TE Lvwg Erkenntnis 2022/9/22 LVwG-2022/35/2230-3

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Veröffentlicht am 22.09.2022
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Entscheidungsdatum

22.09.2022

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §71 Abs1 Z1
  1. AVG § 71 heute
  2. AVG § 71 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  3. AVG § 71 gültig von 01.01.1999 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 158/1998
  4. AVG § 71 gültig von 01.07.1995 bis 31.12.1998 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995
  5. AVG § 71 gültig von 01.02.1991 bis 30.06.1995

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Christ über die Beschwerde von Herrn AA, Adresse 1, **** Z, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 2, **** Y, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 1.6.2022, Zl ***, betreffend einen Auftrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einem Verfahren nach dem TNSchG 2005 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

                                                                                                   

zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.   Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Verfahrensablauf:

1. Zum angefochtenen Bescheid vom 1.6.2022, Zl ***:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 22.02.2022, Zl ***, wurden dem nunmehrigen Beschwerdeführer insgesamt 26 Verwaltungsübertretungen nach dem TNSchG 2005 zur Last gelegt und Geldstrafen im Gesamtausmaß von 3.900,00 Euro verhängt.

Bezüglich dieses Straferkenntnisses erhob Herr AA, vertreten durch Rechtsanwalt BB, am 16.05.2022 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen (möglicher) Versäumung einer Frist, sowie einen Antrag auf aufschiebende Wirkung. Gleichzeitig mit Einbringen des Wiedereinsetzungsantrages wurde die versäumte Handlung, nämlich die Beschwerde gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschat vom 22.02.2022, Zl ***, nachgeholt.

Mit dem in weiteren Folge erlassenen und nunmehr angefochtenen Bescheid wurde von der belangten Behörde über die genannten Anträge wie folgt abgesprochen:

„1.) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 idgF wird als unbegründet abgewiesen.

2.) Dem Antrag auf aufschiebenden Wirkung gemäß § 71 Abs 6 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 idgF wird stattgegeben.“

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen wie folgt aus:

„Gemäß § 71 Abs 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 idgF ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einer Partei, die eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt hat, auf ihren Antrag hin zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft (Z 1), oder die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe erhält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei (Z 2).

Als Wiedereinsetzungsgründe gelten auch subjektive, dem Innenleben einer Partei angehörigen Vorgänge (VwSlg 5643 A/1961 verst Sen). Daher ist als Ereignis nicht nur ein Ereignis zu sehen, welches in der Außenwelt stattfindet, sondern auch ein solches, welches auf menschlicher Unzulänglichkeit beruht (VwSlg 10.325 A/1980; 13.353 A/1991). Zu solchen Ereignissen zählt die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes demonstrativ auch Vergessen und Versehen (VwGH 16.5.1984, 83/11/0143 Sen).

Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt des Weiteren das Erleiden eines Rechtsnachteils des Antragstellers durch die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung voraus (VwGH 17.11.1981, 11/2551/80). Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes tritt ein solcher Rechtsnachteil dann ein, wenn der Partei die Vornahme einer Prozesshandlung, die zur Wahrung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen notwendig und zweckmäßig ist, nicht mehr vornehmen kann (VwGH 17.11.1981, 11/2551/80). Es ist nicht erforderlich, dass ein materieller Nachteil dargetan wird. Es ist unerheblich, ob die versäumte Rechtshandlung auch zu dem intendierten Erfolg geführt hätte (VwGH 17.11.1981, 11/2551/80). Jedoch hat sich nach der hg. Judikatur derjenige der sich gegenüber der Behörde des Mittels der Telekopie bedient, zur vergewissern, ob die Übertragung erfolgreich durchgeführt wurde. Wird eine solche Kontrolle nicht vorgenommen, so kann im Rahmen eines Wiedereinsetzungsverfahrens nicht mehr von einem minderen Grad des Versehens die Rede sein. Dies gilt auch für die Einbringung von fristgebundenen Eingaben per E-Mail. Im Erkenntnis vom 03.09.2003 Z. 2002/03/0139, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die bloße Bestätigung über die Absendung eines E-Mails nicht den zwingenden Schluss zulasse, dass die Sendung auch beim Empfänger angekommen sei, dies unabhängig davon, ob vom System eine Fehlermeldung generiert worden sei. Zum Nachweis des Einlangens sei vielmehr eine bei Absendung (mit Hilfe der Funktion ‚Übermittlung der Sendung bestätigen‘) anzufordernde Übermittlungsbestätigung erforderlich (VwGH 2012/10/0100).

Hierzu sei zu erwähnen, dass in der Rechtsmittelbelehrung des Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 22.02.2022 Zl. *** genauestens vermerkt ist, dass der Absender die mit jeder Übermittlungsart verbundenen Risiken (z.B. Übertragungsverlust, Verlust des Schriftstückes) zur Gänze trägt. Die Bekanntmachung des Bezirkshauptmannes zur rechtswirksamen Einbringung und deren technischen Voraussetzungen und die Bekanntmachung des Bezirkshauptmannes über die Amtssignatur nach §§ 19 und 20 E-Government-Gesetz sind ebenfalls in weiterer Folge zu beachten, anderenfalls kann eine rechtswirksame Einbringung nicht erfolgen.

Dem Beschwerdevertreter ist daher als Verstoß gegen die geforderte Mindestsorgfaltspflicht anzulasten, dass bei der Versendung der Beschwerde auf die Erlangung einer Übermittlungsbestätigung (Nachrichtenoption ‚Übermittlung der Sendung bestätigen‘) offensichtlich verzichtet worden ist. Des Weiteren übermittelt die Bezirkshauptmannschaft bei jeder eingelangten E-Mail an die Adresse eine Empfangsbestätigung. Somit kann für den Absender leicht nachvollzogen werden, dass die E-Mail bei der Behörde tatsächlich eingelangt ist. Der Beschwerdevertreter konnte weder eine Empfangsbestätigung der Behörde noch eine Übermittlungsbestätigung der Sendung vorweisen.

Daraus ergibt sich, dass der rechtskundige Parteienvertreter, der ein fristgebundenes Rechtsmittel per Email einbringt, zur Vermeidung eines über den minderen Grad hinausgehenden Versehens gehalten ist, im Rahmen der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten eine Bestätigung über den Erhalt der Sendung durch den Empfänger bzw. eine vom System automatisch generierte Übermittlungsbestätigung anzufordern bzw. seinen Kanzleibetrieb so einzurichten und zu überwachen, dass derartige Anforderungen durchgeführt werden. Er wird den für ihn geltenden Sorgfaltsanforderungen hingegen nicht gerecht, wenn er sich bloß darauf verlässt, dass nach der Absendung einer E-Mail Nachricht keine Fehlermeldung erfolgt.

Da keine Wiedereinsetzungsgründe vorlagen, hat die Behörde den Antrag mit verfahrensrechtlichem Bescheid abzuweisen.

Gemäß § 71 Abs 6 AVG iVm mit § 64 Abs 2 AVG konnte dem Antrag auf aufschiebende Wirkung stattgegeben werden, da keine öffentlichen Interessen beeinträchtigt wurden, sowie keine Gefahr im Verzug gegeben war.“

2. Beschwerde:

Gegen den unter Z 1 genannten Bescheid erhob Herr AA, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Beschwerde, welche am 5.7.2022 per Email an die Bezirkshauptmannschaft Y übermittelt und mit der insbesondere die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend begehrt wurde, dass dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Folge gegeben wird.

Begründet wird diese Beschwerde wie folgt:

„Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass mit Bekanntgabe vom 2.6.2022 eine Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlage erfolgt ist, worauf der Bescheid aber nicht Bezug nimmt. Unrichtig ist damit im Zusammenhang die Behauptung, dass der Beschuldigte keine Übermittlungsbestätigung der Sendung vorweisen konnte. Tatsache ist, dass die Beschwerde fristgerecht am 4.4.2022 um 14.31 Uhr an die BH-Y gesandt wurde. Sie muss auch dort eingelangt sein, sich allenfalls in einem Spamfilter befunden haben und dann gelöscht worden sein, was aber nicht zu Lasten des Beschuldigten gehen kann, der fristgerecht die Beschwerde überreicht hatte. Dazu kommt, dass aufgrund der Bekanntgabe vom 2.6.2022, welche die Behörde bei Ihrer Entscheidung berücksichtigen hätte müssen, nur aus einer geringen und verzeihbaren Nachlässigkeit von der Sekretärin des Beschuldigtenvertreters seine Anfrage missverstanden wurde, ob ein ‚Sendebericht‘ vorliege. Gemeint hatte der Beschuldigtenvertreter die Empfangsbestätigung der BH Y, was aber die Sekretärin des Beschuldigtenvertrers mit dem eigenen Sendebericht verwechselt hat. Nachdem sie dies dann bejaht hat, wurde vom Beschuldigtenvertreter der Auftrag erteilt - er ist eben davon ausgegangen, dass die Beschwerde bei der BH Y nachweislich eingegangen ist - den Akt abzulegen.

Dass die Beschwerde tatsächlich bei der BH Y im vorliegenden Fall eingegangen ist und dort offensichtlich verlegt wurde, ergibt sich auch daraus, dass in einer anderen Angelegenheit, wo nachweislich ein Einspruch verfasst und an die BH übermittelt wurde, ebenfalls keine automatisierte Empfangsbestätigung dem Beschuldigtenvertreter übermittelt wurde. Erst über telefonische Nachfrage wurde bestätigt, dass der Einspruch eingelangt sei. Warum eine Empfangsbestätigung dem Beschuldigtenvertreter nicht übermittelt wurde, konnte auch die Mitarbeiterin der BH Y, CC, nicht mitteilen (Akt der BH Y ZL ***). Es liegt sohin ein mindergradiges Versehen vor“.

3. Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol:

Vom Landesverwaltungsgericht Tirol wurde am 19.9.2022 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Zuge dieser Verhandlung wurde vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers das bisherige Beschwerdevorbringen nochmals näher vorgetragen und zu untermauern versucht. Auf eine Einvernahme der - vom Beschwerdeführer selbst als Zeugin angebotenen - Sekretärin des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers wurde ausdrücklich verzichtet.

II. Rechtliche Erwägungen:

1. Zur Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Tirol:

Die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Tirol, in der vorliegenden Rechtssache zu entscheiden, gründet in der Bestimmung des Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG, wonach über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit die Verwaltungsgerichte erkennen.

Das Landesverwaltungsgericht ist in der gegenständlichen Angelegenheit gem Art 131 Abs 1 B-VG zuständig, zumal sich aus den Abs 2 und 3 dieser Bestimmung keine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts des Bundes ergibt.

2. Zur Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde:

Die Beschwerde wurde innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist nach § 7 Abs 4 VwGVG eingebracht und ist insofern rechtzeitig.

Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist die vorliegende Beschwerde auch zulässig.

3. Zur Sache:

Der im vorliegenden Fall maßgebliche § 71 AVG lautet wie folgt:

„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 71.

(1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen.“

Im vorliegenden Fall ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Prüfumfang des Landesverwaltungsgerichtes nach § 27 VwGVG darauf beschränkt ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) zu überprüfen, wobei die Beschwerde nach § 9 Abs 1 Z 3 und 4 VwGVG die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, und das Begehren zu enthalten hat.

Vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens war im vorliegenden Fall also zu prüfen, ob entgegen der Annahme der belangten Behörde die im § 71 Abs 1 Z 1 AVG genannte Voraussetzung für die Bewilligung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorlag, ob der Beschwerdeführer also glaubhaft gemacht hat, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 22.2.2022 einzuhalten, und dass ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Dies ist aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichtes zu verneinen.

Der Abs 2 des § 13 AVG lautet wie folgt:

„(2) Schriftliche Anbringen können der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen.“

Aus VwGH 28.6.2018, Ra 2018/02/0185, ergibt sich folgender Rechtssatz:

„Aus dem klaren Wortlaut des § 13 Abs. 1 iVm Abs. 2 AVG ergibt sich, dass Einbringungen per E-Mail zwar noch zusätzlichen Beschränkungen unterworfen werden dürfen, sie sind grundsätzlich aber iSd § 13 leg cit. auch als schriftliche (im Gegensatz zu mündlichen oder telefonischen) Anbringen zu verstehen. Hat die Behörde keine Einschränkung der Geltung der Amtsstunden für bestimmte Formen von schriftlichen Anbringen vorgenommen, erweist sich eine außerhalb der kundgemachten Amtsstunden per E-Mail am letzten Tag der Frist eingebrachte Beschwerde als verspätet. Sie ist nach § 13 Abs. 5 AVG daher erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht anzusehen (vgl. VwGH 23.5.2012, 2012/08/0102).“

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen besteht kein Zweifel, dass die Einbringung einer Beschwerde mittels E-Mail grundsätzlich zulässig ist. Wie der Beschwerdeführer durch Übermittlung eines Sendeberichtes bewiesen hat, wurde von diesem auch tatsächlich am 4.4.2022 und 14:31 Uhr eine Beschwerde an die offizielle Mailadresse der Bezirkshauptmannschaft Y versandt.

In der ab 23. Februar 2022, ZL ***, gültigen und auf der Homepage der Bezirkshauptmannschaft Y abrufbaren Bekanntmachung über „Rechtswirksames Einbringen im elektronischen Verkehr“ wird die genannte Mailadresse als zur Verfügung stehender Kontakt im elektronischen Verkehr ausdrücklich genannt. Eine Beschränkung des Einbringens von Anbringen im elektronischen Verkehr auf Zeiten der Amtsstunden oder Parteienverkehrszeiten besteht ausdrücklich nicht. Allerdings wird unter Punkt A. 1. der genannten Bekanntmachung ausdrücklich ausgeführt, dass gewisse E-Mails nicht als rechtswirksam eingebracht gelten und dass diese nicht bearbeitet und gelöscht werden, wobei die Absenderin bzw. der Absender hierüber nicht in jedem Fall informiert werden. Unter lit f sind diesbezüglich auch E-Mails genannt, die „als Werbe-, Spam- oder Junkmails eingestuft werden“.

Vor diesem Hintergrund erweist sich die Auffassung der belangten Behörde als zutreffend, dass eine Sendebestätigung als Nachweis der rechtzeitigen Einbringung einer Beschwerde mittels E-Mail nicht ausreicht, und dass es hierfür einer Empfangsbestätigung der Behörde bedürfte.

Dies war offenbar auch dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bekannt, der sowohl in seiner Beschwerde als auch in der Bekanntgabe vom 2.6.2022 ausführt, dass intern bei allen Rechtsmitteln abgeklärt wird, ob eine Empfangsbestätigung vorliegt, und der Akt bis dahin zur Seite gelegt wird. Wenn nunmehr vorgebracht wird, dass dies im vorliegenden Fall nicht geschehen sei, da seine Sekretärin seine Nachfrage, ob ein Sendebericht vorliegt, bejaht hat, da sie unter Sendebericht jenen vom 4.4.2022, 14:31 Uhr verstand, während der Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eigentlich eine Empfangsbestätigung durch die BH meinte, so ist dieses Vorbringen nicht geeignet, einen minderen Grad des Versehens darzulegen. Gerade in Anbetracht der vom Rechtsvertreter behaupteten 25jährigen Erfahrung seiner Sekretärin und den von ihm geschilderten kanzleiinternen Vorkehrungen zur Sicherstellung rechtzeitiger Einbringungen von Schriftstücken ist ein solches Missverständnis nicht plausibel. Wie vom Rechtsvertreter selbst geschildert, wird in anderen, vergleichbaren Fällen ja sehr wohl bei der Behörde nachgefragt, ob ein Schriftstück, für das keine Empfangsbestätigung vorliegt, auch tatsächlich eingebracht wurde.

Sollte dieses Missverständnis dennoch der Grund für das Nichtnachfragen bei der Bezirkshauptmannschaft, ob die Beschwerde auch tatsächlich eingelangt ist, sein, so stellt dies jedenfalls kein bloß geringfügiges Verschulden dar, das zur Stattgabe eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führen könnte.

Daran würde sich auch nichts ändern, wenn – wie vom Beschwerdeführer laut Rücksprache bei einem IT-Techniker behauptet – das E-Mail vom 4.4.2022 jedenfalls auf dem Server der BH Y eingelangt und dann allenfalls aufgrund eines Filters in der Serveranlage noch vor Erstellung einer Empfangsbestätigung gelöscht worden wäre. Wie bereits oben ausgeführt wurde vom Bezirkshauptmann ausdrücklich bekannt gemacht, dass die Möglichkeit besteht, dass E-Mails als Werbe-, Spam- oder Junkmails eingestuft und gelöscht werden und dass hierüber nicht zwingend informiert wird, weshalb sich auch hieraus eindeutig auf die Notwendigkeit einer Empfangsbestätigung schließen lässt, um von einer tatsächlich erfolgten Einbringung ausgehen zu können, und weshalb der Verzicht hierauf deshalb kein nur geringes Verschulden darstellt.

Diese Auffassung wird auch durch die reichhaltige höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu bestätigt.

Aus VwGH 29.1.2010, 2008/10/0251, ergibt sich etwa folgender Rechtssatz:

„Nach § 63 Abs. 5 - des gemäß § 70 StudFG 1992 anzuwendenden AVG ist die Berufung binnen zwei Wochen nach Zustellung der Bescheidausfertigung bei der Behörde einzubringen. ‚Eingebracht‘ ist eine Berufung nur dann, wenn sie bei der Behörde tatsächlich einlangt. Dies ist bei einer E-Mail-Sendung dann der Fall, wenn sie von einem Server, den die Behörde für die Empfangnahme von an sie gerichteten E-Mail-Sendungen gewählt hat, empfangen wurde und sich damit im ‚elektronischen Verfügungsbereich‘ der Behörde befindet (vgl. E 22. April 2009, 2008/04/0089). Das Einlangen bei der Behörde hat die Partei zu beweisen. Eine Bestätigung über die Absendung einer E-Mail-Nachricht ist für sich allein nicht als Beweismittel für das tatsächliche Einlangen der Sendung bei der Behörde geeignet, kann daraus doch nicht geschlossen werden, dass die Nachricht tatsächlich bei der Behörde eingelangt ist (vgl. E 3. September 2003, 2002/03/0139).“

Aus VwGH 12.8.2020, Ra 2019/05/0099, ergibt sich folgender Rechtssatz:

„Schon aufgrund des Umstandes, dass der Revisionswerber im vorliegenden Fall verpflichtet war, die geforderten Dokumente nachweislich an die Behörde zu übergeben, macht er mit dem Hinweis, allenfalls vorgelegene technische Gebrechen, die den Empfang der abgeschickten E-Mail verhindert hätten, seien nicht als Verschulden seinerseits zu werten, nicht glaubhaft, dass ihn kein Verschulden an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift trifft, weil eine Sendebestätigung für eine E-Mail zwar den Schluss zulässt, dass diese versendet wurde, nicht jedoch den zwingenden Schluss, dass diese tatsächlich bei der Behörde eingelangt ist (VwGH 19.3.2013, 2011/02/0333). Das Absenden einer E-Mail allein stellt daher noch keinen Nachweis der Übergabe der vorzulegenden Unterlagen dar.“

Aus VwGH 8.3.2018, Ra 2017/11/0289, ergibt sich folgender Rechtssatz:

„Derjenige, der sich für fristgebundene Eingaben des E-Mails bedient, hat sich zu vergewissern, ob die Übertragung erfolgreich durchgeführt wurde. Wird eine solche Kontrolle nicht vorgenommen, kann im Rahmen eines Wiedereinsetzungsverfahrens nicht mehr von einem minderen Grad des Versehens die Rede sein (vgl. E 8. Oktober 2014, 2012/10/0100; E 3. September 2003, 2002/03/0139; E 18. Dezember 1998, 95/21/1246). Die Sorgfalt und die Pflicht, sich zu vergewissern, ob die Übertragung erfolgreich durchgeführt wurde, besteht nicht nur im Verkehr zwischen der Partei und der Behörde, sondern auch im Verkehr der Partei mit ihrem Rechtsvertreter (vgl. E 8. Juli 2004, 2004/07/0100).“

Siehe auch folgenden Rechtssatz aus VwGH 24.11.2015, Ra 2015/05/0062:

„Ein berufsmäßiger Parteienvertreter, wie insbesondere ein Rechtsanwalt, hat sich mit den einschlägigen Verfahrensbestimmungen vertraut zu machen. Unterlässt er dies, so liegt eine auffallende, einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegenstehende Sorglosigkeit vor. Mit der Kundmachung vom 9. Jänner 2015 hat der Präsident des Verwaltungsgerichtes hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass schriftliche Anbringen (u.a. Revisionen) nur während der Amtsstunden entgegengenommen werden, sodass der Revisionsvertreter nicht davon hätte ausgehen dürfen, dass die am letzten Tag der Revisionsfrist nach Ablauf der Amtsstunden mittels Telefax und E-Mail eingebrachte Revision rechtzeitig erhoben wurde (Hinweis E vom 5. Juli 2000, Zl. 2000/03/0152, und den B vom 26. Februar 2015, Ra 2014/22/0092). Einem Rechtsanwalt ist es auch zumutbar, sich mit solchen im Internet bekanntgemachten organisatorischen Beschränkungen des elektronischen Verkehrs durch das Verwaltungsgericht vertraut zu machen. Darin liegt keine Erschwerung des Zugangs zum Rechtsschutz, ist doch durch die Kundmachung im Internet sichergestellt, dass sich die Parteien über die Voraussetzungen für ein rechtzeitiges Einlangen ihrer Anbringen umfassend informieren können (Hinweis E vom 23. Mai 2012, 2012/08/0102, 0103).“

Aus VwGH 8.10.2014, 2012/10/0100, ergibt sich folgender Rechtssatz:

„Derjenige, der sich gegenüber der Behörde des Mittels der Telekopie bedient, hat sich zu vergewissern, ob die Übertragung erfolgreich durchgeführt wurde. Wird eine solche Kontrolle nicht vorgenommen, so kann im Rahmen eines Wiedereinsetzungsverfahrens nicht mehr von einem minderen Grad des Versehens die Rede sein (vgl. E 8. Juli 2004, 2004/07/0100). Dies gilt auch für die Einbringung von fristgebundenen Eingaben per E-Mail.“

Mag der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall auch insofern eine Kontrolle vorgenommen haben, als er sich bei seiner Sekretärin über die Einbringung der Beschwerde durch Nachfragen über das Vorliegen einer Empfangsbestätigung informierte, so erfolgte diese Kontrolle doch nicht in einer Art und Weise, dass die Verspätung des Rechtsmittels als aufgrund eines minderen Grads des Versehens passiert eingestuft werden könnte. Es stellt ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden dar, wenn die Vorgehensweise bei der Einbringung eines Rechtsmittels per Email kanzleiintern so organisiert ist, dass allein ein Missverständnis hinsichtlich der Begriffe „Sende- und Empfangsbestätigung“ dazu führen kann, dass ein Verwaltungsstrafakt nach Einbringung einer Beschwerde lediglich aufgrund einer Sendebestätigung abgelegt wird. Der Sekretärin hätte aufgrund ihrer jahrelangen Erfahrung bewusst sein müssen, dass ein entsprechender Auftrag des Rechtsanwaltes nicht plausibel ist, oder hätte sich der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers anderenfalls nicht mit der Bejahung der Frage nach dem Vorliegen einer Empfangsbestätigung begnügen dürfen.

Insgesamt besteht im vorliegenden Fall somit kein Zweifel, dass die Voraussetzungen nach § 71 Abs 1 AVG für die Bewilligung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorliegen, da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist glaubhaft zu machen, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, und dass ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens daran getroffen hat.

Die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages erfolgte daher zu Recht und war die gegenständliche Beschwerde daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die im vorliegenden Fall zu klärende Rechtsfrage, ob die verspätete Beschwerdeeinbringung auf einem minderen Grad des Versehens beruht, und ob die Voraussetzungen für eine Bewilligung des gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrages vorliegen, wurde vom Landesverwaltungsgericht im Einklang mit der hierzu bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung bzw unmittelbar aufgrund der anzuwendenden Rechtsvorschriften gelöst (vgl in diesem Sinn etwa den VwGH-Beschluss vom 28.5.2014, Ro 2014/07/0053).

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Christ

(Richter)

Schlagworte

Wiedereinsetzung,
unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis,
minderer Grad des Versehens,
Beschwerdeeinbringung per E-Mail,
Sendebestätigung,
Empfangsbestätigung,

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.35.2230.3

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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