TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/26 96/05/0039

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Veröffentlicht am 26.03.1996
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

BauO NÖ 1976 §17;
BauRallg;
B-VG Art10 Abs1 Z6;
B-VG Art15 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der M in P, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 18. Dezember 1995, Zl. R/1-E-124/00, betreffend Enteignung gemäß § 17 Abs. 3 Nö Bauordnung 1976, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Enteignung einer Teilfläche des im Eigentum des P.B. stehenden Grundstückes Nr. nn/15, KG Hainburg, im Ausmaß von 71 m2 zugunsten des Grundstückes Nr. nn/14, KG Hainburg, wurde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß §§ 17 und 18 Nö Bauordnung 1976 abgewiesen. Eine Einsichtnahme in die im Enteignungsantrag angeführten Bauakte der Stadtgemeinde Hainburg habe in bezug auf den erstgenannten Bauakt (betreffend eine Fertiggarage) ergeben, daß sich die Garage auf dem Grundstück Nr. nn/14, und zwar an der Grundgrenze zum Grundstück Nr. nn/13, beide KG Hainburg, befinde und daher die Voraussetzungen der §§ 16 und 17 Nö Bauordnung 1976 nicht vorlägen. Aus dem zweitgenannten Bauakt ergebe sich, daß H.S. am 10. Februar 1976 die Baubewilligung für ein Einfamilienhaus auf dem Grundstück Nr. nn/14, KG Hainburg, beantragt habe. Ein Antrag auf Grenzverlegung gemäß § 16 Nö Bauordnung 1976 sei dem Bauakt nicht zu entnehmen. Das beantragte Einfamilienhaus auf diesem Grundstück sei mit Bescheid vom 1. März 1976 gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 Nö Bauordnung 1976 erteilt worden. Eine Grenzverlegung bzw. ein Erwerb einer Ergänzungsfläche gemäß § 17 Nö Bauordnung 1976 sei nicht verfügt worden. Im Hinblick darauf wurde der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde bekanntgegeben, daß der angeführte Enteignungsantrag jeder Rechtsgrundlage entbehre. Daraufhin habe die Beschwerdeführerin wie folgt Stellung genommen: Aus den Bauakten ergebe sich, daß die Nachbarin und Grundeigentümerin der Liegenschaft EZ n1, KG Hainburg, der bei der Bauführung des angeführten Einfamilienhauses auf dem Grundstück Nr. nn/14 vorgenommenen Bauführung auf ihrem Grund zugestimmt habe und diese Zustimmung auch für den Einzelrechtsnachfolger dieser früheren Eigentümerin des von der Bauführung erfaßten Nachbargrundstückes gelte. Die Rechtsvorgängerin des jetzigen Eigentümers des Nachbargrundstückes sei von der Bauführung, von der Bauverhandlung und auch von der Kollaudierung informiert worden und habe gegen die Grenzverlegung aufgrund der Bauführung keinerlei Einspruch erhoben. Sie habe also - entgegen der Auffassung der Behörde - der Bauführung sehr wohl zugestimmt. Unter Berufung auf Judikatur des Obersten Gerichtshofes in Zivilrechtssachen werde die Rechtmäßigkeit des Antrages dargelegt.

In rechtlicher Hinsicht war die belangte Behörde der Auffassung, daß sich aus der Aktenlage weder die Durchführung einer Grenzverlegung noch die Verpflichtung zum Erwerb einer Ergänzungsfläche ergebe. Dies sei aber Voraussetzung für ein Enteignungsverfahren nach § 18 Nö Bauordnung 1976. Einen Erwerb einer Ergänzungsfläche gemäß § 17 Abs. 2 Nö Bauordnung 1976 habe die Baubehörde mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht verfügen können. Nach den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen seien die beiden betroffenen Grundstücke Nr. nn/13 und nn/14 aufgrund ihrer Gestalt, Beschaffenheit und Größe als Bauplatz anzusehen. Es lägen zwischen diesen beiden Grundstücken keine unbebaubaren Ergänzungsflächen. Gemäß § 2 Z. 14 Nö Bauordnung 1976 sei eine Ergänzungsfläche ein selbständig nicht bebaubares Grundstück, das a) erst durch Vereinigung mit einem angrenzenden ebenfalls selbständig nicht bebaubaren Grundstück einen Bauplatz bildet, oder b) an einen oder mehrere Bauplätze angrenzt und im Falle deren Bebauung als eine die geordnete Bebauung hindernde Restfläche verbleiben würde. Es lägen somit weder die materiellen noch die formellen Voraussetzungen einer Verpflichtung des Erwerbes einer unbebauten Ergänzungsfläche im Sinne des § 17 Abs. 2 Nö Bauordnung 1976 vor. Sollte das Haus der Beschwerdeführerin ihren Angaben entsprechend teilweise auf dem Nachbargrundstück gebaut worden sein, könnten die sich daraus ergebenden Probleme nicht gemäß der Nö Bauordnung 1976, sondern allenfalls nach den §§ 417 bis 419 ABGB gelöst werden. Der angeführte Enteignungsantrag sei daher abzuweisen gewesen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 16 Nö Bauordnung 1976, LGBl. 8200-0 in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung LGBl. 8200-9, kann der Eigentümer eines Grundstückes im Bauland zur besseren Gestaltung des Bauplatzes anläßlich eines beabsichtigten bewilligungspflichtigen Vorhabens gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 und 2 bei der Baubehörde die Verlegung von Grundstücksgrenzen beantragen (Abs. 1). Die Baubehörde hat aus diesem Anlaß die Verlegung von Grundstücksgrenzen zu verfügen, wenn

1.

die Grenzverlegung dem Bebauungsplan nicht widerspricht;

2.

die Grenzverlegung nur kleinere, unbebaute Grundstücksteile betrifft;

3.

durch die Grenzverlegung keines der betroffenen Grundstücke seine Eignung als Bauplatz verliert;

4.

durch die Grenzverlegung eine günstigere Bebauung ermöglicht oder eine geschlossene Bebauungsweise erreicht oder eine Hausreihe vermieden oder der Bauwich erzielt wird und

5.

bei bestehenden Bauwerken keine Bauordnungswidrigkeit entsteht (Abs. 2).

Gemäß § 17 Nö Bauordnung 1976 in der Stammfassung ist der Eigentümer eines im Bauland gelegenen Grundstückes anläßlich eines beabsichtigten Vorhabens gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 und 2 zu verpflichten, die zwischen der vorderen Grundstücksgrenze und der Straßenfluchtlinie liegende fremde Ergänzungsfläche zu erwerben (Abs. 1). Gemäß § 17 Abs. 2 leg. cit. hat die Baubehörde den Grundeigentümer eines benachbarten Grundstückes anläßlich einer Bauführung gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 und 2 zu verpflichten, diese zu erwerben, wenn zwischen zwei oder mehreren im Bauland gelegenen Grundstücken eine unbebaute Ergänzungsfläche liegt. Gemäß § 17 Abs. 3 leg. cit. haben die zum Erwerb von Ergänzungsflächen verpflichteten Grundstückseigentümer die Enteignung zu ihren Gunsten zu beantragen, sofern innerhalb angemessener Frist kein Vertrag zustande kommt.

Gemäß § 18 Abs. 1 leg. cit. sind dem Antrag auf Grenzverlegung oder auf Enteignung von Ergänzungsflächen hinsichtlich aller betroffenen Grundstücke die im § 10 Abs. 2 angeführten Unterlagen anzuschließen. Gemäß § 2 Z. 14 Nö Bauordnung 1976 in der Fassung LGBl. Nr. 8200-1 ist eine Ergänzungsfläche ein selbständig nicht bebaubares Grundstück, welches

a)

erst durch Vereinigung mit einem angrenzenden ebenfalls selbständig nicht bebaubaren Grundstück einen Bauplatz bildet, oder

b)

an einen oder mehrere Bauplätze angrenzt und im Falle deren Bebauung als eine die geordnete Bebauung hindernde Restfläche verbleiben würde.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, daß die Rechtsvorgängerin des nunmehrigen Eigentümers des Grundstückes Nr. nn/14, auf dem sich ein kleiner Teil ihres Hauses befinde, der Bauführung auf ihrem Grund zugestimmt habe. Selbst der "Baueigentümer", der sich seines Eigentums am verbauten Grund nicht bewußt gewesen sei, verliere den Grund, wenn er durch Ladung zur Bauverhandlung und auf andere Weise von der Bauführung des gutgläubigen Nachbarn gewußt habe (es wird Judikatur des Obersten Gerichtshofes zitiert). Dieser Eigentumserwerb erfasse nicht nur die verbaute, sondern auch die zur bestimmungsgemäßen Benützung des Hauses unentbehrliche Fläche. Die Rechtsvorgängerin des jetzigen Eigentümers des Nachbargrundstückes sei daher verpflichtet gewesen, den geringfügigen Liegenschaftsanteil, der durch die Bauführung in Anspruch genommen worden sei, an den Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin abzutreten. Diese Verpflichtung sei auf den nunmehrigen Eigentümer des Nachbargrundstückes übergegangen. Der Rechtsnachfolger sei aufgefordert worden, in die diesbezügliche Grenzverlegung einzuwilligen. Er sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen, sondern habe vielmehr die Bezahlung eines Betrages von S 500.000,-- begehrt. Es lägen daher die Voraussetzungen für einen Enteignungsantrag vor. Daß weder eine Grenzverlegung noch eine Verpflichtung zum Erwerb einer Ergänzungsfläche ausgesprochen worden sei, sei lediglich auf einen gravierenden Behördenfehler zurückzuführen. Es sei der Baubehörde selbst nicht aufgefallen, daß der Nachbargrund geringfügig durch die Bauführung in Anspruch genommen werde und daher eine Grenzverlegung im Sinne des § 16 Nö Bauordnung 1976 als geboten erscheine, da der Grundstücksnachbar offenbar mit dieser Bauführung einverstanden gewesen sei. Es sei schwer möglich, einem Bauwerber nachträglich anzulasten, daß er eine Grenzverlegung bzw. eine Ergänzung seiner Baufläche nicht beantragt habe, wenn die Baubehörde selbst rechtskräftig einen Baubescheid erlassen und die Kollaudierung bewilligt habe, obwohl sie nicht einmal überprüft habe, ob Nachbargrund in Anspruch genommen werde oder nicht. Es wäre Sache der Baubehörde gewesen, das Bauansuchen nur im Einklang mit den Vermessungsplänen zuzulassen. Werde Nachbargrund geringfügig in Anspruch genommen und seien sämtliche Beteiligten einverstanden, so werde wohl mit Grenzverlegung bzw. mit Ergänzung der Baufläche vorzugehen sein.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin nicht im Recht. Unstrittig betrifft das vorliegende Verwaltungsverfahren nur einen Antrag auf Enteignung gemäß § 17 Abs. 3 leg. cit. und keinen Antrag auf Grenzverlegung. Ein Antrag auf Enteignung gemäß § 17 Abs. 3 leg. cit. kommt in den beiden in Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung angeführten Fällen in Betracht. Voraussetzung für eine solche Verpflichtung ist entweder, daß sich zwischen der vorderen Grundstücksgrenze und der Straßenfluchtlinie eine fremde Ergänzungsfläche befindet, oder zwischen zwei oder mehreren im Bauland gelegenen Grundstücken eine unbebaute Ergänzungsfläche liegt. Die Beschwerdeführerin behauptet gar nicht, daß eine dieser beiden Voraussetzungen für eine Verpflichtung zum Erwerb einer Ergänzungsfläche gemäß § 17 leg. cit. vorliege. Die belangte Behörde hat daher zutreffend die Auffassung vertreten, daß die Voraussetzungen für eine Enteignung einer Ergänzungsfläche gemäß §§ 17, 18

Nö Bauordnung 1976 nicht vorliegen.

Allfällige Fehler der Baubehörden, die Baubewilligung für das Haus auf dem Grundstück Nr. nn/14, KG Hainburg, so bewilligt zu haben, daß dabei geringfügig fremder Grund in Anspruch genommen wurde, bewirkt nicht, daß die in § 17 leg. cit. für die Verpflichtung des Erwerbes einer Ergänzungsfläche normierten Voraussetzungen als erfüllt anzusehen seien.

Sofern die Beschwerdeführerin meint, es lägen die Voraussetzungen für eine Grenzverlegung vor, genügt es, darauf hinzuweisen, daß sie einen darauf gerichteten Antrag unbestritten nicht gestellt hat. Grenzverlegungen gemäß § 16 leg. cit. haben ausschließlich auf Antrag zu erfolgen. Angemerkt wird, daß ein solcher Antrag - abgesehen von den anderen in § 16 Abs. 2 leg. cit. aufgestellten Voraussetzungen - ein beabsichtigtes bewilligungspflichtiges Vorhaben gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 und 2 leg. cit. voraussetzt.

Die belangte Behörde hat zutreffend darauf verwiesen, daß die Probleme, die sich aus der - wenn auch von der Baubehörde nicht wahrgenommenen - Inanspruchnahme fremden Grundes bei der Bauführung ergeben, aufgrund zivilrechtlicher Rechtsvorschriften zu lösen sein werden.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996050039.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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