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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AlVG 1977 §10 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des D L in H, vertreten durch die Beneder Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 27/DG/9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2022, W262 2249805-1/15E, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Hollabrunn), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht in Bestätigung einer entsprechenden Beschwerdevorentscheidung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Hollabrunn (AMS) aus, der Revisionswerber habe seinen Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum von 9. August 2021 bis 19. September 2021 gemäß § 10 in Verbindung mit § 38 AlVG verloren. Nachsicht werde nicht erteilt. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
2 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, das AMS habe dem in Bezug von Notstandshilfe stehenden Revisionswerber ein Stellenangebot betreffend einen Transitarbeitsplatz als Grünraumpfleger/Werkstattmitarbeiter übermittelt. Dem Stellenangebot zufolge sei zum persönlichen Vorstellungsgespräch am 9. August 2021 „jedenfalls eine (normale) den Mund- und Nasenbereich abdeckende Maske“ mitzunehmen und diese bereits beim Betreten des Gebäudes zu tragen gewesen; die Maskenpflicht wäre entfallen, wenn der Bewerber einen „Nachweis einer geringen epidemischen Gefahr [...] (getestet, genesen oder geimpft)“ erbracht hätte. Der Revisionswerber sei zum Vorstellungstermin erschienen, von der Teilnahme jedoch ausgeschlossen worden, weil er sich geweigert habe, eine Maske zu tragen, und auch keinen „3G-Nachweis“ erbracht habe. Als Begründung habe der Revisionswerber angegeben, dass ihm das Tragen eines Mund- und Nasenschutzes nicht zumutbar sei. Er habe über ein „Befreiungsattest“, ausgestellt vom Arzt Dr. E am 5. August 2020, mit folgendem Inhalt verfügt:
„Hiermit bestätige ich, dass das Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung für die oben genannte Person aus gesundheitlichen Gründen kontraindiziert, wissenschaftlich belegbar gesundheitsschädlich und im Sinne der Psychohygiene traumatisierend und damit unzumutbar ist.“
Dr. E sei mit Bescheid des Landeshauptmannes der Steiermark vom 18. Februar 2021 die Berufsausübung nach dem ÄrzteG vorläufig untersagt worden. Am 4. März 2022 sei Dr. E aus der österreichischen Ärzteliste gestrichen worden, insbesondere mit der Begründung, dass er zumeist ohne vorhergehende Untersuchung gegen einen Unkostenbeitrag Personen „Maskenbefreiungsatteste“ wie das des Revisionswerbers ausgestellt habe. Die dem Revisionswerber vom AMS zugewiesene Beschäftigung sei „zumindest auch“ aufgrund der unterbliebenen Teilnahme des Revisionswerbers am Vorstellungsgespräch nicht zustande gekommen.
3 In der „Beweiswürdigung“ hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, das „Maskenbefreiungsattest“ habe den Voraussetzungen des § 55 ÄrzteG („Ein Arzt darf ärztliche Zeugnisse nur nach gewissenhafter ärztlicher Untersuchung und nach genauer Erhebung der im Zeugnis zu bestätigenden Tatsachen nach seinem besten Wissen und Gewissen ausstellen.“) nicht entsprochen, zumal das Attest weder eine konkrete Diagnose, noch Ausführungen zu den konkreten gesundheitlichen Beschwerden des Revisionswerbers enthalte und der Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung bestätigt habe, dass er lediglich „Email-Kontakt“ mit Dr. E gehabt habe. Das Attest sei insgesamt nicht geeignet, glaubhaft zu machen, dass das Tragen einer Maske aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar gewesen wäre.
4 In der rechtlichen Beurteilung hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, zum Zeitpunkt des Vorstellungsgespräches am 9. August 2021 habe gemäß § 9 Abs. 1 2. COVID-19-Öffnungsverordnung - 2. COVID-19-ÖV, BGBl. II Nr. 278/2021 idF BGBl. II Nr. 328/2021, im unmittelbaren Kundenkontakt in geschlossenen Räumen grundsätzlich Maskentragepflicht bestanden. § 19 Abs. 3 Z 8 leg.cit. habe Ausnahmen für Personen, denen aus gesundheitlichen Gründen das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes nicht zumutbar war, vorgesehen. Gemäß § 20 Abs. 2 leg.cit. sei der Ausnahmegrund durch eine von einem in Österreich oder im EWR zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Arzt ausgestellte Bestätigung glaubhaft zu machen gewesen. Dass sich der Revisionswerber - aufgrund seiner Weigerung, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, ohne einen Grund für eine Ausnahme von der Maskenpflicht in geeigneter Weise glaubhaft zu machen - nicht für die ihm vom AMS zugewiesene Beschäftigung beworben habe, stelle eine Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG dar.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zu ihrer Zulässigkeit macht sie unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung geltend, es gebe noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob ein „AMS-Geld-Bezieher“ auf ein Maskenbefreiungsattest eines österreichischen Arztes vertrauen dürfe. Einem „AMS-Geld-Bezieher“ sei es unzumutbar, die Richtigkeit eines Maskenbefreiungsattestes zu hinterfragen, dies insbesondere dann, wenn wie hier bereits Erkenntnisse von Landesverwaltungsgerichten vorlägen, wonach Maskenbefreiungsatteste des Herrn Dr. E zu respektieren seien (die Revision verweist insbesondere auf das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 16. August 2021, LVwG-S-1164/002-2021).
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Mit ihrem oben wiedergegebenen Zulässigkeitsvorbringen geht die Revision völlig darüber hinweg, dass der Verwaltungsgerichtshof das von der Revision angesprochene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich, wonach ein wie im vorliegenden Fall vom Arzt Dr. E ausgestelltes Maskenbefreiungsattest „zu respektieren“ sei, mit Erkenntnis vom 7. Februar 2022, Ra 2021/03/0277, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben hat. Im genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, der Betroffene hätte seine Obliegenheit zur Glaubhaftmachung des Vorliegens einer Ausnahme von der Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes nur mit einer „unbedenklichen ärztlichen Bestätigung“ erfüllt. Von einer unbedenklichen Bestätigung hätte der Betroffene aber jedenfalls dann nicht ausgehen können, wenn er davon Kenntnis gehabt hätte, dass die ärztliche Bestätigung - entgegen § 55 ÄrzteG - ohne gewissenhafte ärztliche Untersuchung und ohne genaue Erhebung der darin bestätigten Tatsachen erstellt worden wäre, etwa wenn ein solches „Attest“ online bestellt und ohne Untersuchung ausgestellt worden wäre. Dass das vom Revisionswerber vorgelegte Maskenbefreiungsattest von Dr. E - wie vom Bundesverwaltungsgericht festgestellt - unter genau solchen Bedingungen ausgestellt wurde, bestreitet die Revision nicht. Der Revision gelingt es vor diesem Hintergrund mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht, darzulegen, dass es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur aufgeworfenen Frage mangle.
10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 26. September 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022080117.L00Im RIS seit
20.10.2022Zuletzt aktualisiert am
20.10.2022