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83 Naturschutz Umweltschutz;Norm
AWG 1990 §29 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Dr. M, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des BMU vom 15. Dezember 1994, Zl. 06 3546/249-V/6/04-Str, betreffend eine abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung gemäß § 29 Abs. 1 Z. 2 des Abfallwirtschaftsgesetzes (mP: Oö Landes-Abfallverwertungsunternehmen Ges.m.b.H., vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in L), beschlossen:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 6. September 1992 beantragte die Mitbeteiligte die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung für das Projekt "Sonderabfallaufbereitungsanlage" A auf dem Grundstück Nr. 1028, KG R, Marktgemeinde A. Dieser Antrag der Mitbeteiligten wurde gemäß § 29 Abs. 4 Abfallwirtschaftsgesetz einerseits in der im Großraum Linz erscheinenden Kronenzeitung (im Regionalteil Linz und Umgebung) bekanntgemacht und den Nachbarn eine Frist bis 7. August 1992 zur Erhebung von begründeten schriftlichen Einwendungen gemäß der angeführten Bestimmung des AWG gesetzt. In der parallel dazu im Sinne des § 29 Abs. 4 leg. cit. erfolgten Bekanntmachung durch Anschlag in der Gemeinde vom 9. Juli bis 21. August 1992 wurde den Nachbarn die Möglichkeit eingeräumt, bis zum 20. August 1992 begründete schriftliche Einwendungen gegen die Genehmigung der Anlage zu erheben. Mit Schreiben vom 20. August 1992 (bei der Post am selben Tag aufgegeben, beim Amt der Oö Landesregierung eingelangt am 21. August 1992) stellte der Beschwerdeführer folgenden Antrag auf Einräumung der Parteistellung:
"Ich habe meinen Hauptwohnsitz in S-Straße Nr. nn, A. Ich erfülle die Voraussetzung des § 75 GewO, da durch Errichtung, Bestand und Betrieb der geplanten Betriebsanlage eine Gefährdung und Belästigung in Form von Immissionen zu erwarten steht.
Ich beantrage sohin im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren für umseitiges Projekt die Einräumung der Parteienstellung und werde gegen Erteilung der Betriebsanlagengenehmigung Einwendungen erheben.
Linz, 1992-08-20 Dr. M"
Die mündliche Verhandlung wurde in der Folge für den 10. Mai 1993 anberaumt. Am 7. Mai 1993 übermittelte der Beschwerdeführer der erstinstanzlichen Behörde folgende Einwendungen im vorliegenden Bewilligungsverfahren: Die vorgelegten Projektunterlagen seien unvollständig und entsprächen nicht den Erfordernissen des § 29 Abs. 3 Z. 1 bis 12 AWG; der in Aussicht genommene Standort für das Projekt sei in tatsächlicher Hinsicht ungeeignet. Es seien gemäß § 16 Abs. 8 ROG im Rahmen der Widmung "Betriebsbaugebiet" nur Anlagen zulässig, die die Umgebung nicht erheblich störten und insbesondere nicht durch Dämpfe, Gase, Explosivstoffe oder durch Strahlung gefährdeten. Der Standort sei mit einem Standortverbot gemäß § 77 Abs. 1 Satz 2 GewO 1973 belegt. Eine Anlage wie die vorliegende Sonderabfallaufbereitungsanlage bedürfe einer Widmung als Industriegebiet gemäß § 16 Abs. 9 Oö ROG. Das vorliegende Projekt würde angesichts bereits zahlreicher, der örtlichen Versorgung dienender und die Umwelt belAder Betriebe und Anlagen zu einer unzumutbaren Belästigung der Nachbarn im Sinne der Gewerbeordnung führen, nämlich durch zusätzliche mögliche Verunreinigung von Luft und Grundwasser, vor allem bei nicht auszuschließenden Störfällen. Durch den bei Genehmigung des Projektes zu erwartenden Verkehrszuwachs sei zu erwarten, daß die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs im Gemeindegebiet wesentlich beeinträchtigt werde. Letztlich würde die Anlage in bezug auf die in seinem Miteigentum stehende Liegenschaft Erlenstraße Nr. 8 eine Gefährdung durch Emissionen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1973 herbeiführen.
Im Rahmen der am 10. und 12. Mai 1993 abgehaltenen mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer folgendes vorgetragen:
"Wir müssen alle Sachverständigen und deren Gutachten ablehnen, da selbe nur von Mitarbeitern der Landesregierung erstellt wurden. Es besteht hier eindeutig ein Abhängigkeitsverhältnis zum Dienstgeber. Es wurden keine Erhebungen über die Gesamtbelastung durch Kläranlage CP-Anlage, LAVU, ASA, Mülldeponie, Kompostanlage, Gesamtverkehr incl. ÖBB-Neu bzw. B 1 neu erstellt.
Wir werden keiner Firma oder ähnlichen Bauwerbern die Sondermüll, Problemstoffe, Komposte und ähnliche Materialien in fester oder flüssiger Form sammeln, lagern, be- und verarbeiten incl. Transport, unsere Zustimmung erteilen.
Es werden alle rechtlichen Schritte ausgeschöpft."
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. Juli 1993 wurde die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung gemäß § 29 Abs. 1 Z. 3 Abfallwirtschaftsgesetz zur Errichtung des beantragten Projektes auf dem angeführten Grundstück nach Maßgabe der vorgelegten, mit dem Genehmigungsvermerk versehenen und einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides bildenden Projektunterlagen und unter den in Abschnitt C (Nebenbestimmungen) enthaltenen Bedingungen, Befristungen und Auflagen, erteilt (Spruchpunkt A). Im Spruchpunkt B wurde angeordnet, daß der Betrieb der Anlage erst nach Erteilung einer Betriebsbewilligung erfolgen dürfe. Ab dem Zeitpunkt der Fertigstellung der gegenständlichen Anlage werde gemäß diesem Spruchpunkt der Probebetrieb der Anlage, befristet mit einem Jahr, angeordnet. Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden als unbegründet abgewiesen.
Die u.a. vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen, wobei der Wortlaut des Spruchteils I.A. wie folgt neu formuliert wurde:
"Der oberösterreichischen Landes-Abfallverwertungsunternehmen Gesellschaft m.b.H., S-Straße 9, 4020 Linz, wird die
a b f a l l w i r t s c h a f t s r e c h t l i c h e
G e n e h m i g u n g
zur Errichtung einer Sonderabfallaufbereitungsanlage auf dem Grundstück Nr. 1028, KG R, Marktgemeinde A, unter Zugrundelegung der vorgelegten, mit einem Genehmigungsvermerk versehenen und einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Projektsunterlagen, erstellt vom Zivilingenieurbüro Dipl.Ing. ..., Zivilingenieur für Kulturtechnik, ..., mit der Maßgabe, daß diese betreffend der Abluftreinigung nach dem vorgelegten und mit Genehmigungsvermerk versehenen und einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildenden "Ergänzenden Technischen Bericht", zur Ausführung zu kommen haben unter den im Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. Juli 1993, ..., unter Spruchpunkt I.B.) und C.) vorgeschriebenen Befristungen, Bedingungen und Auflagen sowie unter Einhaltung des im Spruchpunkt II. beschriebenen Verfahrens und der Maßgabe, daß die Rechtsgrundlage statt § 29 Abs. 1 Z. 3 AWG § 29 Abs. 1 Z. 2 AWG zu lauten hat, erteilt.
II.
Betriebsbeschreibung:
...
Abfallübernahmemengen (gefährliche Stoffe)
...
Verfahrenstechnische Beschreibung:
... ."
In Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides wurde die ersatzlose Behebung des Spruchpunktes I.A des erstinstanzlichen Bescheides ausgesprochen. Die Abweisung der Einwendungen des Beschwerdeführers wurde von der belangten Behörde bestätigt, da mit ihnen einerseits kein subjektives öffentliches Recht geltend gemacht worden sei, andererseits in bezug auf die fehlenden Angaben im vorgelegten Projekt, der nicht nachvollziehbaren Abbauleistung der Biofilteranlage, der Änderungen des Projektes sowie der mangelnden Nachvollziehbarkeit der LKW-Fahrbewegungen und Waggonanlieferungen Präklusion eingetreten sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich insofern in seinem Recht verletzt, "als entgegen den gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere der §§ 29 AWG und 74 GewO, eine abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung erteilt worden sei, die geeignet ist, Eigentum bzw. sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden und diese durch Immissionen zu belästigen."
Die belangte Behörde erstattete (allerdings zu der zur hg. Zl. 95/05/0059 protokollierten Beschwerde der Gemeinde A gegen die vorliegende Sonderabfallaufbereitungsanlage) - wie auch die Mitbeteiligte - eine Gegenschrift und legte zu der angeführten Beschwerde die Verwaltungsakten vor.
Die Beschwerde ist nicht zulässig.
Gemäß § 29 Abs. 1 Z. 2 Abfallwirtschaftsgesetz, BGBl. Nr. 325/1990 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 155/1994 (im folgenden: AWG), unterliegen u.a. die Errichtung oder die wesentliche Änderung sowie die Inbetriebnahme von
"1.
Anlagen von Gebietskörperschaften zur thermischen oder stofflichen Verwertung oder sonstigen Behandlung von gefährlichen Abfällen,
2.
sonstige Anlagen, deren Betriebszweck die Übernahme von nicht im eigenen Betrieb anfallenden gefährlichen Abfällen zur thermischen oder stofflichen Verwertung oder sonstigen Behandlung ist, ... einer Genehmigung des Landeshauptmannes."
Gemäß § 29 Abs. 2 AWG hat der Landeshauptmann bei der Erteilung der Genehmigung gemäß Abs. 1 nach Maßgabe der folgenden Absätze alle Bestimmungen anzuwenden, die im Bereich des Gewerbe-, Wasser-, Forst-, Berg-, Luftfahrts-, Schiffahrts-, Luftreinhalte-, Rohrleitungs- sowie des Eisenbahnrechtes für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Vorhabens anzuwenden sind. Die Genehmigung ersetzt die nach bundesrechtlichen Vorschriften erforderlichen Bewilligungen, Genehmigungen oder Nicht-Untersagungen. § 29 Abs. 3 AWG trifft Regelungen über die in den Anträgen zu enthaltenden Angaben (u.a. über die Eignung des vorgesehenen Standortes, über Art, Zweck, Umfang und Dauer des Vorhabens). Wird eine Genehmigung gemäß § 29 Abs. 1 leg. cit. beantragt, so hat der Landeshauptmann gemäß § 29 Abs. 4 AWG den Antrag durch Anschlag in der Gemeinde und in einer örtlichen Zeitung öffentlich bekanntzumachen. Mit der Bekanntmachung ist eine Frist von sechs Wochen einzuräumen, innerhalb der gegen die Genehmigung der Behandlungsanlage von den Nachbarn (§ 75 Abs. 2 und 3 GewO 1973) begründete schriftliche Einwendungen beim Landeshauptmann eingebracht werden können. Gemäß § 29 Abs. 5 Z. 6 AWG haben jene Nachbarn Parteistellung, die Einwendungen gemäß Abs. 4 innerhalb der sechswöchigen Frist erhoben haben.
Gemäß § 75 Abs. 2 GewO 1973, BGBl. Nr. 50/1974, sind Nachbarn alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen, und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst in Schulen ständig beschäftigten Personen.
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1973 bedürfen die Errichtung oder der Betrieb einer gewerblichen Betriebsanlage einer Bewilligung, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet ist, das Leben oder die Gesundheit u.a. der Nachbarn oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte dieser zu gefährden (Z. 1) oder die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen (Z. 2).
Zunächst ist die Frage zu klären, ob der Beschwerdeführer überhaupt Parteistellung in dem verfahrensgegenständlichen Genehmigungsverfahren gemäß § 29 AWG erlangt hat, indem er gemäß § 29 Abs. 5 Z. 6 leg. cit. begründete schriftliche Einwendungen gemäß § 29 Abs. 4 leg. cit. innerhalb der vorgesehenen sechswöchigen Frist erhoben hat.
Eine Einwendung liegt immer nur dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend gemacht wird, und ferner, welcher Art dieses Recht ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1995, Zl. 94/05/0151, und die dort in diesem Zusammenhang zitierte hg. Vorjudikatur). Wenn der Beschwerdeführer in dem eingangs zitierten Schreiben einerseits die Auffassung vertritt, daß er Nachbar im Sinne des § 75 GewO sei und im Genehmigungsverfahren die Einräumung der Parteistellung beantragte und ankündigte, daß er Einwendungen erheben werde, so wurde von ihm keine Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend gemacht. Der Beschwerdeführer hat in seinem Schreiben vom 20. August 1992 keine Einwendung in dem dargelegten Sinne gegen das verfahrensgegenständliche Projekt erhoben. Er hat somit schon aus diesem Grund Parteistellung im abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigungsverfahren gemäß § 29 AWG nicht erlangt, sodaß unerörtert bleiben kann, ob der Beschwerdeführer, dessen Grundstück in 1.500 m Entfernung von der verfahrensgegenständlichen Anlage gelegen ist, überhaupt als Nachbar im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1994 zu qualifizieren ist bzw. ob der Antrag auf Einräumung der Parteistellung vom 20. August 1992, der am selben Tag zur Post gegeben wurde und am 21. August 1992 bei der Behörde erster Instanz eingelangt ist, überhaupt die für die Erhebung der Einwendungen gesetzte Frist bis 20. August 1992 eingehalten hat.
Wenn dem Beschwerdeführer somit im vorliegenden Verwaltungsverfahren keine Parteistellung zukam, konnte er durch den angefochtenen Bescheid jedenfalls in keinen Rechten verletzt sein. Die Beschwerde war daher mangels Beschwerdelegitimation gemäß § 34 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 4 VwGG zurückzuweisen (vgl. im Zusammenhang mit § 356 Abs. 3 GewO 1973 das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1993, Zl. 92/04/0237).
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995050056.X00Im RIS seit
20.11.2000