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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Rutter, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. November 1994, Zl. 102.347/2-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 21. November 1994 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufG abgewiesen.
Begründet wurde der angefochtene Bescheid damit, daß der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin im Sinn des § 5 Abs. 1 AufG als nicht gesichert anzusehen sei.
Das "Amt der Wiener Landesregierung", das in erster Instanz entschieden habe, habe den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Bewilligung nach § 5 Abs. 1 AufG mit der Begründung abgewiesen, daß der vom Gesetz verlangte gesicherte Unterhalt nicht gegeben sei, weil die zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel im Ausmaß von S 6000,-- für den dauernden Aufenthalt nicht ausreichten; dabei habe diese Behörde den Sozialhilferichtsatz für das Bundesland Wien zu berücksichtigen und als Berechnungsgrundlage heranzuziehen gehabt. Gegen diese Beurteilung habe die Beschwerdeführerin im wesentlichen eingewendet, daß sie insgesamt S 7.750,-- verdienen würde und bei ihrem Vater unentgeltlich mit ihrer Tochter wohnen könnte.
Das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde habe ergeben, daß die Beschäftigungsbewilligung der Beschwerdeführerin bereits am 8. Oktober 1994 abgelaufen und beim zuständigen Landesarbeitsamt kein Verlängerungsantrag eingebracht worden sei.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, sah im übrigen jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf eine Bewilligung "Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist".
2. Die Behörde erster Instanz hat ihre auf § 5 Abs. 1 AufG gestützte abweisliche Entscheidung damit begründet, daß die Beschwerdeführerin "knapp S 6.000,-- netto monatlich" verdiene und "mit dieser Einkommenshöhe der Lebensunterhalt für eine dreiköpfige Familie in Österreich nicht gesichert" sei.
Die belangte Behörde hat für ihre bestätigende Entscheidung diese Begründung im wesentlichen - unter Bezugnahme auf den "Sozialhilferichtsatz für das Bundesland Wien" - übernommen; weiters hat die belangte Behörde ins Treffen geführt, daß die Beschäftigungsbewilligung der Beschwerdeführerin bereits abgelaufen und beim zuständigen Arbeitsamt kein Verlängerungsantrag eingebracht worden sei.
3. Die den abweislichen Spruch des bekämpften Bescheides tragende Begründung ist mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht nachvollziehbar.
Zwar begegnet die Heranziehung des Sozialhilferechtes des betreffenden Bundeslandes für die Beurteilung der Frage des nicht gesicherten Unterhaltes für die Geltungsdauer einer Bewilligung im Sinn des § 5 Abs. 1 AufG grundsätzlich keinen Bedenken (zur diesbezüglichen Maßstab-Funktion des Sozialhilferechtes des betreffenden Bundeslandes vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 10. Februar 1993, Zl. 93/18/0549, und vom 28. September 1995, Zl. 95/18/0668).
Allerdings hat es die belangte Behörde im vorliegenden Fall verabsäumt, in einer zu keinen Zweifeln Anlaß gebenden Weise darzulegen, welchen monatlichen Betrag sie als richtsatzmäßige Gesamtunterstützung im Sinne des Sozialhilferechtes des Landes Wien einerseits und welchen monatlichen Betrag als der Beschwerdeführerin zur Verfügung stehende Mittel andererseits sie als maßgeblichen Sachverhalt dem Tatbestand des nicht gesicherten Unterhaltes subsumiert hat (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 95/18/0668).
Die belangte Behörde hat es auch unterlassen, sich mit dem Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin auseinanderzusetzen, daß ihr Mann mittlerweile nicht mehr in Österreich sei, sie auch keinen Mietzins zahle und somit der Lebensunterhalt für eine zweiköpfige Familie gesichert sei. Auch dies wäre aber zur Ermittlung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes geboten gewesen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 1995, Zl. 95/18/0324).
5. Da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei einem Unterbleiben der aufgezeigten, den Verwaltungsgerichtshof an einer Überprüfung der bekämpften Entscheidung auf ihre inhaltliche Rechtmäßigkeit hindernden Verfahrensmängel zu einem anderen (für die Beschwerdeführerin günstigen) Ergebnis hätte gelangen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 59 Abs. 1 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
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ECLI:AT:VWGH:1996:1995180502.X00Im RIS seit
02.05.2001