TE Vwgh Erkenntnis 1960/1/28 1647/59

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Veröffentlicht am 28.01.1960
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Wien
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien
L82009 Bauordnung Wien
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §52
BauO Wr §87 Abs2
  1. AVG § 52 heute
  2. AVG § 52 gültig von 01.01.2002 bis 27.11.2001 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995
  3. AVG § 52 gültig von 01.07.1998 bis 30.06.1998 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995
  4. AVG § 52 gültig ab 01.07.1998 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995
  5. AVG § 52 gültig von 01.07.1995 bis 30.06.1998 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995
  6. AVG § 52 gültig von 01.02.1991 bis 30.06.1995

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Werner und die Räte Dr. Hrdlitzka, Dr. Krzizek, Dr. Striebl und Dr. Klecatsky als Richter, im Beisein des Magistratskommissärs Dr. Liska als Schriftführers, über die Beschwerde des Ing. MM und der AM in W gegen die Bauoberbehörde für Wien (Bescheid des Wiener Magistrates im selbständigen Wirkungsbereich vom 3. Juni 1959, Zl. M.Abt. 64 - BX - 24/58), betreffend die Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde den Beschwerdeführern als Eigentümern des Hauses Wien X, A Gasse 15, gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien der Auftrag erteilt, die an der Straßenfront im Erdgeschoß angebrachte, bis ungefähr in Höhe der halben Erdgeschoßfenster reichende Porzellan - Mosaik - Verkleidung binnen vier Wochen nach Rechtskraft des Bescheides zu entfernen. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, mit Schreiben vom 21. Oktober 1957 sei bei der Baubehörde die Neugestaltung der Fassade des Hauses Wien X., A Gasse 15, angezeigt worden. Diese Anzeige sei auf Grund der vorgelegten Unterlagen zur Kenntnis genommen worden. Nach Durchführung der Neugestaltung der Fassade sei durch die Baubehörde festgestellt worden, des die Fassade nicht in dem Umfang und der Art, wie in der Anzeige angegeben, gestaltet worden sei. Die zuständige Architekturabteilung des Magistrates habe gegen diese Ausführung Einspruch erhoben, da ihrer Ansicht nach die ausgeführte Lösung vom architektonischen Standpunkt nicht vertretbar sei. Gemäß § 60 Abs. 1 lit. c der Bauordnung für Wien sei für Ergänzungen oder Abänderungen bewilligter Bauvorhaben, durch die das äußere Ansehen der Bauanlage geändert werde, eine Baubewilligung erforderlich. Da im vorliegenden Fall eine derartige Abänderung gegeben sei, wäre vor Neugestaltung der Fassade eine Baubewilligung zu erwirken gewesen. Es liege daher ein konsenswidriger Zustand vor, dessen Beseitigung gemäß § 129 Abs. 10 Bauordnung verlangt werden könne. Wenn die Beschwerdeführer in der Berufung darauf hinweisen, daß die vorliegende Bauausführung den Bestimmungen des § 67 der Bauordnung nicht widerspreche, da sie sich vorher mit Vertretern der Zuständigen Abteilung des Magistrates ins Einvernehmen gesetzt hätten, so könne dem nur entgegengehalten werden, daß die bloße Vorsprache bei einer Behörde bzw. bei einem Sachverständigen der Behörde und eine etwaige Zustimmung zur Ausführung durch ein Organ der Baubehörde niemals eine Baubewilligung ersetzen können. Es könne daraus auch kein Rechtsanspruch auf Belassung der Fassade im gegenwärtigen Zustand abgeleitet werden. Da außerdem das Ermittlungsverfahren zweifelsfrei ergeben habe, daß aus schönheitlichen Rücksichten die Belassung der Fassade nicht vertretbar sei, habe auch auf die Einräumung einer Frist zur Erwirkung einer Baubewilligung verzichtet werden müssen. Wenn die Beschwerdeführer ausführen, es wäre nicht zweckmäßig, die Fassade in der ursprünglichen Form „auszustatten“, ändere dies nichts an der Rechtmäßigkeit des Auftrages, da die Beschwerdeführer die Möglichkeit gehabt hätten, vor Beginn der neuen Fassadengestaltung um deren Genehmigung anzusuchen.

In der gegen diesen Berufungsbescheid erhobenen Beschwerde wird geltend gemacht, die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung liege darin, daß die Bescheide erster und zweiter Instanz den in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 25. Oktober 1957 (womit die Anzeige von der beabsichtigten Änderung der Fassade zur Kenntnis genommen wurde) dadurch verletzen, daß sie auch die Entfernung- der bewilligten Ausführung der Mosaikplatten-Verkleidung auftragen. Auch die Ansicht der belangten Behörde, daß aus Schönheitsgründen die Entfernung der ausgeführten Verkleidung geboten sei, finde im Gesetz keine Deckung. Im weiten Umkreise des gegenständlichen Hauses befinden sich Hausfassaden in desolatem Zustand. Es könnte höchstens die Ansicht vertreten werden, daß sich die Fassade des gegenständlichen Hauses von den verfallenen und verwahrlosten Fassaden der umliegenden Häuser durch die ansprechende Mosaikplatten-Verkleidung unterscheide. Die verschiedenen Geschmacksrichtungen dürften nicht dazu führen, daß aus formellen Gründen die Fassade des gegenständlichen Hauses dem trostlosen Anblick der Fassaden der umliegenden Häuser angeglichen werde. Wenn eine gesunde Interessenabwägung vorgenommen werde, könne die Ansicht nicht vertreten werden, daß ein Zustand geschaffen werde, der unnötig wirtschaftliche Mittel verschlinge, zudem den Beschwerdeführern einen schweren Schaden zufüge und außerdem schönheitlichen Rücksichten nicht gerecht werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer machen zunächst geltend, die belangte Behörde habe ihnen auch die Beseitigung der mit Bescheid vom 25. Oktober 1957 bewilligten Ausführung der Verkleidung der Fassade aufgetragen. Dieses Vorbringen ist aktenwidrig. Der angefochtene Bescheid verpflichtet die Beschwerdeführer nur, die tatsächlich angebrachte Verkleidung zu entfernen. Damit ist den Beschwerdeführern die Möglichkeit gegeben, jene Verkleidung der Fassade herzustellen, die in der vorangeführten Erledigung zur Kenntnis genommen wurde.

Den erteilten baupolizeilichen Auftrag bekämpfen die Beschwerdeführer weiters, indem sie auf die Fassaden der umliegenden Häuser, die sich in einem desolaten Zustand befinden sollen, hinweisen. Es könne daher - darauf läuft dieses Vorbringen hinaus - durch die von ihnen ausgeführte Fassade eine Verunstaltung des Stadtbildes nicht eintreten. Mit diesem Vorbringen vermögen die Beschwerdeführer die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun. Nach § 87 Abs. 2 der Bauordnung für Wien (Gesetz vom 25. November 1929, LGBl. Nr. 11/1930 mit Änderungen) kann die Bewilligung zur Ausführung baulicher Anlagen und Änderungen versagt werden, wenn durch sie das gegebene oder das mit dem Aufbauplan beabsichtigte örtliche Stadt- oder Landschaftsbild gröblich gestört oder verunstaltet würde. Mit Rücksicht auf diese Gesetzesbestimmung ist, bei der Beurteilung der Auswirkung eines Bauvorhabens auf die Umgebung nicht nur das bestehende, sondern auch das beabsichtigte Stadtbild zu berücksichtigen. Daß die neue Fassade besser ist als die Fassaden der Häuser in der Umgebung, vermag daher in diesem Zusammenhang nichts zu besagen.

Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ergibt sich jedoch aus folgender Erwägung: Der gegenständliche Auftrag wurde auf § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien gestützt. Nach dieser Gesetzesstelle sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und es ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen. Ein auf diese Bestimmung gestützter Auftrag zur Beseitigung eines vorschriftswidrigen Baues ist nur dann im Gesetz begründet, wenn der Bau nachträglich nicht bewilligt werden kann. Von einem solchen Sachverhalt ist die belangte Behörde offenbar ausgegangen. Sie hat dies zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen, jedoch den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt, in dem ausgeführt ist, daß eine nachträgliche Baubewilligung nicht erteilt werden kann.

Ob nun ein Bauwerk geeignet ist, das Stadtbild zu stören oder zu verunstalten, ist im Zuge des baubehördlichen Verfahrens festzustellen. Diese Feststellung ist Gegenstand des Beweises durch Sachverständige. Dem Sachverständigen obliegt es, auf Grund seines Fachwissens ein Urteil (Gutachten) abzugeben. Auf Grund des Sachverständigengutachtens hat sodann die Baubehörde als erwiesen anzunehmen, ob das Bauwerk eine diesbezügliche Wirkung entfaltet oder ob dies nicht der Fall ist. In den vorgelegten Verwaltungsakten finden sich zwei Äußerungen der sachverständigen Magistratsabteilung 19 (Architektur). In der Stellungnahme vom 25. Oktober 1957, die sich auf den der Bauanzeige beigelegten Plan bezieht, hat die vorangeführte Abteilung folgende Korrekturen verlangt: „Mosaikverkleidung entweder bis Fensterparapethöhe oder bis Kordongesims, Reklametafeln über die ganzen Pfeiler zwischen den Fenstern“. Auf die spätere Anfrage, ob die ausgeführte Fassade belassen werden könne, hat dieselbe Magistratsabteilung am 12. Februar 1958 geantwortet, sie sei nach wie vor der Meinung, daß vom architektonischen Standpunkt nur eine der bereits vorgeschlagenen Lösungen vertretbar sei. Auf diese Unterlagen konnte die belangte Behörde eine mängelfreie Entscheidung nicht gründen. Beide Äußerungen sind nicht als taugliche Gutachten eines Amtssachverständigen anzusehen, weil sie nur unüberprüfbare Behauptungen enthalten und überdies die Erwägungen nicht aufzeigen, auf Grund deren der Sachverständige zu seinem Urteil gelangt ist. Dazu kommt noch, daß weder der Sachverständige noch die belangte Behörde angenommen haben, daß durch die bestehende Fassade das Stadtbild gröblich gestört oder, verunstaltet werde, was allein die Abweisung des Ansuchens um nachttägliche Bewilligung der bereits hergestellten Fassadenverkleidung nach den Bestimmungen des § 87 Abs. 2 der Bauordnung für Wien rechtfertigen würde. Die belangte Behörde hätte daher auf eine Ergänzung des Gutachtens der Sachverständigen in dem aufgezeigten Sinn dringen müssen. Da sie dies unterlassen hat, erweist sich der Sachverhalt in einem wesentlichen Funkt als ergänzungsbedürftig. Die Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes führt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zufolge § 42 Abs. l lit. c Z. 2 VwGG 1952 zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der angefochtene Bescheid war infolgedessen aufzuheben.

Von der Durchführung der von der belangten Behörde beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. c VwGG 1952 abgesehen werden.

Wien, am 28. Jänner 1960

Schlagworte

Vorliegen eines Gutachtens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1960:1959001647.X01

Im RIS seit

19.10.2022

Zuletzt aktualisiert am

19.10.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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