TE Lvwg Erkenntnis 2022/1/20 LVwG 30.16-2156/2021

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Veröffentlicht am 20.01.2022
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Entscheidungsdatum

20.01.2022

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

StVO 1960
VStG 1991 §44a Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Mag. Schnabl über die Beschwerde des Herrn A B, geb. ***, vertreten durch Dr. C D, Rechtsanwalt, Hplatz, K, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark vom 07.06.2021, GZ: VStV/920301002725/2020,

z u R e c h t e r k a n n t:

I.     Gemäß § 50 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird die Beschwerde als unbegründet

a b g e w i e s e n.

II.    Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer binnen zwei Wochen ab Zustellung bei sonstiger Exekution einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von € 340,00 zu leisten.

III.  Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit dem Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark vom 07.06.2021 wurden dem Beschwerdeführer folgende Übertretungen vorgeworfen:

„1. Datum/Zeit: 07.06.2020, 10:53 Uhr

Ort:                                      G, Jstraße

Betroffenes Fahrzeug:                 PKW, Kennzeichen: ***

Sie haben die auf Freilandstraßen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 51 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.

2. Datum/Zeit: 07.06.2020, 10:53 Uhr

Ort:                                      G, Jstraße

Betroffenes Fahrzeug:                 PKW, Kennzeichen: ***

Die Firma E F GmbH, welche als ZulassungsbesitzerIn des oben angeführten Fahrzeuges ist, wurde mit Schreiben der Landespolizeidirektion Steiermark vom 12.6.2020 aufgefordert, binnen 2 Wochen ab Zustellung der anfragenden Behörde bekanntzugeben, wer das Fahrzeug mit dem oben angeführten Kennzeichen gelenkt hat. Die Zustellung erfolgte am 17.06.2020.

Aufgrund des angegebenen Zustellmangels (Covid 19-Pandemie) der 1. Lenkererhebung wurde mit Schreiben der Landespolizeidirektion vom 28.08.2020 eine 2. Lenkererhebung erlassen, welche am 03.09.2020 zugestellt wurde.

Sie wären als Verantwortlicher (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der genannten Firma verpflichtet gewesen, diese Auskunft zu erteilen. Sie haben diese Auskunft nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist erteilt und Sie haben auch keine andere Person benannt, die die Auskunft erteilen hätte können.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1. § 20 Abs. 2 StVO

2. § 103 Abs. 2 KFG 1967, BGBl. Nr. 267/1967, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 19/2019 iVm § 9 VStG

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

Gemäß

1. € 500,00

8 Tage(n) 21 Stunde(n)
0 Minute(n)

 

§ 99 Abs. 2e StVO

2. € 1.200,00

10 Tage(n) 1 Stunde(n)
0 Minute(n)

 

§ 134 Abs. 1 KFG

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG zu zahlen:

€ 170,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 1.870,00

In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde führte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers aus, dass die Lenkererhebung vom 12.06.2020 und die Lenkererhebung vom 28.08.2020 nicht bzw. nicht mangelfrei zugestellt worden seien bzw. tatsächlich zurückgekommen seien und erfolge daher die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Nichterteilung der Lenkerauskunft zu unrecht. Die Zulassungsbesitzerin, die Firma E F GmbH, mit Sitz in V, sei Corona-bedingt längere Zeit geschlossen gewesen, sodass eine Zustellung von Behördenverfahren im gegenständlichen Zeitraum nicht möglich gewesen sei. Hinzu komme, dass auf Grund des Umzuges für den Empfänger, Firma E F GmbH, vom 18.07.2019 bis 17.07.2020 ein Nachsendeauftrag bei der Österreichischen Post von der bisherigen Anschrift Kstraße, V, an die neue Andresse O, O, bestanden habe. Die Lenkererhebung vom 12.06.2020 sei anscheinend an die postalische Adresse Kstraße, V, zugestellt worden, obwohl die Firma Corona-bedingt geschlossen gewesen sei und ein Nachsendeauftrag vorgelegen habe. Es sei davon auszugehen, dass der Zusteller die Übernahmebestätigung selbst unterfertigt habe, ohne den Beschwerdeführer überhaupt gesehen zu haben. Zum Beweis dafür wurde die Einvernahme des Postbeamten als Zusteller beantragt. Hinsichtlich der 2. Lenkererhebung vom 28.08.2020, welche angeblich am 03.09.2020 zugestellt worden sei, verhalte sich die Lage gleich.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat erwogen:

Zu Folge des Beschwerdevorbringens wurde am 13.01.2022 eine öffentlich mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der die Parteien geladen wurden. Die belangte Behörde ist entschuldigt ferngeblieben, der Beschwerdeführer ist unentschuldigt ferngeblieben, war jedoch durch seinen Rechtsanwalt, RA Dr. C D, vertreten. Als Zeuge einvernommen wurde der Zusteller Herr G H.

Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens, insbesondere dem Ergebnis der öffentlich mündlichen Verhandlung in Verbindung mit dem Verfahrensakt sowie dem Beschwerdevorbringen wird nachstehender Sachverhalt festgestellt:

Mit Anzeige vom 10.06.2020 wurde das Fahrzeug mit dem Kennzeichen ***, zugelassen auf E F GmbH, Kstraße, V, in G, Jstraße, G, von der Polizeiinspektion Wstraße auf Grund einer Lasermessung mit dem Lasermessgerät TruSpeed, Nummer des Messgerätes: 2506, mit einer Geschwindigkeit von 151 km/h gemessen, wobei die Messtoleranz bereits abgezogen wurde.

Mit Schreiben vom 12.06.2020 wurde die E F GmbH, Kstraße, V, aufgefordert gemäß § 103 Abs 2 KFG bekannt zu geben, wer am 07.06.2020, um 10.53 Uhr das Kraftfahrzeug mit dem oben angegebenen Kennzeichen in G, Jstraße, gelenkt habe. Auf Grund eines Nachsendeauftrages wurde das Dokument bei der Postgeschäftsstelle O, O, hinterlegt. Das Schriftstück wurde am 17.06.2020 durch den Empfänger abgeholt. Eine Lenkerauskunft wurde nicht erteilt. Auf Grund der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 23.07.2020 gab der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter bekannt, dass das Unternehmen am Firmensitz geschlossen gewesen sei und eine Zustellung von Behördenschreiben nicht möglich gewesen sei. Eine Zustellung sei nicht möglich gewesen. Der Tatvorwurf, dass der handelsrechtliche Geschäftsführer das Fahrzeug gelenkt habe, werde ausdrücklich bestritten.

Die Firma E F GmbH mit Geschäftsansitz in Kstraße, V, wird durch Herrn A B als Geschäftsführer vertreten. Am 28.08.2020 wurde erneut eine Lenkerauskunft an die E F GmbH, Kstraße, V, verschickt und vom Zusteller mit der Personalnummer *** auf Grund des Nachsendeauftrags bei der Postgeschäftsstelle O, O hinterlegt, da das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden konnte.

Am 03.09.2020 wurde das Dokument durch einen Mitbewohner, der laut Hinterlegungsanzeige persönlich bekannt war, übernommen.

Am 08.04.2021 erging erneut eine Aufforderung zur Rechtfertigung, worin der Beschwerdeführer abermals aufgefordert wurde, den Lenker zum oben angeführten Zeitpunkt der Behörde bekanntzugeben. Das Schreiben wurde durch die Polizeiinspektion G persönlich zugestellt. In der darauf erfolgenden Rechtfertigung gab der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter an, dass auf Grund der langen Zeitspanne es für den Beschwerdeführer weiter erschwert werde, herauszufinden wer das Fahrzeug zum tatsächlichen Zeitpunkt auch gelenkt habe. Es sei in diesem Zusammenhang vorzubringen, dass die Vermutung nahestehe, dass ein Familienmitglied des Beschuldigten das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt habe, der Beschuldigt jedoch nicht verpflichtet sei seine näheren Angehörigen einer behördlichen Verfolgung auszusetzen.

In der Folge erging am 07.06.2021 das gegenständliche Straferkenntnis.

Der Beschwerdeführer hat von 06.10.2016 bis 06.10.2020 30 Übertretungen des § 103 Abs 2 KFG zu verantworten.

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Geschwindigkeitsüberschreitung ergeben sich aus der Anzeige der Polizeiinspektion Wstraße. Diese wurde vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

Die belangte Behörde hat im Zuge des Ermittlungsverfahrens einen Auszug aus dem Firmenbuch eingeholt, woraus sich ergibt, dass der Beschwerdeführer selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Zulassungsinhaberin ist, seit ***.

Die Feststellungen zur Übernahme der Lenkererhebung ergeben sich aus der vorliegenden ordnungsgemäßen und vollständigen Übernahmebestätigung im Zusammenhang mit der diesbezüglichen Zeugeneinvernahme des Zustellers.

Der Zustellschein hat als öffentliche Urkunde die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich. Diese Vermutung ist zwar widerlegbar, doch bedarf es dazu konkreter Darlegungen. Bloß auf Vermutungen gegründete Zweifel an der Richtigkeit und der Vollständigkeit des Zustellscheins genügen für einen Gegenbeweis nicht (siehe dazu auch unten, Rechtliche Beurteilung).

Der Zusteller hinterließ allgemein in der öffentlich mündlichen Verhandlung einen professionellen und sorgfältigen Eindruck, insbesondere, was die Schilderungen seiner Zustellungen angeht. Er ist seit 10 Jahren bei der österreichischen Post beschäftigt. Der Zeuge konnte nachvollziehbar und unter Nennung der Namen angeben, welche Personen er aus der Familie des Beschwerdeführers kennt. Da er selbst in der Gegend wohnhaft ist, ist ihm auch der Sohn des Beschwerdeführers gut bekannt. Er schilderte auch, dass manchmal die Annahme verweigert wurde.

Der ordnungsgemäß ausgestellten und sohin unbedenklichen Übernahmebestätigung als öffentliche Urkunde und der Aussage des Zeugen stehen lediglich die Angaben des Beschwerdeführers gegenüber, wobei durch das pauschale Vorbringen, die Firma sei Corona-bedingt längere Zeit geschlossen gewesen, weder gegenteiliges bewiesen werden konnte, noch beim erkennenden Gericht Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges oder der Richtigkeit oder Vollständigkeit des Zustellscheines aufgekommen sind. Dass die Zustellung an der Nachsendeadresse Postgeschäftsstelle O, O, erfolgte, wie vom Beschwerdeführer ursprünglich moniert wurde, bezeugt, dass dem Nachsendeauftrag Genüge getan wurde und somit die Corona-bedingte Schließung des Unternehmens keine Auswirkung auf die Zustellung hatte.

Im Ergebnis ist dem Beschwerdeführer bei Zusammenschau des Vorliegens eines ordnungsgemäßen Zustellnachweises als öffentliche Urkunde sowie den klar nachvollziehbaren Aussagen des Zeugen zur Zustellung der Gegenbeweis, dass ein Zustellmangel vorliegen würde, nicht gelungen. Bloß auf Vermutungen gegründete Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit des Zustellscheines genügen für einen Gegenbeweis nicht.

Im Übrigen spricht die Liste an Vormerkungen betreffend eine Nichterteilung der Lenkerauskunft nach § 103 Abs 2 KFG beim Beschwerdeführer eine deutliche Sprache.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt I. des Straferkenntnisses:

§ 20 Abs 2 StVO lautet:

„Sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.“

§ 99 Abs 2e StVO lautet:

„Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 300 bis 5000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 48 Stunden bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschreitet.“

Weil der Beschwerdeführer weder in seiner Stellungnahme, noch in seiner Beschwerde, noch in der öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark Beweismittel dafür angeboten hat, dass nicht er, sondern eine andere, dem Namen nach bestimmte Person, das Fahrzeug am Tatort zur Tatzeit gelenkt hat, ist es dem Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Lenkereigenschaft nicht gelungen Zweifel am verfahrensgegenständlichen Tatvorwurf aufzuzeigen.

In diesem Zusammenhang wird auf die herrschende Rechtsprechung verwiesen, wonach ein Beschuldigter seine Verantwortung nicht allein darauf beschränken kann, die ihm vorgehaltenen Erhebungsergebnisse allenfalls für unrichtig zu erklären, ohne diesen ebenso konkreten Behauptungen entgegenzusetzen. Gemäß § 25 Abs 1 VStG sind Verwaltungsübertretungen von Amts wegen zu verfolgen. Zu Folge Abs 2 dieser Gesetzesstelle sind die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen, wie die belastenden. In diesem Rahmen ist die Behörde auch verpflichtet, vom Beschuldigten als Entlastungszeugen oder als Lenker des Fahrzeuges namhaft gemachte Personen zu ermitteln. Die Ermittlungspflicht der Behörde findet jedoch ihre Grenze, wo sie auf Angaben des Beschuldigten angewiesen ist. In diesem Rahmen trifft dem Beschuldigten auch eine Mitwirkungspflicht an der Feststellung des Sachverhalts, sofern er sich damit rechtfertigt, zu Unrecht zur Verantwortung gezogen worden zu sein. Es trifft daher zwar zu, dass die Behörde verpflichtet ist, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise von Amts wegen zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit dies für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen.

Der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens befreit die Partei nicht von der Verpflichtung zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen, um Verzögerungen des Verfahrens hintanzuhalten. Diese Mitwirkungspflicht des Beschuldigten, die als Recht und Gelegenheit des Beschwerdeführers anzusehen ist, verpflichtet den Beschwerdeführer im Strafverfahren an der Feststellung des maßgebenden Sachverhalts mitzuwirken. Der Beschwerdeführer hat zunächst bekanntgegeben, dass ein Familienmitglied zur Tatzeit am Tatort Lenker gewesen sein könnte. Im Wesentlichen hat er jedoch seine Argumentation darauf reduziert, dass er den Lenker nicht angeben könne. Entsprechend der ständigen Rechtsprechung wäre es in der Verpflichtung des Beschwerdeführers gelegen, durch eine lückenlose nachvollziehbare Aufzeichnung Vorsorge zu treffen, um im Fall einer Verwaltungsübertretung darüber Auskunft zu geben, wer der Lenker des Fahrzeuges zum Tatzeitpunkt gewesen ist.

Die Behörde ist berechtigt aus dem Untätigbleiben des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafverfahren gegenüber dem Vorwurf eines bestimmten strafbaren Verhaltens im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung den Schluss abzuleiten, der Beschwerdeführer sei im gegenständlichen Fall der Täter gewesen, wobei es nicht relevant ist, dass es zu einer auf § 103 Abs 2 KFG gestützten Lenkeranfrage gekommen ist (VwGH 11.05.1990, 92/18/0022).

Zur erstmals in der öffentlich mündlichen Verhandlung vorgetragenen Rechtfertigung, dass der Tatort nicht entsprechend den Bestimmungen des § 44a Z 1 VStG konkretisiert worden sei, ist auszuführen, dass sich die Geschwindigkeitsübertretung niemals an einem bestimmten Punkt, sondern stets an einer bestimmten Fahrstrecke ereignet. Es entspricht den Rechtschutzerfordernissen, wenn ein Straßenstück auch ohne Kilometerangabe örtlich eindeutig zugeordnet werden kann. Die an die Angabe des Tatortes gestellten Bestimmtheitserfordernisse haben lediglich im Auge, den Bestraften nicht in seinen Verteidigungsrechten einzuschränken und eine Doppelbestrafung zu verhindern. Dies ist gegenständlich nicht der Fall.

Da der Beschwerdeführer somit jegliche Mitwirkung einer Feststellung des Sachverhalts verweigert hat, bei der öffentlich mündlichen Verhandlung auch unentschuldigt nicht erschienen ist und in keinem Stadium des Verfahrens entsprechende Beweise zur Widerlegung des Erhebungsergebnisses der belangten Behörde angeboten hat, war der belangten Behörde zuzustimmen, die davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer die Übertretung des § 20 Abs 2 StVO zu verantworten hat.

Zu Spruchpunkt II. des Straferkenntnisses:

§ 103 Abs 2 KFG lautet:

„Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer – im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung – zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.“

§ 134 Abs 1 KFG lautet:

„Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 und 10 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 oder den Artikeln 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl. Nr. 518/1975 in der Fassung BGBl. Nr. 203/1993, zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei der Einbringung von Fahrzeugen in das Bundesgebiet sind solche Zuwiderhandlungen auch strafbar, wenn sie auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können die Geldstrafe und die Freiheitsstrafe auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.“

§ 22 Zustellgesetz lautet:

„(1) Die Zustellung ist vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden.

(2) Der Übernehmer des Dokuments hat die Übernahme auf dem Zustellnachweis durch seine Unterschrift unter Beifügung des Datums und, wenn er nicht der Empfänger ist, seines Naheverhältnisses zu diesem zu bestätigen. Verweigert er die Bestätigung, so hat der Zusteller die Tatsache der Verweigerung, das Datum und gegebenenfalls das Naheverhältnis des Übernehmers zum Empfänger auf dem Zustellnachweis zu vermerken. Der Zustellnachweis ist dem Absender unverzüglich zu übersenden.

(3) An die Stelle der Übersendung des Zustellnachweises kann die elektronische Übermittlung einer Kopie des Zustellnachweises oder der sich daraus ergebenden Daten treten, wenn die Behörde dies nicht durch einen entsprechenden Vermerk auf dem Zustellnachweis ausgeschlossen hat. Das Original des Zustellnachweises ist mindestens fünf Jahre nach Übermittlung aufzubewahren und der Behörde auf deren Verlangen unverzüglich zu übersenden.

(4) Liegen die technischen Voraussetzungen dafür vor, so kann die Beurkundung der Zustellung auch elektronisch erfolgen. In diesem Fall hat der Übernehmer auf einer technischen Vorrichtung zu unterschreiben; an die Stelle der Unterschriftsleistung kann auch die Identifikation und Authentifizierung mit der Bürgerkarte (§ 2 Z 10 des E-Government-Gesetzes – E-GovG, BGBl. I Nr. 10/2004) treten. Die die Beurkundung der Zustellung betreffenden Daten sind dem Absender unverzüglich zu übermitteln.“

Die Lenkeranfrage nach § 103 Abs 2 KFG ist an den Zulassungsbesitzer selbst zu richten. Dies gilt auch dann, wenn der Zulassungsbesitzer eine juristische Person ist. Die Sendung ist an einem zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen, der Zulassungsbesitzer ist jedoch als Empfänger zu bezeichnen (VwGH 05.08.2004, 2004/02/0146).

Die Landespolizeidirektion Steiermark hat daher zu Recht die Lenkererhebung an die E F GmbH als Zulassungsinhaberin gerichtet.

RSB-Schreiben sind allgemein einer Ersatzzustellung zugänglich und können insbesondere einem Arbeitnehmer oder Mitbewohner des Empfängers als Ersatzempfänger zugestellt werden, wenn dieser zur Annahme bereit ist. Ein Arbeitnehmer einer GmbH ist zulässiger Ersatzempfänger, wobei das Vorliegen einer Postvollmacht nicht Voraussetzung für Qualifikation als Ersatzempfänger ist (VwGH 29.10.2015, 2013/07/0102).

Über die Zustellung der Lenkererhebung liegt ein ordnungsgemäßer und vollständiger Zustellnachweis vor, aus dem sich ergibt, dass die Lenkererhebung einem bei der Postgeschäftsstelle O, O, persönlich bekannten Mitbewohner am 03.09.2020 ausgehändigt wurde.

Als öffentliche Urkunde begründet ein „unbedenklicher“ – das heißt die gehörige äußere Form aufweisender – Zustellnachweis, wie dieser gegenständlich vorliegt, die Vermutung der Echtheit und der inhaltlichen Richtigkeit des bezeugten Vorgangs (VwGH 30.01.2014, 2012/03/0018 u.a.). Dies umfasst nicht nur die beurkundete Zustellung, sondern auch die beurkundete Mitbewohnereigenschaft des Übernehmers der Zulassungsinhaberin.

Der Zustellschein hat als öffentliche Urkunde gemäß § 47 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 in Verbindung mit § 292 Zivilprozessordnung die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich. Diese Vermutung ist zwar widerlegbar, doch bedarf es dazu konkreter Darlegungen. Bloß auf Vermutung gegründete Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit des Zustellscheines genügen für einen Gegenbeweis nicht (VwGH 17.01.1990, 89/03/0003). Behauptet jemand, es liege ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dazu anzuführen, welche die ihm vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind (VwGH 19.12.2012, 2012/06/0094). Dies ist dem Beschwerdeführer nicht gelungen. Darauf, wann der Empfänger das Schriftstück tatsächlich erhält, kommt es nicht an (VwGH 24.12.1997, 97/17/0038).

Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens nach § 103 Abs 2 KFG ist allein die Frage, ob die zur Auskunft verpflichtete Person eine dem Gesetz entsprechende, vollständige und richtige Auskunft innerhalb der vom Gesetzgeber festgesetzten Frist erteilt hat. Da von der E F GmbH trotz ordnungsgemäßer Zustellung der Lenkererhebung keine Lenkerauskunft erteilt wurde, ist der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer des Unternehmens verantwortlich.

 

Dem Beschwerdeführer ist zumindest fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen. Der Beschwerdeführer hätte im Rahmen der erforderlichen Sorgfalt – zum Zeitpunkt der 2. Lenkerauskunft war ihm bekannt, dass ein Verfahren anhängig ist – dafür sorgen müssen, dass die an die Zulassungsbesitzerin gerichtete Post ihm als Geschäftsführer zugeht.

Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer daher zu Recht wegen einer Übertretung des § 103 Abs 2 KFG bestraft.

Strafbemessung:

Als mildernd hat die belangte Behörde zutreffend nichts gewertet, als Erschwerungsgründe waren zutreffend 30 einschlägige Vormerkungen hinsichtlich des § 103 Abs 2 KFG in Verbindung mit § 9 VStG bzw. 103 Abs 2 KFG zu werten.

Die ebenfalls zu berücksichtigenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers wären von der belangten Behörde zu erheben gewesen, diesbezüglich wurden keine Angaben gemacht und wurde daher zu Recht von einem durchschnittlichen monatlichem Einkommen ausgegangen (VwGH 31.01.2012, 2009/05/0123). Im Ergebnis kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die verhängte Strafe als angemessen erachtet. Von der belangten Behörde verhängten Strafen scheinen Tat- und Schuldangemessen und scheinen sie auch unter Beachtung vor Allem spezial- (siehe die einschlägigen Vorstrafen), aber auch generalpräventiver Aspekte erforderlich.

Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafzumessung konnte im gegenständlichen Verfahren nicht festgestellt werden, weshalb der Beschwerde auch hinsichtlich der Strafhöhe ein Erfolg versagt werden musste.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Geschwindigkeitsübertretung, Tatort, Straßenstück ohne Kilometerangabe, Zuordnung, ausreichende Konkretisierung, Verteidigungsrechte, Doppelbestrafung, eindeutige Zuordnung, Fahrtstrecke

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGST:2022:LVwG.30.16.2156.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
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