TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/27 95/12/0245

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Veröffentlicht am 27.03.1996
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
72/13 Studienförderung;

Norm

B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art18 Abs1;
BVG über die Beseitigung rassischer Diskriminierung 1973 Art1 Abs1;
BVG über die Beseitigung rassischer Diskriminierung 1973 Art1 Abs2;
StudFG 1992 §2;
StudFG 1992 §4 Abs2 Z3;
StudFG 1992 §4 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. H als Verfahrenshelferin, diese vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst vom 14. März 1995, Zl. 56.033/5-I/7a/95, betreffend Studienbeihilfe nach dem Studienförderungsgesetz 1992, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger. Er legte im Sommer 1988 an einem Gymnasium in Istanbul die Reifeprüfung ab. Auf Grund dieser türkischen Reifeprüfung wurde der Beschwerdeführer durch Bescheid des Rektors der Universität Innsbruck vom 11. Jänner 1989 als ordentlicher Hörer an dieser Universität für die Studienrichtung Bauingenieurwesen (unter Hinweis auf das sich aus der Universitätsberechtigungsverordnung, BGBl. Nr. 510/1988, ergebende Erfordernis der Ablegung der Zusatzprüfung aus "Darstellende Geometrie" vor Beginn des 3. Semesters) zur Immatrikulation für das Sommersemester 1989 zugelassen.

Ab dem Wintersemester 1989/90 studierte der Beschwerdeführer durch insgesamt zehn Semester (also einschließlich Sommersemester 1994) die Studienrichtung Wirtschaftsinformatik an der Universität Wien, ohne die erste Diplomprüfung abzulegen.

Am 23. März 1994 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf "Aberkennung von Semester". Diesen begründete er damit, er habe einen Deutschkurs durch zwei Semester besuchen müssen; durch zwei weitere Semester hätten ihn familiäre Schwierigkeiten daran gehindert, sich ernsthaft mit seinem Studium (Wirtschaftsinformatik) zu beschäftigen. Deshalb ersuche er um "Aberkennung" im Ausmaß von vier Semestern, um eventuelle Prüfungen im sechsten Semester anerkennen zu lassen.

Auf dem Antragsformular findet sich der Vermerk: "4 Semester bewilligt 24.3.1994", eine unleserliche Unterschrift sowie eine Stampiglie der Prüfungskommission für die erste Diplomprüfung der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Studienrichtungen.

Ab dem Wintersemester 1994/95 begann der Beschwerdeführer das Studium der Studienrichtung "Technische Mathematik" an der Technischen Universität Wien.

Im Oktober 1994 beantragte er hiefür die Gewährung einer Studienbeihilfe; diesem Antrag war unter anderem auch der oben erwähnte Vorgang betreffend die "Aberkennung von Semestern" im Studium Wirtschaftsinformatik angeschlossen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen nunmehr bekämpften Bescheid vom 14. März 1995 wies die belangte Behörde dieses Ansuchen in Bestätigung des Bescheides des Senates der Studienbeihilfenbehörde für Studierende der Technischen Universität Wien ab. Wie bereits in den Vorinstanzen stützte sie die Abweisung auf das Fehlen des in § 4 Abs. 2 Z. 3 StudFG 1992 geforderten Gleichstellungserfordernisses (Ablegen einer österreichischen Reifeprüfung, wenn diese eine Voraussetzung für die Zulassung zum Studium ist). In Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ein, es treffe zu, daß er zum Studium Bauingenieurwesen auf Grund einer gleichwertigen ausländischen Reifeprüfung zugelassen worden sei. Dies ändere aber nichts daran, daß er das Erfordernis der österreichischen Reifeprüfung nach § 4 Abs. 2 Z. 3 StudFG 1992 nicht erfülle. Diese sei Voraussetzung für die Zulassung zum Studium der Studienrichtung Bauingenieurwesen. Es spiele in diesem Zusammenhang keine Rolle, daß diese Voraussetzung durch andere Möglichkeiten der Studienzulassung (ausländische Reifeprüfung, Studienberechtigungsprüfung) ersetzt werden könne. § 4 Abs. 2 StudFG 1992 verlange für alle Studienrichtungen, für die die österreichische Reifeprüfung eine der (unter allenfalls mehreren) Voraussetzungen für die Zulassung sei, die Ablegung einer ÖSTERREICHISCHEN Reifeprüfung.

Zusätzlich zu den Vorinstanzen stellte die belangte Behörde ferner fest, der Beschwerdeführer habe aus seinem Studium Wirtschaftsinformatik keinen günstigen Studienerfolg aufgewiesen. Er habe nämlich diese Studienrichtung durch mehr als die doppelte Studienzeit des ersten Studienabschnittes (gesetzliche Studiendauer dieses Abschnittes: vier Semester) zuzüglich eines Semesters inskribiert, ohne die erste Diplomprüfung abgelegt zu haben. Der Umstand, daß nachträglich vier Semester wieder aberkannt worden seien, ändere nichts an der tatsächlich erfolgten Inskription von zehn Semestern (in dieser Studienrichtung), unabhängig von der Frage, ob diese Entscheidung über die Anerkennung von bereits inskribierten Semestern tatsächlich rechtmäßig gewesen sei oder nicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvoschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde die Nichtgewährung der Förderung auf zwei Gründe (keine Gleichstellung wegen Fehlens der in § 4 Abs. 2 Z. 3 StudFG 1992 geforderten Voraussetzung; kein günstiger Studienerfolg im Sinne des § 6 Z. 3 in Verbindung mit § 20 Abs. 2 StudFG 1992) gestützt. Bereits bei Zutreffen eines der beiden angewandten Versagungstatbestände erweist sich die Beschwerde als unbegründet.

Nach § 2 des Studienförderungsgesetzes 1992 (StudFG 1992), BGBl. Nr. 305, können österreichische Staatsbürger und gleichgestellte Ausländer und Staatenlose Förderungen erhalten.

§ 4 (Gleichgestellte Ausländer und Staatenlose) StudFG 1992 lautet:

"(1) Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens zur Schaffung des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) sind österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt, soweit es sich aus diesem Übereinkommen ergibt.

(2) Ausländer und Staatenlose sind österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt, wenn sie vor der Aufnahme an einer im § 3 genannten Einrichtung

1.

gemeinsam mit ihren Eltern wenigstens durch fünf Jahre in Österreich unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren,

2.

in Österreich während dieses Zeitraumes den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hatten und

3.

eine österreichische Reifeprüfung abgelegt haben, wenn diese eine Voraussetzung für die Zulassung zum Studium ist.

(3) Flüchtlinge im Sinne des Artikels 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, sind österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt."

Wer den Abschluß eines ordentlichen Studiums (§ 13) und die Zulassung zu den hiefür vorgesehenen Prüfungen anstrebt, hat sich nach § 6 Abs. 1 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes (AHStG), BGBl. Nr. 177/1966 in der Fassung BGBl. Nr. 332/1981, um Aufnahme als ordentlicher Hörer in der Form der Immatrikulation an einer für die gewählte Studienrichtung zuständigen Hochschule (§ 15 Abs. 2) zu bewerben.

Eine Voraussetzung für die Aufnahme ist der Besitz der erforderlichen Nachweise über die Hochschulreife (§ 6 Abs. 3 lit. b AHStG in der Fassung BGBl. Nr. 280/1991).

Das Recht, an einer Universität zum Studium gemäß § 13 Abs. 1 lit. a, b, c und f sowie Abs. 2 AHStG zugelassen zu werden, wird begründet

a) durch den Nachweis der allgemeinen Hochschulreife in einer der vier folgenden Formen:

1.

Besitz eines österreichischen Reifezeugnisses;

2.

Besitz eines anderen österreichischen Zeugnisses über die Zuerkennung der Hochschulreife;

              3.              Besitz eines ausländischen Zeugnisses, das einem österreichischen Zeugnis gemäß Z. 1 oder 2 entweder auf Grund einer internationalen Vereinbarung, auf Grund der Nostrifikation oder auf Grund der Entscheidung des Rektors der österreichischen Universität im Einzelfall gleichwertig ist; ist die Gleichwertigkeit im Hinblick auf die Inhalte und die Anforderungen einer österreichischen Reifeprüfung nicht gegeben, so sind vom Rektor die erforderlichen Ergänzungsprüfungen vor der Immatrikulation vorzuschreiben;

              4.              Besitz einer Urkunde über den Abschluß eines fachlich einschlägigen Fachhochschul-Studienganges oder eines fachlich einschlägigen Studiums an einer anerkannten ausländischen Fachhochschule (Auszug von § 7 Abs. 1 AHStG in der Fassung BGBl. Nr. 280/1991, Nr. 306/1992 und Nr. 523/1993).

Zu den ordentlichen Studien gehören nach § 13 Abs. 1 lit. a AHStG unter anderem die Diplomstudien.

Gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 lit. i des Bundesgesetzes vom 10. Juli 1969, BGBl. Nr. 290, über technische Studienrichtungen ist die Studienrichtung "Technische Mathematik" als Diplomstudium eingerichtet.

Nach Art. 1 des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung samt Erklärung der Republik Österreich, BGBl. Nr. 377/1972, bedeutet der Ausdruck "rassische Diskriminierung" in diesem Übereinkommen jede sich auf Rasse, Hautfarbe, Abstammung oder nationale oder ethnische Herkunft gründende Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, die Anerkennung, den Genuß oder die Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten in gleichberechtigter Weise im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jeden sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens zu vereiteln oder zu beeinträchtigen. Nach Abs. 2 dieses Artikels findet dieses Übereinkommen keine Anwendung auf Unterscheidungen, Ausschließungen, Beschränkungen oder Bevorzugungen, die ein Vertragsstaat zwischen Bürgern und Nichtbürgern macht.

Gemäß Art. I des Bundesverfassungsgesetzes vom 3. Juli 1973 zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. Nr. 390, ist jede Form rassischer Diskriminierung - auch soweit ihr nicht bereits Art. 7 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 und Art. 14 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegenstehen - verboten. Gesetzgebung und Vollziehung haben jede Unterscheidung aus dem alleinigen Grund der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung oder der nationalen oder ethnischen Herkunft zu unterlassen (Abs. 1).

Abs. 1 hindert nicht, österreichischen Staatsbürgern besondere Rechte einzuräumen oder besondere Verpflichtungen aufzuerlegen, soweit dem Art. 14 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten nicht entgegensteht (Abs. 2).

Der Beschwerdeführer hält die Auffassung der belangten Behörde, § 4 Abs. 2 Z. 3 StudFG 1992 stehe der Gewährung einer Förderung an ihn entgegen, für verfehlt. Unbestritten sei, daß er keine österreichische Reifeprüfung habe, doch sei auch nach Ansicht der belangten Behörde (im Hinblick auf seine Zulassung zu den von ihm betriebenen Studien an österreichischen Universitäten) sein türkisches Reifeprüfungszeugnis einer österreichischen Reifeprüfung inhaltlich gleichzuhalten. Die Formalargumentation der belangten Behörde, die zu einer einschränkenden Auslegung führe, verbiete sich auf Grund einer verfassungskonformen Auslegung. Aus dem Gleichheitsgrundsatz ergebe sich das Erfordernis eines allgemeinen Sachlichkeitsgebotes, das im Rahmen einer objektiven Sachlichkeitsprüfung auch Ausländern zugute komme, selbst wenn ihnen unbestritten durch Art. 7 B-VG kein subjektives Recht gewährleistet werde. Durch das in Durchführung der Rassendiskriminierungskonvention, BGBl. Nr. 377/1972, ergangene BVG, BGBl. Nr. 390/1973, sei der Gleichheitssatz (wie auch den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage dieses Bundesverfassungsgesetzes, 732 Blg. NR 13. GP, Seite 2 f, zu entnehmen sei) auch auf das Verhältnis der Ausländer untereinander erstreckt worden. Sofern daher für eine Ungleichbehandlung von Ausländern untereinander keine sachliche Rechtfertigung gefunden werden könne, liege ein Widerspruch zur verfassungsrechtlichen Grundordnung vor. Es könne nicht sinnvoll nachvollzogen werden, warum jemandem, dem ohne weitere Auflage die Gleichwertigkeit seines ausländischen Prüfungszeugnisses mit einem österreichischen Reifeprüfungszeugnis bescheinigt worden sei, die Gewährung einer Studienbeihilfe bloß deshalb versagt werde, weil sein Reifeprüfungszeugnis ein ausländisches sei. Eine solche Differenzierung zwischen Ausländern untereinander nach der bloßen "Nationalität" ihres Reifeprüfungszeugnisses erscheine sachlich nicht gerechtfertigt. Bei verfassungskonformer Auslegung hätte dem Antrag des Beschwerdeführers daher stattgegeben werden müssen. Sollte jedoch der Wortlaut des § 4 Abs. 2 Z. 3 StudFG 1992 keine verfassungskonforme Interpretation (im vorgeschlagenen Sinn) ermöglichen, werde angeregt, der Verwaltungsgerichtshof möge die Verfassungsmäßigkeit dieser im Beschwerdefall präjudiziellen Bestimmung beim Verfassungsgerichtshof überprüfen lassen.

Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

Die Förderung nach dem StudFG 1992 ist österreichischen Staatsbürgern und den ihnen gleichgestellten Ausländern und Staatenlosen vorbehalten (vgl. §§ 2 und 4 StudFG 1992).

§ 4 leg. cit. kennt drei Fälle der Gleichstellung mit österreichischen Staatsbürgern:

1.

Die Gleichstellung von EWR-Bürgern nach Abs. 1;

2.

die Gleichstellung nach Abs. 2 und

3.

die Gleichstellung von Flüchtlingen nach Abs. 3.

Im Beschwerdefall ist ausschließlich strittig, ob die Gleichstellungserfordernisse nach § 4 Abs. 2 erfüllt sind oder nicht. Eine Gleichstellung nach dieser Vorschrift setzt die Erfüllung aller in den Z. 1 bis 3 geregelten Voraussetzungen (siehe das Verbindungswort "und" zwischen den Z. 2 und 3) voraus.

Strittig ist im Beschwerdefall die Auslegung des Erfordernisses nach § 4 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der belangten Behörde, wonach die in Z. 3 geforderte Ablegung der österreichischen Reifeprüfung dann Gleichstellungserfordernis ist, wenn die österreichische Reifeprüfung eine allgemeine oder besondere Zulassungsvoraussetzung für das vom Antragsteller betriebene Studium im Sinne des StudFG 1992 ist; dies auch dann, wenn alternative Zulassungsvoraussetzungen vorgesehen sind. Ob dies der Fall ist oder nicht, ist nach den einschlägigen studienrechtlichen Vorschriften (im Beschwerdefall nach § 7 Abs. 1 AHStG) zu prüfen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung (arg.: eine Voraussetzung für die Zulassung zum Studium). Zutreffend hat die belangte Behörde in der Gegenschrift auch darauf hingewiesen, daß die vom Beschwerdeführer vertretene Auffassung, die österreichische Reifeprüfung sei nur dann eine Voraussetzung für die Gleichstellung nach dem StudFG 1992, wenn sie nicht durch eine andere Zulassungsalternative zum Studium ersetzt werden könne (im Beschwerdefall durch eine gleichwertige ausländische Reifeprüfung), der Bestimmung ihren Sinn nehmen würde. Denn soweit nach den einschlägigen studienrechtlichen Vorschriften die Ablegung der österreichischen Reifeprüfung eine Zulassungsvoraussetzung für ein Studium ist, kann sie in der Regel nach diesen Bestimmungen durch die Erfüllung einer anderen Voraussetzung ersetzt werden (vgl. z.B. § 7 Abs. 1 AHStG).

In diesem Sinne führen auch die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum StudFG 1992, 473 Blg. NR 18. GP zu § 4, auf Seite 28, folgendes aus:

"Abs. 2 entspricht dem § 1 Abs. 2 StudFG 1983. Wie bisher wird die Ablegung einer österreichischen Reifeprüfung Voraussetzung für die vorgesehene Gleichstellung sein, mit Ausnahme von Studien, für die eine Reifeprüfung als Zulassungsvoraussetzung nicht vorgesehen ist. Die Nostrifizierung eines ausländischen Reifezeugnisses reicht dafür nicht. Die Voraussetzung des gemeinsamen Aufenthaltsortes mit den Eltern in Österreich ist auch dann erfüllt, wenn der andere Elternteil verstorben oder unbekannt ist oder die Eltern als nicht in Wohngemeinschaft lebend im Sinne des Studienförderungsgesetzes anzusehen sind."

Die Voraussetzung nach § 4 Abs. 2 Z. 3 StudFG entfällt daher nur dann, wenn nach den einschlägigen Studienvorschriften für ein Studium die österreichische Reifeprüfung nicht als eine Zulassungsvoraussetzung normiert ist. Dies ist z.B. bei Studien nach dem KHStG grundsätzlich der Fall (vgl. dazu § 23 Abs. 2 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 KHStG), sofern nicht in den Anlagen A und B zu diesem Gesetz (ausnahmsweise) Abweichendes normiert ist (in diesem Sinne auch die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum KHStG, 1244 Blg. Sten. Prot. NR 15. GP, Seite 60; aber auch in diesem Fall gibt es nach § 23 Abs. 3 KHStG verschiedene Möglichkeiten, auf Grund eines ausländischen Reifezeugnisses zum Studium nach dem KHStG zugelassen zu werden).

Der Verwaltungsgerichtshof hat bei diesem Sinngehalt des § 4 Abs. 2 Z. 3 StudFG 1992 unter dem Blickwinkel des Beschwerdefalles auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß sich aus dem B-VG vom 3. Juli 1973, BGBl. Nr. 390, zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung ergibt, daß eine unterschiedliche Behandlung zwischen Ausländern zwar zulässig ist, aber einer sachlichen Rechtfertigung bedarf (vgl. dazu Korinek, Der gleichheitsrechtliche Gehalt des B-VG gegen rassische Diskriminierung, in Griller, Korinek, Potacs/Hrsg, Grundfragen und aktuelle Probleme des öffentlichen Rechts, Festschrift für H.P. Rill, 184 ff mit weiteren Literaturhinweisen; siehe auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Juli 1994, B 1911/93, betreffend die Bedeutung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung für die Auslegung des Transformationsgesetzes, sowie die Erkenntnisse vom 29. Juni 1995, B 2318/94, und vom 30. November 1995, B 1691/95). Die Gleichstellung nach § 4 Abs. 2 StudFG 1992 ist - wie sich aus ihren Tatbestandsvoraussetzungen ergibt - erkennbar davon getragen, daß Ausländer mit einem starken Inlandsbezug (unbeschränkte Einkommensteuerpflicht der Eltern und des Studierenden durch mindestens fünf Jahre vor Aufnahme des Studiums; Österreich als Mittelpunkt der Lebensbeziehungen während dieser Zeit; Ablegung einer österreichischen Reifeprüfung, sofern Zulassungsvoraussetzung) österreichischen Staatsbürgern bei der Förderung nach dem StudFG gleichgestellt werden sollen. Zutreffend hat die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift auf diesen Integrationsgesichtspunkt hingewiesen, der auch durch die Teilnahme am österreichischen Schulsystem mit Abschluß der österreichischen Reifeprüfung (vgl. dazu §§ 41 Abs. 2, 69 Abs. 2, 98 Abs. 3 und 106 Abs. 4 des Schulorganisationsgesetzes sowie § 13 Abs. 2 des Land- und forstwirtschaftlichen Bundesschulgesetzes) zum Ausdruck gebracht wird, und als Zielgruppe vor allem die sogenannte "zweite Generation" von Gastarbeitern genannt (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Begünstigungsregel für die letztgenannte Personengruppe nach § 15 Abs. 1 Z. 3 und 4 AuslBG).

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes besteht ein vernünftiger Grund, je nach dem Nahebezug zu Österreich (Integrationsgrad) eine unterschiedliche Behandlung von Ausländern in bezug auf die Förderung nach dem Studienförderungsrecht vorzunehmen; die Anknüpfung an der Ablegung einer österreichischen Reifeprüfung (so sie eine Zulassungsvoraussetzung für das gewählte Studium ist) ist ein taugliches Mittel, dieses Ziel zu erreichen. Eine derartige Regelung ist auch nicht unverhältnismäßig. Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung, die Förderung von Studien von Ausländern in Österreich mit staatlichen Mitteln mit ihrer Zulassung zum Studium in Österreich gleichzuschalten, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen. Die in § 4 Abs. 2 StudFG 1992 getroffene Regelung bewegt sich innerhalb des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes des einfachen Gesetzgebers, ohne die verfassungsrechtlichen Schranken zu überschreiten.

Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde gestützt auf § 4 Abs. 2 StudFG 1992 einen Anspruch des Beschwerdeführers auf Studienbeihilfe verneinte.

Die Beschwerde ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995120245.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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