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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Oktober 1994, Zl. 4.322.485/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Oktober 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Nigeria, der am 20. August 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 21. August 1991 den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 28. Jänner 1992, mit welchem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hatte in seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 17. September 1991 angegeben: Sein Vater sei im Jahre 1987 zum Stammesführer bzw. König des Ortes E bestimmt worden. Er habe in der Ortschaft einen Rivalen gehabt, welcher selbst König hätte werden wollen. Die Mittelsmänner des Rivalen seien am 13. Februar 1991 zu seinem Vater gekommen und hätten diesen ermordet. Der Beschwerdeführer hätte daraufhin die Polizei verständigt und angegeben, daß der Rivale Anstifter des Mordes an seinem Vater gewesen sei, worauf der Rivale tatsächlich festgenommen worden sei. Dieser sei für drei Wochen in Haft gewesen, da er aber über viel Bargeld verfüge, sei er sehr rasch wieder freigekommen. Es sei in der Ortschaft Sitte, daß der älteste Sohn die Stammesnachfolge antrete. Der Beschwerdeführer wäre daher als ältester Sohn Stammesführer geworden. Der Rivale habe ihn daher ebenfalls umbringen wollen, weshalb er geflüchtet sei. Die Leute in der Ortschaft seien unberechenbar und zu jeder Gewalttat fähig.
In der Berufung wiederholte der Beschwerdeführer im wesentlichen die erstinstanzlichen Angaben und ergänzte, daß sich der Rivale nach dreiwöchiger Haft loskaufen habe können und auch einen Anwalt in seinem Sinne habe beauftragen können. Es sei dem Rivalen gelungen, Nachfolger des Vaters des Beschwerdeführers als Stammesführer zu werden. Die staatliche Autorität sei nicht in der Lage, dem Beschwerdeführer Schutz zu gewähren.
Die belangte Behörde wies die Berufung im wesentlichen mit der Begründung ab, sollte es tatsächlich zur Bedrohung des Beschwerdeführers durch feindlich gesinnte Dorfbewohner gekommen sein, könne dies nicht als asylbegründende mittelbare staatliche Verfolgung gewertet werden, da dies Übergriffe von Einzelpersonen seien, welche sich nicht als politisch, religiös oder ethnisch motivierte, vom Staat initiierte oder geduldete Verfolgungshandlungen darstellten. Der Beschwerdeführer habe nie behauptet, konkreter und individueller Verfolgung aus Konventionsgründen, ausgehend von den Behörden seines Heimatlandes, ausgesetzt gewesen zu sein. Die Verfolgung müsse entweder von staatlichen Stellen des Heimatlandes des Asylwerbers ausgehen oder der betreffende Staat müsse nicht in der Lage oder nicht gewillt sein, die von anderen Stellen ausgehenden Verfolgungen hintanzuhalten. Der Beschwerdeführer habe behauptet, daß er versucht hätte, sich unter den Schutz des Staates zu stellen, indem er Anzeige gegen jenen Mann erstattet habe, welcher andere Personen zum Mord am Vater des Beschwerdeführers angestiftet hätte; da sich dieser nach einer dreiwöchigen Haftstrafe hätte freikaufen können, hätte der Beschwerdeführer von den staatlichen Behörden keinen Schutz erwarten können. Diese Behauptung sei weder konkretisiert noch belegt worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde, welche Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht, erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Begründung der belangten Behörde, daß die bloße Behauptung asylbegründender Tatsachen nicht als ausreichend angesehen werden könne, mit dem Vorbringen, daß es der Manuduktionspflicht im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens entsprochen hätte, den Beschwerdeführer darauf aufmerksam zu machen und ihn anzuregen, entsprechende Beweisanträge zu stellen, sodaß seitens der belangten Behörde weitere Erhebungen hätten vorgenommen werden können, insbesondere etwa die Einholung der bezughabenden Akten aus seiner Heimat.
Aus § 13a AVG läßt sich keine Verpflichtung der Behörde ableiten, im Verfahren über den Antrag auf Asylgewährung dem Asylwerber Anleitungen darüber zu erteilen, wie er sein Vorbringen auszuführen und welche Fluchtgründe er anzugeben habe, damit sein Antrag zum Erfolg führen kann (vgl. ua die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 178, zitierte hg. Rechtsprechung).
§ 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG iVm
§ 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden ist, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinn der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 25. April 1995, Zl. 95/20/0112).
Der Beschwerdeführer hat in erster Instanz zwar vorgebracht, daß der von ihm als Anstifter am Mord seines Vaters bezeichnete Rivale nach Verhaftung und lediglich dreiwöchiger Haft freigekommen sei, weil er über viel Bargeld verfüge. Der belangten Behörde ist im Ergebnis aber darin zuzustimmen, daß aus diesen Angaben keine gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention abgeleitet werden könnten, indem die dem Beschwerdeführer durch andere Stammesmitglieder allenfalls drohenden Übergriffe von staatlichen Stellen seines Heimatlandes ausgegangen wären oder von diesen zumindest geduldet worden wären. Denn der Beschwerdeführer hat insbesondere nie behauptet, daß das Strafverfahren gegen den Rivalen zur Gänze niedergeschlagen worden sei. Nur im Falle einer gänzlichen Niederschlagung des Verfahrens aus rechtsfremden Gründen (also nicht etwa mangels an Beweisen), ist eine Schutzunwilligkeit der staatlichen Behörde des Heimatlandes indiziert. Da es auch in hochentwickelten Rechtsordnungen Gründe rechtlicher Natur gibt, daß ein Verdächtiger nach kurzer Zeit aus der zunächst verhängten Haft entlassen wird (mangels an Beweisen, mangelnde Haftgründe, Entlassung gegen Kaution), ist aus der raschen Entlassung des Rivalen nach der Ermordung des Vaters des Beschwerdeführers nicht der Schluß zulässig, daß die Behörden des Heimatstaates allenfalls dem Beschwerdeführer durch den Rivalen drohende Übergriffe dulden würden. Denn auch ein hochentwickelter Staat kann gegen Übergriffe nichtstaatlicher Kräfte keinen absoluten Schutz des Lebens und der Sicherheit gewährleisten, ohne daß darin eine staatliche oder dem Staat zurechenbare - asylrechtlich relevante - Verfolgung gelegen wäre.
Da der Beschwerdeführer selbst in der Beschwerde nicht behauptet hat, daß das Strafverfahren gegen den Rivalen aufgrund des Mordes am Vater des Beschwerdeführers aus rechtsfremden Gründen niedergeschlagen worden wäre, sohin auch der Beschwerde eine staatliche oder dem Staat zurechenbare asylrechtlich relevante Verfolgung durch staatliche Duldung allenfalls dem Beschwerdeführer drohender Übergriffe durch seinen Rivalen nicht zu entnehmen ist, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, die Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels darzulegen.
Der Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei keiner mittelbaren staatlichen Verfolgung unterlegen, kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis brauchte auf die von der Behörde ebenfalls zur Begründung herangezogene inländische Fluchtalternative und die vom Beschwerdeführer hiegegen gemachten Ausführungen nicht eingegangen zu werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995190046.X00Im RIS seit
20.11.2000