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L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AWG 1990 §13;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der U-Aktiengesellschaft in Wien, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 20. Jänner 1995, Zl. R/1-V-93083/02, betreffend Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Leitzersdorf, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Ansuchen der Beshwerdeführerin vom 21. September 1992 wurde die Erteilung der Bewilligung zur Auffüllung einer bestehenden Schottergrube auf den Grundstücken Nr. 329, 330, 331, KG X, beantragt. Zweck des Vorhabens sei einerseits die Auffüllung der bestehenden Schottergrube gemäß beiliegendem Auffüllungsplan und andererseits die nachträgliche landwirtschaftliche Nutzung des verfüllten Areals. Nach dem Auffüllungsplan erfolgt die Schüttung in Lagen von ca. 4 m Höhe. Die Zufuhr des Materials wird durch Firmenfahrzeuge bzw. beauftragte Frächter je nach Anfall von Material vorgenommen. Es wird Aushubmaterial deponiert, wobei sämtliche Materialien die Grenzwerte der Eluatklasse I der ÖNORM S 2072 nicht übersteigen. Als Sicherheitseinrichtungen sind vorgesehen, daß die Zufahrt zur Grube durch einen versperrbaren Schranken gesichert wird. Außerhalb der Betriebszeiten ist dieser Schranken geschlossen. Während der Betriebszeiten sind Deponieverantwortliche (im Regelfall der Radladerfahrer) ständig anwesend. Es wird weiters ein Baubuch geführt, in dem Aufzeichnungen über Art sowie Herkunft des Materials gemacht werden. Die Verfüllkubatur beträgt 280.000 m3 und die Verfülldauer ca. 10 Jahre. Als Rekultivierungsmaßnahme wird im Antrag angeführt, daß das derzeit in der Grube zwischengelagerte lehmig-sandige Überlagerungsmaterial nach Erreichung der projektmäßigen Aufschüttungshöhe als oberste Lage aufgebracht und zum Zwecke einer späteren land- bzw. forstwirtschaftlichen Nutzung in der obersten Schuttlage nur steinfreies Material (kein Bauschutt) eingebaut werden soll.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 9. Dezember 1992 wurde dieses Ansuchen der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung wegen Widerspruchs mit dem geltenden Flächenwidmungsplan abgewiesen.
Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 15. März 1993 wegen entschiedener Sache gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen. Es sei bereits mit Bescheid vom 7. August 1991 über ein gleichlautendes Ansuchen rechtskräftig entschieden worden.
Aufgrund der dagegen erhobenen Vorstellung wurde der Bescheid des Gemeinderates mit Bescheid der Nö Landesregierung vom 24. November 1993 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Partei zurückverwiesen. Da sich in den Verwaltungsakten keine Projektsunterlagen betreffend das Bauansuchen vom 7. August 1991 und das Ansuchen vom 21. Dezember 1992 befänden, sei eine Prüfung des Vorstellungsvorbringens der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen. Weiters sei es unzulässig gewesen, wenn die Gemeinde im Vorlagebericht zur Vorstellung die fehlende Begründung, warum das Bauvorhaben der Beschwerdeführerin dem Flächenwidmungsplan widerspreche, nachgeholt habe.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 10. Februar 1994 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.
Der dagegen neuerlich erhobenen Vorstellung wurde mit Bescheid der Nö Landesregierung vom 12. August 1994 stattgegeben, der Bescheid des Gemeinderates aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat zurückverwiesen.
In dem in der Folge erlassenen Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 20. Oktober 1994 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin neuerlich als unbegründet abgewiesen. Das Bauvorhaben widerspreche dem Flächenwidmungsplan.
Die in der Folge dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen. Wenn die Beschwerdeführerin meine, daß sich aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juni 1992, Zl. 92/05/0046, ergebe, daß zwischen einer Deponie und einer bloßen Auffüllungsmaßnahme zu unterscheiden sei, könne sich die belangte Behörde dem nicht anschließen, da jedem Erkenntnis ein besonderer Einzelfall zugrundeliege, der nicht ganz allgemein auf andere Fälle übertragen werden könne. Nach den Projektunterlagen (technischer Bericht) soll das für die Auffüllung verwendete Aushubmaterial die Grenzwerte der Eluatklasse I der ÖNORM S 2072 nicht überschreiten, die mögliche Verfüllkubatur ca. 280.000 m3 betragen und die Verfülldauer voraussichtlich einen Zeitraum vom zehn Jahren in Anspruch nehmen. Im Hinblick auf diese enorme Kubatur der Verfüllmenge und der zehnjährigen Verfülldauer könne nicht von einer Wiederauffüllung einer ausgebeuteten Schottergrube gesprochen werden. Es handle sich eindeutig um eine Deponie. Dem entspreche auch Punkt 5 des technischen Berichtes betreffend Sicherheitseinrichtungen. Demnach soll die Zufahrt zur Grube durch einen versperrbaren Schranken gesichert werden und während der Betriebszeiten sei ein Deponieverantwortlicher ständig anwesend. Eine Wiederauffüllung einer Grube müßte in einem Zuge durchgeführt werden und es wäre daher weder eine Abschrankung der Zufahrt noch eine Deponieaufsicht erforderlich. Nach Auffassung der belangten Behörde bedürfe das Vorhaben der Beschwerdeführerin der Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Müllablagerungsplatz", wie dies der Gemeinderat richtig erkannt habe.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Auffüllung einer bestehenden Schottergrube sowie in ihrem Recht auf Durchführung eines mängelfreien Verfahrens, insbesondere auf ordnungsgemäße Begründung des Bescheides, verletzt.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Beschwerdeführerin erstattete eine Replik zur Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 93 Nö Bauordnung 1976, LGBL. 8200-0 i.d.F. LGBL. 8200-3 (im folgenden: BO), bedürfen einer Bewilligung der Baubehörde außer den im § 92 aufgezählten Fällen u.a.:
"2. a) die Anlage und die Erweiterung von Steinbrüchen, Sand-, Kies- und Lehmgruben sowie deren Ausfüllung, die Anlage und die Erweiterung von Schlacken-, Schutt- und Müllhalden sowie
b)
andere Abgrabungen und Anschüttungen von mehr als einem halben Meter Höhe, soweit dadurch das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigt werden könnte;"
Gemäß § 19 Nö Raumordnungsgesetz 1976, LGBL. 8000-0, in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung LGBl. 8000-5 (im folgenden: ROG), sind u.a. für Flächen, die für Materialgewinnungsstätten und dazugehörige Deponien und für Müllablagerungsplätze und Lagerplätze aller Art bestimmt sind, die entsprechenden Grünlandnutzungsarten auszuweisen. Alle Flächen des Grünlandes, die nicht der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung, nicht familieneigenen Wohnbedürfnissen der Inhaber land- und forstwirtschaftlicher Betriebe dienen und nicht Ödland sind, müssen im Flächenwidmungsplan unter Angabe der besonderen Nutzung ausgewiesen werden. Gemäß § 19 Abs. 3 ROG hat die Gemeinde bei der Widmung einer Fläche als Materialgewinnungsstätte die Folgenutzungsart auszuweisen, die nach Erschöpfung des Materialvorkommens eintreten muß. Gemäß § 19 Abs. 4 ROG dürfen Neu-, Zu- und Umbauten nur errichtet werden, wenn sie für eine Nutzung nach Abs. 2 erforderlich sind.
Gemäß § 2 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz,
BGBL. Nr. 325/1990 (im folgenden: AWG), sind Abfälle bewegliche
Sachen,
1.
deren sich der Eigentümer oder Inhaber entledigen will oder entledigt hat, oder
2.
deren Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) geboten ist.
Die Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann geboten sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.
Gemäß § 2 Abs. 2 AWG ist eine geordnete Erfassung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes jedenfalls solange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) geboten,
1.
als eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder
2.
solange die Sache in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht oder
3.
solange die Sache nach dem Ende ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung im unmittelbaren Bereich des Haushaltes bzw. der Betriebsstätte auf eine zulässige Weise verwendet oder verwertet wird.
Ist eine Sache Abfall und wird sie sodann einer Verwertung zugeführt (Altstoff), gilt sie gemäß § 2 Abs. 3 AWG solange als Abfall, bis sie oder die aus ihr gewonnenen Stoffe einer zulässigen Verwendung oder Verwertung zugeführt werden. Gemäß § 2 Abs. 11 leg. cit. ist eine Deponie eine Anlage, die zur langfristigen Ablagerung von Abfällen errichtet bzw. verwendet wird.
Gemäß § 29 Abs. 1 Z. 4 und 6 AWG bedarf die Errichtung oder wesentliche Änderung sowie die Inbetriebnahme u.a. von
"4.
Deponien für gefährliche Abfälle mit einem Gesamtvolumen von mindestens 10.000 m3;
5.
...;
6.
Deponien für nicht gefährliche Abfälle mit einem Gesamtvolumen von mindestens 100.000 m3
einer Genehmigung des Landeshauptmannes."
Für Anlagen gemäß Z. 3 und 6 bleiben landesrechtliche Vorschriften, die sich nicht auf das Genehmigungsverfahren beziehen - unbeschadet der Regelung des Abs. 13 - unberührt. Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 29 Abs. 13 AWG sind bei Genehmigungen nach den vorstehenden Absätzen (insbesondere Abs. 1) die bautechnischen Bestimmungen der Bauordnung des jeweiligen Landes anzuwenden; in diesen Fällen entfällt eine baubehördliche Bewilligungspflicht.
Zunächst ist die Frage zu klären, ob es sich bei dem vorliegenden beabsichtigten Projekt der Auffüllung einer Schottergrube mit Aushubmaterial in einer Menge von 280.000 m3 und in einer Zeit von ca. zehn Jahren um eine Deponie im Sinne des § 2 Abs. 11 AWG handelt, für die § 29 Abs. 1 Z. 4 oder 6 AWG und somit auch § 29 Abs. 13 AWG zum Tragen kommen.
Bei dem Aushubmaterial, das für die im vorliegenden Fall beantragte Auffüllung einer Schottergrube verwendet werden soll, handelt es sich ohne Zweifel um bewegliche Sachen, deren sich die Beschwerdeführerin als Eigentümerin oder Inhaberin im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 AWG entledigen will. Es liegen somit Abfälle im Sinne des AWG vor. Es handelt sich bei dem verfahrengegenständlichen Projekt auch um eine Deponie im Sinne des § 2 Abs. 11 AWG, da eine erschöpfte Schottergrube, die nunmehr innerhalb von zehn Jahren mit Abfällen angefüllt werden soll, als eine Anlage zu qualifizieren ist, die zur langfristigen Ablagerung von Abfällen VERWENDET wird. Der Umstand, daß am Ende dieser ca. 10 Jahre dauernden Ablagerungen eine Rekultivierung der dann erreichten Oberfläche erfolgen soll, ändert an dieser Beurteilung nichts. Entgegen dem Begriff der Deponie im Altlastensanierungsgesetz (§ 2 Abs. 9 Altlastensanierungsgesetz), auf den das in der Replik der Beschwerdeführerin angeführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Juni 1995, V 169/94-8, bezug nimmt, handelt es sich gemäß § 2 Abs. 11 AWG nicht nur dann um eine Deponie, wenn eine Anlage zur langfristigen Ablagerung von Abfällen (sozusagen eigens) ERRICHTET WURDE, sondern auch dann, wenn eine (sozusagen vorhandene) Anlage zur langfristigen Ablagerung von Abfällen VERWENDET WIRD. Ob § 29 Abs. 1 Z. 4 AWG gefährliche Abfälle ab einem Gesamtvolumen von 10.000 m3) und Z. 6 dieser Gesetzesstelle (für nicht gefährliche Abfälle mit einem Gesamtvolumen von mindestens 100.000 m3) für das vorliegende Projekt zur Anwendung kommt oder nur § 29 Abs. 1 Z. 6 AWG, muß im vorliegenden Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes angesichts der insgesamten Abfallmenge von 280.000 m3 nicht überprüft werden, da sich allein aus dem Umstand, daß für eine Anlage eine Bewilligung nach § 29 AWG erforderlich ist, der Entfall der baubehördlichen Bewilligungspflicht ergibt. Nach dieser Rechtslage ist für eine Anlage gemäß § 29 Abs. 1 AWG keine baubehördliche Genehmigung mehr erforderlich, weshalb das vorliegende Bauansuchen nicht mehr Gegenstand einer meritorischen Entscheidung der Baubehörden sein kann und daher zurückzuweisen war (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. September 1991, Zl. 87/05/0201, und vom 22. September 1992, Zl. 92/05/0205). Die belangte Behörde hätte daher den Bescheid betreffend die Abweisung des baubehördlichen Ansuchens durch die Berufungsbehörde aufheben müssen. Da die belangte Behörde dies verkannt und die Vorstellung abgewiesen hat, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Auf die von der Beschwerde im Lichte des § 93 BO aufgeworfenen Fragen war daher nicht mehr einzugehen.
Angemerkt wird noch, daß sich das dem von der Beschwerdeführerin im besonderen angeführten hg. Erkenntnis vom 16. Juni 1992, Zl. 92/05/0046, zugrundeliegende Verwaltungsverfahren und die für dieses geltende Rechtslage insofern maßgeblich unterscheiden, als in dem zitierten hg. Erkenntnis die vor dem Inkrafttreten des AWG (1. Juli 1990) geltende Rechtslage bei der Überprüfung anzuwenden war, da der zu überprüfende Berufungsbescheid des Gemeinderates vom 11. Juni 1990 am 18. Juni 1990 dem dortigen Beschwerdeführer zugestellt worden war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995050070.X00Im RIS seit
03.05.2001