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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art140 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, in der Beschwerdesache der Dipl. Ing. S in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen die Erledigung des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 28. April 1994, Zl. Jv 1104-5a/94, betreffend Eintragung in die Dolmetscherliste des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit der vorliegenden, beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten und von diesem mit Beschluß vom 29. November 1994, B 1305/94, unter Ablehnung ihrer Behandlung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde bekämpft die Beschwerdeführerin den "Bescheid" der belangten Behörde, mit dem ihrem Ansuchen um Eintragung in die Dolmetscherliste nicht entsprochen worden sei.
Vorauszuschicken ist, daß dem Abtretungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes eine für den Verwaltungsgerichtshof bindende Wirkung hinsichtlich der Qualifikation des Beschwerdegegenstandes nicht zukommt (vgl. die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1985, Slg. Nr. 11.815/A, und vom 19. Mai 1994, Zlen. 94/19/1001, 1002, 1003). Das Vorliegen von Prozeßvoraussetzungen ist vom Verwaltungsgerichtshof auch in diesem Falle selbst und ohne Bindung an die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes zu beurteilen (vgl. den hg. Beschluß vom 25. November 1994, Zl. 94/19/1272, mwN).
Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des Instanzenzuges wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Voraussetzung der Zulässigkeit einer solchen Beschwerde ist demnach unter anderem die Möglichkeit der Verletzung des behaupteten subjektiv-öffentlichen Rechtes.
Die Beschwerdeführerin verkennt mit ihren Ausführungen den Regelungszweck des Bundesgesetzes vom 19. Februar 1975, BGBl. Nr. 137, über den allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen und Dolmetscher (SDG) und die rechtliche Bedeutung der Eintragung in die Dolmetscherliste. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits zitierten Beschluß vom 19. Mai 1994 unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien näher dargelegt hat, ist die Einrichtung des allgemein beeideten Sachverständigen (Dolmetscher) ein ausschließliches Anliegen der Rechtspflege und nicht ein solches des einzelnen Sachverständigen (Dolmetscher). Das SDG regelt nämlich nicht die Ausübungsbefugnis bzw. Berechtigung zur Erwerbstätigkeit als Dolmetscher (Sachverständiger) - die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen sind daher verfehlt - sondern nur die Beeidigung von Dolmetschern (Sachverständigen); diese Beeidigung und die Eintragung von Dolmetschern (Sachverständigen) in Listen soll die sonst in jedem Einzelfall notwendige Eidesleistung (Wiederholung des Eides) ersparen und den Gerichten Verzeichnisse geeigneter Sachverständiger (Dolmetscher) als HILFSMITTEL liefern. Wie auch bereits vor Geltung des SDG besteht jedoch (in einem vom Bewerber durch schriflichen Antrag eingeleiteten Eintragungsverfahren) auf die Eintragung in die Dolmetscherliste (Sachverständigenliste) kein Rechtsanspruch des Antragstellers, sondern das Tätigwerden als Sachverständiger (Dolmetscher) ist gegebenenfalls - soweit dies in gesetzlichen Bestimmungen vorgesehen ist (z.B. § 353 ZPO) - eine öffentlich-rechtliche Pflicht (vgl. den bereits zitierten Beschluß vom 19. Mai 1994 mwN).
Da die Beschwerdeführerin nach der ausdrücklichen Anordnung des § 4 Abs. 2 letzter Satz SDG keinen eigenen, gegen den Staat als Träger der Hoheitsgewalt gerichteten Anspruch besitzt und die Wahrnehmung öffentlicher Interessen (hier: die der Rechtspflege) allein der Behörde oblag, fehlt es an einer Möglichkeit, daß die Beschwerdeführerin durch die beanstandete, von ihr als Bescheid aufgefaßte Erledigung in der eigenen rechtlichen Interessensphäre verletzt worden sein konnte (vgl. den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1981, Slg. Nr. 10.511/A). Eine Verfassungswidrigkeit der Bestimmung des § 4 Abs. 2 SDG - etwa im Hinblick auf Art. 6 MRK - ist gleichfalls nicht zu erkennen; die Eintragung in die - wie dargelegt - als Hilfsmittel der Gerichte zu führende Dolmetscherliste vermag in diesem Zusammenhang Art. 6 MRK keineswegs zu berühren, ist doch etwa die Heranziehung als Dolmetsch in gerichtlichen Verfahren (ungeachtet des Charakters dieser Tätigkeit als öffentlich-rechtlicher Pflicht) auch ohne Eintragung möglich.
Es braucht daher auf die Frage, ob der bekämpften Erledigung überhaupt Bescheidcharakter zukommt (vgl. diesbezüglich den zitierten Beschluß vom 25. November 1994) nicht mehr weiter eingegangen zu werden, weil schon infolge der dargelegten Gründe die Beschwerde mangels der Berechtigung zur Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war.
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Gegenseitige Beziehung: VwGH - VfGHEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995190006.X00Im RIS seit
05.03.2001