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Auswertung in Arbeit!Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Mag. R K in W, vertreten durch Mag. Raimund Lackner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. April 2022, G308 2253435-1/2E, betreffend Gerichtsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Landesgerichtes Klagenfurt), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber brachte am 28. Oktober 2015 eine Klage auf Zahlung von € 82.302,06s.A. gegen J P beim Landesgericht Klagenfurt ein.
2 Am 13. Mai 2021 und am 17. Mai 2021 brachte der Revisionswerber jeweils Anträge gemäß § 408 ZPO auf Zahlung eines Entschädigungsbetrages in Höhe von € 50.000,-- und € 55.180,70 ein.
3 Mit Urteil vom 18. Juli 2021 gab das Landesgericht Klagenfurt dem Klagebegehren des Revisionswerbers auf Zahlung von € 82.302,06 s.A. statt und wies die Anträge des Revisionswerbers auf Zahlung eines Entschädigungsbetrages gemäß § 408 ZPO vom 13. Mai 2021 und vom 17. Mai 2021 mit Beschluss ab.
4 Mit Schriftsatz vom 14. September 2021 erhob der Revisionswerber gegen die Abweisung der Anträge auf Zahlung von Entschädigungsbeträgen vom 13. Mai 2021 und vom 17. Mai 2021 „Berufung nach § 408 ZPO (gebührenfrei gemäß VwGH 87/16/0044)“ und gab als Bemessungsgrundlage im Kostenverzeichnis einen Betrag iHv € 105.180,70 an. Der Revisionswerber führte in der Berufung unter anderem aus, das Landesgericht Klagenfurt habe sich bezogen auf die Abweisung seiner Anträge nach § 408 ZPO in der Entscheidungsform vergriffen, da diesbezüglich eine Sachentscheidung in Form eines Urteils zu ergehen habe und dieses mit Berufung und Revision anzufechten sei.
5 Mit nach Vorstellung des Revisionswerbers gegen den Zahlungsauftrag vom 22. Dezember 2021 ergangenem Bescheid vom 21. Februar 2022 schrieb der Präsident des Landesgerichtes Klagenfurt dem Revisionswerber in der Rechtssache gegen J P aufgelaufene Gebühren in folgender Höhe vor:
„Pauschalgebühr gem. Tarifpost 2 GGG,
Bemessungsgrundlage: EUR 105.181,00
EUR
4.579,00
Mehrbetrag gem. § 31 Abs. 1 GGG
EUR
23,00
Einhebungsgebühr gem. § 6a Abs. 1 GEG
EUR
8,00
Summe:
EUR
4.610,00“
6 Die gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Klagenfurt erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 25. April 2022 als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
7 Rechtlich folgerte das BVwG im Wesentlichen, der Entschädigungsanspruch wegen mutwilliger Prozessführung nach § 408 ZPO sei ein selbständiger Anspruch und falle nicht unter die in § 54 JN genannten Nebenforderungen. Wie der Revisionswerber in seiner Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 18. Juli 2021 ausgeführt habe, handle es sich bei § 408 ZPO um einen materiell-rechtlichen Anspruch, über den eine Sachentscheidung mit Urteil zu treffen und das entsprechende Rechtsmittel eine Berufung sei, welche der Revisionswerber gegen die Abweisung seiner Anträge nach § 408 ZPO richtigerweise erhoben habe. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 11. Februar 1988, 87/16/0044, Ausführungen zum Wesen des Antrages nach § 408 ZPO getroffen, jedoch zu keiner Zeit ausgeführt, dass eine ausschließlich gegen die Abweisung von Anträgen nach § 408 ZPO erhobene Berufung von der Gebührenpflicht befreit sei. Der Revisionswerber habe mit seinem Schriftsatz vom 14. September 2021 eine die Gebührenpflicht auslösende Berufung eingebracht. Ausgehend von dem vom Revisionswerber selbst angegebenen Berufungsinteresse nach GGG in Höhe von € 105.180,70, welcher gemäß § 6 Abs. 2 GGG auf einen vollen Euro-Betrag aufzurunden sei, ergebe sich gegenständlich eine Bemessungsgrundlage in Höhe von € 105.181,--. Die Pauschalgebühr nach TP 2 GGG idF BGBl. I Nr. 147/2021 habe daher € 4.579,00, zuzüglich des Mehrbetrages und der Einhebungsgebühr betragen. Die belangte Behörde habe dementsprechend zu Recht Gebühren in Höhe von € 4.610,00 vorgeschrieben.
8 Den Entfall der mündlichen Verhandlung ungeachtet des Antrages des Revisionswerbers begründete das BVwG mit einem Verweis auf
§ 24 Abs. 4 VwGVG. Der Sachverhalt gehe eindeutig aus den Akten hervor. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren zur Vorschreibung und Einbringung von Gerichtsgebühren sei mangels Vorliegen von „civil rights“ unter dem Blickwinkel des Art. 6 EMRK nicht erforderlich. Auch sei nicht ersichtlich, warum nach Art. 47 GRC eine Verhandlung erforderlich sein solle.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, die das Bundesverwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorlegte.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
Ein Revisionswerber, der - entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts - eine Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet, hat konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt einer der von ihm ins Treffen geführten Entscheidung gleicht, das Verwaltungsgericht im revisionsgegenständlichen Fall jedoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Hiezu reicht eine bloße Wiedergabe von Rechtssätzen ebenso wenig wie die bloße Zitierung aus Literaturfundstellen ohne jegliche Bezugnahme auf solche Rechtsprechung (vgl. etwa VwGH 31.08.2021, Ra 2021/16/0048, mwN).
13 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu 87/16/0044 trotz des Vorliegens eines identen Sachverhaltes abgegangen. Aus dem genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ergebe sich, dass Anträge nach § 408 ZPO und Rechtsmittel über diese Anträge in weiter Folge des Verfahrens gebührenfrei seien.
14 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan. Ausgangspunkt des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Februar 1988, 87/16/0044, war ein Antrag auf Rückzahlung der damaligen Beschwerdeführer, die in der Rechtssache Beklagte gewesen waren, für ihrer Ansicht nach zu viel entrichtete Gerichtsgebühren für die Berufung gegen ein Teilurteil über einen Antrag der Beschwerdeführer gemäß § 408 ZPO auf Leistung eines Entschädigungsbetrages in Höhe von insgesamt S 125 Mio. durch die Kläger. Die Beschwerdeführer hatten die Gerichtgebühren ausgehend von dem begehrten Entschädigungsbetrag gemäß § 408 ZPO berechnet und beantragten die Rückzahlung der Differenz auf die Gebühr ausgehend von dem nach Ansicht der Beschwerdeführer maßgeblichen Wert des Streitgegenstandes von S 11 Mio. in der Rechtssache, die der Klage gegen die Beschwerdeführer zu Grund gelegen hatte. Der Verwaltungsgerichtshof stellte einleitend klar, im (damals vorliegenden) verwaltungsgerichtlichen Verfahren sei die Frage streitentscheidend, ob der Wert des Streitgegenstandes bei der Ermittlung der Pauschalgebühren nach TP 2 des gemäß § 1 Abs. 1 GGG einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifs für das den angeführten Antrag gemäß § 408 ZPO betreffende Berufungsverfahren (im Sinne der damals belangten Behörde) S 125 Mio. oder (im Sinne der damaligen Beschwerdeführer) nur S 11 Mio. betrage.
In Beantwortung dieser Rechtsfrage führte der Verwaltungsgerichtshof sodann aus, dass der Antrag gemäß § 408 ZPO einerseits zwar ein dem Klagebegehren gleichgestellter Sachantrag ist, über dessen Berechtigung im Regelfall mit Urteil entschieden wird und der den Eintritt der Streitanhängigkeit bewirkt. Andererseits ist er aber ein abhängiger Sachantrag, für den daher u.a. - im Gegensatz zur Widerklage - die Vorschriften des § 237 ZPO (Zurücknahme der Klage) keine Anwendung finden und schließlich besteht das Verbot der selbständigen Einklagung von bereits mit ihm erhebbaren Schadenersatzansprüchen wegen mutwilliger Prozessführung. Dieser Antrag ist keine Klagsänderung bzw. Änderung des Streitgegenstandes durch den Kläger iSd § 235 ZPO und damit jedenfalls keine Erweiterung des Klagebegehrens. Ausgehend von diesen Überlegungen gab der Verwaltungsgerichtshof der damaligen Beschwerde statt und hob den Bescheid, mit dem der Antrag der Beschwerdeführer auf Rückzahlung von Gerichtsgebühren abgewiesen worden war, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.
15 Entgegen dem Vorbringen der Revision sprach der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis 87/16/0044 nicht aus, dass Berufungen gegen Urteile über Anträge gemäß § 408 ZPO auf Leistung eines Entschädigungsbeitrages gebührenfrei wären. Die Revision legt mit ihrem Vorbringen somit nicht dar, dass das BVwG von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre (vgl. im Übrigen Obermaier, Kostenhandbuch³, Rz 1349, mwN).
16 Die Revision bringt in der Zulässigkeitsbegründung des Weiteren vor, das BVwG habe trotz des Antrages des Revisionswebers keine mündliche Verhandlung durchgeführt. Zweck der mündlichen Verhandlung sei nach näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Klärung des Sachverhaltes, die Einräumung von Parteiengehör und die mündliche Erörterung einer nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage. Der Sachverhalt sei nicht abschließend geklärt gewesen, weil das BVwG den Verfahrensakt im Grundverfahren nicht beigeschafft habe. Auch ausgehend von einem geklärten Sachverhalt hätte eine mündliche Verhandlung anberaumt werden müssen.
17 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 25.1.2022, Ra 2020/16/005, mwN).
18 Zwar ist bei behaupteter Verletzung des Rechtes auf Durchführung einer Verhandlung im Anwendungsbereich des Art. 6 MRK sowie des Art. 47 GRC eine Relevanzdarstellung nicht erforderlich. Der Grund dafür liegt darin, dass die Rechtsprechung des EGMR zum Erfordernis der mündlichen Verhandlung nach Art. 6 MRK eine solche Relevanzprüfung nicht vorsieht, was entsprechend auch auf das auf Art. 47 GRC gestützte Recht auf mündliche Verhandlung zu übertragen ist (VwGH 23.1.2013, 2010/15/0196; zur Übertragung dieser Judikatur auf das Verfahren vor dem VwG vgl. VwGH 27.5.2015, Ra 2014/12/0021). Außerhalb des Anwendungsbereiches des Art. 6 MRK und des Art. 47 GRC ist es aber weiterhin Sache des Revisionswerbers, die Relevanz der unterbliebenen mündlichen Verhandlung aufzuzeigen (vgl. etwa VwGH 18.10.2021, Ra 2018/22/0067, mwN).
19 Angelegenheiten der Gerichtsgebühren fallen nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK („civil rights“ - vgl. VwGH 24.9.2009, 2008/16/0051, mwN).
20 Die Revision legt in ihrer Zulässigkeitsbegründung weder dar, dass die Angelegenheit in den Anwendungsbereich des Art. 47 GRC fallen würde, noch zeigt sie die Relevanz der vorgebrachten Verfahrensmängel auf.
21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 26. September 2022
Schlagworte
Auswertung in Arbeit!European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022160057.L00Im RIS seit
21.10.2022Zuletzt aktualisiert am
21.10.2022