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Auswertung in Arbeit!Norm
Auswertung in Arbeit!Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der E. GmbH in H, vertreten durch Mag. Domenique Schöngrundner, Rechtsanwalt in 8530 Deutschlandsberg, Fabrikstraße 4-6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Juli 2021, G309 2237840-1/2E, betreffend Gerichtsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 553,20 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 2. November 2020, mit dem der Antrag der Revisionswerberin auf Rückzahlung der halben Pauschalgebühr aus Anlass des Grundverfahrens zu X des Bezirksgerichtes Graz-West abgewiesen worden war, als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
2 In der Begründung führte das BVwG aus, die Revisionswerberin sei Klägerin im Verfahren X des Bezirksgerichtes Graz-West. Mit der am 3. September 2019 eingebrachten Mahnklage habe die Revisionswerberin die Zahlung von 12.400 € von den im Verfahren beklagten Parteien begehrt. Für die Einbringung der Klage habe die Revisionswerberin eine Pauschalgebühr gemäß TP1 GGG iHv 817,30 € entrichtet. Die Streitparteien hätten am 31. August 2020 eine gemeinsame Ruhensanzeige eingebracht. Die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 2. September 2020 sei unbesucht geblieben. Mit Eingabe vom 29. September 2020 habe die Revisionswerberin die Rückzahlung der halben Pauschalgebühr mit der Begründung beantragt, die Streitparteien hätten einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen.
3 In der rechtlichen Beurteilung führte das BVwG aus, dass eine nachträgliche Ermäßigung der Pauschalgebühr nach Anm. 2 zu TP 1 GGG nicht in Betracht komme. Es sei weder ein prätorischer Vergleich nach einer Ladung zum Vergleichsversuch gemäß § 433 ZPO geschlossen, noch sei die Rechtssache in der ersten Verhandlung rechtswirksam verglichen worden. Der erst mit der Novelle BGBl. I Nr. 81/2019 in Anmerkung 2 zu TP 1 GGG eingefügten Wortfolge „und wenn die Rechtssache in der ersten Verhandlung rechtswirksam verglichen wird“ sei nicht die Absicht zugrunde gelegen, jede Form der Verfahrensbeendigung vor der ersten Tagsatzung mit einer Gebührenermäßigung zu privilegieren. Vielmehr habe der Gesetzgeber eindeutig nur den Fall eines Vergleichsabschlusses „in der ersten Verhandlung“ privilegieren wollen, weil dieser mit einem bereits bestehenden Ausnahmetatbestand vergleichbar sei. Dass der Gesetzgeber eine Gebührenermäßigung für den Fall jedweder Verfahrensbeendigung vor (oder während) der ersten Tagsatzung habe schaffen wollen, könne ihm nicht zugesonnen werden und hätte dies einer ausdrücklichen dahingehenden Regelung bedurft.
4 In diesem Zusammenhang sei auf Anm. 3 zu TP 1 zu verweisen, welche in ihrem zweiten Satz eine Gebührenermäßigung für den Fall der „a-limine“-Zurückweisung der Klage vorsehe. Werde die Klage jedoch erst nach der Zustellung an den Verfahrensgegner zurückgewiesen, sei die volle Pauschalgebühr selbst dann zu entrichten, wenn die Zurückweisung vor der ersten Tagsatzung erfolge. Hätte der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen wollen, dass im Fall des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung eine Gebührenermäßigung wegen des Entfalls des Aufwands für die Durchführung der Verhandlung (bzw. der ersten oder der vorbereitenden Tagsatzung) eintreten solle, hätte er eine solche Rechtsfolge auch in Anmerkung 3 zu TP 1 GGG vorsehen müssen.
5 Im Übrigen knüpfe das Gerichtsgebührengesetz bewusst an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insoweit entferne, als sie über das Fehlen eines Elements des im Gesetz umschriebenen Tatbestands, an den die Gebührenpflicht oder die Ausnahme hiervon geknüpft sei, hinwegsehe, würde diesem Prinzip nicht gerecht werden. Auch sei es insbesondere nicht möglich, im Wege der Analogie einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Ausnahmetatbestand zu begründen.
6 Die Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG begründete das BVwG mit dem Fehlen von Rechtsprechung zu der im Verfahren aufgeworfenen Rechtsfrage.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
10 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, es liege eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weil „von ihrer Beantwortung die Refundierung einer Pauschalgebühr für den Fall des ewigen Ruhens der Revisionswerberin abhängig ist“.
11 Wenn das Verwaltungsgericht infolge bloß formelhafter Begründung zur Zulässigkeit der Revision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzeigt, hat der Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen (vgl. z.B. VwGH 23.9.2021, Ro 2020/16/0036, mwN).
12 Diesen Anforderungen wird die Revision mit ihren Ausführungen, die keinen Bezug zu dem angefochtenen Erkenntnis herstellen und keine konkrete Rechtsfrage formulieren, nicht gerecht.
13 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen ist. Wurde die zu beantwortende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung auch nach Einbringung der Revision bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. etwa VwGH 30.6.2021, Ra 2019/16/0002; 21.11.2017, Ro 2017/16/0005, jeweils mwN).
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 23. September 2021, Ra 2021/16/0051, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 und Abs. 9 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen, dass die in Rede stehenden gerichtsgebührenrechtlichen Ermäßigungstatbestände (prätorischer Vergleich und gerichtlicher Vergleich in der ersten Verhandlung) jeweils an den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs anknüpfen. Außergerichtliche Vergleiche erfordern zur Prozessbeendigung hingegen weitere Prozesshandlungen, wie z.B. die Klagsrückziehung. Soweit sie formlos abgeschlossen werden, sind sie keine Exekutionstitel im Sinne des § 1 EO. Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber außergerichtliche Vergleiche Prozessvergleichen gebührenrechtlich gleichstellen wollte. Eine analoge Anwendung des Ermäßigungstatbestands „wenn die Rechtssache in der ersten Verhandlung rechtswirksam verglichen wird“ auf einen vor der mündlichen Verhandlung abgeschlossenen außergerichtlichen Vergleich kommt somit nicht in Betracht.
15 Auch hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass eine analoge Anwendung der Ermäßigungstatbestände der Anmerkungen 2 und 3 zu TP 1 GGG nicht in Betracht kommt, wenn erst nach der Klagszustellung Ruhen des Verfahrens eintritt (vgl. VwGH 6.10.2020, Ra 2020/16/0126, mwN).
16 Die Revision war daher schon aus dem in Rz 12 genannten Grund gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.
17 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
18 Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 29. September 2022
Schlagworte
Auswertung in Arbeit!European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021160011.J00Im RIS seit
24.10.2022Zuletzt aktualisiert am
24.10.2022