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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §185;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der S GmbH in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat III), betreffend Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1984 sowie Vermögensteuer und Erbschaftssteueräquivalent ab dem 1. Jänner 1984, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Gegen den Bescheid, mit dem ab 1. Jänner 1984 gegenüber der Beschwerdeführerin der Einheitswert des Betriebsvermögens festgestellt sowie die Vermögensteuer und das Erbschaftssteueräquivalent festgesetzt wurden, brachte die Beschwerdeführerin Berufung ein. Sie begehrte die Aufhebung des Bescheides und führte zur Begründung aus, er sei erst am 29. Jänner 1990 und somit nach Ablauf der Verjährung gemäß § 207 BAO zugestellt worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Bescheid des Finanzamtes (Ausfertigungsdatum 19. Dezember 1989) sei vom Finanzamt verbucht worden; der Beschwerdeführerin sei sodann die Lastschriftanzeige am 19. Dezember 1989 zugesandt worden. Mit Schreiben vom 17. Jänner 1990 habe die Beschwerdeführerin dem Finanzamt mitgeteilt, daß sie zwar die Lastschriftanzeige, nicht aber den korrespondierenden Bescheid betreffend Vermögensteuer und Erbschaftssteueräquivalent erhalten habe. Das Finanzamt habe sodann nochmals einen Bescheid gleichen Inhaltes versandt; laut Zustellnachweis habe die Beschwerdeführerin diesen am 29. Jänner 1990 erhalten. Mangels Vorliegens eines Rückscheines könne die Zustellung des Bescheides vom 19. Dezember 1989 vor Ablauf des Jahres 1989 von der Behörde nicht nachgewiesen werden. Es sei daher zu prüfen, ob die Zustellung vom 29. Jänner 1990 innerhalb der Verjährungsfrist erfolgt sei. Gemäß § 209 Abs. 1 BAO werde die Verjährung durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Daß die Lastschriftanzeige der Beschwerdeführerin erst nach Ablauf des Jahres 1989 zugekommen sei, wird von ihr nicht behauptet. Aufgrund der Zustellung der Lastschriftanzeige vom 19. Dezember 1989 sei der Beschwerdeführerin erkennbar gewesen, daß das Finanzamt beabsichtige, die Abgabenansprüche betreffend Vermögensteuer und Erbschaftssteueräquivalent ab dem 1. Jänner 1984 geltend zu machen. Da im angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Fälligkeit der vorgeschriebenen Abgaben auf die Lastschriftanzeige verwiesen werde, bilde diese einen Teil des Bescheidspruches. Die Lastschriftanzeige stelle somit eine Handlung dar, welche im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO den Eintritt der Bemessungsverjährung unterbreche. Die Berufung gegen den Bescheid betreffend Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1984 sei somit als unbegründet abzuweisen. Insoweit sich die Berufung gegen die Bescheide betreffend Vermögensteuer und Erbschaftssteueräquivalent ab dem 1. Jänner 1984 richte, sei sie deshalb als unbegründet abzuweisen, weil gemäß § 252 Abs. 1 BAO Bescheide, denen Entscheidungen zugrundeliegen, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, nicht mit der Begründung angefochten werden könnten, daß die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend seien.
Gegen diesen Bescheid, soweit er Vermögensteuer und Erbschaftssteueräquivalent betrifft, richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich verletzt im Recht, daß nach Eintritt der Bemessungsverjährung Abgaben nicht mehr vorgeschrieben werden dürfen. Mit Lastschriftanzeige vom 19. Dezember 1989, zugestellt am 22. Dezember 1989, seien dem Abgabenkonto der Beschwerdeführerin für das Jahr 1984 Vermögensteuer und Erbschaftssteueräquivalent angelastet worden. Die Zustellung des korrespondierenden Einheitswert-, Vermögensteuer- und Erbschaftssteueräquivalentbescheides sei am 29. Jänner 1990 erfolgt. Feststellungsbescheide würden der Bemessungsverjährung nicht unterliegen, entgegen der Ansicht der belangten Behörde könne aber bei abgeleiteten Abgabenbescheiden die Bemessungsverjährung eingewendet werden. Die Zustellung einer Lastschriftanzeige sei keine Handlung, die geeignet sei, die Festsetzungsverjährung zu unterbrechen. Sie sei keine Handlung, die zur Feststellung oder Geltendmachung des Abgabenanspruches unternommen werde, die Lastschriftanzeige sei bloß eine Verständigung oder Mitteilung, mit der ein Abgabepflichtiger über seinen Kontostand und über bevorstehende Zahlungsverpflichtungen unterrichtet werde. Die Lastschriftanzeige erfolge daher grundsätzlich zeitlich nach der bescheidmäßigen Festsetzung der Abgabe. Die Verständigung oder Mitteilung durch Lastschriftanzeige über eine Abgabe, die der Steuerpflichtige noch nicht schulde, weil sie bescheidmäßig noch nicht festgesetzt worden sei, sei ohne Rechtsgrund und müsse beim Steuerpflichtigen den Eindruck erwecken, der Behörde sei ein Irrtum unterlaufen. Maßnahmen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches könnten nur solche sein, die die Grundlagen der bescheidmäßigen Festsetzung schaffen und daher im Regelfall zeitlich vor dem Bescheid getroffen würden. Maßnahmen, die regelmäßig zeitlich nach der bescheidmäßigen Festsetzung erfolgten, seien keine Maßnahmen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches. Diese Maßnahmen dienten der Durchsetzung des Anspruches im Sinn des § 238 Abs. 2 BAO. Soweit die Lastschrift Angaben über die Fälligkeit der Vermögensteuer sowie der Abgabe nach dem Erbschaftssteueräquivalentgesetz enthalte und der Bescheid auf die Lastschriftanzeige verweise, könne der Lastschrift Bescheidcharakter zukommen.
Unterbrechungshandlungen müßten jedoch auf die Ermittlung der Höhe einer Abgabe bzw. im Falle des Abgabenbescheides auf die Festsetzung des Abgabenanspruches gerichtet sein. Die Lastschriftanzeige habe keinen normativen Charakter und diene weder der Abgabenfestsetzung noch der Geltendmachung des Abgabenanspruches.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zu Recht verweist die Beschwerdeführerin darauf, daß Feststellungsbescheide nicht der Verjährung im Sinne des § 207 BAO unterliegen (vgl. hg. Erkenntnis vom 23. März 1971, 1039/69), daß aber - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - von Feststellungsbescheiden abgeleitete Abgabenbescheide dieser Verjährung unterliegen können. Ein Anwendungsfall des § 252 Abs. 1 BAO liegt schon deshalb nicht vor, weil der Einheitswertbescheid keine Feststellung darüber trifft, daß hinsichtlich der abgeleiteten Bescheide Verjährung im Sinn des § 207 Abs. 1 BAO nicht eingetreten sei.
Der Beschwerdeführer wurde dennoch durch den angefochtenen Bescheid nicht in subjektiven öffentlichen Rechten verletzt. Die von der belangten Behörde in sachverhaltsmäßiger Hinsicht festgestellte Zustellung der Lastschriftanzeige im Jahr 1989 bewirkt nämlich, daß bei richtiger rechtlicher Würdigung eine Unterbrechung der Bemessungsverjährung hinsichtlich Vermögensteuer und Erbschaftssteueräquivalent eingetreten ist:
Gemäß § 209 Abs. 1 BAO wird die Verjährung durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabenpflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
Verjährungsunterbrechend wirken somit nach außen in Erscheinung tretende Amtshandlungen, wenn sie als Schritte der "Erhebung" im Sinne des § 49 BAO aufzufassen sind, sohin (hoheitliches) Verwaltungshandeln, das im Außenbereich wahrnehmbar ist. Es handelt sich dabei um behördliche Maßnahmen, die (zumindest ergebnishaft) auf die Geltendmachung eines Abgabenanspruches oder die Feststellung von Abgabepflichtigen gerichtet sind (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2187).
Eine Lastschriftanzeige ist eine schriftliche Verständigung des Abgabepflichtigen über Art, Höhe und Zeitpunkt der Abgabenzahlungsverpflichtung (vgl. § 227 Abs. 4 lit. a und § 228 BAO). Der Lastschriftanzeige kommt kein Bescheidcharakter zu (vgl. hg. Erkenntnis vom 26. September 1985, 85/14/0127, AW 85/14/0014). Verweist allerdings ein Abgabenbescheid bezüglich der Fälligkeit auf die Lastschriftanzeige, so ist die Fälligkeitsangabe in der Lastschriftanzeige als Teil des Bescheidspruches anzusehen (vgl. hg. Erkenntnis vom 5. August 1992, 88/13/0166).
Im Falle des Verweises eines Abgabenbescheides auf die Lastschriftanzeige bezüglich der Fälligkeit zählt die Bekanntgabe der Lastschriftanzeige zur Erlassung eines dem § 189 Abs. 2 BAO entsprechenden Bescheides. Bei einer solchen Konstellation stellt die Zustellung der Lastschriftanzeige - wie die Bekanntgabe des Abgabenbescheides (vgl. hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1993, 92/13/0269, AW 92/13/0024) - jedenfalls eine nach außen erkennbare Amtshandlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruches dar. Wenn die Behörde die Zustellung des Bescheides und die Verwendung der Lastschriftanzeige im Rahmen eines einheitlichen Vorganges veranlaßt, gilt dies auch, wenn dem Abgabepflichtigen die Lastschriftanzeige VOR dem auf sie bezugnehmenden Bescheid zugeht. Kommt dem Abgabepflichtigen für solche Abgaben, bei denen die für die Fälligkeit maßgebende Monatsfrist des § 210 Abs. 1 BAO mit der Bekanntgabe des Abgabenbescheides in Lauf gesetzt wird, die - den Fälligkeitstag ausweisende - Lastschriftanzeige vor dem Abgabenbescheid zu, so kann er dies bei verständiger Würdigung nur als Amtshandlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruches verstehen, die in die Erlassung des Abgabenbescheides münden wird. Im Gegensatz zu dem Schreiben, das dem in der Beschwerde zitierten
hg. Erkenntnis vom 1. Dezember 1987, 85/16/0111, zugrundelag, stellt die Lastschriftanzeige aber nicht eine bloße Absichtserklärung (Ankündigung über eine künftige Amtshandlung) dar.
Soweit eine Lastschriftanzeige vor Eintritt der Fälligkeit einer Abgabe zugestellt wird, kann dadurch die Einhebungsverjährung nicht im Sinn des § 238 Abs. 2 BAO unterbrochen werden, weil ihr Lauf noch nicht in Gang gesetzt worden ist. Es braucht daher nicht darauf eingegangen zu werden, ob dem § 238 Abs. 2 BAO zu subsumierende Amtshandlungen keinesfalls geeignet sind, die Bemessungsverjährung zu unterbrechen, wie dies der Beschwerdeführer behauptet. Nicht relevant ist im gegebenen Zusammenhang auch, daß gemäß § 227 Abs. 4 lit. a und § 228 BAO die Zusendung einer Lastschriftanzeige unter bestimmten Voraussetzungen die Erlassung einer Mahnung ersetzt.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die Zustellung der Lastschriftanzeige am 22. Dezember 1989 hinsichtlich Vermögensteuer und Erbschaftssteueräquivalent ab dem 1. Jänner 1984 eine Unterbrechung der Bemessungsverjährung im Sinn des § 209 Abs. BAO bewirkt hat. Im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes wurde der Beschwerdeführer daher durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1992130299.X00Im RIS seit
07.06.2001