Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG §5Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr.in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache der Bezirkshauptmannschaft Amstetten gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 22. Dezember 2020, LVwG-S-2389/001-2019, betreffend Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (mitbeteiligte Partei: Mag. D P in S, vertreten durch die Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Reisnerstraße 53), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 23. September 2019 wurde dem Mitbeteiligten vorgeworfen, dass er es als verantwortlicher Beauftragter einer näher bezeichneten GmbH (im Folgenden: F GmbH) zu verantworten habe, dass diese Gesellschaft vom 3. Oktober 2016 bis 3. Jänner 2018 eine Abfallbehandlungsanlage betrieben habe, ohne im Besitz der nach § 37 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) erforderlichen Genehmigung zu sein. Er habe dadurch als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) § 79 Abs. 1 Z 9 iVm § 37 AWG 2002 verletzt, weshalb gegen ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 4.200 € (Ersatzfreiheitsstrafe 34 Stunden) zuzüglich der Verfahrenskosten in Höhe von 420 € verhängt wurde.
2 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge, hob den angefochtenen Bescheid auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein. Es sprach aus, dass eine ordentliche Revision nicht zulässig sei.
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die F GmbH betreibe eine Abfallbehandlungsanlage, der im Jahr 1984 die gewerberechtliche Genehmigung und die naturschutzrechtliche Bewilligung erteilt worden sei. Änderungen in den laufenden Jahren seien gewerberechtlich bewilligt worden. Im Jahr 2015 sei im Rahmen einer Überprüfung nach der Gewerbeordnung festgestellt worden, dass für eine Reihe von Maschinen, Geräten und Anlagen keine behördliche Genehmigung beantragt worden sei. Mit Bestellungsdekret vom 4. Dezember 2015 sei der Mitbeteiligte zum verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen für die Einhaltung unter anderem der Bestimmungen des AWG 2002 bestellt worden. Aufgrund der von der F GmbH vorgelegten Unterlagen zur Genehmigung einer Abänderung der Betriebsanlage nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung habe die Bezirkshauptmannschaft Amstetten mit Schreiben vom 29. März 2016 den Betriebsanlagenakt zuständigkeitshalber der Abfallrechtsbehörde abgetreten. Da weder für die Behörde noch für das Unternehmen klar gewesen sei, ob die gesamte Anlage oder Teile davon der Gewerbeordnung oder dem Abfallwirtschaftsgesetz unterliegen würden, habe die F GmbH im Jahr 2016 entschieden, die gesamte Anlage dem Regime des Abfallwirtschaftsgesetzes zu unterwerfen.
4 Noch vor Begutachtung des eingereichten Projekts seien Verbesserungsaufträge ergangen. Im November 2017 habe die F GmbH die aufgetragenen Unterlagen für die Genehmigung nach § 37 AWG 2002 der Abfallrechtsbehörde nachgereicht.
5 Zwischen dem damaligen Abteilungsleiter der Abfallrechtsbehörde und der F GmbH sei ab der Zuständigkeit der Abfallrechtsbehörde im März 2016 die (mündliche) Vereinbarung geschlossen worden, dass das Unternehmen der F GmbH bis zur Genehmigung der Anlage gemäß § 37 AWG 2002 weitergeführt werden dürfe. Diese Vereinbarung sei im Tatzeitraum (3. Oktober 2016 bis 3. Jänner 2018) aufrecht gewesen.
6 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, dass dem Mitbeteiligten ein Ungehorsamsdelikt vorgeworfen werde. Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genüge zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimme. Im Fall eines Ungehorsamsdelikts trete eine Umkehr der Beweislast insofern ein, als die Behörde die Beweislast lediglich hinsichtlich der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes treffe; es sei Sache des Täters, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe.
Es könne dem Mitbeteiligten hier nicht zum Nachteil gereichen, dass die Bezirkshauptmannschaft Amstetten in einem Zeitraum von nahezu 14 Jahren - bis zur Abtretung des Anlagenaktes am 29. März 2016 - als unzuständige Behörde eingeschritten sei. Wenn nicht einmal die Behörde ihre Zuständigkeit rechtsrichtig in Anspruch nehme, könne dies dem Mitbeteiligten nicht vorgeworfen werden. Darüber hinaus habe es eine Vereinbarung mit der örtlich und sachlich zuständigen Behörde (durch den Abteilungsleiter der Abfallrechtsbehörde) und der F GmbH gegeben, dass das Unternehmen aufgrund der bis zur Abtretung vorgelegenen Unzuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Amstetten und der daraus hervorgehenden genehmigungsrechtlichen Probleme weiterhin fortgeführt werden dürfe. Wenn die zuständige Behörde einem Unternehmen den Fortbetrieb bis zur Erlangung der abfallrechtlichen Genehmigung zugestehe, dann dürften der Mitbeteiligte und das Unternehmen darauf vertrauen, dass diese Vereinbarung eingehalten werde, weshalb auch aus diesem Grund dem Mitbeteiligten kein Verschulden vorzuwerfen sei (Verweis auf VwGH 28.2.2012, 2011/05/0022). Dem Mitbeteiligten sei somit die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens gelungen.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, die zusammengefasst ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend macht, weil das Verwaltungsgericht die Vereinbarung zwischen der F GmbH und dem damaligen Leiter der Abfallrechtsbehörde als Entschuldigungsgrund für einen konsenslosen Anlagenbetrieb herangezogen habe.
8 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Begehren, die Revision kostenpflichtig zurück- und in eventu abzuweisen.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Mit ihrem Vorbringen vermag die Amtsrevision ihre Zulässigkeit nicht darzutun:
13 Die Amtsrevision macht geltend, dass keine höchstgerichtliche Judikatur bekannt sei, wonach eine Vereinbarung wie die vom Verwaltungsgericht festgestellte als Entschuldigungsgrund für einen konsenslosen Anlagenbetrieb dienen könne. Dies trifft jedoch nicht zu: Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schließt die Auskunft der zuständigen Behörde (zu einem bestimmten Sachverhalt) das Verschulden aus (sofern der danach verwirklichte Sachverhalt in den relevanten Punkten mit dem angefragten übereinstimmt; vgl. VwGH 17.9.2014, 2011/17/0093, mwN, und - argumentum e contrario - VwGH 26.4.2016, Ro 2015/09/0014, mwN). Diese Bedeutung für das Verschulden eines Beschuldigten kommt einer derartigen Vereinbarung sogar ungeachtet einer allfälligen Nichtigkeitsfolge im Falle des Fehlens der gesetzlichen Grundlage oder der Überschreitung des Ermächtigungsrahmens zu (vgl. wiederum VwGH 17.9.2014, 2011/17/0093, mwN).
14 Das angefochtene Erkenntnis weicht auch nicht von der in der Zulässigkeitsbegründung der Amtsrevision angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil den darin angeführten Erkenntnissen jeweils eine andere Sachverhaltskonstellation zugrunde liegt.
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
16 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 4. Oktober 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021050029.L00Im RIS seit
25.10.2022Zuletzt aktualisiert am
25.10.2022