TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/26 95/19/1792

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Veröffentlicht am 26.03.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1002;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1 impl;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Oktober 1995, Zl. 101.550/4-III/11/94, betreffend Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist i.A. Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Oktober 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 27. September 1994 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 71 AVG abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Dem Beschwerdevorbringen zufolge wurde der Wiedereinsetzungsantrag im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer "zwei Mitarbeiter seiner Versicherung" befragt habe und diese ihm gegenüber versprochen hätten, die "Sache für ihn zu erledigen und auch das Berufungsschreiben fristgerecht zu verfassen und bei der Behörde einzubringen". Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, daß er nicht zwei ihm vollkommen fremde Personen mit der "Verfassung der Berufung beauftragt" habe, sondern zwei Mitarbeiter, bei denen er eine Versicherung abgeschlossen habe und diese sein vollstes Vertrauen genossen hätten. Da beide Personen "bei einer "Versicherung" beschäftigt" seien, habe der Beschwerdeführer davon ausgehen können, daß diese für ihn die Berufung - wie ihm auch zugesichert worden sei - fristgerecht einbringen würden. Da er als Partei selbst die Möglichkeit habe, eine Berufung zu verfassen, habe der Beschwerdeführer auch die Möglichkeit, eine ihm vertraute Person "zum Zwecke der Verfassung der Berufung auszuwählen". Der Beschwerdeführer habe sohin mit der Verfassung der Berufung Personen beauftragt, von denen er annehmen habe können, daß sie seine Rechte "bestens wahrnehmen" würden und welchen er "absolutes Vertrauen" habe schenken können. Der Beschwerdeführer sei durch die Tatsache, daß die beiden Mitarbeiter die Berufung nicht rechtzeitig eingebracht haben, durch ein unvorhergesehenes, unabwendbares Ereignis verhindert gewesen, die Berufungsfrist rechtzeitig einzuhalten.

Damit legt der Beschwerdeführer zunächst klar, daß durch Nichteinbringung der Berufung die Frist zur Erhebung der Berufung tatsächlich versäumt wurde.

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Aufgrund des Beschwerdevorbringens ist unzweifelhaft, daß zwischen dem Beschwerdeführer und den beiden Mitarbeitern der Versicherung ein Bevollmächtigungsvertrag im Sinne des § 1002 ABGB zustandegekommen ist. Der Beschwerdeführer hat nämlich die beiden Mitarbeiter damit beauftragt, die Berufung zu verfassen und fristgemäß einzubringen. Die durch die Zusicherung der Erfüllung des diesbezüglichen Auftrages übernommene Verpflichtung der Mitarbeiter des Versicherungsunternehmens zur Vornahme von Rechtshandlungen schließt es aus, diese Personen als Boten des Beschwerdeführers zu qualifizieren. Dem Beschwerdeführer war daher das Verschulden seiner Machthaber jedenfalls zuzurechnen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 4. März 1992, Zl. 93/02/0256, und vom 22. Februar 1996, Zlen. 95/19/0520 bis 0522). Ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden der Machthaber schließt eine Wiedereinsetzung nach § 71 AVG aus. Die Untätigkeit eines Vertreters bildet im allgemeinen keinen Wiedereinsetzungsgrund, es sei denn, der oder die Machthaber wären ihrerseits durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen, die Frist einzuhalten und es träfe sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens. Diesbezüglich trifft aber den Wiedereinsetzungswerber trotz des im Verwaltungsverfahren herrschenden Grundsatzes der amtswegigen Ermittlung der materiellen Wahrheit die Pflicht, alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen. Gerade zufolge der Befristung eines Wiedereinsetzungsantrages ist es nicht Sache der Behörde, tatsächliche Umstände zu erheben, die einen Wiedereinsetzungsantrag bilden können. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist daher nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt ist (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, zB das hg. Erkenntnis vom 24. April 1985, Zl. 84/11/0011).

Da der Beschwerdeführer jegliches Vorbringen vermissen läßt, aus welchen Gründen die von ihm bevollmächtigten Mitarbeiter der Versicherung die Erhebung und Einbringung der Berufung unterlassen haben, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan, daß bei diesen Personen ein Wiedereinsetzungsgrund eingetreten sei.

Damit hat die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht - wenngleich aufgrund einer anderen Begründung - dem Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bewilligt.

Bei diesem Ergebnis kann es dahingestellt bleiben, ob auch den Beschwerdeführer selbst eine Pflicht zur Überwachung der Einhaltung seines Auftrages durch Rückfrage bei den bevollmächtigten Personen traf, bzw. welcher Verschuldensgrad ihm am Unterlassen einer solchen Rückfrage anzulasten ist.

Bereits der Inhalt der Beschwerde läßt erkennen, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995191792.X00

Im RIS seit

05.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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