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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §187;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat I) vom 29. Oktober 1992, Zl. 6/1-1025/90-06, betreffend Abweisung des Antrages auf Bilanzberichtigung, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 18. September 1987 erklärte das Finanzamt den vorläufigen Bescheid vom 2. September 1987, mit dem die Einkommensteuer für 1985 festgesetzt worden war, gemäß § 200 Abs. 2 BAO für endgültig.
Das Finanzamt führte beim Beschwerdeführer hinsichtlich des Zeitraumes 1985 bis 1987 eine Prüfung der Aufzeichnungen durch (Prüfungsauftrag vom 1. August 1988). In Tz 5 des Berichtes über die abgabenbehördliche Prüfung vom 29. Mai 1989 wird ausgeführt, es hätten sich hinsichtlich Einkommensteuer 1985 keine Feststellungen ergeben, die zu einer Änderung der veranlagten bzw. erklärten Besteuerungsgrundlage führen würden.
In der beim Finanzamt eingereichten Eingabe vom 24. Oktober 1988 führte der Beschwerdeführer u.a. aus:
"Antrag auf Bilanzberichtigung 1985, Berichtigung der Einkommensteuererklärung 1985 und Erklärung zum Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1.1.1986.
Ich habe Ihrem Prüfer bereits bei Beginn der Betriebsprüfung mündlich diesen Antrag gestellt und halte aufgrund des Gespräches mit dem Gruppenleiter denselben nochmals schriftlich fest."
Zur Begründung des Antrages brachte der Beschwerdeführer vor, er habe gegenüber der Länderbank eine Haftungserklärung in Höhe von S 3.500.000,-- abgegeben und sei für diese in Anspruch genommen worden. Obwohl die Ursache der Inanspruchnahme im Frühjahr des Jahres 1985 gelegen sei, sei die Haftungserklärung erst in einer auf einen im Jahr 1986 liegenden Stichtag erstellten Bilanz anstatt richtig in der Bilanz zum 31. Dezember 1985 ausgewiesen worden.
Mit Bescheid vom 7. Juni 1989 wies das Finanzamt den Antrag "um Bilanzberichtigung 1985 und Berichtigung der Einkommensteuererklärung 1985" ab. Zur Begründung wird ausgeführt, aus Tz 10 des Berichtes über die abgabenbehördliche Prüfung vom 29. Mai 1989 ergebe sich, daß die für K-GmbH eingegangene Bürgschaft nicht durch den Betrieb des Beschwerdeführers veranlaßt gewesen sei und daher die im Jahre 1986 gebildete Rückstellung nicht anerkannt werden könne. Aus diesem Grund sei die Bildung einer Rückstellung aus diesem Titel auch für das Jahr 1985 nicht zulässig. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1985 könne daher unterbleiben, weil sie zu keiner Änderung im Spruch führen würde.
Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer Berufung ein. Dem Beschwerdeführer wurde in der Folge eine Stellungnahme des Betriebsprüfers zu dieser Berufung zur Kenntnis gebracht. Aus dieser Stellungnahme ergibt sich u.a., daß die Einkommensteuererklärung 1985 am 28. August 1987 abgegeben worden sei, die Veranlagung am 2. Dezember 1987 vorläufig und am 18. September 1987 endgültig erfolgt sei. Gemäß § 4 Abs. 2 EStG könne bei rechtskräftiger Veranlagung eine Bilanzberichtigung nur dann zu einer Änderung der Veranlagung führen, wenn eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 möglich sei. Im gegenständlichen Fall lägen jedoch die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nicht vor.
Mit Schreiben vom 7. Dezember 1989 nahm der Beschwerdeführer zu dieser Äußerung des Betriebsprüfers Stellung und teilte mit, die "Darstellung einer Bilanzberichtigung" seitens der Betriebsprüfung sei durch das Gesetz nicht gedeckt; die Bilanzberichtigung sei vielmehr durch § 4 Abs. 2 EStG zwingend vorgeschrieben.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer habe Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus einer Steuerberatungskanzlei erzielt. Er habe den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1972 ermittelt. Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer im Jahre 1985 eine Bürgschaft für ein Bankdarlehen an die K-GmbH in Höhe von 3,5 Millionen Schilling übernommen habe. Mit Schreiben vom 20. Jänner 1988 sei der Beschwerdeführer von der Bank aufgefordert worden, die aushaftende Schuld bis 31. März 1988 zu begleichen. Zur betrieblichen Veranlassung für das Eingehen der Bürgschaft habe der Beschwerdeführer angegeben, die K-GmbH sei seine Klientin gewesen und habe die weitere steuerliche Betreuung durch ihn von der Abgabe dieser Haftungserklärung abhängig gemacht. Zudem sei dem Beschwerdeführer eine Haftungsprovision zugesichert worden. Der Betriebsprüfer sei zu der Ansicht gelangt, daß die Bürgschaftsübernahme nicht betrieblich bedingt gewesen sei. In der Berufung habe der Beschwerdeführer ausgeführt, aus welchen Gründen er die Übernahme der Haftung für eine Verbindlichkeit seiner Klientin als betrieblich veranlaßt ansehe. Er habe weiters ausgeführt, daß bei der Bilanzierung für das Jahr 1985 irrtümlich eine Rückstellung für die Haftungsinanspruchnahme nicht gebildet worden sei, obwohl zum Zeitpunkt der Einreichung der Bilanz für 1985 (August 1987) die Folgen der Haftung bereits zur Gänze "offen gelegen" seien. Nach Ansicht der belangten Behörde bestehe bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG die Möglichkeit der Bildung von Rückstellungen. Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für Bürgschaftsverpflichtungen sei allerdings, daß die Bürgschaftsübernahme aus betrieblichen Gründen erfolgt sei.
In der weiteren Bescheidbegründung führte die belangte Behörde ausführlich aus, aus welchen Gründen ihrer Ansicht nach die Haftungsübernahme im gegenständlichen Fall nicht betrieblich bedingt sei. Sodann führt sie aus, mangels einer passivierungsfähigen betrieblichen Verbindlichkeit könne eine Rückstellung nicht gebildet werden, "weshalb auch eine Auseinandersetzung mit der Frage einer Bilanzberichtigung gemäß § 4 Abs. 2 EStG 1972 entbehrlich" sei.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde. Den Beschwerdepunkt formuliert der Beschwerdeführer dahingehend, daß er durch die Ablehnung der beantragten Bilanzberichtigung zum 31. Dezember 1985 und somit durch die Nichtanerkennung des betrieblichen Aufwandes aus der Rückstellung für die Bürgschaft zugunsten der K-GmbH bei Ermittlung der Einkommensteuer 1985 in seinen Rechten verletzt worden sei. Im weiteren führt der Beschwerdeführer aus, aus welchen Gründen die Übernahme der Bürgschaft betrieblich veranlaßt gewesen sei und in der Bilanz zum 31. Dezember 1985 eine Rückstellung für die Haftungsverpflichtung zu bilden gewesen sei.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Die vorliegende Beschwerde ist unzulässig.
§ 4 Abs. 2 EStG 1972 lautet:
"Der Steuerpflichtige hat die Vermögensübersicht (Bilanz) auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt zu berichtigen, soweit sie den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung unter Befolgung der Vorschriften dieses Bundesgesetzes nicht entspricht. Darüber hinaus ist eine Änderung der Vermögensübersicht (Bilanz) nur mit Zustimmung des Finanzamtes, im Rechtsmittelverfahren mit Zustimmung der Rechtsmittelbehörde zulässig."
Einen Antrag auf Bilanzberichtigung im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG 1972 sieht das Gesetz nicht vor. Die Behörde wäre nicht verpflichtet, über ein derartiges, in den Abgabenvorschriften nicht vorgesehenes Anbringen abzusprechen (vgl. hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1996, 95/13/0279).
Selbst aus einem Verständnis des vom Beschwerdeführer gestellten Antrages als einen solchen auf Bilanzänderung im Sinn des § 2 Abs. 2 Satz 2 EStG 1972 wäre für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil - wie nachstehend ausgeführt - dem meritorischen Abspruch über einen Bilanzänderungsantrag im gegenständlichen Fall die Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides 1985 entgegensteht.
Auch bei einem Steuerpflichtigen, der nicht den Vorschriften des HGB unterliegt, wird die Bilanz auch anderen als steuerlichen Zwecken dienen. Durch § 4 Abs. 2 EStG wird der Steuerpflichtige nicht eingeschränkt im Recht auf Vornahme von Bilanzänderungen (vgl. in diesem Zusammenhang zur Änderung der Handelsbilanz Albeseder, Die Änderung von Jahresabschlüssen in handels- und steuerrechtlicher Sicht, in: FS-Wundsam, Wien 1988, 31). Der normative Inhalt des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG besteht darin, daß eine Änderung der Entscheidung des Steuerpflichtigen hinsichtlich eines Bilanzierungswahlrechtes, die erst nach Einreichung der Bilanz beim Finanzamt getroffen worden ist, MIT WIRKUNG FÜR DIE STEUERERHEBUNG nur dann zu berücksichtigen ist, wenn die Abgabenbehörde hiefür die - in ihrem Ermessen liegende - Zustimmung erteilt. Die abgabenbehördliche Zustimmung im Sinn des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG stellt daher einen Teil des Verfahrens zur Erhebung der Steuern vom Einkommen (allenfalls vom Ertrag) bzw. zur Feststellung des Gewinnes nach §§ 187, 188 BAO dar. Aus diesem Grunde ist nach Rechtskraft der diese Verfahren abschließenden Bescheide die meritorische Entscheidung über einen Bilanzänderungsantrag nicht zulässig.
Im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes kann der Beschwerdeführer nicht dadurch in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sein, daß die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid eine Abweisung seines Antrages (statt einer Zurückweisung) ausgesprochen hat.
Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen. Die Entscheidung erfolgte in einem gemäß § 12 Abs. 4 zusammengesetzten Senat.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1992130303.X00Im RIS seit
11.07.2001