Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §18 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Rutter, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. Mai 1995, Zl. SD 197/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 9. Mai 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 2 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer, der im März 1991 in das Bundesgebiet eingereist sei, sei fünfzehnmal, vorwiegend wegen Übertretungen der Gewerbeordnung, darunter dreimal wegen unbefugter Gewerbeausübung in den Jahren 1993 und 1994, sowie im Dezember 1994 wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden.
Hinzu kämen zwanzig "Vormerkungen" (nach Ausweis der Akten: rechtskräftige Bestrafungen) durch die Bundespolizeidirektion Wien, wobei drei schwerwiegende Verwaltungsübertretungen in den Jahren 1993 und 1994 (zweimal wegen "Fahrerflucht" gemäß § 4 Abs. 5 StVO, einmal wegen § 64 Abs. 1 KFG) besonders hervorzuheben seien.
Angesichts der großen Zahl von Verwaltungsübertretungen bestehe kein Zweifel, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt sei. Hinzu kämen noch zwei rechtskräftige gerichtliche Verurteilungen des Beschwerdeführers wegen schweren Betruges und fahrlässiger Körperverletzung. Dieses Fehlverhalten rechtfertige die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme.
Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer zu 50 % an einer Baugesellschaft mbH beteiligt sei, greife das Aufenthaltsverbot in dessen Privatleben ein. Ein Eingriff in das Familienleben liege nicht vor, da sich nur ein Bruder des Beschwerdeführers im Bundesgebiet - jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt - aufhalte. Das Verhalten des Beschwerdeführers dokumentiere mit aller Deutlichkeit, daß dieser keinerlei Bedenken habe, sich immer wieder über straßenpolizeiliche, kraftfahrrechtliche und gewerberechtliche Bestimmungen hinwegzusetzen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und im Interesse der Verkehrssicherheit) dringend geboten und daher (im Grunde des § 19 FrG) zulässig.
Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG sei auch die mangelnde Unrechtseinsicht des Beschwerdeführers, der die von ihm begangenen Gesetzesübertretungen als "Bagatelldelikte" abtue, zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer sei selbst aufgrund der Vielzahl und Vielfalt der rechtskräftigen Bestrafungen nicht in der Lage, den Unrechtsgehalt seines strafbaren Verhaltens einzusehen, und nicht gewillt, sich rechtskonform zu verhalten. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wögen daher weitaus schwerer als die mit dieser Maßnahme verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers.
Auf das Argument des Beschwerdeführers in der Berufungsergänzung vom 20. Februar 1995, daß er für "diverse Verwaltungsübertretungen" gewerberechtlich nicht verantwortlich wäre, sei aufgrund der Rechtskraft dieser Bestrafungen nicht einzugehen gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Soweit der Beschwerdeführer vermeint, es läge kein rechtsgültiger erstinstanzlicher Bescheid vor, weil die Ausfertigung dieses Bescheides neben dem Namen des Genehmigenden nur eine unleserliche, offensichtlich auch nicht vom Organwalter stammende Unterschrift enthalte, ist ihm zunächst zu entgegnen, daß er zur Dartuung dieser Behauptung die an ihn zugestellte Ausfertigung des erstinstanzlichen Bescheides nicht vorgelegt hat. Im übrigen müssen gemäß § 18 Abs. 4 erster Satz AVG alle schriftlichen Ausfertigungen unter anderem mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. Die Leserlichkeit der Unterschrift wird somit - bei hier unbestritten vorliegender leserlicher Beifügung des Namens - vom Gesetz nicht gefordert.
2.1. In der Beschwerde bleiben die im angefochtenen Bescheid angeführten rechtskräftigen Bestrafungen und Verurteilungen des Beschwerdeführers unbestritten. Da der Beschwerdeführer auch nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und wegen § 64 Abs. 1 KFG bestraft wurde, begegnet die Ansicht der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt sei, keinen Bedenken. Soweit der Beschwerdeführer dazu meint, daß die rechtskräftigen Bestrafungen für die Fremdenbehörde nicht bindend seien, ist ihm zu entgegnen, daß nach § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG ausschließlich auf das Vorliegen rechtskräftiger Bestrafungen des Fremden wegen der dort genannten Übertretungen abzustellen ist. Damit wird eine (bindende) Tatbestandswirkung von bestimmten rechtskräftigen Bestrafungen normiert (vgl. zum Wesen der Tatbestandswirkung, Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Rz 474).
2.2. Bei der Frage, ob die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, hat die belangte Behörde hingegen zu Recht nicht auf die Tatsache der rechtskräftigen Bestrafungen, sondern auf das diesen Bestrafungen zugrundeliegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers abgestellt. Hiebei hatte sie aufgrund der Rechtskraft der in Rede stehenden Bestrafungen und Verurteilungen davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer das zugrundeliegende Fehlverhalten begangen hat.
Der Beschwerdeführer wurde insgesamt 35-mal wegen Verwaltungsübertretungen, darunter je einmal wegen Übertretung des § 64 Abs. 1 KFG (Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung) sowie des Ausländerbeschäftigungsgesetzes und zweimal wegen "Fahrerflucht" nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden gemäß § 4 Abs. 5 StVO rechtskräftig bestraft. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, daß es sich bei diesen Verwaltungsübertretungen nicht durchgehend um "Bagatelldelikte", wie dies der Beschwerdeführer in der Berufung ausführte, handelt. Insbesondere zählt das Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung zu den gröbsten Verstößen gegen das KFG (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Jänner 1994, Zl. 93/18/0427). Die Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes stellt ein vom Fremdengesetz als fremdenrechtlich besonders bedeutsam qualifiziertes Fehlverhalten dar (vgl. § 18 Abs. 2 Z. 2 letzter Fall FrG). Dazu kommt noch das den Verurteilungen des Beschwerdeführers wegen schweren Betruges und fahrlässiger Körperverletzung zugrundeliegende Fehlverhalten. Der Beschwerdeführer hat somit in dem relativ kurzen Zeitraum seines inländischen Aufenthaltes eine große Zahl verschiedener Gesetzesverletzungen begangen und damit seine gleichgültige Haltung gegenüber der österreichischen Rechtsordnung dokumentiert. Der belangten Behörde kann daher im Ergebnis nicht entgegengetreten werden, wenn sie aufgrund dieses Fehlverhalten die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme als gerechtfertigt ansah.
Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe die Anträge des Beschwerdeführers auf Beischaffung der Verwaltungsstrafakten nicht berücksichtigt, geht ins Leere, weil derartige Anträge im Verwaltungsverfahren gar nicht gestellt wurden.
2.3. Die belangte Behörde hat aufgrund der Tatsache, daß der Beschwerdeführer 50 % des Stammkapitals einer Ges.m.b.H. hält, unter Berücksichtigung der Dauer seines Aufenthaltes ohnehin einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers angenommen. Da der Beschwerdeführer nicht behauptet, mit seinem in Österreich lebenden Bruder in Hausgemeinschaft zu leben und auch keine im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bestehende Lebensgemeinschaft mit der Frau, die er nach seinem Vorbringen zu heiraten beabsichtigt, behauptet, hat die belangte Behörde zu Recht nicht auch einen mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verbundenen Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers angenommen.
Im Hinblick auf die sich in der Vielzahl der vom Beschwerdeführer begangenen, teilweise schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen sowie in den gerichtlich strafbaren Handlungen manifestierenden Neigung des Beschwerdeführers, sich über die österreichische Rechtsordnung hinwegzusetzen, ist der belangten Behörde zuzustimmen, daß das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (insbesondere auf den Gebieten der Arbeitsmarktverwaltung, des Straßenverkehrs und des Gewerbewesens) und zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen, dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig sei.
2.4. Bei der Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG hat die belangte Behörde zu Recht die in der Beschwerde vorgebrachten "gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen" des Aufenthaltsverbotes aufgrund der Tatsache, daß der Beschwerdeführer Gesellschafter und "maßgeblich Verantwortlicher" eines im Aufschwung befindlichen Bauunternehmens ist, nicht berücksichtigt, weil im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG als für ein Verbleiben des Fremden im Bundesgebiet sprechende Umstände ausschließlich solche in Betracht kommen, die dem privaten und familiären Interessenbereich zuzuordnen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. November 1995, Zl. 95/18/1264). Im Hinblick auf die geradezu beharrlichen Gesetzesverstöße und die daraus resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen durch den Beschwerdeführer ist die belangte Behörde - auch wenn man zugunsten des Beschwerdeführers dessen in der Beschwerde vorgebrachte Berufstätigkeit berücksichtigt - zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.
3. Da nach dem Gesagten dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
UnterschriftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995181160.X00Im RIS seit
20.11.2000