TE Vwgh Beschluss 2022/9/29 Ro 2020/16/0035

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Veröffentlicht am 29.09.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofräte Mag. Straßegger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Österreich in Wien, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 29. Juli 2020, RE/7100002/2020 (neu protokolliert zu RV/7103706/2020), betreffend Familienbeihilfe (mitbeteiligte Partei: J D in F [Portugal], vertreten durch Mag. Maria-Christina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch und Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwälte in 1020 Wien, Taborstraße 10/2), den Beschluss

Spruch

gefasst:

Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Bundesfinanzgericht in unmittelbarer Anwendung des Unionsrechts eine einstweilige Anordnung („vorläufige Entscheidung“) betreffend u.a. die Auszahlung von Familienbeihilfe an die Mitbeteiligte erlassen. Zugleich hat das Bundesfinanzgericht mit gesondertem Beschluss dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Artikel 267 AEUV mehrere Fragen - von deren Beantwortung der Anspruch der Mitbeteiligten auf Familienleistungen abhängt - mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung vorgelegt.

2        Im angefochtenen Beschluss hat das Bundesfinanzgericht mit Verweis auf das Vorabentscheidungsverfahren festgehalten, dass mit dem Urteil des EuGH die vorläufige Entscheidung „obsolet“ werde.

3        Der EuGH hat die ihm vom BFG vorgelegten Fragen mit Urteil vom 25. November 2021, C-372/20, QY, beantwortet.

4        Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. August 2022 wurde das Finanzamt in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG aufgefordert bekanntzugeben, welches rechtliches Interesse an einer Sachentscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof besteht.

5        Mit Schriftsatz vom 7. September 2022 gab das Finanzamt bekannt, dass weiterhin ein rechtliches Interesse an einer Sachentscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof bestehe, weil der EuGH im Urteil vom 25. November 2021 nicht sämtliche in der Revision aufgezeigten Rechtsfrage ausreichend geklärt habe.

6        Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist die Revision mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde.

7        § 33 Abs. 1 VwGG ist nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall wegen Gegenstandslosigkeit liegt insbesondere auch dann vor, wenn der Revisionswerber kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl. etwa VwGH 29.7.2022, Ra 2021/10/0094, mwN).

8        Das Bundesfinanzgericht hat im angefochtenen Beschluss ausgesprochen, dass die vorläufige Entscheidung mit dem Urteil des EuGH (Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens) „obsolet“ werde. Damit hat es zum Ausdruck gebracht, dass die Rechtswirkungen des Beschlusses lediglich vorläufiger Natur sind (vgl. dazu auch EuGH 25.11.2021, C-372/20, Rn 57, zur vorläufigen Wirkung des angefochtenen Beschlusses). Mit dem Ergehen des Urteils des EuGH vom 25. November 2021 hat der angefochtene Beschluss seine (materielle) Wirksamkeit verloren und ist damit gegenstandslos geworden.

9        Es ist nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes, in einer Revisionssache zu entscheiden, wenn der Entscheidung nach der Sachlage keine Bedeutung mehr zukommt und letztlich bloß eine Entscheidung über theoretische Rechtsfragen ergehen könnte. Dies gilt auch dann, wenn die einem Revisionsfall zugrundeliegende Rechtsfrage für künftige Verwaltungsverfahren bzw. verwaltungsgerichtliche Verfahren von Interesse sein könnte (vgl. erneut VwGH 29.7.2022, Ra 2021/10/0094; 6.9.2018, Ra 2017/20/0494, jeweils mwN).

10       Einer Entscheidung über die Amtsrevision käme im vorliegenden Fall keine praktische Bedeutung mehr zu; zur Klärung theoretischer Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof nach dem Gesagten allerdings nicht berufen.

11       Zufolge des Wegfalles des rechtlichen Interesses der revisionswerbenden Partei an einer Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes war die vorliegende Revision - in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG - als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Wien, am 29. September 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2020160035.J00

Im RIS seit

21.10.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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