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25/01 StrafprozessNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Aufhebung einer Bestimmung der StPO betreffend den Kostenbeitrag zur notwendigen Verteidigung; Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz durch Ersatz der Verteidigungskosten bei Verurteilung wegen einer in die Zuständigkeit der Bezirksgerichte fallenden strafbaren Handlung, kein Ersatz jedoch bei einer Verurteilung durch einen Einzelrichter des LandesgerichtsRechtssatz
Verfassungswidrigkeit des §393a Abs2 StPO idF BGBl I 93/2007; die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31.12.2022 in Kraft. Zurückweisung des Hauptantrags wegen Unzulässigkeit: Im Fall einer antragsgemäßen Aufhebung der Wortfolge "in die Zuständigkeit der Bezirksgerichte" würde der verbleibende Teil des §393a Abs2 StPO unverständlich werden ("lediglich einer fallenden strafbaren Handlung"). Aber selbst wenn man den verbleibenden Teil der Vorschrift als Bezugnahme auf alle strafbaren Handlungen verstünde, würde dies zu einem Ergebnis führen, das dem Gesetzgeber nicht mehr zusinnbar wäre.
Das Gesetz sieht einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung grundsätzlich nur im Falle eines Freispruches vor. Eine Ausnahme besteht für den Fall eines Schuldspruches insoweit, als ein Angeklagter in einem Strafverfahren, in dem die Vertretung durch einen Verteidiger in der Hauptverhandlung zwingend vorgeschrieben war, lediglich einer in die Zuständigkeit der Bezirksgerichte fallenden strafbaren Handlung für schuldig erkannt wurde. Aus den Gesetzesmaterialien und dem systematischen Zusammenhang des §393a Abs2 StPO mit den Vorschriften über die notwendige Verteidigung ergibt sich, dass der Gesetzgeber dem Verurteilten in derartigen Fällen (Schuldspruch) dann einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung gewähren wollte, wenn er zunächst kraft Gesetzes zur Bestellung eines Verteidigers gezwungen worden war, dessen Kosten er auch in der Regel zu tragen hat, obwohl sich letztlich herausgestellt hat, dass es einer solchen notwendigen Verteidigung gar nicht bedurft hätte.
Vor diesem Hintergrund und angesichts der weitgehenden Gleichförmigkeit des Strafverfahrens vor dem Bezirksgericht (§§487-480 StPO) und vor dem Einzelrichter des Landesgerichtes (§§484-490 StPO) ist es dann aber ein unerklärlicher Wertungswiderspruch, einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung nur dann zu gewähren, wenn der Angeklagte lediglich einer in die Zuständigkeit der Bezirksgerichte fallenden strafbaren Handlung für schuldig erkannt wurde, für die niemals notwendige Verteidigung herrscht, nicht aber auch dann, wenn ein solcher Schuldspruch wegen einer strafbaren Handlung gefällt wird, für die zwar nicht das Bezirksgericht, sondern der Einzelrichter des Landesgerichtes zuständig ist, für die aber ebenfalls keine notwendige Verteidigung besteht.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Strafprozessrecht, Verteidigung, Kosten, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Verwerfungsumfang, Auslegung historische, Auslegung systematische, Verhandlung mündliche, VfGH / Parteiantrag, VfGH / Fristsetzung, Gericht Zuständigkeit, BezirksgerichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:G90.2022Zuletzt aktualisiert am
21.10.2022