TE Vwgh Beschluss 2022/9/26 Ro 2020/04/0036

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Veröffentlicht am 26.09.2022
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Index

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Norm

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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der Datenschutzbehörde in 1030 Wien, Barichgasse 40-42, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23. September 2020, Zl. W101 2132039-1/15E, betreffend eine Datenschutzbeschwerde im Zusammenhang mit dem Recht auf Auskunft (mitbeteiligte Parteien: 1. G LLC [vormals G Inc.] in M, vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1010 Wien, Schubertring 6, und 2. M L W; weitere Partei: Bundesministerin für Justiz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der Erstmitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Revisionsbeantwortung des Zweitmitbeteiligten wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Zur Vorgeschichte wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Ausführungen im hg. Beschluss vom heutigen Tag, Ro 2020/04/0034, Rn. 1 bis 6, verwiesen.

2        2.1. Mit dem vorliegend angefochtenen Erkenntnis vom 23. September 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Zweitmitbeteiligten gegen Spruchpunkt 3 des (in den Rn. 3 bis 5 des zitierten hg. Beschlusses Ro 2020/04/0034 dargestellten) Bescheides der Datenschutzbehörde (belangte Behörde, Amtsrevisionswerberin) vom 15. Juni 2016 als unbegründet ab. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt.

3        Das BVwG verwies zunächst auf drei (zwischen Dezember 2019 und Februar 2020 eingebrachte) Schreiben der Erstmitbeteiligten. Darin habe diese angegeben, dass sie nunmehr den Namen G LLC (G L) und nicht mehr G I trage. Des Weiteren sei sie hinsichtlich der Nutzer der meisten G-Dienste im EWR nicht mehr datenschutzrechtliche Verantwortliche; vielmehr sei seit 22. Jänner 2019 bezüglich der personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit der Nutzung von G-Diensten durch Nutzer mit gewöhnlichem Aufenthalt im EWR G I Limited (G I L) datenschutzrechtlicher Verantwortlicher. Der Zweitmitbeteiligte habe in einer Stellungnahme vom Jänner 2020 angegeben, dass ihn keine Mitwirkungsverpflichtung treffe und er für die Erstmitbeteiligte identifizierbar gewesen sei. Weiters verwies das BVwG auf die am 8. Juni 2020 betreffend den auch hier bekämpften Bescheid (aufgrund der Beschwerde der Erstmitbeteiligten gegen dessen Spruchpunkte 1 und 2) durchgeführte mündliche Verhandlung, an der alle Parteien auch des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens teilgenommen hätten.

4        Festgestellt wurde zunächst, dass G L als Rechtsnachfolgerin von G I in das Verfahren eingetreten sei. Die vom Zweitmitbeteiligten begehrten Auskünfte beträfen personenbezogene Daten sowohl innerhalb als auch außerhalb seines Nutzerkontos bei der Erstmitbeteiligten. Der Zweitmitbeteiligte sei von der Erstmitbeteiligten in einem ersten Schritt auf die Einsicht im Wege der zur Verfügung gestellten Online-Werkzeuge verwiesen worden. Als Inhaber eines Nutzerkontos habe er auch die Möglichkeit gehabt, Einsicht in diese Online-Werkzeuge zu nehmen. Die Erstmitbeteiligte habe den Zweitmitbeteiligten im Detail darüber informiert, wie er seine personenbezogenen Daten im Nutzerkonto selbst abrufen könne, und sie habe ihm angeboten, ihn „durch die Online-Tools durchzuführen“. Insofern sei der Zweitmitbeteiligte nicht berechtigt, zusätzlich Auskünfte zu seinen personenbezogenen Daten innerhalb seines Nutzerkontos in schriftlicher Form zu erhalten.

5        In seiner rechtlichen Beurteilung ging das BVwG zunächst davon aus, dass die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des BVwG geltende Rechtslage und somit die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) anzuwenden sei. Zudem hielt es mit näherer Begründung fest, im Hinblick auf den „Tatzeitraum“ zwischen dem Auskunftsbegehren vom 30. Oktober 2015 und dem zweiten Antwortschreiben vom 24. Februar 2016 sei nicht G I L, sondern G I (bzw. G L als Rechtsnachfolgerin) als datenschutzrechtliche Auftraggeberin (nunmehr Verantwortliche) anzusehen.

6        Weiters hielt das BVwG fest, der Verweis auf die Einsicht im Wege der zur Verfügung gestellten Online-Werkzeuge sei rechtens gewesen, zumal der Zweitmitbeteiligte aufgrund seiner Computerausstattung grundsätzlich die Möglichkeit habe, in die Online-Werkzeuge seines Nutzerkontos Einsicht zu nehmen. Der Zweitmitbeteiligte sei daher nicht berechtigt gewesen, neben dieser Art der Auskunftserteilung zusätzlich Auskünfte zu den personenbezogenen Daten innerhalb seines Nutzerkontos in schriftlicher Form zu erhalten. Da dem Spruchteil 3 des Bescheides der belangten Behörde somit keine Rechtswidrigkeit anhafte, sei die dagegen erhobene Beschwerde abzuweisen gewesen.

7        Der Zweitmitbeteiligte habe ausdrücklich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet, zudem sei der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der am 8. Juli 2020 durchgeführten, denselben Bescheid betreffenden Verhandlung geklärt gewesen.

8        Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das BVwG damit, dass der „großteils fehlenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur seit 25.05.2018 geltenden Rechtslage nach dem DSG und der DSGVO (hier: Art. 15) [...] gegenständlich eine große Bedeutung“ zukomme.

9        2.2. Der Beschwerde der Erstmitbeteiligten gegen die Spruchpunkte 1 und 2 des Bescheides der belangten Behörde hat das BVwG bereits zuvor mit Erkenntnis vom 11. September 2020 stattgegeben (siehe zur Erledigung der dagegen erhobenen ordentlichen Revision der belangten Behörde den hg. Beschluss vom heutigen Tag Ro 2020/04/0034).

10       3. Gegen das eingangs genannte Erkenntnis vom 23. September 2020 richtet sich die vorliegende ordentliche Revision der belangten Behörde.

11       Die Erstmitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision beantragt.

12       Der Zweitmitbeteiligte brachte einen als Revisionsbeantwortung bezeichneten Schriftsatz ein, in dem er dem Begehren der Amtsrevision, das angefochtene Erkenntnis aufzuheben, im Ergebnis beitritt.

13       4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

15       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

16       Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die maßgeblichen Gründe für die Zulässigkeit der Revision aufzuzeigen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. VwGH 24.10.2018, Ro 2016/04/0047, Rn. 15, mwN).

17       5. Die Begründung der Zulässigkeit der Revision erfordert (abgesehen von den Fällen einer abweichenden oder uneinheitlichen Rechtsprechung) die Darlegung, konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat. Mit dem bloßen Hinweis auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer näher bezeichneten Verwaltungsvorschrift wird nicht dargelegt, welche konkret auf die vorliegende Revisionssache bezogene grundsätzliche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof erstmals zu lösen hätte (siehe VwGH 22.4.2022, Ro 2021/12/0007, Rn. 14, mwN).

18       Mit der vorliegenden, bloß allgemein gehaltenen Begründung der Zulässigkeit durch das BVwG wird nach Maßgabe dieser Anforderungen für sich genommen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.

19       6.1. Soweit die Amtsrevisionswerberin in ihrer Zulässigkeitsbegründung die fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (sowohl allgemein als auch im Besonderen hinsichtlich der hier betroffenen Unternehmen) zur Stellung als datenschutzrechtlicher Verantwortlicher bzw. die diesbezüglich unzureichende Begründung des BVwG ins Treffen führt, kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung im bereits zitierten hg. Beschluss Ro 2020/04/0034, Rn. 28 f, verwiesen werden.

20       6.2. Weiters bringt die Amtsrevisionswerberin zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, das BVwG habe die Bestimmungen betreffend die Durchführung einer mündlichen Verhandlung missachtet; im Hinblick auf die Änderung der Rechtslage und der Unternehmensstruktur von Google wäre es ungeachtet des Fehlens eines Parteiantrages geboten gewesen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

21       Die Aufhebung eines Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG setzt voraus, dass das Verwaltungsgericht bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschriften zu einem anderen Erkenntnis oder Beschluss hätte kommen können. Daher reicht es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel konkret darzulegen. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden (vgl. VwGH 8.3.2021, Ra 2020/14/0341, Rn. 26, mwN).

22       Zwar ist bei behaupteter Verletzung des Rechtes auf Durchführung einer Verhandlung im Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK sowie des Art. 47 GRC eine solche Relevanzdarstellung nicht erforderlich. Der Grund dafür liegt darin, dass die Rechtsprechung des EGMR zum Erfordernis der mündlichen Verhandlung nach Art. 6 EMRK eine solche Relevanzprüfung nicht vorsieht, was entsprechend auch auf das auf Art. 47 GRC gestützte Recht auf mündliche Verhandlung zu übertragen ist. Außerhalb des Anwendungsbereiches des Art. 6 EMRK und des Art. 47 GRC ist es aber weiterhin Sache des Revisionswerbers, die Relevanz der unterbliebenen mündlichen Verhandlung aufzuzeigen. Dies gilt auch für eine Amtsrevision, in der das Unterbleiben einer an sich gebotenen Verhandlung releviert wird, weil die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde in einer von ihr erhobenen Revision nicht die Verletzung subjektiver Rechte (etwa nach Art. 6 EMRK oder des Art. 47 GRC), sondern einen objektiven Verstoß gegen Verfahrensbestimmungen geltend macht (vgl. zu allem erneut VwGH 8.3.2021, Ra 2020/14/0341, Rn. 27 f, mwN).

23       Vorliegend zeigt die Amtsrevisionswerberin eine derartige Relevanz nicht auf, zumal das BVwG darauf verwiesen hat, dass im Verfahren über die Beschwerde der Erstmitbeteiligten gegen die Spruchpunkte 1 und 2 des auch hier gegenständlichen Bescheides vom 15. Juni 2016 und somit zur hier zugrundeliegenden Datenschutzbeschwerde des Zweitmitbeteiligten eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung aller Parteien durchgeführt worden sei. Soweit die Amtsrevisionswerberin in diesem Zusammenhang die unterbliebene Erörterung der Stellung als datenschutzrechtlicher Verantwortlicher ins Treffen führt, kann zudem auf die Ausführungen in Rn. 19 bzw. in den dort bezogenen Rn. 28 f des hg. Beschlusses Ro 2020/04/0034 verwiesen werden. Auch mit dem pauschal gehaltenen Vorbringen zur eingetretenen Änderung der Rechtslage legt die Amtsrevisionswerberin die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel nicht dar.

24       6.3. Dem Zulässigkeitsvorbringen, wonach das BVwG unzureichend begründet habe, warum es die im Rahmen einer Online-Einsicht erteilte Auskunft als ausreichend erachte, ist entgegenzuhalten, dass ein geltend gemachter Begründungsmangel keinen relevanten Verfahrensfehler begründet und nicht zur Aufhebung der Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof führt, wenn er weder die Partei an der Rechtsverfolgung noch den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung, hindert (vgl. VwGH 11.10.2021, Ra 2021/03/0165, Rn. 22). Derartiges wird in der Amtsrevision nicht dargelegt und ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht ersichtlich, zumal die belangte Behörde in ihrem Bescheid vom 15. Juni 2016 den Verweis auf eine Online-Einsicht (hinsichtlich der derart einsehbaren Daten) dem Grunde nach selbst als hinreichend erachtet hat.

25       7. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

26       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen.

27       Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 (zur Verpflichtung des Bundes zur Tragung des Aufwandersatzes vgl. VwGH 30.6.2015, Ro 2015/15/0015, 0003).

28       Die Zurückweisung der „Revisionsbeantwortung“ des Zweitmitbeteiligten beruht darauf, dass das VwGG keinen Eintritt als mitbeteiligte Partei auf Seiten der revisionswerbenden Partei kennt. Wenn sich der Zweitmitbeteiligte daher in seiner Revisionsbeantwortung im Ergebnis der Amtsrevision anschließt, war dieser Schriftsatz der Sache nach als verspätete (die Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses an den Zweitmitbeteiligte erfolgte ausweislich des verwaltungsgerichtlichen Aktes am 2. Oktober 2020) Revision zu werten und gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen (vgl. VwGH 8.4.2022, Ro 2022/03/0016, Rn. 53, mwN).

Wien, am 26. September 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2020040036.J00

Im RIS seit

24.10.2022

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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