TE Vwgh Beschluss 2022/9/27 Ra 2020/04/0017

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Veröffentlicht am 27.09.2022
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Norm

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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, in der Revisionssache 1. des P K in N und 2. der A in W, beide vertreten durch Dr. Lorenz E. Riegler, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 124/14, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom 25. November 2019, Zl. E B02/09/2019.001/027, betreffend gewerberechtliches Betriebsanlagenverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See; mitbeteiligte Partei: X GmbH in W, vertreten durch Dr. Christina Hofmann, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Einspinnergasse 1), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Mit Bescheid vom 26. April 2019 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See (belangte Behörde) der X GmbH (mitbeteiligte Partei) die betriebsanlagenrechtliche Genehmigung zur Errichtung eines Möbellagers unter Vorschreibung von Auflagen an einem näher genannten Standort in der Gemeinde Z.

Dagegen erhoben der Erstrevisionswerber (als Nachbar) und die Zweitrevisionswerberin (als anerkannte Umweltorganisation) Beschwerde.

2        2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 25. November 2019 wies das Landesverwaltungsgericht Burgenland (Verwaltungsgericht) diese Beschwerden als unbegründet ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

3        2.2. In seiner Begründung hielt das Verwaltungsgericht fest, dass mit dem vorliegenden Projekt keiner der in Anhang 1 des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 (UVP-G 2000) genannten Tatbestände verwirklicht werde. Auch der Tatbestand der Z 18 lit. a, der bei Industrie- oder Gewerbeparks eine Flächeninanspruchnahme von mindestens 50 ha vorsehe, sei nicht erfüllt. Das (vom gegenständlichen Antrag) „betroffene Areal“ umfasse 28,57 ha. In unmittelbarer Umgebung gebe es - jeweils bereits genehmigt - ein Betonwerk, eine Sektkellerei und ein Umspannwerk. Im vorliegenden Fall bestünden jedoch unterschiedliche Errichter sowie Betreiber und die bestehenden Betriebe würden mit dem gegenständlich beantragten Projekt weder eine betriebsorganisatorische noch eine funktionelle Einheit bilden. Es liege daher kein Industrie- oder Gewerbepark im Sinn des Anhangs 1 Z 18 lit. a UVP-G 2000 bzw. der dazu ergangenen Fußnote 3 vor. Die in den Beschwerden ins Treffen geführten, in Anhang III zur Richtlinie 2011/92/EU (über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten) genannten Kriterien der „Größe des Projektes“ und der „Kumulierung mit anderen Projekten“ seien in Z 18 des Anhangs 1 des UVP-G 2000 zugrunde gelegt. Es sei daher nicht ersichtlich, dass diese Regelung im Widerspruch zur Richtlinie 2011/92/EU stehe. Eine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bestehe somit nicht. Die von der Zweitrevisionswerberin ins Treffen geführte „kumulative Wirkung“ ändere daran nichts.

4        Dem im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Vorwurf der Befangenheit der Sachverständigen hielt das Verwaltungsgericht entgegen, dass es im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine Verletzung von Verfahrensvorschriften darstelle, wenn zur Begutachtung dieselben Sachverständigen wie im behördlichen Verfahren herangezogen würden. Die Sachverständigen seien vorliegend auch nicht als Organe der belangten Behörde tätig geworden. Ein anderer Sachverhalt, der auf eine mögliche Befangenheit der Sachverständigen hinweise, sei weder vorgebracht worden noch hervorgekommen.

5        Zum Beschwerdevorbringen betreffend Lärmbelästigung, Staub- und Schadstoffimmissionen sowie Lichtimmissionen hielt das Verwaltungsgericht - gestützt insbesondere auf die eingeholten, von ihm als schlüssig und nachvollziehbar erachteten Gutachten der Sachverständigen für Gewerbetechnik, Luftschadstoffe und Lichttechnik - (auf das Wesentliche zusammengefasst) fest, dass sich aus der gemessenen örtlichen Schall-Ist-Situation sowie den (errechneten) betriebsspezifischen Immissionen die Einhaltung des planungstechnischen Grundsatzes ergebe. Die verursachten Dauergeräusche lägen deutlich unterhalb des gemessenen Basispegels.

Eine individuelle Beurteilung bzw. Heranziehung eines humanmedizinischen Sachverständigen sei daher aus schalltechnischer Sicht nicht erforderlich. Ebenso wenig sei eine weitere Lärmmessung geboten gewesen, zumal der Amtssachverständige die zugrundeliegende Messung als repräsentativ und ausreichend für eine endgültige Beurteilung der Lärmimmissionen erachtet habe. Eine Gesundheitsgefährdung (durch Lärm) sei auszuschließen und die Belästigungen des Erstrevisionswerbers würden auf ein zumutbares Maß beschränkt. Auch in den Bereichen Staub- bzw. Luftschadstoffe sei durch die geplante Betriebsanlage nicht mit erheblichen belästigenden bzw. belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen. Dem diesbezüglich zu Grunde gelegten Gutachten sei auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten worden.

6        Bezüglich der Lichtimmissionen verwies das Verwaltungsgericht darauf, dass für die Beurteilung der (beleuchteten) Werbeanlagen die einsehbare Fläche zu bewerten sei. Vom Erstrevisionswerber sei nur die Werbefläche im Bereich der Ostfassade (mit einer Fläche von rund 57,20 m2) einsehbar. Die Entfernung der Grundstücksgrenze des Erstrevisionswerbers zur Werbeanlage betrage 370 m. Bei der Einstufung in die Bewertungsgebiete werde die Wohnbebauung als Beurteilungsgrundlage herangezogen, wodurch sich für die weitere Beurteilung das „Gebiet B“ ergebe. Der dafür in der ÖNORM O 1052 normierte Grenzwert von 1 lx nach 22 Uhr würde an den Fensterflächen des Erstrevisionswerbers nicht überschritten; eine unzulässige Beeinträchtigung durch Raumaufhellung könne daher ausgeschlossen werden. Hinsichtlich der Blendung von Anrainern könne unter Berücksichtigung des berechneten zulässigen Wertes von 990 cd/m² bis 22 Uhr auf Grund der geplanten maximalen Leuchtdichte von 45 cd/m² eine unzulässige Beeinträchtigung ausgeschlossen werden. Die Bewertungsgebiete seien nach Ansicht des Amtssachverständigen entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht auf Grund der Nachbarschaftsgrundstücke, sondern des (dem Bewertungsgebiet III zuzuordnenden) Betriebsgeländes auszulegen. Auch dem lichttechnischen Gutachten sei nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten worden.

7        Zu den ins Treffen geführten Verstößen gegen die Richtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie) sowie die Richtlinie 2009/147/EG (Vogelschutzrichtlinie) führte das Verwaltungsgericht aus, diese Richtlinien seien im Betriebsanlagenverfahren nicht anzuwenden, weil sie unter den Kompetenztatbestand Naturschutz gemäß Art. 15 B-VG fielen. Dementsprechend seien diese Richtlinien durch Bestimmungen im Bgld. Naturschutz- und Landschaftspflegegesetz umgesetzt worden. Darüber, ob die beantragte Betriebsanlage mit den genannten Richtlinien in Einklang stehe, werde mit der vorliegenden Genehmigung keine Aussage getroffen. Eine andere Auslegung würde dazu führen, dass jede umweltbezogene unionsrechtliche Bestimmung geltend gemacht werden könnte, auch wenn sie mit dem Inhalt des anzuwendenden Materiengesetzes in keinem Zusammenhang stehe.

8        Auch soweit die Zweitrevisionswerberin in ihrem Vorbringen eine Beeinträchtigung des angrenzenden Schutzgebietes durch die Beleuchtung vorgebracht und diesbezüglich auf die FFH-Richtlinie verwiesen habe, hielt dem das Verwaltungsgericht entgegen, dass die Einhaltung einer naturschutzrechtlichen Norm nicht Gegenstand des Betriebsanlagenverfahrens sei. Die Zweitrevisionswerberin habe die Möglichkeit, ihre durch das Unionsrecht gewährleisteten Rechte und damit die Einhaltung der genannten Richtlinien in jenen Verfahren geltend zu machen, in denen diese Verfahrensgegenstand seien (somit in Verfahren nach dem Bgld. Naturschutz- und Landschaftspflegegesetz). Ohne Vorliegen einer naturschutzrechtlichen Bewilligung wäre der Betreiber auch nicht berechtigt, die Anlage zu errichten. Die ins Treffen geführte Naturverträglichkeitserklärung falle ebenfalls nicht unter den Kompetenztatbestand „Gewerbe“, sondern sei im Rahmen von Verfahren nach dem Bgld. Naturschutz- und Landschaftspflegegesetz zu behandeln.

9        3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

10       4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 11.5.2017, Ra 2016/04/0032, Rn. 12, mwN).

12       5.1. In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, die vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen seien befangen, weil sie bereits als Amtssachverständige bei der belangten Behörde tätig gewesen seien. Zudem sei die diesbezügliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes uneinheitlich. Als Beleg für die Befangenheit wird auf eine näher dargestellte, nach Ansicht der revisionswerbenden Parteien grob fehlerhafte Beurteilung des Lichttechnikers verwiesen. Der Einsatz von befangenen Sachverständigen widerspreche auch dem im Unionsrecht verankerten Recht auf ein unparteiisches und faires Verfahren bzw. auf eine Überprüfung durch ein Gericht oder eine andere unabhängige Stelle.

13       5.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die allfällige Befangenheit eines Sachverständigen nur dann mit Erfolg eingewendet werden, wenn sich sachliche Bedenken gegen die Erledigung dieses Verwaltungsorganes ergeben oder besondere Umstände hervorkommen, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit desselben in Zweifel zu ziehen, etwa wenn aus konkreten Umständen der Mangel einer objektiven Einstellung gefolgert werden kann. Jeder Vorwurf einer Befangenheit hat konkrete Umstände aufzuzeigen, die die Objektivität des Sachverständigen in Frage stellen oder zumindest den Anschein erwecken können, dass eine parteiische Entscheidung möglich ist. Nur eindeutige Hinweise, dass ein Entscheidungsträger seine vorgefasste Meinung nicht nach Maßgabe der Verfahrensergebnisse zu ändern bereit ist, können seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen. Die Frage, ob ein Sachverständiger in einem bestimmten Verfahren als befangen anzusehen ist, vermag die Zulässigkeit einer Revision jedenfalls dann nicht zu begründen, wenn das Verwaltungsgericht diese Frage fallbezogen vertretbar gelöst hat (vgl. VwGH 24.5.2022, Ra 2021/03/0167 bis 0276, mwN).

14       Unter Verweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2014, E 707/2014, hat der Verwaltungsgerichtshof zudem ausgesprochen, dass die Heranziehung von Amtssachverständigen in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten grundsätzlich zulässig ist (vgl. VwGH 24.10.2018, Ra 2016/04/0040, mwN). Der Umstand allein, dass der in beiden Instanzen beigezogene Amtssachverständige gleichzeitig Beamter der Behörde erster Instanz ist, vermag keine Bedenken gegen seine volle Unbefangenheit zu begründen, insbesondere auch, weil seine allein auf seiner fachlichen Qualifikation beruhende Begutachtung keinem Weisungsrecht unterliegt (vgl. VwGH 29.1.2016, Ra 2016/06/0006, mwN).

15       5.3. Dem in der Revision erhobenen Vorwurf der uneinheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Folgendes entgegenzuhalten:

16       In dem - von den revisionswerbenden Parteien als von der früheren Rechtsprechung (Verweis auf VwGH 25.3.2010, 2007/05/0137, sowie VwGH 2.7.2018, Ra 2017/12/0132) abweichend erachteten - Erkenntnis VwGH 29.5.2018, Ra 2018/03/0018, hat der Verwaltungsgerichtshof wie folgt ausgeführt:

„23 [...] In diesem Sinne ist der die belangte Behörde vertretende Organwalter nicht unparteiisch: er hat die von der belangten Behörde zu vertretenden (öffentlichen) Interessen nach Maßgabe der von ihr zu vollziehenden Gesetze zu vertreten.

24 Aufgabe des (Amts-)Sachverständigen ist es hingegen, unparteiisch und objektiv eine vorgegebene Sachlage fachlich zu beurteilen [...].

25 Tritt ein Amtssachverständiger im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht auch als Vertreter der belangten Behörde auf, so ist daher der objektive Anschein der Befangenheit im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 3 AVG gegeben. Die Stellung eines Amtssachverständigen in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist demnach mit der Rolle eines Vertreters der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde in diesem Verfahren nicht vereinbar.

[...]

28 [...] Damit hat [der Amtssachverständige] rechtliches Vorbringen zur Unterstützung der Rechtsauffassung der belangten Behörde erstattet und ist - zugunsten der belangten Behörde als Verfahrenspartei - über die ihm als Sachverständigem zukommende Rolle hinausgegangen. Zwar sind Stellungnahmen eines Sachverständigen zu Rechtsfragen unbeachtlich [...] und führen für sich allein nicht zu dessen Befangenheit [...]. Im vorliegenden Fall hat der Amtssachverständige jedoch nicht bloß sein Gutachten mit (unbeachtlichen) rechtlichen Ausführungen ergänzt, sondern ist in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht - auch wenn er nicht förmlich die Rolle des Parteienvertreters für die belangte Behörde übernommen hat - auf Seiten der belangten Behörde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren tätig geworden, was mit der Stellung des zur Unparteilichkeit verpflichteten Amtssachverständigen nicht vereinbar ist und Befangenheit im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 3 AVG begründet.“

17       Entgegen dem Revisionsvorbringen ist der Verwaltungsgerichtshof damit aber nicht von seiner früheren Rechtsprechung abgewichen. Vielmehr hat er im konkret zu beurteilenden Fall - in Hinblick darauf, dass der Sachverständige nicht bloß im behördlichen Verfahren als Amtssachverständiger herangezogen worden war, sondern im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht als Vertreter der belangten Behörde und somit einer Verfahrenspartei aufgetreten ist - eine Befangenheit bejaht. Schon mangels Vergleichbarkeit der zu Grunde liegenden Sachverhaltskonstellationen liegt keine uneinheitliche Rechtsprechung vor.

18       Der Verwaltungsgerichtshof vermag die vorliegend vorgenommene Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, wonach die Sachverständigen nicht als Organe der belangten Behörde tätig gewesen seien, auch nicht (wie in der Revision behauptet) als tatsachenwidrig anzusehen. Weshalb sich aus der in der Revision diesbezüglich ins Treffen geführten Aussage im angefochtenen Erkenntnis zum Vorliegen einer schriftlichen Stellungnahme des (gewerbetechnischen) Sachverständigen, die der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde zu entnehmen und im bekämpften Bescheid wiedergegeben sei, ein Tätigwerden des Sachverständigen für die belangte Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht (im Sinn der oben dargestellten hg. Rechtsprechung) ergeben sollte, wird nicht konkret dargelegt und ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht erkennbar.

19       5.4. Die Revision erblickt einen Beleg für die Befangenheit in der (ihrer Ansicht nach) „grob fehlerhafte[n] Beurteilung des Lichttechnikers in Bezug auf die Auswirkungen der nicht notwendigen Beleuchtung (Werbelogo auf der Nordseite des beantragten Gebäudes) auf die Umgebung“. Die Aussage des lichttechnischen Sachverständigen, wonach „die Bewertungsgebiete auf Grund des Betriebsgeländes [...] und nicht auf Grund der Nachbarschaftsgrundstücke auszulegen“ seien, widerspreche Punkt 5.3.2. der ÖNORM O 1052. Die normenwidrige Beurteilung bewirke eine unzulässige Aufhellung des im Norden angrenzenden Natura-2000-Gebietes.

20       Den damit geltend gemachten sachlichen Bedenken gegen die Beurteilung des Sachverständigen ist entgegenzuhalten, dass sich die insoweit ins Treffen geführten Ausführungen des lichttechnischen Sachverständigen im angefochtenen Erkenntnis bei der Abhandlung der (Nachbar)Beschwerde des Erstrevisionswerbers unter der Überschrift „Blendung von Anrainern/Anwohnern“ finden. Festgehalten wurde, dass für die Beurteilung der Werbetafeln die einsehbare Fläche zu bewerten und für den Erstrevisionswerber nur die Werbefläche im Bereich der Ostfassade einsehbar sei.

Ausgehend davon ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich (und wird in der Revision auch nicht substantiiert aufgezeigt), inwieweit mit dem auf die Werbetafel auf der Nordseite und die Auswirkungen auf das im Norden der Betriebsanlage angrenzende Natura-2000-Gebiet bezogenen Vorbringen eine Unschlüssigkeit der - eine mögliche Beeinträchtigung der Nachbarn betreffenden - Ausführungen des Sachverständigen aufgezeigt wird.

21       Da die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, es liege keine Befangenheit der Sachverständigen vor, somit nicht zu beanstanden ist, muss auf das weitere Vorbringen, wonach die Beiziehung befangener Sachverständiger den unionsrechtlichen Bestimmungen betreffend ein faires und unparteiisches Verfahren widerspreche, nicht weiter eingegangen werden.

22       6.1. Die revisionswerbenden Parteien bringen vor, das UVP-G 2000 setze die unionsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf anzuwendende Schwellenwerte bei der Größe von Industriegebieten gemäß Anhang 1 Z 18 UVP-G 2000 unzureichend um. Fußnote 3 zu diesem Tatbestand stelle die unzulässige Bedingung, dass die Flächen des Industriegebietes von einem Errichter oder Betreiber zum Zweck der gemeinsamen industriellen oder gewerblichen Nutzung durch mehrere Betriebe aufgeschlossen und mit der dafür nötigen Infrastruktur ausgestattet werden. Diese Einschränkung ermögliche es, durch Aufteilung großer Gebiete auf mehrere Errichter eine UVP zu vermeiden. Dies stehe jedoch im Widerspruch zu Anhang II Z 10 lit. a der Richtlinie 2011/92/EU (UVP-RL), nach der die Anzahl der Errichter und Betreiber von Industriezonen keine Rolle spiele. Die Flächen des Betonwerks, des Umspannwerks und des gegenständlichen Vorhabens seien daher als eine Fläche zu betrachten. Das Gesamtausmaß überschreite den national festgelegten Schwellenwert von 50 ha erheblich. Die Umweltauswirkungen der bereits bestehenden Anlagen seien auch in Bezug auf ihre kumulative Wirkung einzubeziehen. Es sei daher zwingend eine UVP durchzuführen. Abgesehen davon erfülle das Projekt „möglicherweise“ die Bedingungen für eine intermodale Umschlaganlage gemäß Anhang II Z 10 lit. c UVP-RL.

23       6.2. Gemäß § 3 in Verbindung mit Anhang 1 Z 18 lit. a UVP-G 2000 besteht eine Pflicht zur Durchführung einer UVP im vereinfachten Verfahren für Industrie- oder Gewerbeparks mit einer Flächeninanspruchnahme von mindestens 50 ha. Nach Anhang 1 Z 18 lit. c besteht eine solche Pflicht für Industrie- oder Gewerbeparks in schutzwürdigen Gebieten der Kategorien A oder D mit einer Flächeninanspruchnahme von mindestens 25 ha.

24       Gemäß Fußnote 3 des Anhangs 1 UVP-G 2000 sind Industrie- oder Gewerbeparks Flächen, die von einem Errichter oder Betreiber zum Zweck der gemeinsamen industriellen oder gewerblichen Nutzung durch mehrere Betriebe aufgeschlossen und mit der dafür notwendigen Infrastruktur ausgestattet werden, die in einem räumlichen Naheverhältnis stehen und eine betriebsorganisatorische oder funktionelle Einheit bilden.

25       6.3. Soweit die Revision in Hinblick auf das Kriterium der Aufschließung von Industrie- oder Gewerbeparks durch einen Errichter oder Betreiber einen Widerspruch zur UVP-RL behauptet, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Revision von der Lösung der geltend gemachten Rechtsfrage nicht abhängt. Beruht ein angefochtenes Erkenntnis nämlich auf einer tragfähigen Alternativbegründung und wird in Zusammenhang damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt, so ist die Revision unzulässig (vgl. VwGH 12.5.2021, Ra 2021/04/0017, mwN).

26       Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht die mangelnde Pflicht zur Durchführung einer UVP nicht allein mit der Mehrzahl an Errichtern bzw. Betreibern begründet, sondern seine diesbezügliche Beurteilung auch auf das Nichtvorliegen eines betriebsorganisatorischen oder funktionellen Zusammenhangs zwischen dem Möbellager und den im Umfeld befindlichen Betrieben (Betonwerk, Sektkellerei und Umspannwerk) gestützt. Gegen die Ansicht des Verwaltungsgerichts zu diesem - nach dem eindeutigen Wortlaut der Fußnote 3 zum Anhang 1 des UVP-G 2000 eigenständigen - Kriterium wird von der Revision im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung jedoch nichts eingewendet.

Ausgehend davon kommt es aber auf die in der Revision im Zusammenhang mit dem Erfordernis eines Errichters oder Betreibers aufgeworfene Frage im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich an.

27       Soweit die Revision auf die Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Union in Rn. 31 und 37 seines Urteils vom 21. März 2013, C-244/12, Salzburger Flughafen, verweist, ist festzuhalten, dass eine Vergleichbarkeit der dort zu beurteilenden Konstellation mit der hier gegenständlichen Regelung nicht (näher) aufgezeigt wird.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass durch die Festlegung des hier maßgeblichen Schwellenwertes eine ganze Klasse von Projekten von vornherein von der Pflicht zur Untersuchung ihrer Umweltauswirkungen (im Sinn der Rn. 31 des oben erwähnten EuGH-Urteils) ausgenommen würde (vgl. - wenn auch in Zusammenhang mit dem Tatbestand „Städtebauvorhaben“ in der lit. b der Z 18 Anhang 1 des UVP-G 2000 - VwGH 11.12.2019, Ra 2019/05/0013) bzw. dass durch die getrennte Genehmigung der gegenständlich ins Treffen geführten Anlagen (Betonwerk, Sektkellerei, Umspannwerk, Möbellager) Anhaltspunkte für eine Umgehung der Unionsregelungen durch Aufsplitterung von Projekten (im Sinn der Rn. 37 des oben erwähnten EuGH-Urteils) vorlägen (siehe dazu etwa VwGH 3.9.2008, 2006/04/0081).

28       6.4. Ohne dies näher auszuführen, stellen die revisionswerbenden Parteien in den Raum, das Projekt erfülle „möglicherweise“ die Bedingungen gemäß Anhang II Z 10 lit. c UVP-RL (Bau von Eisenbahnstrecken sowie von intermodalen Umschlaganlagen und Terminals [nicht durch Anhang I erfasste Projekte]). Die genannte Bestimmung wurde innerstaatlich durch Anhang 1 Z 11 UVP-G 2000 (Verschubbahnhöfe, Frachtenbahnhöfe, Güterterminals und Güterverkehrszentren mit näher beschriebener Flächeninanspruchnahme) umgesetzt. Dabei handelt es sich um verschiedene, teilweise multifunktionale Einrichtungen des Güterumschlags zwischen Schiene, Straße oder Hafen samt ihren Neben- und Hilfseinrichtungen (vgl. IA 168/A 21. GP 36). Ausgehend davon ist das gegenständliche Möbellager somit kein von dieser Bestimmung erfasstes Vorhaben.

29       Auch die behauptete (und nicht näher ausgeführte) Notwendigkeit einer UVP „aufgrund des Fundes bedeutender Sach- und Kulturgüter aus der Römerzeit im Vorhabensgebiet“ ist nicht geeignet, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung in Zusammenhang mit der vom Verwaltungsgericht verneinten UVP-Pflicht aufzuzeigen.

30       7. Zur Zulässigkeit wird weiters vorgebracht, das Vorhaben stehe im Widerspruch zu Art. 4 Abs. 4 der Vogelschutzrichtlinie. Durch die Errichtung des Möbellagers im gegenständlichen Ausmaß unmittelbar neben einem Natura-2000-Gebiet sei jedenfalls mit einer Beeinträchtigung der Lebensräume der Vögel sowie deren Belästigung zu rechnen. Die Ansicht des Verwaltungsgerichts, wonach die Einhaltung der Vogelschutzrichtlinie im Verfahren nach den §§ 22a ff Bgld. Naturschutz- und Landschaftspflegegesetz geltend gemacht werden könne, sei unzutreffend. Es liege zwar eine naturschutzrechtliche Bewilligung vom 24. Mai 2019 vor und sei das Verfahren auch öffentlich bekanntgemacht worden. Es könne einer Naturschutzorganisation jedoch nicht zugemutet werden, täglich in Zeitungen von neun Bundesländern nach Edikten oder Veröffentlichungen zu suchen.

31       Mit diesem Vorbringen wird schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, weil die Frage des Bestehens eines (allfälligen und in der Revision behaupteten) Rechtsschutzdefizits im naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahren jedenfalls nicht im gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren zu klären ist. Es kann dem Verwaltungsgericht auch nicht entgegengetreten werden, wenn es die revisionswerbenden Parteien hinsichtlich der Geltendmachung eines Verstoßes gegen die Vogelschutzrichtlinie auf das durchgeführte naturschutzrechtliche Bewilligungsverfahren verweist, zumal die Vogelschutzrichtlinie mit den darin geregelten Schutzbestimmungen durch das Bgld. Naturschutz- und Landschaftspflegegesetz umgesetzt wurde (vgl. dessen § 1 Abs. 3 Z 1 in der bereits im Zeitpunkt der naturschutzrechtlichen Entscheidung geltenden Fassung LGBl. Nr. 20/2016).

32       8. Auch mit ihrem Vorbringen, es bestehe keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, inwieweit Umweltorganisationen im Rahmen der Erlassung eines umweltrelevanten Raumplans - wie hier der Flächenwidmung Bauland-Betriebsgebiet - zu beteiligen seien, zeigt die Revision keine für den vorliegenden Fall maßgebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, weil im vorliegenden Fall nicht über die Erlassung oder Änderung eines Flächenwidmungsplanes abgesprochen wurde. Es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern das Schicksal der Revision vom behaupteten Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung abhängen sollte.

33       9. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

34       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

35       Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 27. September 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020040017.L00

Im RIS seit

24.10.2022

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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