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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 96/15/0029 B 21. März 1996Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über den Antrag des T in P, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die bloß teilweise erfolgte Mängelbehebung im hg. Beschwerdeverfahren Zl. 95/15/0094, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
Mit hg. Verfügung vom 7. Juli 1995, Zl. 95/15/0094-2, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 2 VwGG die Behebung zweier der Beschwerde anhaftender Mängel aufgetragen. Unter anderem wurde er unter Bezugnahme auf § 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG aufgefordert, den Zustelltag des angefochtenen Bescheides anzugeben und den ergänzenden Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung vorzulegen.
Innerhalb der gesetzten Frist behob der Beschwerdeführer zwar einen der Mängel, unterließ jedoch die aufgetragene Beibringung des Verbesserungsschriftsatzes in dreifacher Ausfertigung. Die Schriftsatzvorlage erfolgte vielmehr bloß einfach und überdies zwar unter der einleitend genannten Geschäftszahl, nicht jedoch betreffend den Beschwerdeführer, sondern für eine "S-GesmbH i.L.".
Mit Beschluß vom 4. Oktober 1995 stellte der Verwaltungsgerichtshof mangels vollständiger Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages das Beschwerdeverfahren gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ein.
Mit dem vorliegenden Antrag begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im wesentlichen mit folgender Begründung:
Die hg. Verfügung vom 7. Juli 1995 sei dem Vertreter des Beschwerdeführers - einem Rechtsanwalt - am 22. August 1995 zugestellt worden. An diesem Tag habe der Beschwerdevertreter seiner Kanzleileiterin, Frau S.R., den Auftrag erteilt, dem Mängelbehebungsauftrag zu entsprechen. Frau S.R. habe dem Beschwerdevertreter auch am nächsten Tag den Verbesserungsschriftsatz samt zurückgestellter Beschwerde und Beilagen in dreifacher Ausfertigung vorgelegt. Nach Unterfertigung sei dem Beschwerdevertreter aufgefallen, daß im Betreff des Verbesserungsschriftsatzes - offenbar wegen Verwendung eines Textbausteines - irrtümlich nicht der Beschwerdeführer, sondern besagte S-GesmbH i.L. angeführt gewesen sei. Er habe daher seiner Kanzleileiterin den Auftrag erteilt, diese Unrichtigkeit zu beheben. Dem habe die Kanzleileiterin zunächst "unter Zuhilfenahme von TIPP-EX" Rechnung getragen, was jedoch optisch nicht entsprochen hätte. Sie habe sich daher entschlossen, den Namen im Computer richtigzustellen und den Schriftsatz in der erforderlichen Anzahl von Ausfertigungen neu auszudrucken. Auf Grund von durch Urlaube anderer Kräfte verstärkter Arbeitsbelastung sei diese Angelegenheit bis zum 24. August 1995 liegengeblieben. Frau S.R., die an diesem Tag für 16.30 Uhr einen Arzttermin vereinbart hätte, habe daher ihre Kollegin, Frau R.G., die seit ca. einem Jahr äußerst verläßlich im Sekretariat des Beschwerdevertreters und zuvor zehn Jahre als Kanzleileiterin in einer anderen Anwaltskanzlei tätig gewesen sei, ersucht, den Namen im Betreff des Verbesserungsschriftsatzes auszubessern, den Schriftsatz neuerlich dreifach auszudrucken, dem Beschwerdevertreter zur Unterfertigung vorzulegen und den Schriftsatz samt Beilagen sodann abzufertigen. Zur Erleichterung der Arbeit für Frau R.G. habe Frau S.R. eine (unterfertigte) Gleichschrift des Verbesserungsschriftsatzes im Akt obenauf liegen lassen und die beiden anderen Gleichschriften zur Bereinigung des Aktes vernichtet. Frau R.G. habe sich bei der späteren Rekonstruktion der Vorgänge daran erinnern können, die bereits unterfertigte Gleichschrift des Verbesserungsschriftsatzes samt Beschwerde und Beilagen aufgefunden zu haben und sei davon ausgegangen, daß es sich bereits um das zur Absendung bestimmte Exemplar handle, welches sie zur Post getragen und eingeschrieben aufgegeben habe. Unter dem zum damaligen Zeitpunkt für sie bestehenden Arbeitsdruck hätte sie vergessen, daß sie den unrichtigen Namen im Betreff des Verbesserungsschriftsatzes richtigzustellen, den Schriftsatz dreifach auszufertigen und nach Fertigung durch den Beschwerdevertreter abzufertigen gehabt hätte. Bis zu diesem Zeitpunkt habe die Zusammenarbeit der beiden Kanzleiangestellten fehlerfrei funktioniert und seien auch zuvor Arbeitsengpässe stets gut bewältigt worden. Am nächsten Tag habe Frau R.G. dem Beschwerdevertreter den Aufgabeschein zum Nachweis der Aufgabe des Schriftsatzes vorgelegt, der die Streichung der Frist aus dem Fristenbuch verfügt habe. Frau R.G. habe auch Frau S.R. von der Abfertigung des Schriftsatzes Mitteilung gemacht, die daraufhin den Ausgang im Postausgangsbuch eingetragen habe. Davon, daß der Verbesserungsschriftsatz ohne Richtigstellung des Namens im Betreff nur in einfacher Ausfertigung dem Verwaltungsgerichtshof übermittelt worden sei, habe der Beschwerdevertreter erst durch Zustellung des hg. Beschlusses vom 4. Oktober 1995, mit dem das Beschwerdeverfahren eingestellt wurde, am 23. Jänner 1996 erfahren.
Zur Bescheinigung dieses Vorbringens wurden dem Verwaltungsgerichtshof eidesstattliche Erklärungen des Beschwerdevertreters und seiner beiden genannten Kanzleiangestellten vorgelegt. Gleichzeitig mit dem fristgerecht gestellten Wiedereinsetzungsantrag wurde die versäumte Handlung durch Übersendung von drei nunmehr auch hinsichtlich der Namensbezeichnung richtiggestellten Ausfertigungen des Verbesserungsschriftsatzes nachgeholt.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 564/1985 ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Verschuldens handelt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes demjenigen der Partei oder des Rechtsanwaltes nicht schlechterdings gleichgesetzt werden darf. Das Versehen eines solchen Kanzleibediensteten stellt dann ein Ereignis gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dar, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht jenem Bediensteten gegenüber nachgekommen ist. Hiebei ist zu beachten, daß der bevollmächtigte Rechtsanwalt die Aufgaben, die aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit erfüllen muß, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Er muß daher alle Vorsorgen treffen, die die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben gewährleisten, die ihm nach dem Bevollmächtigungsvertrag obliegen. Insoweit der Rechtsanwalt diese Vorsorgen nicht in der Art und in dem Maß getroffen hat, wie es von ihm je nach der gegebenen Situation zu erwarten war, kommt ein Verschulden an einer späteren Fristversäumung in Betracht. Ein Rechtsanwalt verstößt auch dann gegen die anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im allgemeinen noch im besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Falle des Versagens eines Mitarbeiters geeignet sind, eine Fristversäumung auszuschließen (vgl. hiezu beispielsweise den hg. Beschluß vom 15. Dezember 1988, Zlen. 88/08/0270, 0271, mwN).
Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt erkannt, daß ein berufsmäßiger Parteienvertreter seine ihm zumutbare Überwachungspflicht gegenüber Kanzleiangestellten auch dann verletzt, wenn er ein in einem wesentlichen Punkt noch zu verbesserndes Original vor Durchführung der Korrektur unterfertigt (siehe das in einer Abgabenangelegenheit ergangene hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1993, Zl. 92/15/0100, mwN). Gleiches muß auch für den Fall gelten, daß ein berufsmäßiger Parteienvertreter, welcher die Notwendigkeit einer Korrektur eines noch nicht abgefertigten Schriftsatzes in einem wesentlichen Punkt nachträglich erkannt und den Schriftsatz nicht für die Versendung unbrauchbar gemacht hat, die Änderung Mitarbeitern überläßt, ohne sich den geänderten Schriftsatz wiederum zur Unterfertigung bzw. zur Prüfung, ob die Änderung korrekt vorgenommen wurde, vorlegen zu lassen; denn andernfalls wären den Mitarbeitern des berufsmäßigen Parteienvertreters nicht bloß rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken, sondern (zumindest eingeschränkt) selbständige Erledigungen überlassen.
Im vorliegenden Fall geht aus dem Wiedereinsetzungsantrag selbst hervor, daß der Beschwerdevertreter den nach Unterfertigung hinsichtlich des Namens des betroffenen Klienten
- also hinsichtlich eines wesentlichen Punktes - als unrichtig erkannten Mängelbehebungsschriftsatz weder zur Versendung unbrauchbar gemacht noch auch für eine Überprüfung der Durchführung der angeordneten Korrektur ausreichend Sorge getragen hat. Der Antrag zeigt auch sonst nicht auf, daß bzw. welche organisatorische Vorsorgen im Kanzleibetrieb des Beschwerdevertreters zur Überwachung der Einhaltung seiner Anordnungen getroffen waren. Das in der mangelhaften Überwachung seiner Kanzleiangestellten zu erblickende Verschulden des Beschwerdevertreters geht auch über den minderen Grad des Versehens hinaus.
Demgemäß konnte dem Wiedereinsetzungsantrag in den vorigen Stand gegen die bloß teilweise erfolgte Mängelbehebung im hg. Beschwerdeverfahren Zl. 95/15/0094 nicht stattgegeben werden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996150028.X00Im RIS seit
20.11.2000