. Der Vorfall tue ihr sehr leid und sie möchte sich auch bei den Kollegen entschuldigen.
Im Zuge des Beweisverfahrens wurden die beiden Beamten, welche die Amtshandlung mit der Beschuldigten geführt haben, als Zeugen niederschriftlich befragt.
Beide gaben glaubhaft, dass die Kollegin alkoholisiert war, jedoch nicht klar sagen konnte, wodurch sie sich bedroht fühlte. Hätte sie ihnen von der WhatsApp-Bedrohung erzählt, hätte dies wieder ein ganz anderes Bild ergeben. Jedenfalls war die Beschuldigte ihnen gegenüber ungehalten, respektlos und setzte ein Verhalten an den Tag, das man von einer Kollegin nicht erwartet. Grundsätzlich würden sich Amtshandlungen mit Kollegen immer schwieriger gestalten.
Die Disziplinarbeschuldigte hat sich in weiterer Folge in der mündlichen Verhandlung bei beiden Kollegen für ihr Fehlverhalten entschuldigt.
Weiters wurde seitens der Vorsitzenden die Einstellung des Verfahrens der StA verlesen und auch auf das Gespräch mit der zuständigen Staatsanwältin-zusammengefasst in einem Amtsvermerk – hingewiesen. Trotz mehrfacher Erhebungsaufträge seitens der StA konnte kein strafbares Verhalten nachgewiesen werden. Auch die vorliegende Audiodatei, welche in der mündlichen Verhandlung abgespielt wurde, brachte keine neuen Erkenntnisse. Im Gegenteil, auf der Audiodatei sind keinerlei Beschimpfungen zu hören.
Der Disziplinaranwalt führte in seinem Plädoyer aus, dass der Sachverhalt aufgrund des teilweisen Geständnisses und des Beweisverfahrens hinreichend geklärt ist.
Aufgrund der Einstellung durch die StA trotz weiterer Erhebungsaufträge muss wohl davon ausgegangen werden, dass ein strafbares Verhalten nicht nachgewiesen werden kann, sodass zu den Anlastungen a-g mit Freispruch vorzugehen wäre.
Auch die Anlastung i) konnte nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, zumal die Beamtin entsprechende Befunde des behandelten Arztes vorlegte.
Zu Punkt h) war die Beamtin geständig und entschuldigte sich auch für ihr Verhalten
In Anbetracht des Geständnisses, der guten Dienstbeschreibung und der Entschuldigung
Antrag: Geldbuße
Der Verteidiger führte in seinem Plädoyer aus, dass er sich in großen Teilen der Ansicht des Disziplinaranwaltes anschließen könne.
Die Beamtin wäre psychisch fertig gewesen, weil sie die Drohung des syrischen Familienvaters beschäftigt hat und in dieser Situation zwar aufbrausend, aber sie hätte die einschreitenden Polizisten nicht beschimpft oder gar Kraftausdrücke verwendet.
Antrag: Freispruch in eventu Schuld ohne Strafe
Der Senat hat dazu erwogen:
Zum Schuldspruch:
Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens zu dem Erkenntnis gelangt, dass die Beschuldigte die ihr vorgeworfene Dienstpflichtverletzung zu Punkt h) schuldhaft begangen hat.
Der Vorwurf lautet dahingehend, dass die Beamtin gegenüber den einschreitenden Kollegen ein nicht standesgemäßes, unfreundliches und aufbrausendes Verhalten an den Tag gelegt hat.
Die Feststellungen ergeben sich aus der eindeutigen Aktenlage, sowie den Ausführungen der Zeugen und der Beschuldigten.
Dienstpflichtverletzung nach § 44 Abs. 1 BDG:
Gemäß § 44 Abs. 1 BDG hat der Beamte die Weisungen seiner Vorgesetzten zu befolgen. Dies bedeutet, dass er sowohl die vom Bundesministerium für Inneres verlautbaren Erlässe, sowie die schriftlichen Befehle seiner zuständigen Dienstbehörde und mündliche Befehle seiner Vorgesetzten zu befolgen hat.
Gerade die Befolgung von Weisungen ist in einer Sicherheitsbehörde Voraussetzung dafür, dass eine dem gesetzlichen Auftrag entsprechende Erfüllung der sicherheits- und kriminalpolizeilichen Aufgaben garantiert werden kann. Die Polizei ist ein militärisch organisiertes Konstrukt, das durch das Instrument der Weisung abgesichert ist und nur durch Einhaltung von Weisungen funktioniert.
Bei der Dienstordnung der LPD handelt es sich um eine interne schriftliche Weisung, die ordnungsgemäß im Intranet kundgemacht ist.
§ 2 der Dienstordnung vom 23.01.2013 beinhaltet das „Verhalten der Polizeibediensteten“ ………. Polizisten haben sich innerhalb und außerhalb des Dienstes so zu verhalten, dass sie die Achtung und das Vertrauen der Bevölkerung erwerben und wahren….
Das Verhalten der Beschuldigten am 24.06.21 während der Amtshandlung entspricht – wie schon oben ausgeführt - nicht dem, was sich die Allgemeinheit – aber auch die Kollegenschaft - von einer Beamtin der Exekutive erwartet. Es ist nicht tolerierbar, dass ein Polizist die eigenen Kollegen verbal attackiert, sich unfreundlich verhält und die AH filmt bzw. droht, diese zu filmen und sich darüber hinaus auch noch über die Kollegen beschwert– auch wenn dies unter Alkoholeinfluss passiert ist. Polizisten kommen nur ihren eigentlichen Aufgaben nach, führen Verkehrskontrollen, zeigen Strafrechtsdelikte an und werden zu diversen Amtshandlungen gerufen. Der Alltag eines Polizisten ist fast ausschließlich von Negativerlebnissen geprägt, sei es, dass es sich dabei um Drogendelikte, Einbrüche oder Raubüberfälle handelt. Positive Fallkonstruktionen stellen eher rühmliche Ausnahmen dar. Umso schockierender ist es für Polizisten, wenn nun die eigenen Kollegen bei Amtshandlungen einen mehr als negativen Eindruck hinterlassen.
Zu den Freisprüchen: a bis f
Seitens der Staatsanwaltschaft wurde aufgrund § 190 Z 2 StPO das Verfahren zur Gänze eingestellt, da laut der zuständigen Staatsanwältin kein tatsächlicher Grund für die weitere gerichtliche Verfolgung besteht, zumal sich nach Durchführung sämtlicher Erhebungen sowie zahlreicher Zeugenbefragungen und 2 weiteren Erhebungsaufträgen an die LPD keine weiteren Ermittlungsansätze für ein strafrechtsrelevantes Verhalten der Beschuldigten ergeben haben, sodass das Strafverfahren einzustellen war.
Gemäß § 118 Abs. 1 BDG ist das Disziplinarverfahren durch Bescheid einzustellen, wenn
1. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat (Z 1)
2. Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen (Strafausschließungsgründe und Strafaufhebungsgründe) (Z 1)
3. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt (Z 2)
4. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen (Verfolgungshindernisse) Z 3
5. die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies die Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken (Z 4).
Die Bundesdisziplinarbehörde ist zwar gemäß § 95 Abs. 2 BDG rechtlich an eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft gemäß § 190 Z 2 StPO nicht gebunden, hat jedoch in der Praxis faktisch diese jeweilige Entscheidung entsprechend zu werten bzw. zu berücksichtigen.
Nachdem die Staatsanwaltschaft bei Wertung der vorliegenden Beweise offensichtlich keine Veranlassung gesehen hat, gegen die Beamtin ein Strafverfahren zu führen, widerspricht es unter Berücksichtigung der amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit im gerichtlichen Strafverfahren den Denkgesetzen, die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft - die ohnehin mehrere Monate angedauert haben, anzuzweifeln und ohne weitere - über das Ermittlungsergebnis hinausgehende - Anhaltspunkte ein ordentliches Disziplinarverfahren im Glauben durchzuführen, nunmehr ein strafbares Verhalten und somit Dienstpflichtverletzungen in diesen Punkten der Beschuldigten nachweisen zu können.
Punkt g)
Auf der einzigen Audiodatei, die dem Senat vorliegt, sind derartige Beschimpfungen wie angelastet nicht wahrnehmbar. Die Beschuldigte klingt zwar auf der Audiodatei betrunken, dies allein stellt jedoch keine Dienstpflichtverletzung dar. Die Frage der Beamtin an die syrischen Kinder, dass sie wünsche, dass in ihrer Gegenwart deutsch gesprochen werde ist in Anbetracht dessen, dass sie den Kindern mühsam die deutsche Sprache beigebracht hat und immer wieder geübt hat, auch nachvollziehbar und verständlich.
Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG:
Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Disziplinarbeschuldigten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung. Der erkennende Senat hat sich nach der jüngsten Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild der Disziplinarbeschuldigten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaß eine Bestrafung notwendig ist. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen, oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3, 78 ff und ihr folgend das Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 14.11.2007, 2005/09/0115).
Maßstab für die Strafbemessung ist vor allem das Verschulden der Disziplinarbeschuldigten in der konkreten Situation und dieses verlangt aus spezialpräventiven Gründen eine Sanktion. In Anbetracht dessen, dass die Beamtin geständig war und sich auch während der mündlichen Verhandlung bei den als Zeugen vernommenen Kollegen für ihr damaliges Verhalten entschuldigt hat, war der Senat der Ansicht, dass mit einem Verweis das Auslangen zu finden sein wird. Die Beamtin selbst machte einen geläuterten Eindruck. Sie ist zurzeit aufgrund ihres Alkoholproblems im Krankenstand und auf Entzug und auch im Begriff, ihr Leben neu zu gestalten, sodass aus heutiger Sicht von einer positiven Zukunftsprognose ausgegangen werden kann.
Im konkreten Fall waren somit das Geständnis, die disziplinäre Unbescholtenheit, die gute Dienstbeschreibung sowie die Entschuldigung bei den amtshandelnden Kollegen las mildernd zu werten.
Erschwerend wirkten keine Umstände.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zuletzt aktualisiert am
20.10.2022