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L65005 Jagd Wild SalzburgNorm
AVG §37Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Mag. Nedwed, Mag. Samm, Dr. Faber und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der T Ges.m.b.H in B, vertreten durch Grünbart-Lison Rechtsanwälte GmbH in 5280 Braunau, Stadtplatz 43, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 14. Februar 2022, Zl. 405-1/651/1/31-2022, betreffend eine Abschussplanung nach dem Salzburger Jagdgesetz 1993 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Salzburg hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau (belangte Behörde) vom 29. April 2021 erlassenen Abschussplan für das Jahr 2021 betreffend ein näher bezeichnetes Jagdgebiet (Jagd-Nr. 4013) ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.
2 Begründend führte es unter Bezugnahme auf ein Gutachten des Amtssachverständigen im Wesentlichen aus, dass die von der Revisionswerberin als zu hoch beanstandete Mindestabschusszahl für Rotwild fachlich nachvollziehbar und erfüllbar sei.
3 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit und in der Sache zusammengefasst geltend gemacht wird, das angefochtene Erkenntnis sei mangelhaft begründet und weiche insofern von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ab. Grundlage für jeden Abschussplan müsse der tatsächliche Wildstand in dem zu beurteilenden Jagdgebiet sein. Trotzdem sei vom Amtssachverständigen für das strittige Jagdgebiet keine Erhebung des tatsächlichen Wildstandes durchgeführt worden, sondern er habe sich auf eine Schätzung beschränkt. Demgegenüber habe die Revisionswerberin dem Verwaltungsgericht ein Privatgutachten und die detaillierten Auswertungen von aufgestellten Wildkameras zur Verfügung gestellt. Letztere hätten ergeben, dass in einem Zeitraum von 40 Tagen lediglich vier Stück Rotwild in der Dämmerung hätten erblickt werden können. Ungeachtet dessen folge das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung dem Amtssachverständigen mit einer nicht nachvollziehbaren Begründung, was von der Revision im Einzelnen näher ausgeführt wird. Diese Begründungsmängel führten zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
4 Die belangte Behörde hat zu dieser Revision keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Die Revision ist im Sinne des dargestellten Vorbringens zulässig und begründet.
6 Gemäß § 59 Abs. 2 Salzburger Jagdgesetz (JG) sind bei jeder Abschussplanung die in den Vorjahren getätigten Abschüsse, das nachgewiesene Fallwild, das Ausmaß und die Entwicklung der Wildschäden am Wald sowie der Gesundheitszustand und die Sozialstruktur des Wildes zu berücksichtigen. Die zur Erstellung und Erlassung des Abschussplanes erforderlichen näheren Bestimmungen sind gemäß § 59 Abs. 3 leg. cit. durch Verordnung der Landesregierung festzulegen (Abschussrichtlinien). Die Abschusszahlen sind gemäß § 60 Abs. 2 JG unter Bedachtnahme auf die Zoneneinteilung (§ 58 Abs. 2 JG) so festzulegen, dass im Wildraum und in den einzelnen Wildregionen ein Bestand an Rot- und Gamswild erreicht und erhalten wird, der den Grundsätzen des § 3 JG (Grundsätze der Ausübung der Jagd) entspricht.
7 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Grundlage für jeden Abschussplan der tatsächliche Wildstand im Jagdgebiet. Für die verlässliche Ermittlung des tatsächlichen Wildstandes sind in erster Linie die Ergebnisse von umfassenden und gewissenhaft durchgeführten Wildzählungen maßgeblich. Wildstandsangaben im Abschussplan haben nach der höchstgerichtlichen Judikatur zwar grundsätzlich die Vermutung der Richtigkeit für sich, bei Anhaltspunkten dafür, dass der im Abschussplan angegebene Wildstand von der Realität abweicht, muss die Behörde nach dem Grundsatz der materiellen Wahrheit aber den objektiven Sachverhalt feststellen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 9.9.2015, Ro 2014/03/0023, mwN).
8 In Bezug auf das gegenständliche Revier war bereits der Abschussplan für das Jahr 2020 (ebenfalls bezogen auf den dort festgelegten Mindestabschuss für Rotwild) Gegenstand einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof, die mit Beschluss vom 21. April 2021, Ra 2021/03/0046-3, zurückgewiesen worden ist.
9 Im vorliegenden Fall wird für das nun zu beurteilende Jahr 2021 erneut eine nach Auffassung der Revisionswerberin zu hohe Mindestabschusszahl gerügt. Wie schon im Verfahren für das vorangegangene Jahr hatte das Verwaltungsgericht den Einwänden der Revisionswerberin, die festgelegten Mindestabschusszahlen seien nicht erfüllbar, unter Bezugnahme auf das Gutachten des Amtssachverständigen keine Berechtigung zuerkannt.
10 Den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis ist zu entnehmen, dass die vorgeschriebenen Mindestabschüsse vom Jagdleiter der Revisionswerberin in den Jahren 1998 bis 2015 für die damals noch bestehende Jagdbetriebsgemeinschaft des gegenständlichen Reviers 4013 mit anderen (benachbarten) Jagdrevieren zu mehr als 100 % erfüllt worden ist. Nach Auflösung der Jagdbetriebsgemeinschaft wurden die Mindestabschusszahlen beim Rotwild in den Jahren 2016 bis 2020 beim Jagdrevier 4013 aber nicht mehr erreicht. Die Gründe dafür bleiben nach der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses im Dunkeln.
11 Die Revisionswerberin macht dazu geltend, ihr sei es selbst nicht nachvollziehbar gewesen, warum es ihr früher möglich gewesen sei, die vorgegebenen Abschusspläne zu über 100 % zu erfüllen, während dies später nicht mehr der Fall gewesen sei. Deshalb habe sie sich entschieden, den Wildbestand im Jagdrevier 4013 selbst zu überprüfen. Wildzählungen seien dazu nicht tauglich gewesen, da - wie aus den vorgelegten Jagdtagebüchern ersichtlich sei - Rotwild lediglich in nicht bejagbaren Geländeabschnitten des Reviers oder in angrenzenden Revieren erblickt habe werden können. Das Jagdgebiet 4013 lasse sich nämlich in mehrere Abschnitte unterteilen und sei nur auf einem Gebiet von ca. 90 bis 100 ha in Bezug auf Rotwild bejagdbar. Die Revisionswerberin habe deshalb 21 Wildkameras aufgestellt und über einen Zeitraum von über 40 Tagen 7.258 Fotos aufgenommen und detailliert ausgewertet. Daraus habe sich ergeben, dass bei gedachten 698 Ansitzen (unter Ansitz sei ein Beobachtungsposten zu verstehen, von welchem aus Wild erlegt werden soll) lediglich vier Stück Rotwild in der Dämmerung erblickt hätten werden können. All das führe nach Auffassung der Revisionswerberin zu dem Ergebnis, dass der tatsächliche Wildstand im Revier eine Erfüllung der im Abschussplan vorgegebenen Mindestabschusszahl nicht ermögliche.
12 Dem angefochtenen Erkenntnis kann entnommen werden, dass ungeachtet dieses schon im Beschwerdeverfahren erstatteten Vorbringens der Revisionswerberin für das strittige Revier keine Ermittlung des tatsächlichen Wildstandes in geeigneter Art und Weise vorgenommen worden ist. Dies ist angesichts der seit mehreren Jahren in Diskussion stehenden Mindestabschusszahlen für Rotwild aber nicht nachvollziehbar. Anders als im erwähnten Verfahren für den Abschussplan des vorangegangenen Jahres 2020 lagen der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht nämlich im gegenständlichen Verfahren die von der Revisionswerberin dargestellten Anhaltspunkte dafür vor, dass die Mindestabschusszahlen, wie sie vom Amtssachverständigen für erfüllbar angesehen wurden, möglicherweise nicht die realen Verhältnisse widerspiegeln.
13 Den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses lässt sich auch nicht eindeutig entnehmen, von welchem aktuellen tatsächlichen Wildstand das Verwaltungsgericht für das Revier Jagd-Nr. 4013 ausgeht.
14 Es wird lediglich erwähnt, dass bei einer benachbarten (nicht im Revier Jagd-Nr. 4013 gelegenen Fütterung) im Winter 2020/2021 197 Stück Rotwild überwintert hätten, dies mit ungünstigem Geschlechterverhältnis, nämlich 50 Hirsche, 104 Tiere und 43 Kälber. Unmittelbare Rückschlüsse darauf, dass dieses Wild auch in das Revier Jagd-Nr. 4013 einwechselt, lassen sich daraus nicht ziehen.
15 Weiters führt das Verwaltungsgericht aus, dass von 1. September 2021 bis 6. Oktober 2021 tagsüber im nördlichen Bereich des Reviers Jagd-Nr. 4013 und im angrenzenden Revier zehn Hirsche, zehn Hirschkühe und drei Kälber beobachtet worden seien, wobei es sich auch um Mehrfachsichtungen handeln könne. Auch diese Feststellung lässt daher keinen verlässlichen Rückschluss auf das im Revier Jagd-Nr. 4013 vorhandene Rotwild zu.
16 Nach den verwaltungsgerichtlichen Feststellungen wurde außerdem am 8. September 2021 bei einer Begehung im Revier festgehalten, dass es zu Sichtungen von 35 Stück Rotwild, vor allem Kahlwild, gekommen sei. Diese Zahl werde von der Revisionswerberin aber als zu hoch angesehen, was das Verwaltungsgericht auch für möglich erachtet, weshalb sich auch daraus keine nachvollziehbaren Schlüsse ziehen lassen.
17 Zu den Auswertungen der Wildkameras hält das Verwaltungsgericht fest, dass die so vorgenommenen Erhebungen nur einen begrenzten räumlichen Bereich des Jagdreviers beträfen und zeitlich auch nur einen gewissen Zeitraum abgebildet hätten. Abgesehen davon, dass durch die Wildkameras ohnedies ein gewisses Ausmaß an Rotwild im Revier belegt werde, sei aus diesen Auswertungen nicht zwingend der Schluss zu ziehen, dass der Mindestabschuss, wie er von der belangten Behörde gefordert werde, nicht möglich wäre. Diese Erwägungen lassen neuerlich offen, von welchem tatsächlichen Wildstand das Verwaltungsgericht ausgegangen ist.
18 Auch die abschließende Feststellung im angefochtenen Erkenntnis, im Jagdjahr 2021 seien im gegenständlichen Revier nach den Aufzeichnungen der Revisionswerberin 602 Pirschgänge absolviert worden, von denen 64 mit Anblick gewesen seien, ist angesichts des Vorbringens der Revisionswerberin, nur ein Teil der Sichtungen sei im bejagdbaren Gelände gewesen, zu unpräzise, um daraus entscheidungsrelevante Schlüsse ziehen zu können.
19 Zu Recht macht die Revision somit geltend, dass der Amtssachverständige und ihm folgend das Verwaltungsgericht den tatsächlichen Wildstand im Revier Jagd-Nr. 4013 trotz des substantiierten bestreitenden Vorbringens der Revisionswerberin nicht in hinreichend nachvollziehbarer Art und Weise ermittelt und festgestellt haben. Ausgehend davon lässt sich auch nicht abschließend beurteilen, ob die festgelegte Mindestabschusszahl rechtmäßig gewesen ist.
20 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
21 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 20. September 2022
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle WahrheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022030105.L00Im RIS seit
20.10.2022Zuletzt aktualisiert am
20.10.2022