TE Lvwg Erkenntnis 2022/8/3 LVwG 30.4-2695/2021

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Veröffentlicht am 03.08.2022
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Entscheidungsdatum

03.08.2022

Index

L85006 Straßen Steiermark
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

LStVwG Stmk 1964 §2 Abs1
LStVwG Stmk 1964 §54
StVO 1960 §82 Abs1
StVO 1960 §82 Abs3 lita
LStVwG Stmk 1964
StVO 1960
  1. StVO 1960 § 82 heute
  2. StVO 1960 § 82 gültig ab 01.10.1994 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 518/1994
  3. StVO 1960 § 82 gültig von 01.07.1983 bis 30.09.1994 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 174/1983
  1. StVO 1960 § 82 heute
  2. StVO 1960 § 82 gültig ab 01.10.1994 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 518/1994
  3. StVO 1960 § 82 gültig von 01.07.1983 bis 30.09.1994 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 174/1983

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch den Richter Dr. Philipp Lindermuth über die Beschwerde der Mag. A B, geb. ***, vertreten durch Dr. E F, Rechtsanwalt, Hgasse, W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 11.08.2021, GZ: GRAZ/601210003432/2021, sowie über die Beschwerde des C D, geb. ***, vertreten durch Dr. E F, Rechtsanwalt, Hgasse, W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 11.08.2021, GZ: GRAZ/601200011704/2020, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung

z u R e c h t e r k a n n t:

I.       Gemäß § 50 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) werden die Beschwerden als unbegründet

abgewiesen.

II.     Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG hat die Beschwerdeführerin binnen zwei Wochen ab Zustellung bei sonstiger Exekution einen Beitrag zu den Kosten des zur GZ: 30.4-2695/2021 protokollierten Beschwerdeverfahrens in der Höhe von € 40,00 zu leisten.

III.    Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer binnen zwei Wochen ab Zustellung bei sonstiger Exekution einen Beitrag zu den Kosten des zur GZ: 30.4-2696/2021 protokollierten Beschwerdeverfahrens in der Höhe von € 40,00 zu leisten.

IV.      Gemäß § 38 VwGVG iVm § 9 Abs 7 VStG haftet die G H GmbH für diese Kostenbeiträge jeweils zur ungeteilten Hand.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

1. Mit den angefochtenen Straferkenntnissen des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 11.08.2021 wird den Beschwerdeführern jeweils zur Last gelegt, sie hätten es als handelsrechtliche Geschäftsführer der Firma G H GmbH zu verantworten, dass zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort drei Mitarbeiter ihrer Firma, nämlich I J, K L und M N, auf einer öffentlichen Verkehrsfläche Passanten angesprochen und um Mitglieder für O P geworben hätten, sodass die öffentliche Verkehrsfläche benützt worden sei, ohne dass hierfür die Zustimmung der Straßenverwaltung vorgelegen habe, obwohl jede Benützung von Straßen zu einem anderen als dem bestimmungsgemäßen Zweck der Zustimmung der Straßenverwaltung bedurft hätte. Die Beschwerdeführer hätten dadurch die Rechtsvorschrift des § 54 Abs 1 Stmk LStVG verletzt, weswegen über sie gemäß § 56 Abs 1 Stmk LStVG eine Geldstrafe in Höhe von € 200,00, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag und sieben Stunden, verhängt werde.

2.1. In der Begründung der Straferkenntnisse wird neben einer Wiedergabe des Verfahrensgangs und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen festgestellt, dass es die Beschuldigten jeweils als handelsrechtliche Geschäftsführter der Firma G H GmbH zu verantworten hätten, dass drei Mitarbeiter der Firma am Hplatz, G, zwischen Rhaus und Ebrunnen am 13.11.2020 zumindest um 11:10 Uhr auf einer öffentlichen Verkehrsfläche Passanten angesprochen hätten und um Mitglieder für O P geworben hätten und somit die öffentliche Verkehrsfläche benützt worden sei, ohne dass hierfür die Zustimmung der Straßenverwaltung vorgelegen habe, obwohl jede Benützung von Straßen zu einem anderen als dem bestimmungsgemäßen Zweck der Zustimmung der Straßenverwaltung bedürfe.

2.2. In rechtlicher Hinsicht wird in der Begründung der Straferkenntnisse im Wesentlichen jeweils ausgeführt, dass der bestimmungsgemäße Zweck einer öffentlichen Straße gemäß § 2 Abs 1 Stmk LStVG in der uneingeschränkten Nutzung einer dem dringenden Verkehrsbedürfnis dienenden Straße mit öffentlichem Verkehr liege. Als Bestandteil der öffentlichen Straßen im Sinne dieses Gesetzes gälten u.a. die unmittelbar dem Verkehr dienenden Flächen, wie Fahrbahnen, Gehsteige, Gehwege, Radwege, Radfahrstreifen, Geh- und Radwege und Parkflächen. Beim gegenständlichen Tatort handle es sich um eine Gemeindestraße, welche eine öffentliche Straße iSd Stmk LStVG sei, was sich aus § 7 Abs 1 Z 4 Stmk LStVG ergebe. Konkret handle sich um eine Fußgängerzone, welche auch als Bestandteil der öffentlichen Straße gelte. Nach § 5 Stmk LStVG sei die bestimmungsgemäße Benützung einer öffentlichen Straße zum Verkehr jedermann gestattet und dürfe auch von niemandem eigenmächtig behindert werden. Bei dem gegenständlichen Ort handle es sich zweifelsfrei um eine Fußgängerzone, die dem Fußgängerverkehr diene. Es handle sich hier um eine dicht frequentierte Fußgängerzone. Das dringende Verkehrsbedürfnis in einer Fußgängerzone sei somit der ungehinderte, sichere, leichte und flüssige Fußgängerverkehr. Die Mitarbeiter der Beschuldigten hätten zur genannten Zeit am genannten Ort Passanten angesprochen und interessierte Personen als Mitglieder geworben und somit sogenannte Förderwerbung betrieben. Diese umfasse die Gewinnung von Mitgliedern und Fördermitgliedschaften von gemeinnützigen Organisationen im öffentlichen Raum. Die Mitarbeiter der Beschuldigten hätten keinen festen Standort gehabt und auch keine festen Verkaufs- bzw. Werbestände aufgestellt. Die Förderwerbung sei durch die Mitarbeiter zu Fuß und ausschließlich unter Verwendung von Hilfsmitteln betrieben worden, welche in der Hand gehalten worden seien. Bei der Vornahme von Förderwerbung müsse nicht erst eine konkrete Beeinträchtigung des Fußgängerverkehrs zu einer Pflicht zur Zustimmung der Straßenverwaltung nach § 54 Abs 1 Stmk LStVG führen, sondern bereits die abstrakte Eignung zu einer solchen Beeinträchtigung. Eine solche abstrakte Eignung sei zweifellos bereits gegeben, wenn die beschriebene Werbeaktion in einer Fußgängerzone über einen nicht unwesentlichen Zeitraum durchgeführt werde. Durch das Aufhalten der Passanten und Fußgänger sei die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Fußgängerverkehrs nicht mehr gewährleistet. Auch wenn zum gegenständlichen Tatzeitpunkt keine konkrete Beeinträchtigung vorgelegen sei, sei diese durch die Vornahme der Förderwerbung jedenfalls abstrakt gegeben. Dies ergebe sich schon allein daraus, dass sich zum angeführten Zeitpunkt drei Mitarbeiter an derselben Örtlichkeit aufgehalten hätten und diese somit gleichzeitig Passanten ansprechen und aufhalten hätten können, sodass – auch wenn die Fußgängerzone eine gewisse Breite aufweise – ein ungehindertes Vorbeigehen der anderen Fußgänger nicht mehr uneingeschränkt möglich gewesen wäre. Im Stmk LStVG finde sich kein Ausnahmetatbestand, welcher von der Zustimmung der Straßenverwaltung befreie, so wie § 82 Abs 3 StVO dies vorsehe. Dadurch, dass die Förderwerbung in der Fußgängerzone am angeführten Ort durch die Mitarbeiter der Beschuldigten keinen bestimmungsgemäßen Zweck iSd Stmk LStVG darstelle, sei der objektive Tatbestand des § 54 Abs 1 Stmk LStVG erfüllt. Die StVO gehe im konkreten Fall dem Stmk LStVG auch nicht vor. Da sich diese nicht widersprächen, könnten diese nebeneinander bestehen. Eine straßenverkehrsrechtliche Bewilligung ersetze eine allenfalls erforderliche Zustimmung des Straßenhalters nicht.

2.3. Zum Ausmaß des Verschuldens wird in der Begründung der Straferkenntnisse festgehalten, dass gemäß § 5 VStG zur Strafbarkeit bereits fahrlässiges Verhalten genüge. Den Beschuldigten wäre es zumutbar gewesen, sich gesetzeskonform zu verhalten. Die Beschuldigten hätten den im Spruch angeführten Tatbestand objektiv und subjektiv zu verantworten. Zur Strafbemessung wird in den Straferkenntnissen ausgeführt, dass die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nicht bekannt gegeben worden seien bzw. keine Dokumente vorgelegt worden seien, sodass eine Einschätzung vorgenommen werden habe müssen. Die verhängte Geldstrafe befinde sich im unteren Bereich des Strafrahmens und wäre daher auch unterdurchschnittlichen persönlichen Verhältnissen angepasst. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

3. Gegen diese beiden Straferkenntnisse richten sich die fristgerecht erhobenen Beschwerden, in denen die Beschwerdeführer im Wesentlichen ausführen, dass das Stmk LStVG wegen eines Widerspruchs zur StVO auf den vorliegenden Sachverhalt nicht angewendet werden hätte dürfen. Zudem sei keine bestimmungswidrige Benützung vorgelegen, da zu keiner Zeit auch nur abstrakt die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Fußgängerverkehrs auf der 740 m² großen Fläche gefährdet gewesen sei. Schließlich werden in den Beschwerden die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie auf Behebung des Straferkenntnisses gestellt.

4. Am 15.07.2022 fand vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark eine mündliche Verhandlung statt, bei der die rechtliche Vertreterin der Beschwerdeführer anwesend war. Im Anschluss an die Verhandlung erfolgte die mündliche Verkündung des Erkenntnisses.

5. Die Beschwerdeführer stellten fristgerecht einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses.

II.      Sachverhalt:

Drei Mitarbeiter der Firma G H GmbH, nämlich I J, K L und M N, betrieben zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt des 13.11.2020 um 11:10 Uhr am vorgeworfenen Tatort mit der Adresse Hplatz, G im östlichen Bereich des Hauptplatzes zwischen Rhaus und Ebrunnen ohne Zustimmung der Stadt Graz als Straßenverwalterin sogenannte Förderwerbung, indem sei Passanten ansprachen und um die Gewinnung von Fördermitgliedschaften von gemeinnützigen Organisationen warben. Sie hatten dabei keinen festen Standort und hatten auch keine festen Verkaufs- bzw. Werbeständer aufgestellt.

Beim Grazer Hauptplatz handelt es sich um eine Gemeindestraße und eine Fußgängerzone.

Die Beschwerdeführer sind und waren auch zum Tatzeitpunkt selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführer der G H GmbH.

III.    Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt, insbesondere der Anzeige vom 13.11.2020 und der Korrespondenz der PI Sgasse mit einer Mitarbeiterin der Firma G H GmbH, und wird durch die Beschwerdeführer nicht bestritten.

Dass es sich beim Tatort am Grazer Hauptplatz um eine Gemeindestraße und eine Fußgängerzone handelte, hat eine Einsicht in den öffentlich abrufbaren, digitalen Atlas der Steiermark (webGIS Steiermark) bestätigt und wird durch die Beschwerdeführer nicht bestritten.

Dass die Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführer der G H GmbH waren und nach wie vor sind, ergibt sich aus dem öffentlich abrufbaren Firmenbuch.

IV.      Rechtsgrundlagen:

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964 (Stmk LStVG), LGBl. Nr. 59/1995 in seiner zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung LGBl. Nr. 137/2016 (Stmk LStVG), lauten:

„§ 5

Gemeingebrauch

Die bestimmungsgemäße Benützung einer öffentlichen Straße zum Verkehr ist jedermann gestattet und darf von niemandem eigenmächtig behindert werden.

[…]

VII. Abschnitt

Allgemeine und Schlußbestimmungen

§ 54

Besondere Inanspruchnahme

(1) Jede Benützung von Straßen und der dazugehörigen Anlagen (§ 10) für einen anderen als den bestimmungsgemäßen Zweck bedarf der Zustimmung der Straßenverwaltung. Durch die besondere Inanspruchnahme der Straße auf Grund einer solchen Bewilligung kann ein dingliches Recht nicht ersessen werden.

(2) Die mit der Bewilligung zur Straßenbenützung verbundenen Verpflichtungen gehen auf den jeweiligen Benützer der Liegenschaft oder Anlage, zu deren Gunsten sie erteilt wurde, über. Mehrere Verpflichtete haften zur ungeteilten Hand.

[…]

§ 56

Strafbestimmungen

(1) Die Übertretungen der §§ 5, 24 bis 26, 52, 54 und 55 sind als Verwaltungsübertretungen von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu EUR 2.180,–, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 6 Wochen, zu bestrafen. Die einfließenden Strafgelder kommen der Straßenverwaltung zur Verwendung für Straßenzwecke zu.

(2) Die Strafbarkeit nach § 55 ist jedoch nur dann gegeben, wenn der Schaden vorsätzlich oder in einem erheblichen Ausmaß verursacht wurde.“

V.       Rechtliche Beurteilung:

1. Wie oben festgestellt, ist der Grazer Hauptplatz eine Gemeindestraße und stellt als Fußgängerzone unbestritten eine öffentliche Straße iSd § 2 Abs 1 LStVG dar, weil unter diese Begriffsbestimmung sämtliche Flächen fallen, die dem öffentlichen fließenden oder ruhenden Verkehr, also etwa auch dem Fußgänger- oder Radverkehr dienen (vgl. Dworak/Eisenberger (Hrsg), Steiermärkisches Landes-Straßenverwaltungsgesetz, § 2 Rz. 2 und 3).

2. Wie oben ausgeführt, bestreiten die Beschwerdeführer auch nicht, dass drei Mitarbeiter der Firma G H GmbH ohne Zustimmung der Stadt Graz als Straßenverwalterin zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt am vorgeworfenen Tatort sogenannte Förderwerbung betrieben, somit Passanten ansprachen und um die Gewinnung von Fördermitgliedschaften von gemeinnützigen Organisationen warben. Sie hatten dabei keinen festen Standort und hatten auch keine festen Verkaufs- bzw. Werbeständer aufgestellt. Die Beschwerdeführer sind somit im Recht, wenn sie vermeinen, dass der Ausnahmetatbestand des § 82 Abs 3 lit. a StVO erfüllt sei, weil die Mitgliederwerbung ohne festen Standort erfolgt sei, und somit keine Übertretung des § 82 Abs 1 StVO vorliege.

3. Allerdings verkennt das Beschwerdevorbringen, dass das Vorliegen des Ausnahmetatbestands des § 82 Abs 3 lit. a StVO für die Strafbarkeit nach § 54 Stmk LStVG keine Relevanz hat: Bei der Bestimmung des § 82 Abs 1 StVO geht es darum, dass vor der Benützung von Straßen mit öffentlichem Verkehr zu verkehrsfremden Zwecken eine im Wege der Hoheitsverwaltung zu erteilende bescheidmäßige Bewilligung einzuholen ist, während nach der Bestimmung des § 54 Stmk LStVG eine im Wege der Privatwirtschaftsverwaltung zu erteilende Zustimmung des Straßenverwalters einzuholen ist, wenn eine öffentliche Straße nach dem Stmk LStVG für einen anderen als den bestimmungsgemäßen Zweck verwendet wird. Wird die Zustimmung erteilt, kommt es zwischen Straßenverwaltung und Antragsteller zum Abschluss einer zivilrechtlichen Vereinbarung. Grundsätzlich ist die privatwirtschaftlich handelnde Straßenverwaltung verpflichtet, grundrechtskonform vorzugehen und die Zustimmung zur Sondernutzung zu erteilen, wenn öffentliche oder private Interessen nicht entgegenstehen (VfGH 29.09.2008, B 2355/07; vgl. auch Dworak/Eisenberger (Hrsg), Steiermärkisches Landes-Straßenverwaltungsgesetz, § 54 Rz. 5).

4.1. Somit widerspricht das Stmk LStVG auch nicht der StVO, verfolgen diese doch vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Kompetenztatbestände (Art 11 Abs 1 Z 4
B-VG: Straßenpolizei als Gesetzgebungskompetenz des Bundes; Art 15 B-VG: Belange der Landes- und Gemeindestraßen als Landeskompetenz) unterschiedliche Zwecke. Während die Bestimmungen der StVO über die verkehrsfremde Nutzung nach der StVO kompetenzgemäß die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zum Zweck haben, beziehen sich die landesstraßenverwaltungsrechtlichen Bestimmungen auf den Schutz der Straße selbst.

4.2. Somit wären bei Erfüllung der Bewilligungspflicht einer Straßennutzung sowohl nach § 82 Abs 1 StVO als auch nach § 54 Stmk LStVG einerseits die bescheidmäßige Bewilligung nach der StVO und andererseits die privatrechtlich zu erteilende Zustimmung des Straßenverwalters nach dem Stmk LStVG einzuholen. Würden die Bewilligung nach der StVO und die Zustimmung nach dem Stmk LStVG für die nach beiden Gesetzen bewilligungspflichtige Nutzung nicht eingeholt, wären auch zwei Strafen zu verhängen und läge diesfalls keine unzulässige Doppelbestrafung vor (vgl. VwGH 17.11.1995, 95/02/0222).

5. Die in den angefochtenen Straferkenntnissen angeführte verletzte Verwaltungsvorschrift des § 54 Abs 1 Stmk LStVG normiert, dass jede Benützung von Straßen und der dazugehörigen Anlagen (§ 10) für einen anderen als den bestimmungsgemäßen Zweck der Zustimmung der Straßenverwaltung bedarf.

6. Gemäß § 5 Stmk LStVG ist die bestimmungsgemäße Benützung einer öffentlichen Straße zum Verkehr, der sogenannte Gemeingebrauch, jedermann gestattet und darf von niemandem eigenmächtig behindert werden. Eine darüber hinaus gehende Definition des Gemeingebrauchs enthält das Stmk LStVG nicht. Es ist herrschende Auffassung, dass man unter dem Gemeingebrauch die Benützung einer Straße zum Verkehr durch jedermann unter den gleichen Bedingungen ohne behördliche Bewilligung und unabhängig vom Willen des über den Straßengrund Verfügungsberechtigten versteht (OGH 23.04.1968, 4 Ob 523/68, SZ 41/48 u.a.). Als Verkehr im Rahmen des Gemeingebrauchs ist eine Tätigkeit anzusehen, die dazu dient, eine Ortsveränderung von Personen oder Sachen zu verwirklichen, unabhängig davon, zu welchem Zweck dies geschieht. Der Umfang des Verkehrs kann demgemäß sehr vielfältig sein und hängt von den technischen Mitteln ab, mit denen der Verkehr erfolgt. Zum Verkehr gehören also das Gehen, das Reiten, das Fahren mit Fahrrädern, Fuhrwerken, Kraftfahrzeugen, das Treiben von Vieh, das Tragen von Lasten oder deren Beförderung mit Karren usw. Alle diese Tätigkeiten können wieder in sehr unterschiedlichen Formen (Gehen-Stehen; Fahren-Halten-Parken) und zu den unterschiedlichsten Zwecken ausgeübt werden; entscheidend ist jedoch immer, dass der Hauptzweck dieser Tätigkeit die Ortsveränderung von Personen oder Sachen ist. Ein Gemeingebrauch kann darüber hinaus auch nur insoweit bestehen, als er den gleichen Gebrauch seitens aller Berechtigter nicht hindert.

7. Demgegenüber ist die Sondernutzung jede nicht unter den Gemeingebrauch fallende Benützung einer Straße. Erst bei einer derartigen Straßennutzung, die über den „normalen“ Verkehrszweck hinausgeht, sei es quantitativ oder qualitativ, entsteht die Pflicht zur Einholung der privatrechtlichen Zustimmung des Straßenerhalters (vgl. VfGH 03.03.2001, KI – 2/99, Slg 16.104/2001).

8.1. Nach der Judikatur bedarf die Benützung einer öffentlichen Straße zur Werbung der in den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung fallenden Bewilligung der Straßenverwaltung (OGH 18.04.1979, 1 Ob 578/79, SZ 52/62), da es sich bei dem Werbezweck um einen verkehrsfremden Zweck, mithin um einen anderen Zweck als zum Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr, handelt. Ohne privatrechtliche Bewilligung durch die Straßenverwaltung ist damit das Werben auf öffentlichen Straßen untersagt.

8.2. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob die Benützung zu Werbezwecken eine vorübergehende oder eine dauernde ist. Auch geringfügige Sondernutzungen einer öffentlichen Straße ohne Zustimmung sind unzulässig (OGH 10.11.1976, 1 Ob 739/76, SZ 49/132 u.a.); dies gilt nicht nur für den örtlichen Umfang der Sondernutzung, sondern auch für den zeitlichen (OGH 18.04.1979, 1 Ob 578/79, SZ 52/62). Entscheidend ist somit – entgegen dem Beschwerdevorbringen – auch nicht, ob der Fußgängerverkehr beeinträchtigt werden kann, sondern einzig, dass es sich bei der Benützung einer öffentlichen Straße zu Werbezwecken um einen in qualitativer Hinsicht verkehrsfremden Zweck handelt.

9. Nach der Judikatur handelt es sich etwa beim Verkauf von Eintrittskarten auf Straßen oder bei der Verteilung von Werbematerial – auch ohne festen Standplatz – um eine Benützung einer öffentlichen Straße zu verkehrsfremden Zwecken (vgl. OGH 26.02.1998, 6 Ob 370/97y und VwGH 28.02.1986, 85/18/0338, VwSlg. 12.059 A/1986), die gemäß § 54 Abs 1 Stmk LStVG der Zustimmung des Straßenverwalters bedarf. Dasselbe muss für den vorliegenden Fall der Förderwerbung gelten, weil es sich bei der Benützung einer Straße zu Werbezwecken um einen in qualitativer Hinsicht verkehrsfremden Zweck handelt und auch geringfügige Sondernutzungen von öffentlichen Straßen der privatrechtlichen Zustimmung der Straßenverwaltung bedürfen.

10.1. Da zum Tatbestand der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, und über das Verschulden in den betreffenden Verwaltungsvorschriften keine Bestimmung enthalten ist, handelt es sich bei dieser Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs 1 VStG. Bei Ungehorsamsdelikten hat der Beschuldigte die von ihm behauptete Schuldlosigkeit glaubhaft zu machen und dabei initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Auch liegt kein Rechtfertigungsgrund vor, ist im Verfahren doch nicht hervorgekommen, dass die Beschwerdeführer als Geschäftsführer etwa um Zustimmung der Straßenverwaltung angesucht hätten und diese zu Unrecht verweigert worden wäre (vgl. dazu Dworak/Eisenberger (Hrsg), Steiermärkisches Landes-Straßenverwaltungsgesetz, § 54 Rz. 9).

10.2. Da für die Strafbarkeit im vorliegenden Fall gemäß § 5 Abs 1 VStG fahrlässiges Verhalten genügt und die Beschwerdeführer nichts vorgebracht haben, das glaubhaft macht, dass sie als jeweils selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführer und somit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche iSd § 9 Abs 1 VStG des Unternehmens, das die Förderwerbeaktion ohne Zustimmung der Straßenverwaltung durchgeführt hat, kein Verschulden an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift trifft, wurde die Verwaltungsübertretung auch subjektiv verwirklicht.

Zur Strafbemessung:

11. Gemäß § 56 Abs 1 LStVG sind Verstöße gegen § 54 Abs 1 LStVG als Verwaltungsübertretungen von den Bezirksverwaltungsbehörden mit einer Geldstrafe bis zu € 2.180,00, im Uneinbringlichkeitsfall mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

12. Somit liegen die Verwaltungsstrafen noch nicht einmal bei 10 % der maximal zulässigen Strafhöhe und sind vor dem Hintergrund einer mit einem statistischen Durchschnittseinkommen einzuschätzenden (vgl. z.B. VwGH 31.01.2012, 2009/05/0123; 27.04.2000, 98/10/0003) Einkommenshöhe mit einem Nettomonatseinkommen von € 1.800,00 – auch unter Berücksichtigung des Milderungsgrunds der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit – jedenfalls tat- und schuldangemessen. Auch die verhängten Ersatzfreiheitsstrafen sind schuld- und tatangemessen und stehen zu den verhängten Geldstrafen nicht außer Verhältnis.

13. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 VwGVG. Gemäß § 9 Abs 7 VStG, der gemäß § 38 VwGVG auch auf das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren anwendbar ist, haftet die G H GmbH für die über die Beschwerdeführer verhängten Geldstrafen und die Verfahrenskosten sowohl des behördlichen als auch des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zur ungeteilten Hand.

Die Beschwerden sind daher abzuweisen.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Begriffsbestimmung, öffentliche Straße, Fußgängerzone, Grazer Hauptplatz, Flächen mit öffentlichem fließenden oder ruhenden Verkehr, öffentliche Straße, Unterscheidung, Privatwirtschaftsverwaltung, bestimmungsgemäßer Zweck, Zustimmung des Straßenverwalters, Hoheitsverwaltung, bescheidmäßige Bewilligung, zivilrechtliche Vereinbarung, Straßenverkehrsordnung 1960, verkehrsfremde Nutzung, Zweck der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, Steiermärkisches Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1964, Zweck des Schutzes der Straße

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGST:2022:LVwG.30.4.2695.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
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